Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.12.2012, Az. VIII R 5/10

8. Senat | REWIS RS 2012, 771

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Verwertungsverbot - Rehabilitationsinteresse des Steuerpflichtigen - Verhältnismäßigkeit eines von der Steuerfahndung gestellten Auskunftsersuchens - Feststellungsinteresse i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO)


Leitsatz

1. Ein rechtswidriger Durchsuchungsbeschluss führt nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden .

2. Ein von der Steuerfahndung im steuerlichen Ermittlungsverfahren gestelltes Auskunftsersuchen ist rechtswidrig, wenn es den Eindruck erweckt, dass trotz der Einstellung des Strafermittlungsverfahrens weiter wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt werde, hierdurch das Ansehen des Steuerpflichtigen erheblich gefährdet wird und mit einem Auskunftsersuchen durch die Veranlagungsstelle ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hätte .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Jahren 1998 bis 2001 u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit für eine leitende Tätigkeit in einem eingetragenen Verein ([[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].]), die gemäß seiner Einkommensteuererklärung in folgender Höhe der Besteuerung zugrunde gelegt wurden: 1997: 15.233 DM, 1998: 20.793 DM, 1999: 10.871 DM, 2000: 19.297 DM, 2001: 21.647 DM.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]]--) leitete gegen den Kläger ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverkürzung ein.

3

Das Amtsgericht (AG) ordnete auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohnung des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].], der Geschäftsräume von Bankinstituten und des [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] an. Zur Vollziehung des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] wurde der Kläger von den Beamten des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] in seiner Wohnung aufgesucht. Nachdem sich der Kläger hinsichtlich des Vorwurfs der Steuerhinterziehung entlasten konnte, verzichteten die Vertreter des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] auf die Vollziehung des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]]. Der Kläger überließ dem [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] diverse Unterlagen zur weiteren Nachprüfung seiner Angaben, u.a. auch Kontoauszüge des [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].]. Bei deren Auswertung stellte das [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] fest, dass der Kläger in seinen Einkommensteuererklärungen die Einnahmen aus seiner Tätigkeit für den Verein in einer Größenordnung von 600 DM zu viel und bis 4.900 DM zu wenig erklärt hatte. Der Aufforderung des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]], eine Bescheinigung über sämtliche Konten beim [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] vorzulegen, kam der Kläger nicht nach.

4

Auf die Beschwerde des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] hob das [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].] die Durchsuchungsbeschlüsse des AG auf. Diese seien rechtswidrig, da ein gegen den Kläger gerichteter Anfangsverdacht hinsichtlich einer Steuerhinterziehung nicht bestanden habe. Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren gegen den Kläger nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) ein. Die Einstellung umfasste auch den Vorwurf der Einkommensteuerhinterziehung in Bezug auf die Einkünfte des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] aus seiner Tätigkeit für den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].]. Die Straf- und Bußgeldsachenstelle des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] teilte dem Kläger schriftlich mit, dass diesbezüglich auch keine leichtfertige Steuerverkürzung vorliege.

5

Danach forderte das [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] unter dem Briefkopf der Dienststelle für [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].] und Steuerfahndung auf, in dem steuerlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung [[[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].].]) i.V.m. §§ 93, 97 AO Auskunft darüber zu geben, welche Konten bzw. welche Verrechnungskonten in den Jahren 1998 bis 2001 für den Kläger geführt worden seien. Zudem forderte es den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] auf, für die festgestellten Geschäftsbeziehungen die entsprechenden Kontoverdichtungen vorzulegen, da die Unterlagen für das steuerliche Ermittlungsverfahren des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] benötigt würden.

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Den hiergegen vom Kläger eingelegten Einspruch wies das [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] als unbegründet zurück. Die Steuerfahndung sei gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. [[[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].].] auch für die Ermittlung unbekannter steuerlicher Sachverhalte zuständig. Für das Auskunftsersuchen bestehe auch ein hinreichender Anlass, denn aus den vom Kläger herausgegebenen Unterlagen des [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] ergebe sich eine Diskrepanz zu den von ihm erklärten Einkünften aus seiner Tätigkeit für den Verein, die der Aufklärung bedürfe. Das vom Kläger geltend gemachte Verwertungsverbot entfalte keine Fernwirkung in der Weise, dass die Erkenntnisse aus den herausgegebenen Unterlagen nicht als Anlass genutzt werden könnten, nunmehr auf verfahrensrechtlich zulässige Weise den relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Das Auskunftsersuchen sei auch ermessensgerecht. Es sei geeignet, die Höhe der Nebeneinnahmen des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] aus der Tätigkeit für den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] festzustellen. Es sei auch notwendig, weil der Kläger nicht zur Mitwirkung bereit sei. Verhältnismäßig sei es, weil nicht "ins Blaue hinein" ermittelt werde, sondern Auskünfte von der einzig denkbaren Auskunftsperson erbeten würden.

