Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. 5 StR 143/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5923

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5 [X.]/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 14. Mai
2013
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 14. Mai
2013
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 13. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs.
4 [X.] mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückver-wiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperver-letzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Folgendes Geschehen liegt zugrunde:

a) Die [X.] hat einen Beweisantrag der Verteidi-gung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Mit diesem hatte der Angeklagte unter anderem die Vernehmung der Zeugin Z.

zum Beweis der Tatsache begehrt, dass die Zeugin [X.]

, die Freundin des Angeklagten, ihr am Morgen nach der Tatnacht

in Übereinstimmung mit späteren Angaben gegenüber der Polizei

von dem Tatgeschehen berichtet und hierbei kundgetan habe, der Angeklagte sei von den Zeugen A.

und B.

angegriffen worden, habe sich rückwärts von diesen wegbewegt und die ihn weiter verfolgenden Zeugen aufgefordert, sich ihm nicht weiter zu 1
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nähern. Er habe dabei mit einem abgebrochenen Flaschenhals in der Hand wild um sich geschlagen und gestikuliert. Der Zeuge B.

habe sich gleichwohl weiter genähert und sei schließlich vom Angeklagten am Hals getroffen worden.

b) Zur Begründung der Ablehnung dieses Beweisantrags hat das [X.] ausgeführt, es halte die Einvernahme der Zeugin Z.

zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin [X.]

für nicht erforderlich. Falls die Zeugin Z.

inhaltlich die Angaben der Zeugin [X.]

gegenüber der Polizei wiedergebe, wäre als weitergehender [X.] lediglich festzustellen, dass die Zeugin [X.]

innerhalb von ca. zwei Wochen zwei gleichlautende Aussagen getroffen habe. Die [X.] habe die Zeugen F.

(den Polizeibeamten, der im [X.] die Zeugin [X.]

vernommen hatte) und [X.]

bereits ver-nommen. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen treffe die Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme. Im Urteil hat die [X.] die die Einlassung des Angeklagten stützende Aussage der Zeugin [X.]

als unglaubhaft bewertet und insoweit unter anderem ausgeführt, die Zeugin habe zwischen dem Abtauchen des Ange-klagten und ihrem eigenen Verschwinden am 2. Dezember 2011 (dem [X.]) bis zu ihrer
Vernehmung am 17. Dezember 2011 genügend [X.] gehabt, ihre Aussage mit derjenigen des Angeklagten abzustimmen ([X.] 25).

2. Diese Ausführungen halten
rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Bereits die Begründung, mit der das [X.] den auf eine [X.] gerichteten Beweisantrag abgelehnt hat, genügt nicht den insoweit bestehenden Anforderungen. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der [X.] abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der [X.] keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich 4
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denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz-
oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftli-chen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungs-bildung ohne Einfluss blieb. Dies nötigt zu einer Einfügung der Beweistatsa-che in das bisher gewonnene Beweisergebnis ([X.], Beschluss vom 27. No-vember 2012

5 [X.] mwN). Das [X.] hätte sich daher in der Beschlussbegründung ausdrücklich damit auseinandersetzen müssen, wes-halb der für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit jedenfalls nicht von [X.] unerhebliche Umstand der Übereinstimmung kurz nach der Tat gegen-über einer Bekannten getätigter Angaben mit einer zwei Wochen später statt-findenden Aussage bei der Polizei im konkreten Fall keinen Einfluss auf die Bewertung der das Tatgeschehen weitgehend im Einklang mit der [X.] darstellenden Angaben der Zeugin [X.]

haben kann, sei es, weil es der Zeugin ohnehin Glauben schenkt, sei es, weil es deren Angaben auch bei einer zu unterstellenden Richtigkeit der Beweisbe-hauptung aus bestimmten Gründen als unglaubhaft bewerten würde. [X.] erweckt die Beschlussbegründung den Eindruck, das [X.] halte den

tatsächlich bestehenden

Zusammenhang der [X.] mit dem Gegenstand der Urteilsfindung nicht für gegeben.

b) Ob dieser Begründungsmangel im vorliegenden Fall bereits für sich genommen geeignet wäre, die Revision des Angeklagten zu begründen, kann indessen letztlich dahinstehen, da sich die Ablehnung des [X.] jedenfalls aus einem anderen Grund als rechtsfehlerhaft erweist.

