Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.08.2020, Az. 9 B 26/19

9. Senat | REWIS RS 2020, 4247

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Gegenstand

Fortführung einer Unternehmensflurbereinigung als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren


Leitsatz

1. Der Beschluss über die Einleitung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens wird nicht durch bloßen Zeitablauf unwirksam.

2. Zur (teilweisen) Umstellung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens auf ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 FlurbG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 26. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen den [X.]eschluss des [X.]eklagten, mit dem das [X.] teilweise eingestellt und im Übrigen als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren fortgeführt wird (im Folgenden: [X.] und Umstellungsbeschluss).

2

Das streitgegenständliche Flurbereinigungsverfahren wurde mit [X.]eschluss vom 20. Dezember 2002 nach § 87 [X.] angeordnet. Anlass war die geplante Errichtung einer kommunalen Entlastungsstraße, für die ein straßenrechtliches Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden war. [X.]achdem die als Unternehmensträgerin zuständige [X.] entschieden hatte, den [X.]au der Entlastungsstraße über einen [X.]ebauungsplan voranzutreiben, wurde das Planfeststellungsverfahren im Dezember 2003 eingestellt. Mit [X.]eschluss vom 5. September 2006 wurde daraufhin der Einleitungsbeschluss für die Flurbereinigung insoweit geändert, als das Flurbereinigungsverfahren auf der neuen enteignungsrechtlichen Grundlage unter [X.]eibehaltung der Vorschriften der §§ 87 ff. [X.] fortgeführt wurde. [X.] und vorsorglich erneut 2010 beschloss die [X.] [X.]ebauungspläne für die Errichtung der Entlastungsstraße, die jeweils gerichtlich für unwirksam erklärt wurden. Mit Urteil vom 25. Februar 2015 hob das [X.] den [X.] vom 5. September 2006 auf.

3

Die Entlastungsstraße wurde in der Folgezeit errichtet und war zeitweise unter Verkehr, bis sie gemäß einem Urteil des [X.] vom 22. [X.]ovember 2017 teilweise gesperrt wurde. [X.] beschloss die [X.] einen weiteren [X.]ebauungsplan mit dem Ziel, die Straße nachträglich zu legalisieren. Über die dagegen eingelegte [X.]ormenkontrollklage wurde - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

4

Mit dem angefochtenen [X.] und Umstellungsbeschluss vom 13. September 2016 ordnete der [X.]eklagte hinsichtlich einer Fläche von rd. 112 ha die Einstellung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach § 87 Abs. 3 Satz 1 [X.] und hinsichtlich der übrigen rd. 1 103 ha gemäß § 87 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 86 [X.] die Fortführung als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren an, um die geplanten Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung weiterhin zu ermöglichen. Die dagegen erhobene Klage hat das [X.] im Hinblick auf die [X.] als unzulässig und im Übrigen insgesamt als unbegründet abgewiesen. Gegen die [X.]ichtzulassung der Revision richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

II

5

Die der Sache nach auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 [X.]r. 1 VwGO) und des [X.] (§ 132 Abs. 2 [X.]r. 3 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 [X.]r. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von [X.]edeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. In der [X.]eschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage des [X.]undesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Diesen Anforderungen wird das [X.]eschwerdevorbringen nicht gerecht.

7

a) Die [X.]eschwerde besteht in weiten Teilen aus der Wiedergabe und [X.]ewertung bestimmter Sachverhaltselemente unter [X.]ezugnahme auf konkrete [X.]escheide und Gerichtsentscheidungen und beschränkt sich damit auf eine inhaltliche Kritik an der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Falls durch das Flurbereinigungsgericht. Dabei geht es ihr nicht um die [X.]eantwortung abstrakter, bislang ungeklärter Rechtsfragen, sondern (nur) um die Überprüfung der konkreten Entscheidung. Mit derartigen Angriffen gegen die Rechtsanwendung der Vorinstanz im Einzelfall lässt sich die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache aber nicht begründen. Das gilt auch dann, wenn - wie teilweise hier - verfassungsrechtliche Erwägungen zur abweichenden Ansicht angeführt werden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14. August 2019 - 9 [X.] 13.19 - [X.] 2019, 752 Rn. 7).