7

Der [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] übersandte dem [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] die angeforderten Unterlagen, aus denen sich keine weiteren Erkenntnisse ergaben.

8

Die von dem Kläger nach der Auskunftserteilung durch den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des [[[[[X.].].].].] hat das Finanzgericht ([[[[[X.].].].].]) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 551 veröffentlichtem Urteil abgewiesen.

9

Mit der Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das [[[[[X.].].].].] habe das aus der Aufhebung des rechtswidrigen [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] folgende qualifizierte materielle Verwertungsverbot verkannt. Da die Ermittlungen bewusst fehlerhaft durchgeführt worden seien, bestehe keine Einschränkung des Verwertungsverbots. Das Auskunftsersuchen an den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] sei unverhältnismäßig, da dem [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] andere Mittel zur Aufklärung zur Verfügung gestanden hätten.

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des [[[[[X.].].].].] Köln ([[[[X.].].].].: 8 K 2933/06) vom 15. Dezember 2009 aufzuheben und festzustellen, dass das Auskunftsverlangen des Beklagten an den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] vom 7. Juni 2006 rechtswidrig gewesen ist.

Das [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der rechtswidrige Durchsuchungsbeschluss habe nicht zu einem qualifizierten Verwertungsverbot geführt. Das Auskunftsersuchen sei erforderlich gewesen, da sich aus den Steuerakten des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] lediglich die von diesem erklärten Einnahmen ergeben hätten. Zwar seien auch beim [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] Unterlagen und Konten beschlagnahmt worden. Diese hätten jedoch einen anderen steuerlichen Sachverhalt betroffen und hätten in keinerlei Zusammenhang mit den Einnahmen des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] aus seiner Tätigkeit für den [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].]].] gestanden. Aufgrund der Weigerung des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].], an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, sei das Auskunftsersuchen die einzige Möglichkeit gewesen, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Feststellung, dass das Auskunftsverlangen des [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] an den [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] rechtswidrig gewesen ist, weil es von der mit der Steuerfahndung betrauten Dienststelle und nicht von der Veranlagungsstelle gestellt worden ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].]O--).

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig gewesen ist.

a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].]O kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] ([[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]) entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung erledigt hat ([[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil vom 26. September 2007 I R 43/06, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]E 219, 13, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].], 134, m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall, da der [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] die Auskunft bereits vor Klageerhebung erteilt hat.

b) "Berechtigtes Interesse" i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].]O ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des [[X.].] zu führen. Erforderlich ist ein gewisser die Verfahrensfortsetzung aus prozessökonomischen Gründen rechtfertigender Zusammenhang ([[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil vom 9. November 1994 [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]I R 33/93, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]/NV 1995, 621).

aa) Das berechtigte Interesse ist u.a. dann gegeben, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zu einem Verwertungsverbot führt ([[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil vom 21. April 1993 [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] R 112/91, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]E 171, 15, [[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].] 1993, 649). Um ein Verwertungsverbot hinsichtlich der vom [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] erteilten Auskunft geht es im Streitfall jedoch nicht, da diese nach den Feststellungen des [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].] keine weiteren --verwertbaren-- Erkenntnisse gebracht hat.

