Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.05.2013, Az. 5 StR 143/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5968

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Gegenstand

Strafverfahren: Urteilsgründe widersprechen der Ablehnung eines Beweisantrages


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

1. Folgendes Geschehen liegt zugrunde:

3

a) Die [X.] hat einen Beweisantrag der Verteidigung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Mit diesem hatte der Angeklagte unter anderem die Vernehmung der Zeugin [X.] zum Beweis der Tatsache begehrt, dass die Zeugin [X.].    , die Freundin des Angeklagten, ihr am Morgen nach der Tatnacht - in Übereinstimmung mit späteren Angaben gegenüber der Polizei - von dem Tatgeschehen berichtet und hierbei kundgetan habe, der Angeklagte sei von den [X.]    angegriffen worden, habe sich rückwärts von diesen wegbewegt und die ihn weiter verfolgenden Zeugen aufgefordert, sich ihm nicht weiter zu nähern. Er habe dabei mit einem abgebrochenen Flaschenhals in der Hand wild um sich geschlagen und gestikuliert. Der Zeuge B.    habe sich gleichwohl weiter genähert und sei schließlich vom Angeklagten am Hals getroffen worden.

4

b) Zur Begründung der Ablehnung dieses Beweisantrags hat das [X.] ausgeführt, es halte die Einvernahme der Zeugin [X.]zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin [X.].    für nicht erforderlich. Falls die Zeugin [X.] inhaltlich die Angaben der Zeugin [X.].    gegenüber der Polizei wiedergebe, wäre als weitergehender Erkenntnisgewinn lediglich festzustellen, dass die Zeugin [X.].   innerhalb von ca. zwei Wochen zwei gleichlautende Aussagen getroffen habe. Die [X.] habe die Zeugen F.    (den Polizeibeamten, der im Ermittlungsverfahren die Zeugin [X.].    vernommen hatte) und [X.].    bereits vernommen. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen treffe die Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme. Im Urteil hat die [X.] die die Einlassung des Angeklagten stützende Aussage der Zeugin [X.].    als unglaubhaft bewertet und insoweit unter anderem ausgeführt, die Zeugin habe zwischen dem Abtauchen des Angeklagten und ihrem eigenen Verschwinden am 2. Dezember 2011 (dem Tattag) bis zu ihrer Vernehmung am 17. Dezember 2011 genügend [X.] gehabt, ihre Aussage mit derjenigen des Angeklagten abzustimmen (UA S. 25).

5

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

6

a) Bereits die Begründung, mit der das [X.] den auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrag abgelehnt hat, genügt nicht den insoweit bestehenden Anforderungen. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der [X.] abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der [X.] keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb. Dies nötigt zu einer Einfügung der [X.] in das bisher gewonnene Beweisergebnis ([X.], Beschluss vom 27. November 2012 - 5 [X.] mwN). Das [X.] hätte sich daher in der Beschlussbegründung ausdrücklich damit auseinandersetzen müssen, weshalb der für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit jedenfalls nicht von vornherein unerhebliche Umstand der Übereinstimmung kurz nach der Tat gegenüber einer Bekannten getätigter Angaben mit einer zwei Wochen später stattfindenden Aussage bei der Polizei im konkreten Fall keinen Einfluss auf die Bewertung der das Tatgeschehen weitgehend im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten darstellenden Angaben der Zeugin [X.].    haben kann, sei es, weil es der Zeugin ohnehin Glauben schenkt, sei es, weil es deren Angaben auch bei einer zu unterstellenden Richtigkeit der Beweisbehauptung aus bestimmten Gründen als unglaubhaft bewerten würde. Demgegenüber erweckt die Beschlussbegründung den Eindruck, das [X.] halte den - tatsächlich bestehenden - Zusammenhang der [X.] mit dem Gegenstand der Urteilsfindung nicht für gegeben.

7

b) Ob dieser Begründungsmangel im vorliegenden Fall bereits für sich genommen geeignet wäre, die Revision des Angeklagten zu begründen, kann indessen letztlich dahinstehen, da sich die Ablehnung des Beweisantrags jedenfalls aus einem anderen Grund als rechtsfehlerhaft erweist.

