Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2001, Az. IX ZR 337/98

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2764

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:26. April 2001PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:nein BGB §§ 765, 138 [X.] 1Ein einkommensschwacher Bürge ist wirtschaftlich nicht krass überfordert,wenn er die gesamte [X.] voraussichtlich durch Verwertung desvon ihm bewohnten [X.] zu tilgen vermag.[X.], Urteil vom 26. April 2001 - [X.] - [X.] 2 -Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 26. April 2001 durch [X.] Kreft und die [X.], Kirchhof, Dr. Fischer und Raebelfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 19. August 1998 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der Kläge-rin erkannt ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] an den 16. Zivilsenat des Berufungsgerichts zu-rückverwiesen.Von Rechts [X.] der [X.], [X.], war Inhaber einer [X.] (nachfolgend: [X.] oder Hauptschuldnerin). Diese unterhielt bei derKlägerin Geschäftskonten. Nachdem die Kontokorrentverbindlichkeiten der[X.] auf 110.000 DM angestiegen waren, unterzeichnete die damals 62jährigeBeklagte - eine Hausfrau und Rentnerin - am 30. November 1992 eine von der- 3 -Klägerin formularmäßig vorgefertigte Bürgschaftserklärung zur Sicherung allerbestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin aus der Geschäftsverbin-dung mit der [X.] bis zum Höchstbetrag von 150.000 DM. [X.] war [X.] und ist hälftige Eigentümerin eines bebauten Grundstücks; die an-dere Hälfte gehört einer ungeteilten Erbengemeinschaft, an welcher die [X.] wieder zur Hälfte beteiligt war. Sie wohnt auf dem Grundstück. [X.] enthielt unter anderem folgende [X.] ... verpflichte [X.] gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde,bis 31.12.1992 eine Grundschuld über [X.] auf dem Objekt ...(es folgt die Bezeichnung des von der [X.] bewohnten [X.]) ... einzutragen ......Die [X.] wurde auf die schwierige Situation der Gesellschaft hin-gewiesen."Nach Konkurseröffnung über das Vermögen der [X.] übertrug [X.] sei-nen Anteil an der Erbengemeinschaft auf die Beklagte. Diese erklärte mit [X.] vom 11. April 1997 die Anfechtung ihrer Bürgschaftserklärungwegen arglistiger Täuschung.Die Klägerin hat die Beklagte aufgrund der Bürgschaft auf Zahlung von150.000 DM nebst Zinsen sowie gemäß den Vorschriften des Anfechtungsge-setzes auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den von [X.] übertragenenAnteil in Anspruch genommen. Das [X.] hat der Klage in der [X.] stattgegeben, das [X.] hat den Zahlungsanspruch [X.]. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.- 4 -Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und [X.] der Sache an das Berufungsgericht.[X.] Berufungsgericht hat zur Bürgschaftsforderung der Klägerin aus-geführt:Die Bürgschaft sei wegen der strukturell ungleichen Verhandlungsstärkeder Parteien und der außergewöhnlich starken Belastung der wirtschaftlich un-erfahrenen [X.] gemäß § 138 BGB nichtig. [X.] habe kein eige-nes wirtschaftliches Interesse an der Bürgschaft gehabt. Ihre familiäre Bindungan ihren [X.] - den Inhaber der [X.] - habe die Klägerin zu ihren [X.].Die Übernahme der Bürgschaft bedeute im Ergebnis einen Entzug derwirtschaftlichen Lebensgrundlage der [X.]