8

b) In [X.]ezug auf verallgemeinerungsfähige Fragestellungen lässt sich der [X.]eschwerde noch hinreichend deutlich entnehmen, dass sie etwa mit den Fragen,

ob ein nicht angefochtener Einleitungs-(Anordnungs-)[X.]eschluss aus dem [X.] für eine Unternehmensflurbereinigung gemäß § 87 [X.] im Jahr 2016 über 14 Jahre lang seine anordnende Wirkung behalten hat und eine Rechtsgrundlage für die Fortführung der Unternehmensflurbereinigung im Sinne des § 87 Abs. 3 [X.] darstellen kann, bzw.

ob es zutrifft, dass die Regelung in § 75 VwVfG nur [X.] betrifft und daher auf Flurbereinigungsverfahren nicht anwendbar ist,

geklärt wissen will, ob ein [X.] aufgrund Zeitablaufs außer [X.] treten und als Grundlage für eine Fortführung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] entfallen kann, wobei insbesondere auf eine analoge Anwendung des § 75 Abs. 4 Satz 1 VwVfG verwiesen wird.

9

Diese Frage knüpft an die Auffassung des [X.] an, ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren könne nur dann nach § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren fortgeführt werden, wenn es im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung noch existiert habe; seine Anordnung dürfe nicht außer [X.] getreten sein ([X.]). Das [X.] hat ein solches Außerkrafttreten im Hinblick auf den Einleitungsbeschluss aus dem [X.] verneint und dabei eine analoge Anwendung des § 75 Abs. 4 Satz 1 VwVfG oder eine Übertragung seines Rechtsgedankens abgelehnt ([X.] f.). Mit dieser Argumentation setzt sich die [X.]eschwerde nicht konkret auseinander. Ob sie gleichwohl dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt (vgl. dazu etwa [X.], [X.]eschluss vom 9. März 1993 - 3 [X.] 105.92 - [X.]JW 1993, 2825 <2826>), kann hier dahinstehen. Denn die aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision jedenfalls deshalb nicht, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzes ohne Weiteres beantworten lässt, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Das Flurbereinigungsgesetz sieht keine Frist vor, nach deren Ablauf ein [X.]eschluss über die Einleitung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens unwirksam werden könnte. Welche Folgen es für die Unternehmensflurbereinigung hat, wenn das Unternehmen als Grundlage der Flurbereinigung entfällt, ist in § 87 Abs. 3 [X.] geregelt. Danach bedarf es einer förmlichen behördlichen Entscheidung über die Einstellung oder - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - die Fortführung des Verfahrens als Regel- oder vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren. Der zeitliche Faktor spielt dabei keine Rolle. Zwischen der bereits nach Einleitung des Planfeststellungs- oder eines entsprechenden Verfahrens zulässigen Anordnung der Flurbereinigung (§ 87 Abs. 2 Satz 1 [X.]) und der ggf. erst nach Unanfechtbarkeit der Planfeststellung oder des entsprechenden Verwaltungsakts möglichen [X.]ekanntgabe des Flurbereinigungsplans (§ 87 Abs. 2 Satz 2 [X.]) können insbesondere dann, wenn gegen einen Planfeststellungsbeschluss Rechtsstreitigkeiten in mehreren Instanzen geführt werden, viele Jahre vergehen. Dies hat der Gesetzgeber gesehen (vgl. [X.]T-Drs. 7/3020 [X.]) und damit, wie bereits das [X.] zu Recht ausgeführt hat ([X.]), bewusst eine unter Umständen sehr lange Dauer eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens in Kauf genommen.

Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, so dass für eine analoge oder rechtsgedankliche Anwendung von § 75 Abs. 4 Satz 1 VwVfG kein Raum ist. Im Übrigen lässt sich aus dieser Vorschrift auch keine allgemeingültige Vorstellung über angemessene Fristen für das Außerkrafttreten von Plänen oder anderen relevanten Zulassungsentscheidungen entnehmen. Sie bestimmt zwar, dass der Plan, wenn mit seiner Durchführung nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird, außer [X.] tritt. Diverse Fachgesetze sehen aber abweichende Fristen oder Verlängerungsmöglichkeiten vor, so etwa § 17c [X.]r. 1 [X.] eine Frist von zehn Jahren für straßenrechtliche [X.] (vgl. zu diversen Modifikationen etwa Uschkereit, in: [X.]/[X.], VwVfG, 2016, § 75 Rn. 68).

Auf die vom Kläger angeführte Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von [X.]ebauungsplänen und deren Übertragung auf Flurbereinigungspläne (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 [X.][X.] 1.14 - [X.]uchholz 424.01 § 58 [X.] [X.]r. 5 Rn. 28) kommt es schon deshalb nicht an, weil es vorliegend nicht um Festsetzungen eines Flurbereinigungsplans geht, sondern um den das Flurbereinigungsverfahren einleitenden [X.].

c) Soweit die [X.]eschwerde mit den Fragen,

ob § 87 Abs. 3 [X.] auch den Fall einbezieht, dass das zugrunde gelegte Straßenbauverfahren bereits verwirklicht ist und dabei zwingendes [X.] und bundesdeutsches Recht verletzt hat,

ob eine Verfahrensumstellung nach § 87 Abs. 3 [X.] nach dem Vollzug des Straßenbaus noch rechtlich möglich ist,

ob unter diesen - von der [X.]eschwerde im Einzelnen dargelegten - Umständen die Anwendung des § 87 Abs. 3 [X.] rechtlich vertretbar ist oder ob eine bereits erfolgte (rechtswidrige) Verwirklichung des [X.] ein solches Vorgehen in Gänze ausschließt,

ob die aus § 87 Abs. 3 [X.] hervorgehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Flurbereinigungsbehörde sich auch auf Situationen ausdehnen lassen, in denen das Unternehmen, das den Einleitungsbeschluss veranlasst hat, bereits vollzogen ist und sich nachträglich herausstellt, dass der Vollzug rechtswidrig war,

der Sache nach geklärt wissen will, ob eine Fortführung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 86 [X.] auch dann zulässig ist, wenn das Unternehmen, das Anlass für die Anordnung der Flurbereinigung war, vollständig verwirklicht worden ist, ist auch insoweit ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf nicht dargetan.

Hierzu führt die [X.]eschwerde zusammengefasst aus, § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] sei nach seinem Sinn und Zweck (nur) dann anwendbar, wenn ein Planfeststellungs- oder entsprechendes Verfahren vor Verwirklichung des geplanten Vorhabens eingestellt bzw. aufgehoben werde. Sei das Vorhaben (hier: der Straßenbau) bereits vollendet, habe die [X.] das Verfahren bereits so sehr geprägt, dass dies der Privatnützigkeit eines vereinfachten Verfahrens zwingend entgegenstehe. Im Übrigen werde der [X.] und Umstellungsbeschluss vom 13. September 2016 jedenfalls angesichts verschiedener Umstände des Einzelfalls dem Erfordernis vorrangiger Privatnützigkeit nicht gerecht und verfolge in Wahrheit das vorrangige Ziel, eine fremdnützige und bereits durchgeführte [X.] nachträglich zu legalisieren, indem ihr ein "Tarnmäntelchen der Privatnützigkeit umgehängt" werde.

Es kann wiederum dahingestellt bleiben, ob die [X.]eschwerde den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO entspricht. Denn jedenfalls lassen sich die aufgeworfenen Fragen, soweit sie in einem Revisionsverfahren überhaupt klärungsfähig wären, bereits auf der Grundlage des Gesetzes ohne Weiteres beantworten.

