Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2013, Az. IV ZR 307/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1556

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BUNDESGER[X.]CHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]V [X.]/12
vom

30. Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 402; ZPO § 397; [X.] private Krankenversicherung (hier [X.] 2009) § 1 Teil [X.] (2)

1.
Hat das Gericht erster [X.]nstanz dem Antrag einer [X.] auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens in mündlicher Ver-handlung zu Unrecht nicht entsprochen, muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben. Anderenfalls verletzt es den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör (Fortführung des [X.] vom 15.
März 2006 -
[X.]V ZR 182/05, [X.], 950 Rn. 6-8).

2.
Zu den Anforderungen an die Erfolgsaussichten einer alternativen [X.]smethode für die Beurteilung ihrer medizinischen Notwendigkeit bei [X.], lebenszerstörender Krankheit des Versicherungsnehmers (hier: [X.]mmunbehandlung eines metastasierenden Prostatakarzinoms mit dendriti-schen Zellen).

[X.], Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
[X.]V [X.]/12 -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-

Der [X.]V.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsit-zende Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

am 30. Oktober 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerde des [X.] wird die Revision gegen den Beschluss des 3.
Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in [X.] vom 27. August 2012 [X.].

Der vorbezeichnete Beschluss wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 45.000 .

Gründe:

[X.] Der an einem Prostatakarzinom im fortgeschrittenen Stadium (u.a. mit Skelettmetastasierung) erkrankte Kläger, der bei der Beklagten eine private Krankenversicherung unterhält, begehrt die Feststellung, die 1
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-

Beklagte müsse ihm die Kosten für eine [X.]mmuntherapie mit autologen [X.] dendritischen Zellen erstatten.

Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Musterbedin-gungen ([X.] 2009) bestimmen unter anderem:


1
Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Ver-sicherungsschutzes

Teil [X.]

(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krank-heiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte [X.]. Er erbringt, sofern vereinbart, damit unmittelbar zu-sammenhängende zusätzliche Dienstleistungen. [X.]m [X.] erbringt der Versicherer

a) in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Auf-wendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen,

(...)

(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heil-behandlung einer versicherten Person wegen Krankheit
oder Unfallfolgen. (...)

2
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4
-

§
4
Umfang der Leistungspflicht

Teil [X.]

(...)

(6) Der Versicherer leistet im vertraglichen Umfang für Un-tersuchungs-
oder Behandlungsmethoden und Arzneimit-tel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend be-währt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur [X.] stehen; der Versicherer kann jedoch seine
Leis-tungen auf den Betrag herabsetzen, der bei der Anwen-dung vorhandener schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel angefallen wäre."

Vom [X.] für angewandte Zelltherapie der Universitätsklinik Schleswig-Holstein ([X.])
wurde dem Kläger als Behandlungs-Option eine [X.]mmuntherapie mit autologen dendritischen Zellen (sog. [X.]) angeboten. Bei dieser neuen, schulmedizinisch noch nicht etablier-ten und auch noch nicht vollständig erforschten Behandlungsmethode werden aus dem Blut des Patienten Monozyten entnommen, mit einer Karzinomzelllinie stimuliert und nach sechstägiger Kultivierung wieder zurückgeimpft. Ziel ist es dabei, eine [X.]mmunreaktion gegen die [X.] zu induzieren und so einen Tumorregress mit fallenden Tumor-markern zu bewirken.

Die vom Kläger unter Vorlage eines Behandlungsplans und eines g-te Kostenübernahme lehnte die Beklagte ab, weil diese Behandlung me-dizinisch nicht notwendig sei.
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Der Kläger verweist auf erste in klinischen Studien beschriebene Erfolge der von ihm gewünschten Therapie und darauf, dass sich bisher angewendete konservative
Behandlungsmaßnahmen als ungeeignet [X.] hätten, das Fortschreiten seiner Krebserkrankung einzudämmen. Die neue [X.]mmuntherapie sei mithin ungeachtet dessen, dass sie noch nicht schulmedizinisch etabliert sei, als medizinisch notwendige Heilbe-handlung anzusehen.