. Diese verfüge nur über gerin-ge Renteneinkünfte, die wenig über dem [X.] lägen. Ihren [X.] stelle der Miteigentumsanteil an dem [X.], in welchem die Beklagte wohne und das sie im Falle künftiger finanziellerNotlage im Alter sichere. Aufgrund ihrer Renteneinkünfte sei die Beklagte kaum- 5 -in der Lage, anderweitig eine wirtschaftlich erschwingliche Mietwohnung anzu-mieten.Auf seiten der Klägerin habe ein besonders verwerfliches Gewinnstre-ben insoweit vorgelegen, als sie ihre eigenen Interessen gegenüber einer wirt-schaftlich gänzlich unterlegenen und im Hinblick auf verwandtschaftliche Be-ziehungen in einer seelischen Zwangslage befindlichen Person rücksichtslosdurchgesetzt habe. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, daß zumZeitpunkt des [X.] die GmbH des [X.]es der [X.]bereits völlig überschuldet und dies der Klägerin auch bewußt gewesen [X.] die seitens der Klägerin gewährten Kredite hätten sich zu diesem Zeit-punkt auf mindestens 150.000 DM belaufen. Hierbei sei es der Klägerin [X.] eine im Ergebnis allenfalls noch zu billigende Absicherung künftig noch zugewährender Kredite, sondern lediglich um die Absicherung bereits bestehen-der Forderungen gegangen, die im Fall der Kreditkündigung unwiederbringlichverloren gewesen wären. Im Ergebnis sei die Klägerin seinerzeit bestrebt ge-wesen, ein schon damals konkursreifes Geschäftsunternehmen durch Erlan-gung von [X.] noch für eine gewisse Zeit am Leben zu [X.], um so die Absicherung ihrer eigenen Forderungen gegenüber diesemUnternehmen sicherzustellen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Klägerin bereits klargewesen oder hätte ihr jedenfalls bewußt sein müssen, daß die Gesellschaft imErgebnis nahezu bankrott war.Schließlich erscheine die Bürgschaftsübernahme deshalb sittenwidrig,weil die Bürgschaftsbedingungen die [X.] außerordentlich belasteten. [X.] umfasse außer der Hauptsumme Zinsen, Provisionen und [X.] insoweit, als dadurch der Höchstbetrag von 150.000 [X.] -werde. Die Bürgschaft sei zudem nicht zeitlich begrenzt gewesen. In Nr. 4 seivorgesehen, daß bis zur vollständigen Befriedigung der Bank alle [X.] als Sicherheitsleistung dienten und erst nach vollständiger Befrie-digung der Bank deren Ansprüche gegen den Hauptschuldner in Höhe der [X.] auf den Bürgen übergehen sollten. Darüber hinaus sei die [X.]. 5 befugt, den Erlös von Sicherheiten sowie Zahlungen des [X.]s oder anderer [X.] zunächst auf den Betrag ihrer Ansprüche an-zurechnen, der die Bürgschaftssumme übersteigt. Zusätzlich sehe Nr. 8 einenVerzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit sowie [X.] vor. Ferner werde auf die Rechte aus § 776 BGB verzichtet. [X.] solle die Bank berechtigt sein, dem Hauptschuldner weitere Kredite zugewähren, mit ihm Stundung zu vereinbaren und einen gerichtlichen oder au-ßergerichtlichen Vergleich über die verbürgte Forderung gegen den [X.] abzuschließen, ohne die Zustimmung des Bürgen hierzu einzuholen.Nach alledem habe für die [X.] theoretisch überhaupt keine Aussicht [X.], daß - insbesondere bei Hingabe weiterer Kredite - der Schuldbetraggemäß Bürgschaftserklärung überhaupt einmal vom Hauptschuldner habe ge-tilgt werden können.[X.] hat das Berufungsgericht - wie die Revision zutreffend rügt - dierechtlichen Voraussetzungen verkannt, unter denen eine Bürgschaft sittenwid-rig [X.] -§ 138 Abs. 2 BGB scheidet von vornherein aus, weil diese Vorschrifteinen Leistungsaustausch voraussetzt; ein einseitiges Verpflichtungsgeschäftwie die Bürgschaft genügt dafür nicht ([X.]. v. 7. Juni 1988 - [X.] 245/86, NJW 1988, 2599, 2602; [X.]