8

An der dem Ablehnungsbeschluss zugrunde liegenden Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der [X.] muss sich das Gericht festhalten lassen; es darf sich nicht im Urteil zu der Ablehnungsbegründung in [X.]derspruch setzen, insbesondere die Urteilsgründe nicht auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen ([X.], Beschlüsse vom 27. November 2012 - 5 [X.] - und vom 20. Juli 2010 - 3 StR 250/10, [X.], 466; Urteil vom 19. September 2007 - 2 [X.], [X.], 29; Beschluss vom 20. August 1996 - 4 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22). Indem die [X.] die die Einlassung des Angeklagten bestätigende Aussage der Zeugin [X.].    - unter anderem mit der Begründung als unglaubhaft bewertet hat, die Zeugin habe zwischen dem Abtauchen des Angeklagten und ihrem eigenen Verschwinden am 2. Dezember 2011 bis zu ihrer Vernehmung am 17. Dezember 2011 genügend [X.] gehabt, ihre Aussage mit derjenigen des Angeklagten abzustimmen, hat sie jedoch einen mit der im Ablehnungsbeschluss als bedeutungslos erachteten Tatsache unvereinbaren Umstand zur Stützung seiner Überzeugung herangezogen. Hätte die Zeugin [X.].    nämlich bereits am Morgen nach der Tat identische Angaben gemacht, könnte nicht auf den im Urteil genannten für eine Abstimmung der Aussagen zur Verfügung stehenden [X.]raum von zwei Wochen abgestellt werden, sondern lediglich auf einen solchen von wenigen Stunden, in dem der Angeklagte und die Zeugin noch unmittelbar unter dem Eindruck des Erlebten gestanden haben dürften und eine polizeiliche Aussage noch nicht unmittelbar bevorstand.

9

c) Auf dem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Zwar führt das [X.] noch weitere Gründe für die [X.] der Angaben der Zeugin [X.].    an. Das Abstellen auf den zur Abstimmung der Aussage zur Verfügung stehenden [X.]raum kann gleichwohl nicht als die Entscheidung nicht tragende Hilfserwägung verstanden werden. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass die [X.] unter Berücksichtigung einer inhaltlich deckungsgleichen Schilderung [X.].    s bereits am Morgen nach der Tat insoweit zu einem anderen Ergebnis gelangt und die Aussage der Zeugin sowie die durch sie gestützte Einlassung des Angeklagten anders bewertet und im Ergebnis abweichende tatsächliche Feststellungen getroffen hätte.

d) Dieser Rechtsfehler nötigt zur umfassenden Aufhebung des Urteils. Zwar lässt die in der Hauptverhandlung abgegebene Einlassung des Angeklagten einen die Voraussetzungen des § 32 StGB erfüllenden unmittelbar bevorstehenden [X.]     und B.    nicht erkennen, so dass ihr entsprechende Feststellungen entgegen der Ansicht der Revision dem Schuldspruch nicht ohne weiteres die Grundlage entzögen. Es ist dem Revisionsgericht jedoch verwehrt, die rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Feststellungen des Tatgerichts durch anderweitige zu ersetzen.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Notwendigkeit und der Umfang der [X.]edergabe von Zeugenaussagen und der Auseinandersetzung mit ihnen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls (näher [X.] in KK, [X.], 6. Aufl., § 267 Rn. 15 mwN). So muss etwa die Entwicklung einer Zeugenaussage in der Beweiswürdigung dann nicht abgehandelt werden, wenn dieser Gesichtspunkt zur Überzeugung der [X.] geklärt ist und das Urteil selbst von [X.]dersprüchen oder Lücken frei ist ([X.], Urteil vom 27. Juli 2005 - 2 [X.], [X.], 55). Das neue Tatgericht wird sich jedoch eingehender als bisher geschehen mit den verschiedenen Zeugenaussagen auseinanderzusetzen haben, die im angefochtenen Urteil zur [X.]derlegung der Einlassung des Angeklagten herangezogen worden sind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass etwa die im Urteil wiedergegebenen Aussagen der Zeuginnen Bü.   und [X.].   in Teilbereichen inhaltlich nicht mit den Feststellungen des [X.]s in Einklang stehen.

b) Die im Urteil vorgenommene Trinkmengenberechnung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. zur Berechnung [X.] in [X.], 12. Aufl., § 316 Rn. 37 ff.).

4. Der Senat verweist die Sache - nach „Aufhebung“ des [X.]s Bautzen - an eine andere [X.] des [X.]s Görlitz zurück (§ 71 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 SächsJG).

Raum                         Sander                       Schneider

                [X.]                         [X.]

Meta

5 StR 143/13

14.05.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bautzen, 13. Dezember 2012, Az: 200 Js 13725/11 - 6 Ks

§ 244 Abs 3 S 2 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.05.2013, Az. 5 StR 143/13 (REWIS RS 2013, 5968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5968

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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