Das [X.] hat die Klage ab-, das Berufungsgericht die Beru-fung des [X.] durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewie-sen und darin ausgeführt, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die gewünschte Behandlung medizinisch notwendig sei. Der vom [X.] beauftragte medizinische Sachverständige habe überzeugend [X.], dass ihre
Wirksamkeit
ungeachtet des
hoffnungsvollen
wissen-schaftlichen
Ansatzes
medizinisch bisher nicht belegt sei.
Es fehle noch an ausreichenden Daten, die eine Aussage darüber zuließen, ob sich die Methode in der Praxis ebenso bewährt habe wie schulmedizinisch aner-kannte Behandlungsmethoden. Der Sachverständige habe im Übrigen festgestellt, dass
letztere
beim Kläger noch nicht ausgeschöpft seien.

Soweit sich der Kläger in seiner Stellungnahme vom 21. November 2011, mit welcher er auch die Anhörung des Sachverständigen im [X.] zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] beantragt hatte, auf zwei behandelnde
Ärzte als Zeugen berufen habe, fehle es mit Blick auf §
411 Abs. 4 ZPO bereits an der Benennung eines
konkreten Be-weisthemas
und einem substantiierten Angriff auf die
Feststellungen des Sachverständigen.
Der
Beweisantritt ziele auf einen reinen [X.], weshalb es
das [X.] zu Recht abgelehnt
habe, 5
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die genannten Zeugen zu hören und den Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung anzuhören.

[X.][X.] Die gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtzulassungsbe-schwerde des [X.] hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des die Berufung nach § 522 Abs. 2
ZPO zurückweisenden Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger schon deshalb in entscheidungserheblicher Weise in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), weil weder das [X.] noch das Berufungsgericht dem Antrag des [X.] auf Anhörung des Sachverständigen in mündlicher Verhandlung stattgegeben haben.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläu-terung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch [X.] sieht oder ob zu erwarten ist, dass der Gutachter seine Auffassung ändert. Weiter ist unerheblich, ob das schriftliche Gutachten Mängel aufweist. Die [X.]en haben zur Ge-währleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen [X.] darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich
erachten, in einer mündlichen Anhö-rung stellen können. Dieses Antragsrecht der [X.]en besteht [X.] von § 411 Abs. 3 ZPO ([X.], Beschlüsse vom 15. März 2006

[X.]V ZR 182/05, [X.], 950 Rn. 6 m.w.N.; vom 10. Mai 2005

V[X.] ZR 245/04,
VersR 2005, 1555 unter 2 a m.w.N. und ständig). Hat das [X.] erster [X.]nstanz einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so 8
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muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten [X.] stattgeben ([X.], Beschluss vom 15. März 2006 aaO; Urteil vom 24.
Oktober 1995 -
V[X.] ZR 13/95,
VersR 1996, 211 f.). Dabei kann von der [X.], die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine wei-tere Aufklärung herbeizuführen wünscht.

2. Anders als das Berufungsgericht meint, bot der mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 21. November 2011 gestellte Antrag, den Sachverständigen in mündlicher Verhandlung anzuhören, nach den [X.] ausreichenden Anlass, den Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden.
Der Kläger hat darin zu erkennen ge-geben, dass er den Sachverständigen ergänzend zu den [X.] der aufgezeigten schulmedizinischen Behandlungsalternativen und zu seiner Befähigung, die Erfolgsaussichten der Behandlung mit dendri-tischen Zellen einzuschätzen, befragen wollte. Der Sachverständige soll-te sich ferner
dazu äußern, inwieweit die in den [X.] mit einem ähnlichen

älteren

[X.]mpfstoff gewonnenen Erfahrun-gen im Rahmen der Erfolgsprognose zu bewerten seien.