/Sack, BGB 13. Bearb. § 138Rn. 176; [X.], [X.]. § 138 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 138 Rn. 66; vgl. [X.]Z 106, 269, 271 f).Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB sind ebenfalls nicht erfüllt.Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht einseitig auf [X.], die Beklagte belastende Umstände abgestellt, ohne sie in [X.] Zweck des Rechtsgeschäfts zu setzen oder ausgleichende Umstände zuberücksichtigen. Eine besonders schwerwiegende Störung der Vertragsparitätist nicht festzustellen.1. [X.] stand zwar dem Inhaber der Hauptschuldnerin - ihrem[X.] - persönlich nahe. Sie mag auch keinen eigenen unmittelbaren wirt-schaftlichen Vorteil aus der Übernahme der Bürgschaft erlangt haben. Das [X.] genügt jedoch nicht, um das [X.] der Sittenwidrigkeit zu [X.]. Vielmehr kommt nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des [X.] des [X.]. Zivilsenats des [X.] eine Vermutung dafür, daß [X.] als Gläubiger die emotionale Beziehung zwischen [X.] und Bürgen in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, nur dann in [X.], wenn ein krasses Mißverhältnis zwischen dem [X.] der Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht ([X.]Z 125, 206, 211; 136, 347,351; 137, 329, 333 f; [X.], Urt. v. 14. November 2000 - [X.] ZR 248/99,WM 2001, 402, 403 f.). Daran fehlt es [X.] -Zwar bezog die Beklagte 1996 nur ein monatliches Renteneinkommenvon 1.592,53 DM. Der pfändbare Teil davon hätte nicht einmal ausgereicht, umdie laufenden Zinszahlungen auf eine Hauptsumme von 150.000 DM zu dek-ken. Jedoch war das Hausgrundstück, welches der [X.] wirtschaftlich zu3/4 und ihren beiden Söhnen zu je 1/8 gehörte, bei Abgabe der [X.] unstreitig jedenfalls 200.000 DM wert. Damit deckte der Anteil der [X.]n die Hauptsumme der Bürgschaft wertmäßig voll ab. Das schließt eineÜberforderung aus: Der Einsatz des letzten vorhandenen Vermögensguts zurSicherung der Verbindlichkeiten eines nahen Angehörigen ist nicht ohne [X.] sittlich verwerflich. § 138 Abs. 1 BGB hat - entgegen der Auffassung der[X.] - sogar dann nicht regelmäßig den Zweck, das Eigenheim einesBürgen auf Dauer zu erhalten, wenn dessen Einkommen die [X.] nur in begrenztem Umfang übersteigt. Ebensowenig schützt die Norm dieMöglichkeit eines dauerhaften mietfreien Wohnens. Soweit ein Anspruch [X.] gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 7 [X.] nicht die vorherige Verwertung desvom Hilfesuchenden bewohnten Hauses voraussetzt, kann daraus - anders alsdie Revisionserwiderung meint - kein Einwand gegenüber privaten Gläubigernabgeleitet werden.[X.] hätte allenfalls durch die auf die Hauptschuld [X.] von 5 % über dem Diskontsatz überfordert werden können. Jedoch [X.] sie sich in der Bürgschaftsurkunde zugleich verpflichtet, eine Grundschuldauf ihrem Wohnhaus einzutragen; dafür sollte sie die Bürgschaftsurkunde zu-rückgeben können. Dies entspricht dem eigenen Vortrag der [X.], dieKlägerin sei in erster Linie an dem Hausgrundstück als Sicherheit interessiertgewesen; erst als sie erfahren habe, daß die Beklagte zu 3/4 Grundstücksei-gentümerin sei, habe sie zunächst deren Bürgschaft verlangt. Diesem [X.] -ren hat, soweit dargetan, weder die Beklagte noch ihr [X.] [X.], welcher [X.] die Verhandlungen mit der Klägerin führte, widersprochen. Danach [X.] Beklagte gegen Bestellung der Grundschuld bei vertragsgerechtem V[X.] jede persönliche Zahlungspflicht vermieden. Dann wäre zu ihren Lastenauch keine über 150.000 DM