Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2017, Az. XI ZR 600/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3426

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:241017UXIZR600.16.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XI [X.]/16
Verkündet am:

24. Oktober 2017

Herrwerth

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] §§ 307 Bm, 765, 770 Abs. 2

Eine in einem Vertrag über Bauleistungen formularmäßig vereinbarte [X.], die es dem Auftragnehmer auferlegt, zur Ablösung eines [X.] eine Bürgschaft mit einem gegenüber dem Bürgen unzulässigen Regelungs-inhalt (hier: formularmäßiger Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, der auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des [X.] um-fasst) zu stellen, benachteiligt den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist nach §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] unwirksam.
[X.], Urteil vom 24. Oktober 2017 -
XI [X.]/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24.
Oktober 2017 durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, [X.]
Joeres
und
Dr.
Matthias
sowie
die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Dauber
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11.
Zivilsenats des [X.] vom 12.
Oktober 2016 wird auf ihre Kos-ten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die beklagte Versicherung aus einer [X.] in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die G.

GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin) durch Vertrag vom 13./22.
Februar 2007 mit der Lieferung und dem Einbau einer Lüftungsanlage in ein in ihrem Eigentum [X.] Gebäude. Bestandteile dieses Vertrages waren u.a. die zusätzlichen Vertragsbedingungen ([X.]) für die Ausführung von Bauleistungen der Klägerin in der Fassung 03/2006, die [X.], Teile B und [X.], sowie ein [X.] der Klägerin. Der Vertrag enthielt folgende Regelung:
"Als Sicherheit für Gewährleistungsansprüche wird eine Sicherheitsleis-tung in Höhe von 5% auf die Schlussrechnungssumme über den gesam-ten Zeitraum der Gewährleistungsfrist einbehalten. Der 5%-ige Gewähr-1
2
-
3
-
leistungseinbehalt kann durch eine unbefristete Bankbürgschaft abgelöst werden (siehe Ziffer II.12.2 der [X.])."
In Ziffer
12 [X.] der Klägerin heißt es:
"12. Zu §
14 [X.]/B Abrechnung

12.2 Dem AG verbleibt für die Sicherstellung der Gewährleistung ein-schließlich Schadenersatz für die Dauer der Gewährleistungszeit gemäß Ziffer 11.1 ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 v.H. der Brutto

Schlussrechnungssumme. Der Sicherheitseinbehalt kann frühestens mit der Fälligkeit der Schlusszahlung

Zug um Zug

gegen Stellung einer Gewährleistungssicherheit nach §
17 Nr.
2 [X.]/B ausgezahlt werden. Wenn der [X.] durch Bürgschaft erbringen will, muss er diese in Form einer
unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deut-schen Bank oder eines [X.] öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts stellen. Die Bürgschaft hat im Übrigen der [X.].

Das in Bezug genommene [X.], das die Regelung: "Wir verzichten auf die Rechte aus den §§
770, 772 und 776 [X.]" enthält, war dem [X.] durch die Vertragsparteien nicht beigefügt.
Am 30.
November 2007 nahm die Klägerin die Werkleistungen der Hauptschuldnerin ab. Am 10.
Oktober 2008 stellte die Hauptschuldnerin eine Schlussrechnung über brutto 240.623,67

e-halt in Höhe von 12.021,18

t-schuldnerin vom 5.
Mai 2009 erhielt die Klägerin die von der Rechtsvorgängerin
der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) am 29.
April 2009 ausgestellte [X.], in der die Beklagte eine selbstschuldnerische [X.] bis zu einem Höchstbetrag von 12.021,18

der Bürgschaft vereinbarte Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit galt nicht für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen der Hauptschuldnerin.
3
4
-
4
-
Unter dem 23.
August 2011 zeigte die Klägerin der Hauptschuldnerin vermeintliche Mängel der Werkleistung an und forderte sie unter Fristsetzung zur Beseitigung auf. Die Hauptschuldnerin lehnte eine Nachbesserung ab. Nach mehrmaliger ergebnisloser Fristsetzung zur Nachbesserung beauftragte die Klägerin ein Drittunternehmen mit der Ersatzvornahme. Dieses stellte der Klä-gerin 3.940,50

r-kosten in Höhe von 5.997,90

Hauptschuldnerin auf Zahlung von 9.938,72

Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin unterbrochen. Unter dem 13.
Februar 2015 nahm die Klägerin die Beklagte als [X.] auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch.
Die Klage auf Zahlung von 9.938,72