3. Der Kläger hat im Berufungsverfahren nicht wirksam auf die [X.] verzichtet. Zwar hat sein Prozessbevoll-mächtigter in einem mit dem Berichterstatter des Berufungsgerichts ge-führten Telefonat unstreitig geäußert, der Kläger habe eine Therapie be-gonnen und lege auf eine mündliche
Verhandlung keinen großen Wert;
der nachfolgenden schriftlichen Stellungnahme des [X.] des [X.] auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 10
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17. Juli 2012 war jedoch zu entnehmen, dass an dem Antrag, den Sach-verständigen in mündlicher Verhandlung anzuhören, festgehalten worden ist.

[X.][X.][X.] Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend gesehen hat, knüpft §
1 Teil [X.] (2) [X.] 2009 bei der Beschreibung des [X.] mit dem Begriff "medizinisch notwendige Heilbehandlung"

auch für den Versicherungsnehmer erkennbar

nicht an den Vertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und dem behandelnden Arzt und die nach diesem Vertrag geschuldete medizinische Heilbehandlung an. Vielmehr wird damit ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Pati-ent unabhängiger Maßstab eingeführt (Senatsurteile vom 10. Juli 1996

[X.]V ZR 133/95, [X.]Z 133, 208, 212 zu den insoweit gleichlautenden Bestimmungen der [X.] 76; vom 14. Dezember 1977
[X.]V ZR 12/76,
VersR 1978, 271 unter [X.]). Diese objektive Anknüpfung bedeutet zu-gleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die seines behandelnden Arztes ankommen kann
(Senatsurteil vom 10. Juli 1996 aaO S.
212
f. m.w.N.). Gegenstand der Beurteilung können nur die objektiven medizinischen Befunde und [X.] im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine "medizinisch notwendige" Heilbehandlung i.S. des §
1 Teil [X.] (2) [X.] 76 jedenfalls dann vor, wenn es nach den objektiven medizini-schen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der [X.] Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (Senats-urteile vom 10. Juli 1996 aaO, vom 29. November 1978
[X.]/77,
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VersR 1979, 221 unter [X.]; vom 29. Mai 1991
[X.]V ZR 151/90,
VersR 1991, 987 unter 2 a und ständig).

a) Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn sich eine Behandlungsmethode dazu eignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimme-rung entgegenzuwirken (vgl. Senatsurteile vom 10. Juli 1996 aaO [X.]; vom 17. Dezember 1986
[X.], [X.]Z 99, 228, 233 f.). Steht diese Eignung nach medizinischen
Erkenntnissen fest, ist der Versiche-rer eintrittspflichtig.

b) Leidet der Versicherungsnehmer an einer unheilbaren Krank-heit, bei der es selbst für eine auf die Verhinderung einer Verschlimme-rung abzielende Heilbehandlung keine in der Praxis angewandte [X.]smethode gibt, die sich nach medizinischen Erkenntnissen zur Herbeiführung wenigstens dieses Behandlungszieles eignet, kommt jeder gleichwohl durchgeführten Behandlung zwangsläufig Versuchscharakter zu und kann der Nachweis medizinischer Eignung naturgemäß nicht ge-führt werden (vgl. zur Behandlung multipler Sklerose, Senatsurteil vom 2.
Dezember 1981
[X.]/80,
VersR 1982, 285 unter [X.], 4). Das schließt indessen die Annahme der medizinischen Notwendigkeit einer solchen Behandlung jedenfalls dann nicht aus, wenn die Behandlung auf eine schwere, lebensbedrohende oder gar lebenszerstörende Krankheit zielt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird §
1 Teil [X.] (2) [X.] 2009 einen solchen Ausschluss nicht entnehmen, sondern die Klausel dahin verstehen, dass bei einer unheilbaren, lebenszerstörenden Krankheit auch eine Heilbehandlung als notwendig anzusehen ist, der zwar noch Versuchscharakter anhaftet, die aber jedenfalls

medizinisch 14
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begründbar

Aussicht auf Heilung oder Linderung verspricht (vgl. zu §
1 Abs. 2 [X.] 76; Senatsurteil vom 10. Juli 1996 aaO S.
214
f.).