hinausgehende Zinsbelastung entstanden. Ihrewirtschaftliche Leistungsfähigkeit hätte die eingegangene Verpflichtung [X.] Eine Bürgschaft, die - wie die vorliegende - den Bürgen nicht finanziellkraß überfordert, kann nur aufgrund besonders erschwerender und dem [X.] zurechenbarer Umstände das Gepräge der Sittenwidrigkeit erlangen([X.]Z 120, 272, 276; 132, 328, 329 f, 134, 325, 327; 136, 347, 350 f; 137,329, 332 f). Daran fehlt es hier ebenfalls.a) Das Berufungsgericht hat zwar gemeint, die Klägerin habe eine ausfamiliärer Bindung herrührende subjektive Zwangslage der [X.] "ersicht-lich zu ihren Gunsten ... ausgenutzt". Für einen solchen Vorwurf fehlt aber dietatsächliche Grundlage. Die Klägerin war grundsätzlich berechtigt, weitereKredite nur gegen die Stellung von Sicherheiten zur Verfügung zu halten oderzu stellen. [X.] hat sich ausschließlich von ihrem eigenen [X.], [X.] der Hauptschuldnerin, zur Übernahme der Bürgschaft bewegen lassen,ohne daß hierzu Näheres vorgetragen wäre. In der Entgegennahme der [X.] allein liegt keine unlautere Einwirkung der Klägerin auf die Willensbil-dung der [X.].Zwar mag die Beklagte die Bürgschaft aus Sorge um das finanzielleWohlergehen ihres [X.]es abgegeben haben. Dies gibt dem [X.] -noch kein anstößiges Gepräge. Die Bank, die mit dem Verlangen nach einerBürgschaft eigene berechtigte Sicherungsinteressen wahrnimmt, handelt [X.] objektiv nicht unlauter, solange sie nicht die emotionale Zwangslage [X.] in rechtlich verwerflicher Weise begründet oder ausnutzt ([X.]. v.23. Januar 1997 - [X.], [X.], 465, 466).Eine außergewöhnliche geschäftliche Unerfahrenheit brauchte die Klä-gerin bei der 1930 geborenen [X.] nicht vorauszusetzen. Aufgrund [X.] Lebenserfahrung mußte ihr das Risiko einer Bürgschaft wenigstensim allgemeinen bekannt sein. Aus diesen für sie ersichtlichen Umständenbrauchte die Klägerin nicht den Schluß zu ziehen, daß die Beklagte sich beiihrer Entscheidung nicht von rationalen Erwägungen hätte leiten [X.]) [X.] könnte zwar die Annahme des Berufungsgerichtssein, die Klägerin habe der [X.] eine hoffnungslose Lage der [X.]in verschwiegen (vgl. [X.]Z 125, 206, 217). Dann hätte die [X.] in der Tat nur eine zusätzlich mithaftende Person gesucht, ohne daß dievon der [X.] erhoffte Hilfe für ihren [X.] sich noch hätte auswirken [X.]. Eine unter solcher Täuschung zustande gekommene Bürgschaft wäre sit-tenwidrig.aa) Soweit das Berufungsgericht es allerdings ausreichen läßt, der Klä-gerin habe "bekannt sein müssen", daß die Hauptschuldnerin im Ergebnis [X.] bankrott gewesen sei, ist schon der rechtliche Ansatz fehlerhaft. Eine aufbloß leichter Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis wesentlicher Tatsachenreicht nicht für den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens aus. Allenfalls wer sich- 11 -grob fahrlässig der Kenntnis wesentlicher Tatsachen verschließt, kann damitsittenwidrig handeln ([X.]Z 10, 228, 233; 20, 43, 52).bb) Im übrigen dringt gegen die Annahme eines Vorsatzes und sogareiner Fahrlässigkeit der Klägerin die Verfahrensrüge der Revision durch. [X.] hat nach ihrer eigenen Darstellung nur eine "schwierige" [X.] Lage der [X.] gekannt und die Beklagte darauf in der [X.] auch ausdrücklich hingewiesen. Im übrigen hatte die Klägerin behauptet,der [X.] der [X.] habe ihr - der Klägerin - die schwierige Lage derHauptschuldnerin verheimlicht. Unstreitig hat er ihr sogar ein Schreiben [X.] vom 5. April 1993 vorgelegt, aus