Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2014, Az. 3 StR 436/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6051

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Gegenstand

Strafurteil: Fehlerhafte Berücksichtigung einer Beweistatsache nach Ablehnung des entsprechenden Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Juni 2013, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Anstiftung zur Vergewaltigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen belästigte der Angeklagte die Geschädigte, indem er sie "sexuell-handgreiflich" berührte. Als sie ihn zurückstieß, ohrfeigte er sie. Dann führte er die Geschädigte in einen Raum und forderte sie zum Oralverkehr auf, was sie verweigerte. Daraufhin schlug der Angeklagte sie erneut und stieß sie auf ein Bett. Mit der Drohung, es werde sonst "etwas Schlimmes" passieren, zwang er sie, sich auszuziehen und entblößte sein Glied. Weil die Geschädigte ihn nun verspottete, gab er ihr erneut eine Ohrfeige, in deren Folge sie für kurze Zeit seiner wiederholten Aufforderung zum Oralverkehr nachkam. Schließlich setzte sich der Angeklagte auf die Geschädigte und übte mit ihr ungeschützt den Geschlechtsverkehr aus. Dem Angeklagten war bewusst, dass die Geschädigte diesen nur wegen der vorangegangenen Drohungen und der Schläge über sich ergehen ließ. Während die Geschädigte duschte, rief der Angeklagte entsprechend einer vorangegangenen Absprache den Mitangeklagten [X.]hinzu, dem er mitteilte, er könne mit der Frau machen, was er wolle. Auch [X.]vergewaltigte die Geschädigte in der Folge.

3

2. Mit einer - entgegen der Ansicht des [X.] zulässigen - Verfahrensrüge macht der Angeklagte als Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] unter anderem geltend, das [X.] habe sich in den Urteilsgründen in Widerspruch zu einem Beschluss gesetzt, mit dem es einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der [X.] abgelehnt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 20. August 1996 - 4 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22; Urteil vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, [X.], 267, 268; [X.]/Schmitt-[X.], [X.], 57. Aufl., § 244 Rn. 56 mwN). Die Beanstandung ist berechtigt.

4

Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

5

In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte die Vernehmung der Zeugin F.    zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die Geschädigte entgegen ihren Angaben beim Besuch eines Swingerclubs, zu dem sie den früheren - freigesprochenen - Mitangeklagten [X.]begleitet hatte, außer mit diesem auch mit [X.] Geschlechtsverkehr hatte. Diesen Antrag hat das [X.] abgelehnt, weil die Tatsache, die bewiesen werden solle, für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Es handele sich insoweit um eine "Indiztatsache", die, selbst wenn sie erwiesen werde, keine zwingenden, sondern nur mögliche Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Geschädigten zuließe; die Kammer wolle diese Schlüsse aber nicht ziehen.

6

Im Urteil hat das [X.] seinen Feststellungen im Wesentlichen die Aussage der Geschädigten zugrunde gelegt, die sie nach Einholung eines psychiatrischen sowie eines aussagepsychologischen Gutachtens als glaubhaft bewertet hat. Diese Bewertung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Geschädigte zu einer Vielzahl von Einzelheiten, die nicht unmittelbar das [X.] beträfen, unzuverlässige und zum Teil widersprüchliche Angaben gemacht habe. Denn sie habe auf wiederholte Vorhalte auch konstante und sichere Bekundungen abgeben können, so etwa zu dem Besuch im Swingerclub, zu dem sie stets ausgesagt habe, den Mitangeklagten [X.]dorthin zwar begleitet, dabei aber ausschließlich mit diesem sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Darüber hinaus wird bei der Wiedergabe des Gutachtens der aussagepsychologischen Sachverständigen, dem sich das [X.] angeschlossen hat, als ein für die Aussagequalität sprechendes Realkennzeichen gewertet, dass die Schilderungen der Geschädigten, sich in einem Swingerclub konsequent einer Beteiligung entzogen zu haben, detailreich und konstant seien. Damit ist das [X.] in seinem Urteil vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Behauptung ausgegangen und hat sich zudem zu seiner Bewertung im Ablehnungsbeschluss in Widerspruch gesetzt, es sei ohne Bedeutung, ob die Geschädigte in dem Swingerclub auch noch mit anderen Männern neben dem Zeugen [X.]sexuell verkehrt habe.

7

Auf diesem Fehler beruht die angefochtene Entscheidung, denn der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] ohne die widersprüchliche Würdigung der Beweisbehauptung zu einer abweichenden Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Geschädigten gelangt wäre.

8

3. Für die neue Verhandlung weist der [X.] auf Folgendes hin:

9

Anstiftung im Sinne des § 26 StGB ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Unter Bestimmen ist die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. Zwar genügt für die Anstiftung die Mitursächlichkeit der Willensbeeinflussung für das Verhalten des anderen. Ein zu einer konkreten Tat bereits Entschlossener ("omnimodo facturus") kann jedoch nicht mehr angestiftet werden; in einer Bestärkung seines Entschlusses kann lediglich eine (psychische) Beihilfe liegen (st. Rspr.; vgl. Urteil vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, [X.]St 45, 373, 374 mwN). Ob der Mitangeklagte [X.]vorliegend tatsächlich vom Angeklagten zur Vergewaltigung der Geschädigten bestimmt wurde oder bereits von vornherein hierzu entschlossen war, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht eindeutig entnehmen.

Becker                           Pfister                            Schäfer

                 Gericke                           Spaniol

Meta

3 StR 436/13

29.04.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 19. Juni 2013, Az: 30 KLs 2/11

§ 244 Abs 3 S 2 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 344 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2014, Az. 3 StR 436/13 (REWIS RS 2014, 6051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6051

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 132/18

3 StR 245/22

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