Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.04.2018, Az. B 8 SO 2/18 B

8. Senat | REWIS RS 2018, 10739

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - höchstrichterliche Klärung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit stehen höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem [X.] - ([X.]).

2

Der Beklagte bewilligte dem Kläger ab Mai 2014 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 388,47 Euro monatlich unter Berücksichtigung einer monatlichen Erwerbsminderungsrente von 1000 Euro aus einer privaten Versicherung als Einkommen (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014). Die Klage, mit der der Kläger geltend macht, er müsse die Erwerbsunfähigkeitsrente für nicht von der Krankenkasse übernommene Medikamente und Behandlungen einsetzen und habe deshalb einen abweichenden Bedarf, ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das [X.] vom 9.9.2016; Urteil des [X.] <[X.]> für das [X.] vom 23.11.2017).

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] macht der Kläger geltend, das [X.] habe gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen. Außerdem liege der Zulassungsgrund der Divergenz vor. Das [X.] habe in seinem Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 11/10 R) entschieden, dass im Einzelfall durch Einholung von Gutachten bzw Stellungnahmen zu klären sei, ob und in welcher Höhe der tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden könne, der von der Regelleistung nicht gedeckt sei. Diese Prüfung habe das [X.] nicht durchgeführt.

4

Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei gegeben. [X.] sei die Rechtsfrage: "Besteht beim Vorliegen erheblicher und schwerwiegender, auch lebensbedrohlicher Erkrankungen unter Berücksichtigung der Artikel 2 Abs. 2 und Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz eine Verpflichtung von Trägern der Grundsicherung auf Bewilligung von Leistungen für wiederkehrende (Sonder)bedarfe nach § 27a [X.], unter Außerachtlassung des Grundsatzes des § 52 [X.], des [X.] der Krankenversicherung?"

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] Sozialgerichtsgesetz <[X.]>), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt worden sind. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.] entscheiden.

6

Gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB [X.] § 160a [X.], 24, 36). Wer sich - wie hier - allein auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.] stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB [X.]-1500 § 160a [X.] mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 15/13 B; [X.]-1500 § 160 [X.] Rd[X.]1 mwN). Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen. Auch ein - wie hier vor dem [X.] - unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht ([X.] vom [X.] - [X.] [X.] 15/13 B; [X.] vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - juris RdNr 8 mwN; [X.] vom [X.] U 103/12 B - juris Rd[X.]). Dies behauptet der Kläger aber mit seiner Beschwerde noch nicht einmal, sondern macht einerseits nur verallgemeinernd die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung durch das [X.] geltend. Andererseits rügt er mit seinem Vorbringen, das [X.] hätte zunächst erst einmal "ermitteln" müssen, ob bei ihm überhaupt Erkrankungen im Sinne des [X.] vorlägen, nur die rechtliche Würdigung des [X.] und die darauf beruhende Rechtsanwendung, also gerade nicht - fehlende - Ermittlungen hinsichtlich des Tatsächlichen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat ([X.] § 160a [X.]). Welche tatsächlichen Ermittlungen sich dem [X.] ggf (noch) hätten aufdrängen müssen, wenn zugleich vorgetragen wird, dass sich eine komprimierte Zusammenfassung des medizinischen Gesamtzustands aus den vorgelegten Unterlagen ergebe, trägt der Kläger darüber hinaus nicht vor. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger pauschal - weiteren - Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung wegen anderer gesundheitlicher Einschränkungen geltend macht.

7

Eine Divergenz hat der Kläger ebenfalls nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das [X.] diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat ([X.] § 160a [X.]). Der Kläger formuliert jedoch weder einen tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] noch einen solchen des [X.], geschweige denn legt er eine Abweichung dar. Vielmehr macht er auch insoweit nur geltend, das [X.] habe die erforderliche Aufklärung des Sachverhalts unterlassen.

8

Aber auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) [X.]keit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Denn der Kläger hat keine konkrete Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidung durch den [X.] angestrebt wird. Vielmehr würde die Beantwortung der von ihm formulierten Frage eine kommentar- oder lehrbuchmäßige Aufarbeitung einer abstrakten Fragestellung verlangen, was aber nicht zur Aufgabe des [X.]s gehört.

9

Zudem wird ein Klärungsbedarf der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend aufgezeigt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das [X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.]). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des [X.] zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen [X.] noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei ([X.]/[X.]/ [X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]83 mwN). Zur Darlegung des [X.] hätte sich der Kläger deshalb insbesondere mit den Urteilen des [X.]s vom 15.11.2012 - [X.] [X.] 6/11 R - ([X.]E 112, 188 = [X.] 4-3500 § 49 [X.], Rd[X.]9, 25-26) und vom 16.12.2010 - [X.] [X.] 7/09 R - ([X.]E 107, 169 = [X.] 4-3500 § 28 [X.]) auseinandersetzen müssen, die (auch) das Verhältnis von Hilfen bei Krankheit (§ 52 [X.]) zu einer Erhöhung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 [X.] (heute: § 27a Abs 4 Satz 1 [X.]) aber auch zu Leistungen in besonderen/sonstigen Lebenslagen (§ 73 [X.]) betreffen.

Nicht ansatzweise dargelegt wird schließlich die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der aufgeworfenen Rechtsfrage. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil der Kläger im Zusammenhang mit der erhobenen Verfahrensrüge ausdrücklich das Vorliegen von "Krankheit" und die Anwendung der Vorschriften über die Hilfe bei Krankheit im vorliegenden Fall selbst infrage stellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 8 SO 2/18 B

16.04.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 9. September 2016, Az: S 36 SO 138/16, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.04.2018, Az. B 8 SO 2/18 B (REWIS RS 2018, 10739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10739

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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