Die in § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorgesehene Fortführung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens als Regel- oder vereinfachte Flurbereinigung schließt an den vorhergehenden Satz 1 an und stellt sich als - an weitere Voraussetzungen gebundene - Alternative zu der dort geregelten Einstellung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens dar. [X.]eide Entscheidungsmöglichkeiten knüpfen an dieselbe Ausgangssituation an, nämlich die Einstellung des Planfeststellungs- oder des entsprechenden Verfahrens. Dabei geht es nicht um das Unternehmen selbst, das Anlass für die Einleitung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach § 87 [X.] war, sondern um dessen rechtliche Grundlage, die maßgeblich ist für die Zulässigkeit der Enteignung im Rahmen der Flurbereinigung. Fällt diese rechtliche Grundlage dauerhaft weg, was typischerweise in der Einstellung des jeweiligen Verfahrens zum Ausdruck kommt, fehlt es an einem zulässigen Anknüpfungspunkt für eine Unternehmensflurbereinigung, so dass dieses Verfahren zu beenden ist, indem es eingestellt oder - bei Vorliegen der entsprechenden weiteren Voraussetzungen - als ein anderes, gerade nicht mehr auf das Unternehmen bezogenes Flurbereinigungsverfahren fortgesetzt wird. Ein Zusammenhang mit dem Unternehmen selbst besteht nicht (mehr), so dass es für das Flurbereinigungsverfahren ohne [X.]edeutung ist, ob das Unternehmen realisiert wird und inwieweit dafür eine (neue) rechtliche Grundlage besteht.

Dieses aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes folgende Ergebnis entspricht auch dem Gesetzeszweck. Die Gesetzesbegründung bei Einführung des § 87 Abs. 3 [X.] verweist darauf, dass es bei Einstellung des Planfeststellungs- oder des entsprechenden Verfahrens einem praktischen [X.]edürfnis und insbesondere den allgemeinen Grundsätzen über eine sparsame Verwendung öffentlicher Mittel entspricht, ein begonnenes Verfahren, für das bereits personelle und materielle Aufwendungen erfolgt sind, nach Maßgabe der §§ 1 und 37 oder des § 86 [X.] durchzuführen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind ([X.]T-Drs. 7/3020 [X.]). Maßgebend für die Schaffung des § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] waren somit vor allem verfahrensökonomische Gründe. Diese Gründe gelten unabhängig davon, ob das Unternehmen, das Anlass der Unternehmensflurbereinigung sein sollte, verwirklicht wird oder nicht.

Dass vorliegend die Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 Satz 1 [X.] für eine Einstellung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens erfüllt sind, stellt im Übrigen auch der Kläger nicht in Abrede, der - wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] klargestellt hat - mit seiner Klage gerade eine vollständige Einstellung der Flurbereinigung erreichen will. Dann ist aber auch § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] anwendbar, sofern die weiteren Voraussetzungen - Erforderlichkeit einer Regel- oder vereinfachten Flurbereinigung und Interesse der [X.]eteiligten - gegeben sind. Dies beurteilt sich allein nach den Umständen des Einzelfalls und hat keine darüber hinausgehende [X.]edeutung.