[X.]n diesem Verständnis bestärkt ihn die in § 4
Teil [X.] (6) [X.] 2009 getroffene Regelung über den Umfang der Leistungspflicht des [X.]. Danach leistet dieser nicht nur für Untersuchungs-
oder [X.]smethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind oder sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben, sondern auch für Methoden oder Arzneimittel, die [X.] werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimit-tel zur Verfügung stehen (§
4
Teil [X.] (6), Satz
2 Halbsatz 1, letzte Alterna-tive [X.] 2009).

c) Demgemäß kann bei einer lebensbedrohenden oder gar [X.], unheilbaren Erkrankung des Versicherungsnehmers nicht mehr darauf abgestellt werden, ob sich die gewünschte Behandlung zur Erreichung des vorgegebenen [X.] tatsächlich eignet. Vielmehr ist in solchen Fällen die objektive Vertretbarkeit der [X.] bereits dann zu bejahen, wenn sie nach medizinischen Erkenntnis-sen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkran-kung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinzuwirken. Dabei ist nicht einmal zu fordern, dass der Behandlungserfolg näher liegt als sein Ausbleiben. Vielmehr reicht es aus, wenn die Behandlung mit nicht nur ganz geringer Erfolgsaussicht die Erreichung des [X.] als möglich erscheinen lässt (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 aaO S. 215).

Das setzt lediglich voraus, dass die gewählte [X.] auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren An-16
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satz beruht, der die prognostizierte Wirkweise auf das angestrebte [X.] zu erklären vermag, sie somit zumindest wahrscheinlich macht. Einer solchen Annahme steht nicht entgegen, dass eine [X.]smethode noch nicht in der medizinischen Literatur nach wissen-schaftlichem Standard dokumentiert und bewertet worden ist. Liegen entsprechende Veröffentlichungen vor, können sie zwar für die Beurtei-lung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung bedeutsam sein; andererseits kann auf eine bisher fehlende Veröffentlichung die Verneinung der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung nicht ge-stützt werden (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 aaO). Für die Beurteilung der Behandlungsmethode kann es ausreichen, wenn diese vor der [X.] des Versicherungsnehmers bereits anderweitig erprobt worden ist. Haben entsprechende Behandlungen schon zuvor in einer solchen Anzahl stattgefunden, die Aussagen jedenfalls darüber zulässt, ob die Behandlung die mit ihr erstrebte Wirkung wahrscheinlich zu erreichen geeignet ist, kann darin ein besonders aussagekräftiger Umstand für die Beurteilung der Notwendigkeit der Heilbehandlung zu erkennen sein.

2. Diesen Maßstäben wird die bisherige Entscheidung des [X.] nicht vollen Umfangs gerecht.

Leidet

wie hier

der Versicherungsnehmer an einer fortgeschrit-tenen, lebenszerstörenden Erkrankung, hängen die
Anforderungen, die an die Erfolgsaussichten der von ihm gewünschten Behandlung zu stel-len sind, maßgeblich davon ab, ob auch geeignete schulmedizinische Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen.

a) Das Berufungsgericht hat sich in dieser Frage der Entscheidung des sachverständig beratenen [X.]s angeschlossen. Danach wa-19
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12
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ren zum beabsichtigten Zeitpunkt der Behandlung des [X.] im [X.] die schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft, weil der Kläger nach den Darlegungen des Sachver-ständigen noch mit radioaktiven Nukleiden, ferner mit Mitoxantron oder auch hormonell (durch sekundäre Hormonmanipulation sowie [X.]) hätte behandelt werden können.

b) Das greift allerdings deshalb zu kurz, weil die vom Berufungsge-richt zugrunde gelegten Feststellungen des [X.]s nicht hinrei-chend ausweisen, welchem Ziel die genannten Behandlungsansätze je-weils dienen und welchen Erfolg sie versprechen. Dies ist deshalb ent-scheidend, weil davon abhängt, ob der Kläger sich auf schulmedizinisch etablierte Behandlungen verweisen lassen muss.

aa) [X.] hat sich in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung des Versicherungsnehmers auch daran zu orientieren, was einerseits anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen zu leisten vermögen und andererseits die
alternative, vom Versicherungs-nehmer gewünschte Behandlung zu leisten vorgibt.