Das Feststellungsinteresse kann entgegen der Auffassung des [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].] auch nicht auf ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot mit Fernwirkung auf das Auskunftsersuchen gestützt werden, da die Voraussetzungen für ein solches offensichtlich nicht vorliegen. Ein Beweisverwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, kommt als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung nur dann in Betracht, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden (Beschlüsse des [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].] vom 2. Juli 2009  2 BvR 2225/08, [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].], 22; vom 9. November 2010  2 BvR 2101/09, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]/NV 2011, 182; [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]E 215, 12, [[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].] 2007, 227). Fehlt es an einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel, insbesondere an einem grundrechtsrelevanten Verstoß einer unmittelbaren Ermittlungsmaßnahme, so ist es bei der gebotenen Abwägung zwischen den Individualinteressen von Steuerpflichtigen, nicht aufgrund verfahrensfehlerhafter Ermittlungsmaßnahmen mit einer materiell-rechtlich an sich zutreffenden Steuer belastet zu werden, und der Pflicht des Staates, eine gesetzmäßige und gleichmäßige Steuerfestsetzung zu gewährleisten, gerechtfertigt, eine Fernwirkung eventueller Verwertungsverbote auf spätere, rechtmäßig erlangte Ermittlungsergebnisse zu verneinen ([[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]E 215, 12, [[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].] 2007, 227).

Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen qualifizierten [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].] nicht erfüllt, da der rechtswidrige Durchsuchungsbeschluss nicht vollzogen worden ist und für ein bewusst rechtsstaatswidriges oder willkürliches Verhalten des [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] keine Anhaltspunkte vorliegen.

bb) Das Feststellungsinteresse i.S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 [[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].]O ist jedoch deshalb gegeben, weil der Kläger durch das Auskunftsersuchen in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen war und deshalb ein Interesse an seiner Rehabilitierung beim [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] hat. Es kann einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre bedeuten, wenn der erledigte Verwaltungsakt als Fortsetzung des erkennbar unzutreffenden Vorwurfs der Steuerhinterziehung verstanden werden kann (vgl. [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Beschlüsse vom 15. Mai 2002 I B 8/02, [[[[[[[[[X.].].].].].].].].], [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]/NV 2002, 1317; vom 15. Dezember 2004 [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] B 56/04, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]/NV 2005, 714; vom 12. Juni 2008 VI B 62/07, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]/NV 2008, 1514).

Für die Beantwortung der Frage, ob sich aus einem Auskunftsersuchen, das per se keine diskriminierende Wirkung hat, der --unzutreffende-- Vorwurf der Steuerhinterziehung herleiten lässt, sind die gesamten Umstände, die zu dem Auskunftsersuchen geführt haben und unter denen das Auskunftsersuchen gestellt wird, von Bedeutung. Danach ist im vorliegenden Fall eine diskriminierende Wirkung des [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] zu bejahen: Das [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] hat trotz der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO unter dem Briefkopf der Steuerfahndung ein Auskunftsersuchen an den [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] gestellt. Dadurch konnte beim [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] der Eindruck erweckt werden, dass weiter gegen den Kläger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung strafrechtlich ermittelt werde. Dem [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] war aufgrund der Durchsuchung seiner Geschäftsräume bekannt, dass gegen den Kläger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt worden war. Zwar hat sich das [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] im Betreff seines [[[[[[[[[X.].].].].].].].].] auf ein "steuerliches Ermittlungsverfahren" bezogen. Dies rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung, da die Unterscheidung der doppelfunktionalen Aufgabenbereiche der Steuerfahndung, Steuerstraftaten zu erforschen und die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, dem Rechtsunkundigen nicht geläufig ist.

2. Selbst wenn man ungeachtet der weitgehenden Kenntnisse der Steuerfahndung über den besteuerungsrelevanten Sachverhalt zu ihren Gunsten von einem hinreichenden Anlass für einen unbekannten Steuerfall i.S. des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] ausgehen könnte, war das an den [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] gestellte Auskunftsersuchen jedenfalls wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes insoweit rechtswidrig, als es angesichts der bestehenden Zuständigkeitskonkurrenz von der mit der Steuerfahndung betrauten Dienststelle und nicht von der Veranlagungsstelle gestellt worden ist.

a) Die Finanzbehörde kann eine Auskunft nach § 93 [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist ([[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]E 148, 108, [[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].] 1988, 359; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 4. April 2006 1 BvR 518/02, [[[[[X.].].].].] 115, 320, 345, ständige Rechtsprechung).

b) Unzweifelhaft war die geforderte Auskunft geeignet, einer möglichen Steuerverkürzung auf die Spur zu kommen. Die Erteilung der Auskunft war dem [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] auch möglich. Wie bereits ausgeführt ist jedoch zweifelhaft, ob das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung notwendig und erforderlich war, da der Kläger die Kontounterlagen des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] dem [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] bereits vorgelegt hatte.

