Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.07.2016, Az. 4 BN 27/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 7865

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Gegenstand

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht schlüssig dargetan.

3

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des [X.] oder des [X.] aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328). Daran fehlt es hier.

4

a) Soweit die [X.]eschwerde hinsichtlich des gerichtlichen [X.] eine Abweichung von dem [X.]eschluss des [X.] vom 19. Dezember 2002 - 1 [X.]vR 1402/01 - (NVwZ 2003, 727) geltend macht, benennt sie keinen abstrakten Rechtssatz in dem angegriffenen Urteil, mit dem das Oberverwaltungsgericht einem Rechtssatz in der genannten Entscheidung des [X.] widersprochen hat.

5

Die [X.]eschwerde entnimmt der Entscheidung des [X.] (a.a.O. juris Rn. 17) den Rechtssatz, es sei Aufgabe des [X.], zu prüfen, ob der mit der Festsetzung eines Grüngürtels zulässigerweise verfolgte Zweck nicht auch unter einer weitergehenden Schonung des Grundbesitzes der Antragstellerin zu erreichen gewesen wäre und ob ein schmalerer Grünstreifen im [X.]ereich der Grundstücke der Antragstellerin den Zweck nicht ebenso gut erfüllen könnte. Im Widerspruch hierzu sei das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, sich anstelle einer eigenen Prüfung mit [X.]erücksichtigung der [X.]etroffenheit der Antragstellerin darauf beschränken zu können, nur allgemein und somit ohne besondere [X.]erücksichtigung der [X.]etroffenheit der Antragstellerin die im Laufe des [X.] und im Planungsverfahren erwogenen Varianten zu erwähnen und festzustellen, die Antragsgegnerin habe hinreichend begründet, warum sie den Sanierungsmaßnahmen des [X.]ebauungsplans vor denkbaren alternativen Lösungen den Vorzug gegeben habe. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist damit nicht dargetan.

6

Das Oberverwaltungsgericht ([X.] f.) hat sich die genannten Rechtssätze des [X.] durch eine im Wesentlichen wortidentische Wiedergabe vielmehr sogar ausdrücklich zu eigen gemacht. Insbesondere hat es auch das Oberverwaltungsgericht als verfassungsrechtlich geboten angesehen, dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs als Element des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Geltung zu verschaffen, weshalb bei der fremdnützigen Überplanung von Grundstücken stets geprüft werden müsse, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung annähernd gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet. Die [X.]ehauptung der [X.]eschwerde, das Oberverwaltungsgericht sei nur von einer Verpflichtung der Gemeinde zur Prüfung von Alternativen ausgegangen, nicht aber von einer Verpflichtung zur Vornahme einer eigenen Prüfung, findet deshalb in der angegriffenen Entscheidung keine Stütze.

7

Sollte das Oberverwaltungsgericht - wie die [X.]eschwerde behauptet - die von ihm selbst formulierten verfassungsgerichtlichen Maßstäbe in der Subsumtion verfehlt haben, rechtfertigt dies als [X.] nicht die Zulassung der Revision wegen Rechtssatzdivergenz. Eine lediglich fehlerhafte Anwendung der vom [X.] aufgestellten Rechtssätze ist im prozessualen Sinn keine Abweichung. Maßgebend ist, ob das [X.]erufungsgericht von den verfassungsgerichtlichen Maßstäben abgerückt ist ([X.], [X.]eschluss vom 4. Mai 1993 - 1 [X.] 220.92 - juris Rn. 4). Denn der Zweck der [X.] fordert eine Zulassung nur, wenn der Tatrichter dem [X.] oder [X.] in einer abstrakten Rechtsfrage die Gefolgschaft verweigert, nicht dagegen, wenn er einen höchstrichterlichen Rechtssatz, den er grundsätzlich akzeptiert, falsch auf den Einzelfall anwendet oder, aus welchen Gründen auch immer, übergeht, obwohl er Anlass gehabt hätte, ihm Rechnung zu tragen ([X.], [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - 4 [X.] 280.95 - juris Rn. 3). Für ein bewusstes Abrücken des [X.] von den verfassungsgerichtlichen Rechtssätzen indes gibt es vorliegend - wie dargelegt - keine Anhaltspunkte, zumal das Oberverwaltungsgericht die Antragstellerin als nicht anders betroffen angesehen hat als alle übrigen planungsbetroffenen Grundeigentümer, denen es "erhebliche - weil auf den Rückbau dieser [X.]ebauung abzielende - Grundrechtseingriffe" attestiert ([X.]). Zu Unrecht meint deshalb die [X.]eschwerde, jedenfalls in den Entscheidungsgründen komme zum Ausdruck, dass von abstrakten Rechtssätzen des [X.] abgewichen und von einem anderen Prüfungsmaßstab ausgegangen worden sei.

8

b) Eine Abweichung von dem [X.]eschluss des [X.] vom 19. Dezember 2002 - 1 [X.]vR 1402/01 - (NVwZ 2003, 727) ist auch nicht dargetan, soweit die [X.]eschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht sei hinsichtlich des von der planenden Gemeinde anzuwendenden [X.] von den verfassungsgerichtlichen Vorgaben abgewichen.