Dazu ist zunächst das konkrete Behandlungsziel der in Betracht kommenden schulmedizinsch anerkannten Maßnahmen zu klären und dabei zwischen der Heilung einer Krankheit, der Verhütung ihrer [X.] und der Linderung von [X.] zu [X.]. Als vorrangiges Behandlungsziel ist nach Möglichkeit stets die Heilung der Krankheit anzustreben, während die Verhütung einer [X.] oder die bloße Linderung von [X.] re-gelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind. Bietet die Schulmedizin 22
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nur noch palliative, d.h. auf eine Reduzierung der Krankheitsfolgen ge-richtete, Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Notwendigkeit einer
Alternativbehand-lung schon dann in Betracht, wenn sie eine durch [X.]ndizien gestützte [X.] auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg bietet. Der an einer schweren lebensbedrohlichen oder lebenszer-störenden Krankheit leidende
Versicherte kann nicht auf lediglich der Eindämmung oder Linderung von [X.] dienende Standardtherapien
verwiesen
werden, wenn eine Alternativbehandlung die
nicht ganz entfernte Aussicht auf weitergehende Heilung bietet (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1996 aaO S.
214 f.).

bb) Das [X.] hat den
medizinischen Sachverständigen le-diglich pauschal befragt, ob für die Behandlung des [X.] noch schul-medizinische
Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stünden. Das Gutachten hat sich demzufolge darauf beschränkt, mehrere in der Schulmedizin etablierte Methoden
und Wirkstoffe zu benennen, die im Falle des [X.] noch einsetzbar gewesen wären. Eine Unterscheidung nach [X.] und Erfolgsaussichten der genannten Verfahren ist
dabei nicht getroffen
worden. Folglich
kann auch den gerichtlichen Feststellungen dazu nichts entnommen und auf dieser Grundlage bislang nicht entschieden werden, ob sich der Kläger auf diese Heilbehandlun-gen verweisen lassen muss;
denn möglicherweise sind sie sämtlich [X.] gerichtet, eine Metastasierung zu verlangsamen und Schmerzen zu lindern. Damit kann bisher noch nicht ausgeschlossen werden, dass sich der mögliche Erfolg schulmedizinischer Maßnahmen nur noch auf eine Verzögerung des [X.] um
wenige Monate bei gelinderten Schmerzen beschränkt.

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3. Das Berufungsgericht ist bisher davon ausgegangen, die Erstat-tungsfähigkeit der Kosten für die vom Kläger gewünschte Behandlung hänge davon ab, dass sie sich über eine gewisse Dauer bewährt habe und Erfolge vorweisen könne, die denjenigen Erfolgen, die mit überwie-gend anerkannten schulmedizinischen Methoden oder Arzneimitteln er-zielt wurden, gleichstünden. Sollte die neue Verhandlung ergeben, dass im Dezember 2010 für den Kläger nur noch schulmedizinisch etablierte Behandlungen und Mittel zur
Verfügung gestanden hätten, auf die er sich nach dem oben Gesagten nicht mehr verweisen lassen muss, schiede ein Vergleich mit den Erfolgen dieser Behandlungsmethoden naturgemäß aus (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 30.
Oktober 2002
[X.]V ZR 60/01, [X.]Z 152, 262, 266). Für die Notwendigkeit der Behandlung mit dendri-tischen Zellen reichte es dann ungeachtet des bisherigen Versuchscha-rakters dieser Methode aus, wenn sie
mittels [X.]ndizien medizinisch be-gründbar

eine nur wahrscheinliche Aussicht auf Heilung verspräche. Dafür könnten unter Umständen auch die Ergebnisse der vom Sachver-ständigen erwähnten Pilotstudie und Erfahrungen der die Behandlung mit

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dendritischen Zellen erforschenden Ärzte herangezogen werden.
Dies-bezüglich wird das Berufungsgericht weitere Feststellungen zu treffen haben.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 26.04.2012 -
6
O 311/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.08.2012 -
3 U 32/12 -

Meta

IV ZR 307/12

30.10.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2013, Az. IV ZR 307/12 (REWIS RS 2013, 1556)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1556

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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