n-zen erfolglos geblieben. Mit der

vom Berufungsgericht zugelassenen

Revisi-on verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der Anspruch der Klägerin gemäß §
765 Abs.
1 [X.] sei gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1, §§
821, 768 [X.] einredebehaftet, weil die [X.] zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin unwirksam sei und die 5
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5
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beklagte [X.] sich darauf berufe. Die durch den uneingeschränkten Verzicht auf die Aufrechnungseinrede des §
770 Abs.
2 [X.] bedingte Unwirksamkeit des [X.] führe zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede. Das von der Klägerin unstreitig als Allgemeine Geschäftsbedingung verwendete Muster eines [X.] sei gemäß §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] unwirksam, soweit der dort geregelte Einwendungsausschluss bzgl. Aufrech-nungen auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen [X.]. Das [X.] sei in den Vertrag zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin wirksam einbezogen worden. Dem stehe nicht entgegen, dass das Muster dem Vertrag nicht beigefügt gewesen sei, dass es der Haupt-schuldnerin nicht zur Kenntnis gelangt sei und dass die von der Beklagten ge-stellte Bürgschaft dem Muster bzgl. des [X.] nicht ent-sprochen habe. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr würden Allgemeine Ge-schäftsbedingungen auch dann Vertragsinhalt, wenn der Kunde sie nicht kenne, sondern nur die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme habe, davon aber kei-nen Gebrauch mache. Von dieser Möglichkeit einer Kenntnisnahme sei das [X.] mangels entgegenstehenden Vortrags der Klägerin ausgegangen. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren sinngemäß behaupte, das [X.] habe bei Vertragsschluss nicht mehr existiert, sei dieses [X.] gemäß §
531 Abs.
2 Nr.
3 ZPO ausgeschlossen.
Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage, ob der formularmäßig vereinbarte Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zur Folge habe, wenn der [X.] auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen [X.], sei für den hier zu entscheidenden Fall eines unwirksamen Aufrechnungs-verzichts in
einer [X.] zu bejahen. Die Vereinbarung eines an sich unzulässigen [X.] in [X.] des Auftraggebers sei nur wirksam, wenn dem Auftragnehmer ein [X.]
-
6
-
messener Ausgleich zugestanden werde. Die Befugnis zur Ersetzung des [X.] durch eine Bürgschaft, die unwirksame Regelungen enthalte, stelle aber keinen angemessenen Ausgleich für den Auftragnehmer dar.
Die Sicherungsabrede lasse sich auch nicht teilweise aufrechterhalten. Die Einräumung des [X.] und die Möglichkeit seiner Ablösung durch eine Bürgschaft stellten eine geschlossene Konzeption mit untrennbarer Verknüpfung dar. Hinzu komme, dass das [X.] nach dem Muster der Klägerin auch deshalb unwirksam sei, weil es einen unwirksamen unbeschränkten Verzicht auf die Rechte gemäß §
776 [X.] regele. Das Zu-sammentreffen einer Unwirksamkeit der [X.] wegen des Verzichts auf die Rechte gemäß §
770 Abs.
2 [X.] und zugleich auf die Rechte gemäß §
776 [X.] rechtfertige erst recht die Feststellung einer hierdurch be-dingten Unwirksamkeit der Sicherungsabrede.

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Die Klägerin kann die Beklagte aus der [X.] nicht nach §
765 Abs.
1 [X.] in Anspruch nehmen. Rechtsfehlerfrei nimmt das [X.] an, dass die Beklagte der Inanspruchnahme aus der von ihr über-nommenen [X.] mit Erfolg dauerhaft die Einrede nach §
768 Abs.
1 Satz
1, §
821 [X.] entgegenhalten kann.
1. Dem Bürgen
stehen gemäß §
768 Abs.
1 Satz
1 [X.] die Einreden des Schuldners aus der Sicherungsabrede mit dem Gläubiger zu. Hat der Bür-ge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede
zwischen Haupt-11
12
13
14
-
7
-
schuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] gegenüber dem [X.] des Gläubigers dauerhaft auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des [X.] berufen, dass der Gläubiger die Inanspruch-nahme des Bürgen zu unterlassen hat ([X.], Urteile vom 23.
Januar 2003