Soweit der Kläger auf das Erfordernis einer privatnützigen Zweckverfolgung verweist und hier einen Widerspruch zu der fremdnützigen Realisierung des Unternehmens sieht, zeigt er auch insoweit keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Es ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens nach § 86 [X.] in erster Linie privatnützigen Zwecken dient, hinter denen fremdnützige Zwecke im Konfliktfall zurücktreten, und dass ein objektives Interesse der Teilnehmer im Sinne des § 4 [X.] bestehen muss. Mit dem Erfordernis überwiegender Privatnützigkeit ist es nicht vereinbar, eine vereinfachte Flurbereinigung anzuordnen, um in erster Linie Land für ein im Interesse der Allgemeinheit liegendes Vorhaben zu beschaffen ([X.], Urteil vom 13. April 2011 - 9 [X.] 1.10 - [X.]E 139, 296 Rn. 13 ff., 20 f.; [X.]eschluss vom 18. [X.]ovember 2014 - 9 [X.] 30.14 - ZUR 2015, 290 Rn. 4). Maßgeblich für die [X.]eurteilung, welche Zwecke mit einem Flurbereinigungsverfahren vorrangig verfolgt werden sollen, ist in erster Linie, was die zuständigen [X.]ehörden in Erfüllung ihrer [X.]egründungspflicht nach § 4 Halbs. 2 [X.] als Zwecke angegeben haben. Daneben ist die [X.]erücksichtigung weiterer Gesichtspunkte, die Aufschluss darüber geben können, ob die Flurbereinigung im konkreten Fall vorrangig privat- oder fremdnützigen Zwecken dienen soll, nicht ausgeschlossen ([X.], [X.]eschluss vom 13. September 2018 - 9 [X.] 40.17 - RdL 2019, 61 f.). Diese Grundsätze gelten auch für den in § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorgesehenen Übergang vom fremdnützigen Verfahren der Unternehmensflurbereinigung zum vereinfachten Verfahren (vgl. dazu bereits [X.], Urteil vom 13. April 2011 - 9 [X.] 1.10 - [X.]E 139, 296 Rn. 16).

Von diesen Maßgaben ist auch das [X.] ausgegangen ([X.] f.). Es hat die ausweislich des [X.] und Umstellungsbeschlusses und des nachfolgenden Widerspruchsbescheids verfolgten Zwecke der vereinfachten Flurbereinigung (Zusammenlegung zersplitterten Grundbesitzes auf der Grundlage des ausgeführten Wirtschaftswegebaus und Vorteilsziehung der [X.]ewirtschafter aus den bereits durchgeführten [X.] und vorläufigen Flächentauschmaßnahmen) geprüft und als privatnützig bewertet. Auch die besonderen Voraussetzungen für eine Fortführung der Unternehmensflurbereinigung als vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren - Erforderlichkeit und Interesse der [X.]eteiligten - hat es bejaht und dabei bei der [X.]ewertung der bereits getätigten erheblichen personellen und materiellen Aufwendungen die Frage eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des [X.]eklagten verneint ([X.] ff.). Die Kritik der [X.]eschwerde richtet sich in weiten Teilen gegen diese tatsächliche und rechtliche Würdigung des Einzelfalls.

d) Auch mit der Rüge einer Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] kann die [X.]eschwerde keine grundsätzliche [X.]edeutung aufzeigen. Hierzu hätte sie dartun müssen, welche von dieser Rechtsprechung abweichenden Rechtssätze das [X.] aufgestellt hat und inwieweit diese geeignet sein könnten, die mit der erwähnten Rechtsprechung erreichte Klärung wieder in Frage zu stellen und deshalb Anlass zu erneuter Klärung in einem Revisionsverfahren und gegebenenfalls einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zu geben (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. Juli 2008 - 9 [X.] 15.08 - [X.]uchholz 451.91 Europ. [X.] [X.]r. 35 Rn. 11 m.w.[X.].). Daran fehlt es hier. Die [X.]eschwerde wendet sich im Wesentlichen gegen den - nicht streitgegenständlichen - [X.]au der Entlastungsstraße und rügt erneut angebliche Rechtsanwendungsfehler des [X.].

2. Schließlich greifen die Verfahrensrügen nicht durch.

a) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das [X.] habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO bzw. die richterliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt und eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen.

Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt in dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Ein Verstoß des Gerichts liegt vor, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit welcher der unterlegene [X.]eteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 24. Februar 2020 - 9 [X.] 9.18 - juris Rn. 34 m.w.[X.].). Dass dies hier der Fall gewesen wäre, lässt sich dem [X.]eschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Der Kläger sieht in dem angefochtenen Urteil einen Widerspruch zu dem Urteil des [X.] vom 25. Februar 2015 - 15 KF 3/14 - ([X.], 128), mit dem der [X.] vom 5. September 2006 aufgehoben wurde, und rügt eine überraschende abweichende [X.]ewertung der unveränderten Sach- und Rechtslage. Das damalige Urteil des [X.] hat sich jedoch ausschließlich mit dem Änderungsbeschluss aus dem [X.] befasst und die Voraussetzungen für eine Fortführung der Unternehmensflurbereinigung verneint. Für die vom Kläger gezogenen Schlüsse auf eine - damals vom [X.]eklagten noch gar nicht thematisierte - Möglichkeit der Umstellung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 Abs. 3 Satz 2 [X.] bietet die [X.]egründung des Urteils keine Grundlage. Insofern bestand auch kein Anlass für einen gerichtlichen Hinweis.

Soweit die [X.]eschwerde rügt, das [X.] hätte dem [X.]eklagten aufgeben müssen, die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen "Ausführungen zu den Flurneuordnungsmaßnahmen" bereits rechtzeitig vor dem Termin schriftsätzlich darzulegen, lässt auch dies keine Gehörsverletzung erkennen. Der [X.]eklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Angaben aus den angefochtenen [X.]escheiden näher erläutert. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren dabei anwesend und hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern und, falls sie von dem Vortrag überrascht waren, ggf. eine Schriftsatzfrist oder eine Vertagung zu beantragen. Dies ist nicht erfolgt. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann aber nicht mit Erfolg rügen, wer es unterlässt, von den prozessualen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 12. Februar 2018 - 2 [X.] 63.17 - [X.]uchholz 310 § 95 VwGO [X.]r. 8 Rn. 12 m.w.[X.].).

b) Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verstoß gegen die [X.] des [X.]iedersächsischen [X.] vom 25. Februar 2015 - 15 KF 3/14 - ([X.], 128) nicht vor. Die [X.]indungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 121 VwGO beschränkt sich zwar nicht auf nachfolgende Prozesse mit identischen Streitgegenständen, sondern erfasst auch Fälle, in denen die rechtskräftige Zu- oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben [X.]eteiligten streitig ist, vorgreiflich ist (vgl. nur [X.], Urteil vom 10. Mai 1994 - 9 [X.] 501.93 - [X.]VwZ 1994, 1115 m.w.[X.]). Das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2015 ist jedoch nicht in diesem Sinne "vorgreiflich". Die im damaligen Verfahren ausgesprochene gerichtliche Aufhebung des angefochtenen [X.] aus dem [X.], die mit der fehlenden (bauplanungs-)rechtlichen Grundlage für die Unternehmensflurbereinigung begründet war, entfaltet keine Vorwirkung für die nunmehr aufgeworfene Frage nach der Fortführung des Flurbereinigungsverfahrens auf einer anderen rechtlichen Grundlage.

Der Hinweis des [X.] auf eine [X.]indungswirkung der rechtskräftigen Entscheidungen zur Unwirksamkeit der erlassenen [X.]ebauungspläne ([X.], Urteil vom 27. März 2014 - 4 [X.][X.] 3.13 - [X.]E 149, 229 und [X.]eschluss vom 13. Januar 2014 - 4 [X.] 37.13 - juris) führt zu keiner anderen [X.]ewertung. Denn § 121 VwGO gilt nur zwischen den [X.]eteiligten des rechtskräftig entschiedenen Verfahrens. Die zitierten Entscheidungen betreffen jedoch Verfahren, an denen der [X.]eklagte nicht beteiligt war und die deshalb im Verhältnis zu ihm in nachfolgenden Prozessen keine [X.]indungswirkung entfalten können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

9 B 26/19

26.08.2020

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 26. Februar 2019, Az: 15 KF 45/17, Urteil

§ 87 Abs 3 S 2 FlurbG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.08.2020, Az. 9 B 26/19 (REWIS RS 2020, 4247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4247

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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