An der dem Ablehnungsbeschluss zugrunde liegenden Annahme tat-sächlicher Bedeutungslosigkeit der [X.] muss sich das Gericht festhalten lassen; es darf sich nicht im Urteil zu der Ablehnungsbegründung in Widerspruch setzen, insbesondere die Urteilsgründe nicht auf das Gegen-teil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen ([X.], Beschlüsse vom
27.
November 2012

5 [X.]

und vom 20. Juli 2010

3 StR 250/10, [X.], 466; Urteil vom 19. September 2007

2 [X.],
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StraFo 2008, 29; Beschluss vom 20. August 1996

4 [X.], [X.]R [X.] §
244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22). Indem die [X.] die die Einlassung des Angeklagten bestätigende Aussage der Zeugin [X.]
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unter anderem mit der Begründung als unglaubhaft bewertet hat, die Zeugin habe zwischen dem Abtauchen des Angeklagten und ihrem eigenen Verschwinden am 2. Dezember 2011 bis zu ihrer Vernehmung am 17. [X.] genügend [X.] gehabt, ihre Aussage mit derjenigen des Ange-klagten abzustimmen, hat sie jedoch einen mit der im Ablehnungsbeschluss als bedeutungslos erachteten Tatsache unvereinbaren Umstand zur Stüt-zung seiner Überzeugung herangezogen. Hätte die Zeugin [X.]

nämlich bereits am Morgen nach der Tat identische Angaben gemacht, könnte nicht auf den im Urteil genannten für eine Abstimmung der Aussagen zur Verfü-gung stehenden [X.]raum von zwei Wochen abgestellt werden, sondern le-diglich auf einen solchen von wenigen Stunden, in dem der Angeklagte und die Zeugin noch unmittelbar unter dem Eindruck des Erlebten gestanden ha-ben dürften und eine polizeiliche Aussage noch nicht unmittelbar bevorstand.

c) Auf dem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Zwar führt das [X.] noch weitere Gründe für die [X.] der Angaben der Zeugin [X.]

an. Das Abstellen auf den zur Abstimmung der Aussage zur Verfü-gung stehenden [X.]raum kann gleichwohl nicht als die Entscheidung nicht tragende Hilfserwägung verstanden werden. Vielmehr kann nicht ausge-schlossen werden, dass die [X.] unter Berücksichtigung einer inhalt-lich deckungsgleichen Schilderung [X.]

s bereits am Morgen nach der Tat insoweit zu einem anderen Ergebnis gelangt und die Aussage der Zeugin sowie die durch sie gestützte Einlassung des Angeklagten anders bewertet und im Ergebnis abweichende tatsächliche Feststellungen getroffen hätte.

d) Dieser Rechtsfehler nötigt zur umfassenden Aufhebung des Urteils. Zwar lässt die in der Hauptverhandlung abgegebene Einlassung des Ange-klagten einen die Voraussetzungen des § 32 StGB erfüllenden unmittelbar bevorstehenden Angriff der Zeugen A.

und B.

nicht erkennen, so 9
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dass ihr entsprechende Feststellungen entgegen der Ansicht der Revision dem Schuldspruch nicht ohne weiteres die Grundlage entzögen. Es ist dem Revisionsgericht jedoch verwehrt, die rechtsfehlerhaft zustande gekomme-nen Feststellungen des Tatgerichts durch anderweitige zu ersetzen.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Notwendigkeit und der Umfang der Wiedergabe von Zeugen-aussagen und der Auseinandersetzung mit ihnen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls (näher [X.] in KK, [X.], 6. Aufl.,
§ 267 Rn.
15 mwN). So muss etwa die Entwicklung einer Zeugenaussage in der Beweiswürdigung dann nicht abgehandelt werden, wenn dieser Gesichts-punkt zur Überzeugung der [X.] geklärt ist und das Urteil selbst von Widersprüchen oder Lücken frei ist ([X.], Urteil vom 27. Juli 2005

2 [X.], [X.], 55). Das neue Tatgericht wird sich jedoch einge-hender als bisher geschehen mit den verschiedenen Zeugenaussagen aus-einanderzusetzen haben, die im angefochtenen Urteil zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten herangezogen worden sind. Dies gilt insbeson-dere vor dem Hintergrund, dass etwa die im Urteil wiedergegebenen [X.] der Zeuginnen Bü.

und Al.

in Teilbereichen inhaltlich nicht mit den Feststellungen des [X.]s in Einklang stehen.

b) Die im Urteil vorgenommene
Trinkmengenberechnung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. zur Berechnung König in LK, 12.
Aufl.,
§ 316 Rn.
37
ff.).

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4. Der Senat verweist die Sache

[X.]

an eine andere [X.] des [X.] zurück (§ 71 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 [X.]).

Raum

Sander

Schneider

König

Bellay

14

Meta

5 StR 143/13

14.05.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. 5 StR 143/13 (REWIS RS 2013, 5923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5923

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5 StR 143/13

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