dem sich eine positive Ent-wicklung des Betriebes ergab. Erstmals im April 1994 - also fast 1½ Jahre nachÜbernahme der hier fraglichen Bürgschaft - hat der [X.] der [X.] dieKlägerin nach deren Behauptung darüber informiert, daß die Liquidation derHauptschuldnerin beschlossen sei.Die übrigen tatsächlichen Umstände, welche der Klägerin bekannt [X.], ließen nicht die Annahme zu, daß der Versuch zur Rettung der [X.] vonvornherein aussichtslos gewesen sei; dies hat bereits das [X.] zutref-fend ausgeführt, ohne daß sich das Berufungsgericht damit im einzelnen aus-einandergesetzt hätte. Die Hauptschuldnerin hatte zwar im Jahre 1991 hoheVerluste erlitten und war demzufolge finanziell überschuldet, doch führt die [X.] selbst dies nur auf den Ausfall eines holländischen Kunden zurück. [X.] Jahr 1992 - in dem die Bürgschaft übernommen wurde - weist die Bilanzdagegen einen Jahresüberschuß von 18.571,71 DM aus. Die bei der [X.]sübernahme aktuellsten Daten deuteten also nicht ohne weiteres auf ei-ne Sanierungsunfähigkeit hin. Zu einer Fortführungsprognose für die [X.] ist- 12 -nichts dargetan. Wird eine Sanierung ernsthaft angestrebt, kann auch schondas Aufrechterhalten bereits gewährter Kredite eine Gegenleistung sein. [X.] jedenfalls dann, wenn im Falle der sofortigen Kündigung wenigstens nochTeile der zuvor ausgereichten Kredite zurückgeholt werden könnten.c) Endlich begründen die einzelnen Rechtsfolgeregelungen, welche dieKlägerin formularmäßig für die Bürgschaft vorgesehen hat, keine Sittenwidrig-keit der Bürgschaft insgesamt.Nach §§ 3, 9 ff [X.] wird die Wirksamkeit und Zulässigkeit formular-mäßiger Vertragsbedingungen grundsätzlich selbständig geprüft. Sogar [X.] einzelne Klauseln unwirksam sein sollten, wird der [X.] mit dem nicht zu beanstandenden Inhalt - ergänzt durch die ge-setzlichen Vorschriften - aufrechterhalten (§ 6 Abs. 1 und 2 [X.]); für [X.] des § 6 Abs. 3 [X.] ist hier nichts dargetan.Die Verwendung unangemessener formularmäßiger Klauseln [X.] dann zu einer Sittenwidrigkeit des gesamten Vertrages gemäß § 138Abs. 1 BGB führen, wenn der Vertrag insgesamt aus sittlich verwerflicher Ge-sinnung so einseitig abgefaßt wurde, daß nur der eine Vertragsteil seineRechte durchsetzt, während wesentliche, berechtigte Belange des [X.] mißachtet werden (vgl. [X.]Z 136, 347, 355 f). Dafür liegt hier nichts vor.aa) Im einzelnen verweist das Berufungsgericht auf die mögliche, denvereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft überschreitende Belastung mit Zin-sen, Provisionen und Kosten. Das entspricht jedoch im [X.] der gesetzlichenRegelung des § 767 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB, die zudem gerade im vor-- 13 -liegenden Falle die Beklagte nicht zu belasten brauchte (s.o. 1). [X.] die - vom Berufungsgericht vermißte - zeitliche Begrenzung der [X.] zu deren gesetzlichen Normalinhalt.bb) Weiter hat das Berufungsgericht auf Nr. 4 der allgemeinen [X.]sbedingungen abgestellt. Danach dienen alle Zahlungen des Bürgen [X.] vollständigen Befriedigung der Bank nur als Sicherheitsleistung; deshalbgehen ihre Ansprüche gegen den Hauptschuldner grundsätzlich erst nach voll-ständiger Befriedigung der Bank auf den Bürgen in Höhe seiner Leistung über.Derartige Klauseln hat der Senat früher allgemein gebilligt ([X.]Z 92, 374, 378ff). Deren Zulässigkeit mag dann zweifelhaft sein, wenn die Bürgschaft nichtsämtliche Forderungen der Bank aus der Geschäftsverbindung mit dem [X.] sichert (vgl. [X.], 1705, 1712 f). Für den vorliegendenFall hat diese mögliche Einschränkung keine Bedeutung. Denn die Bürgschaftder [X.] haftete der Klägerin - bis zum Höchstbetrag - für alle Verbind-lichkeiten der [X.]