9

Die [X.]eschwerde bezieht sich auf den in diesem [X.]eschluss formulierten Rechtssatz, das in § 1 Abs. 6 [X.]auG[X.] festgelegte Abwägungsgebot erlaube bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher [X.]erücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; das [X.] habe nur zu prüfen, ob sich diese in den verfassungsrechtlich vorgezeichneten Grenzen halte. Hierfür sei maßgebend, ob der erhebliche Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und ob anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten [X.]elange und Interessen der Entscheidung zu Grunde gelegt sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden seien. Unter diesen Einschränkungen könne es die Regelung daraufhin überprüfen, ob sie das Willkürverbot beachte und verhältnismäßig sei und insbesondere der [X.]edeutung der Eigentumsgarantie Rechnung trage. Dem stellt die [X.]eschwerde den vom Oberverwaltungsgericht ([X.]) formulierten Rechtssatz gegenüber, wonach die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der [X.] erst dann überschritten seien, wenn eine andere als die gewählte Variante sich unter [X.]erücksichtigung aller abwägungserheblichen [X.]elange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private [X.]elange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen. Dies stelle eine Einschränkung des vom [X.] vorgegebenen [X.] dar, denn die vom [X.] geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung umfasse eine Prüfung der Erforderlichkeit, die nur dann bejaht werden könne, wenn tatsächlich kein milderes Mittel gegeben sei, nicht jedoch bereits dann, wenn - wie im angegriffenen Urteil angenommen - sich ein milderes Mittel bloß nicht aufdränge. Diese Rechtssätze widersprechen sich nicht. Denn Aussagen zu den Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Erforderlichkeitsprüfung, wie sie die [X.]eschwerde für richtig hält, sind den zitierten abstrakten Rechtssätzen des [X.] nicht zu entnehmen.

c) Soweit die [X.]eschwerde schließlich eine Abweichung von dem [X.]eschluss des [X.] vom 8. Juli 2009 - 1 [X.]vR 2187/07 und 692/08 - ([X.] 2009, 1283) geltend macht, weil das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der - nach Ansicht der [X.]eschwerde ohnehin unterbliebenen - Verhältnismäßigkeits- und Erforderlichkeitsprüfung nicht geprüft habe, ob als milderes Mittel eine Inanspruchnahme öffentlicher Grundstücke in [X.]etracht gekommen wäre, durch die die Inanspruchnahme von Privatgrundstücken zumindest zum Teil hätte vermieden werden können, fehlt es an einer Gegenüberstellung abstrakter Rechtssätze. Auch insoweit macht die [X.]eschwerde wiederum nur [X.] geltend, die nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen.

2. Ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der die Zulassung der Revision rechtfertigt, ist ebenfalls nicht dargetan.

a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs leitet die [X.]eschwerde zu Unrecht daraus her, dass die Antragstellerin von ihrem (bisherigen) Prozessbevollmächtigten trotz der an ihn übersandten Ladung nicht über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert worden sei, deswegen im Termin nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei und habe gehört werden können.

Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung war an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu richten (§ 67 Abs. 5 Satz 3 VwGO). Einer zusätzlichen Ladung der Antragstellerin oder deren Geschäftsführerin bedurfte es nicht ([X.], [X.]eschluss vom 18. April 1994 - 8 [X.] 215.93 - [X.] 310 § 102 VwGO Nr. 18). Aus dem von der Antragstellerin behaupteten Umstand, dass ihr (bisheriger) [X.]evollmächtigter seinen prozessualen Obliegenheiten nicht nachgekommen sei, kann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden ([X.], [X.]eschluss vom 4. Juli 1983 - 9 [X.] 10275.83 - [X.] 340 § 3 [X.] Nr. 9 S. 4).

b) Soweit der (nunmehrige) [X.]evollmächtigte der Antragstellerin auf Wunsch seiner Mandantin "ergänzend" umfangreiche weitere Ausführungen in der [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde wiedergibt, die ihn erst "kurz vor Ablauf der [X.]egründungsfrist erreicht" hätten und die er sich "im zur Entfaltung ihrer prozessualen Wirkungen erforderlichen Umfang zu eigen" mache, verfehlen diese Ausführungen bereits deshalb die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil sie nicht erkennen lassen, dass sie der [X.]evollmächtigte der Antragstellerin, der sie unterzeichnet hat, in der Kürze der angegebenen [X.] gesichtet und rechtlich durchdrungen hätte (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 7. Juli 2014 - 4 PKH 2.14 - juris Rn. 6); die Ausführungen sich schlicht zu eigen zu machen reicht nicht für die "Entfaltung ihrer prozessualen Wirkungen". Es ist nicht Aufgabe des [X.], sich aus einem rechtlich ungeordneten Vortrag dasjenige herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Darlegung eines Zulassungsgrundes im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO geeignet sein könnte ([X.], [X.]eschluss vom 23. November 1995 - 9 [X.] 362.95 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 20).

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 27/15

20.07.2016

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 21. April 2015, Az: 2 D 78/13.NE, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.07.2016, Az. 4 BN 27/15 (REWIS RS 2016, 7865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7865

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