c) Ungeachtet dessen ist das Auskunftsersuchen jedenfalls rechtswidrig, weil das [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) nicht gewahrt hat. Danach darf ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel zur Durchsetzung von [[[X.].].] nicht angewandt werden, wenn die davon ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Interessen (vgl. BVerfG-Beschluss in [[[[[X.].].].].] 115, 320, 345 f.). Eine informationsbezogene Maßnahme kann sich bereits deshalb als schwerwiegend darstellen, weil sie auf eine Weise durchgeführt wird, die die Persönlichkeit erheblich berührt. Die rechtliche Bewertung des Eingriffs richtet sich bei einem Auskunftsersuchen nach der Intensität der Beeinträchtigung des Betroffenen, gegen den sich die behördliche Ermittlung richtet. Das Gewicht der Beeinträchtigung hängt auch davon ab, ob der von dem Auskunftsersuchen Betroffene anonym bleibt und welche Nachteile ihm aus der Ermittlungsmaßnahme drohen oder von dieser nicht ohne Grund befürchtet werden (vgl. [[[X.].].] vom 3. März 2004  1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, [[[[[X.].].].].] 109, 279, 353; BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007  1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, [[[[[X.].].].].] 118, 168, 196 f.).

Nach diesen Grundsätzen führen die Nachteile, die dem von dem Auskunftsersuchen betroffenen Kläger durch das weitere Tätigwerden der Steuerfahndung drohten, unter Berücksichtigung der mit dem Auskunftsersuchen verfolgten Ziele zur Unangemessenheit der Ermittlungsmaßnahme der Steuerfahndung: Dem Kläger war von der Staatsanwaltschaft und von der Straf- und Bußgeldsachenstelle mitgeteilt worden, dass auch in Bezug auf seine unrichtig erklärten Einkünfte aus der Tätigkeit für den Verein ein Verdacht wegen Steuerhinterziehung bzw. leichtfertiger Steuerverkürzung nicht bestehe. Dennoch ermittelte das [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].] unter dem Briefkopf der Steuerfahndung bei dem [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].] weiter, wodurch --wie unter [[X.].] bb ausgeführt-- bei diesem der Eindruck entstehen konnte, dass die strafverfahrensrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger fortdauerten. Da der Verdacht der Steuerhinterziehung bei [[X.].] Zweifel an der persönlichen Integrität des Verdächtigten begründen können, wurde hierdurch das Ansehen des [[X.].] erheblich gefährdet. Denn dieser war nicht nur Mitglied des [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].], sondern übte bei diesem eine leitende Tätigkeit aus. Dies machte es für ihn in besonderem Maße erforderlich, nicht aufgrund des Verdachts der Steuerhinterziehung als kriminell zu erscheinen.

Unter Berücksichtigung der geringen Bedeutung der Sache wiegt die durch das Handeln der Steuerfahndung verursachte Gefährdung des persönlichen Ansehens des [[X.].] schwerer als die durch die Ermittlungstätigkeit zu wahrenden Rechtsgüter der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern, zumal dieses Ziel auch durch Ermittlungen des für die Besteuerung zuständigen Veranlagungsbezirks hätte verfolgt werden können, ohne dass der Anschein der Fortsetzung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erweckt worden wäre. Die Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen lässt die Aufgaben und Befugnisse der Finanzämter unberührt (vgl. § 208 Abs. 3 [[[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].].]). Die Finanzämter sind daher nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden. Es besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].].]E 215, 12, [[[[[[[[[[[X.].].].].].].].].].].] 2007, 227). Danach wäre im vorliegenden Fall ein Auskunftsersuchen durch die Veranlagungsstelle ein gegenüber dem Handeln der Steuerfahndung milderes Mittel gewesen, sodass das Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz --unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein hinreichender Anlass für die Ermittlungsmaßnahme bestanden hat-- rechtswidrig gewesen ist.

Meta

VIII R 5/10

04.12.2012

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 15. Dezember 2009, Az: 8 K 2933/06, Urteil

§ 208 Abs 1 S 1 Nr 3 AO, § 93 Abs 1 AO, § 100 Abs 1 S 4 FGO, § 170 Abs 2 StPO, § 208 Abs 3 AO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.12.2012, Az. VIII R 5/10 (REWIS RS 2012, 771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 771

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