. Im übrigen betrifft die Rechtsfrage nur die Abwicklung [X.] nach teilweiser Erfüllung, nicht aber den [X.] des schutzwürdigenInteresses von Bürgen.cc) Gemäß Nr. 5 der [X.] war die Bankbefugt, den Erlös von Sicherheiten sowie Zahlungen des Hauptschuldners [X.] auf den Betrag ihrer Ansprüche zu verrechnen, der die [X.] übersteigt. Dies entspricht - bis zur Grenze des § 776 BGB (dazu un-ten) - im wesentlichen der gesetzlichen Regelung des § 366 Abs. 2 BGB. [X.] bei einer ausdrücklichen Bestimmung des Leistenden im Sinne von§ 366 Abs. 1 BGB könnte das anders sein. Dann ist jedoch zweifelhaft, ob [X.] als Gläubiger vertraglich verpflichtet wäre, eine solche Leistung- 14 -anzunehmen (vgl. § 367 Abs. 2 BGB). Wer für eine fremde Kreditschuld Si-cherheiten gibt, kann von dem Sicherungsnehmer, der noch weitere Forderun-gen gegen den Schuldner hat, grundsätzlich keine vorrangige Verrechnung [X.] gerade auf die von ihm abgesicherte Verbindlichkeit verlangen([X.], Urt. v. 29. April 1997 - [X.] ZR 176/96, [X.], 1247, 1249 f.).dd) Endlich hat das Berufungsgericht auf Nr. 8 der Allgemeinen [X.]sbedingungen abgestellt. Danach verzichtet der Bürge auf die Einredender Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit (§ 770 BGB) sowie der [X.](§ 771 BGB) und auf die Rechte aus § 776 BGB. Ferner soll die [X.] Zustimmung des Bürgen berechtigt sein, dem Hauptschuldner weitereKredite zu gewähren, mit ihm Stundung zu vereinbaren oder einen Vergleichüber die Hauptschuld abzuschließen.Soweit danach in gesetzliche Rechte des Bürgen eingegriffen wird, istder Eingriff jedenfalls nicht so schwerwiegend, daß er nicht durch eine [X.] gemäß § 9 [X.] für sich angemessen gelöst werden könnte. [X.] auf die Einrede der [X.] (§ 771 BGB) ist gerade das [X.] selbstschuldnerischen Bürgschaft und insoweit nicht zu beanstanden. [X.] auf die Rechte aus §§ 770 und 776 BGB mag - entgegen anderslau-tender früherer Rechtsprechung ([X.]Z 78, 137, 141 ff; 95, 357 ff; [X.]. v.7. November 1985 - [X.], [X.], 95, 97; v. 13. Dezember 1990- [X.], [X.], 558, 559) - nicht unbedenklich sein. Den formular-mäßigen Verzicht jedenfalls auf die Rechte aus § 776 BGB hält der Senatnunmehr für unwirksam (Urt. v. 2. März 2000 - [X.], [X.], 764,767 f., z.[X.]. in [X.]Z; v. 6. April 2000 - [X.], [X.], 1141, 1144). Injedem Falle kann aber die Unwirksamkeit derartiger formularmäßiger Ein-- 15 -schränkungen durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften, die [X.] werden sollten, vollwertig ausgeglichen werden.Daran ändert es nichts, daß die Klägerin befugt blieb, der [X.] weitereKredite zu gewähren. Dazu wäre sie auch ohne besondere Klarstellung gegen-über der [X.] grundsätzlich berechtigt. Diese haftete nicht für solche Kredite,die nicht Anlaß für ihre Verbürgung waren. Ihre schutzwürdigen Belangekönnten allenfalls bei einer dadurch mit bewirkten wirtschaftlichen Überforde-rung verletzt werden. Daran fehlt es hier (s.o. 1).ee) Erfüllt danach keine einzelne der formularmäßigen Bedingungen [X.] des § 138 Abs. 1 BGB, gilt dies auch nicht für das formular-mäßige Klauselwerk als Ganzes. Soweit die vorformulierten Vertragsbedingun-gen die Rechtsausübung des Bürgen über das gesetzliche Maß hinaus ein-schränken, betreffen sie nicht den [X.]bereich des [X.], so [X.] auf eine verwerfliche Gesinnung der Klägerin zu schließen ist. Im [X.] reicht § 6 Abs. 1 und 2 [X.] aus, um den gesetzlich gebotenen Schutzdes Bürgen zu gewährleisten.II[X.] danach rechtsfehlerhafte Urteil erweist sich nicht aus [X.] als richtig (§ 563 ZPO).1. [X.] bestreitet nicht, daß die Kontokorrentverbindlichkeiten,deren Ausgleich die Klägerin nun verlangt, Anlaß für die [X.] 16 -2. [X.] hat ihre Bürgschaftserklärung nicht gemäß § 123 Abs. 1BGB wirksam angefochten. Insoweit braucht nicht entschieden zu werden, obdie Beklagte die Anfechtung am 11. April 1997 noch rechtzeitig im Sinne von§ 124 Abs. 1 und 2 BGB erklärt hat. Sie hat dazu vorgetragen, erst nach [X.] ihres [X.]es [X.] wegen Konkursverschleppung - am 14. März1997 - erfahren zu haben, daß zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der [X.]serklärung die [X.] schon konkursreif gewesen sei.Jedenfalls steht nicht fest, daß die Klägerin die Beklagte vorsätzlich überdie Konkursreife der [X.] getäuscht hätte.a) Insoweit kann der Klägerin nicht das Wissen des [X.]es [X.] der[X.] zugerechnet werden (§ 123 Abs 2 BGB). Denn dieser handelte imeigenen Interesse als Inhaber der Hauptschuldnerin, nicht als Erklärungsge-hilfe der [X.]) Aus den oben zu [X.] b dargelegten Gründen steht es auch nicht fest,daß die Klägerin selbst eine mögliche Konkursreife der [X.] gekannt hätte.Dann brauchte sie über eine solche auch nicht aufzuklären.3. Aus denselben Gründen hat die Klägerin nicht vorvertragliche Aufklä-rungspflichten verletzt. Sie hat die Beklagte ausdrücklich "auf die [X.] hingewiesen". Daß die Lage der [X.] nicht nurschwierig, sondern sogar hoffnungslos gewesen sein soll, wußte sie nach ihrerDarstellung nicht und brauchte sie auch nicht zu [X.] 17 -IV.Der Senat kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden(§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).Zwar hat die Klägerin eine Kenntnis der hoffnungslosen Lage der [X.](s.o. [X.] b, [X.]) im maßgeblichen Zeitpunkt von Anfang an bestritten. [X.] hat auch die darlegungsbelastete Beklagte für bestimmte Vertreter derKlägerin zu keiner Zeit substantiiert vorgetragen. Im Gegenteil hat sie [X.], ihr [X.] [X.] habe versucht, die Klägerin über die wahre [X.] Lage der [X.] im Unklaren zu lassen (S. 8 der Klageerwiderung [X.] = [X.]. 37 GA). Wenn er sie "nicht überzeugen" konnte, folgt daraus nichtihre Kenntnis des Gegenteils. Dementsprechend hat das [X.] in seinemUrteil (S. 15 f) ausgeführt, es könne nicht eine arglistige Täuschung der [X.]n und insbesondere nicht eine wirtschaftliche Gefährdung des [X.] erkennen, welche über die der [X.] bekannten Umstände hin-ausgegangen sei. Dennoch hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Klägerinsei zum Zeitpunkt des [X.] "bekannt und bewußt" gewesen,daß die [X.] bereits völlig überschuldet gewesen sei. Mit Rücksicht hierauf hältder Senat es im Hinblick auf § 139 Abs. 1 ZPO für unvermeidlich, den Parteiendurch eine Zurückverweisung der Sache Gelegenheit zu ergänzendem Sach-vortrag zu geben.Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch [X.]Kirchhof Fischer Raebel

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IX ZR 337/98

26.04.2001

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2001, Az. IX ZR 337/98 (REWIS RS 2001, 2764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2764

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