VII
ZR 210/01, [X.]Z 153, 311, 316
f. [X.], vom 12.
Februar 2009
VII
ZR 39/08, [X.]Z 179, 374 Rn.
9, vom 1.
Oktober 2014
VII
ZR 164/12, [X.], 844 Rn.
15 und vom 22.
Januar 2015
VII
ZR 120/14, [X.], 1076 Rn.
14). Bei Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und damit der Verpflichtung der Hauptschuldnerin zur Stellung einer [X.] steht dieser gegenüber dem Begehren der Klägerin auf Stellung einer solchen Bürgschaft die dauerhafte Einrede aus §
821 [X.] zu; sie hat nach §
812 Abs.
1 Satz
1 [X.] einen Anspruch auf Rückgewähr der Bürgschaftsurkunde gegen die Klä-gerin ([X.], Urteil vom 8.
März 2001
IX
ZR 236/00, [X.]Z 147, 99, 105 [X.]). Die Beklagte kann sich
gegenüber der Klägerin bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gemäß §
768 Abs.
1 Satz
1 [X.] ebenfalls nach §
821 [X.] darauf berufen, dass diese ohne Rechtsgrund gestellt worden ist.
2. Die Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und der Hauptschuldne-rin gemäß Ziffer 12.2 [X.] in Verbindung mit dem [X.] ist insge-samt nach §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] unwirksam. Die Verpflichtung, den Sicher-heitseinbehalt für Mängelansprüche nur durch eine formularmäßige selbst-schuldnerische Bürgschaft ablösen zu können, in der u.a. auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach §
770 Abs.
2 [X.] verzichtet wird, benachteiligt den Werkunternehmer, d.h. die Hauptschuldnerin, unangemessen.
a) [X.] in Ziffer 12.2 [X.], bei der
es sich nach den nicht angegrif-fenen Feststellungen des Berufungsgerichts um von der Klägerin gestellte [X.] Geschäftsbedingungen handelt, wurde wirksam in den Bauvertrag 15
16
-
8
-
einbezogen. Es ist zwischen Unternehmern unschädlich, dass das [X.] aus [X.]age
7 dem Vertrag nicht beigefügt war ([X.], Urteile vom 3.
Februar 1982
VIII
ZR 316/80, [X.], 486, 487 und vom 12.
Februar 1992
VIII
ZR 84/91, [X.]Z 117, 190, 198). Es genügt, dass dieses ausdrück-lich einbezogen wurde und die Hauptschuldnerin die Möglichkeit der zumutba-ren Kenntnisnahme, etwa durch Anfordern des Musters bei der Klägerin, hatte, hiervon indes keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Februar 1992 [X.]O).
Das Berufungsgericht hat diese Voraussetzungen rechtsfehlerfrei festge-stellt. Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, nach den Feststellungen des [X.]s habe die Beklagte nicht behauptet, der Hauptschuldnerin sei die Möglichkeit verschafft worden, in zumutbarer Weise von dem Bürgschafts-muster Kenntnis
zu nehmen. Das [X.] ist
mangels abweichenden [X.] der Parteien davon ausgegangen, dass der Hauptschuldnerin diese Mög-lichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt worden ist. Den erstmals in der Beru-fungsinstanz gehaltenen, abweichenden Vortrag der Klägerin hat das [X.] rechtsfehlerfrei nach §
531 Abs.
2 Nr.
3 ZPO zurückgewiesen.
b) [X.] in Ziffer 12.2 [X.] ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Inte-ressen der normalerweise
beteiligten [X.] verstanden wird (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteil vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
19
[X.]). Diese objektive Auslegung, die der Senat wegen der offensichtlichen Verwendung der Klausel über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus selbst vornehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 16.
Juni 2009, [X.]O
Rn.
20
[X.]), führt hinsichtlich des Verzichts auf die Einrede der Aufrechenbarkeit zu dem
Ergeb-nis, dass diese Einrede ohne Einschränkung a[X.]edungen werden soll. Insbe-17
18
-
9
-
sondere liefert der eindeutige und umfassende Wortlaut der Klausel keinen An-halt dafür, dass die Einrede der Aufrechenbarkeit der [X.] verbleiben sollte, wenn es sich um eine unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderung des [X.] gegen den Gläubiger handelt.
c) Das benachteiligt den Werkunternehmer, d.h. die Hauptschuldnerin, unangemessen, da dieser danach verpflichtet ist, zur Ablösung des [X.] eine formularmäßige Bürgschaft zu stellen, die einen gegen-über dem Bürgen unzulässigen Inhalt aufweist.
[X.]) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung
des Bundesgerichts-hofs
([X.], Urteile vom 16.
Januar 2003
IX
ZR 171/00, [X.]Z 153, 293, 299
f., vom 14.
Oktober 2003
XI
ZR 121/02, [X.]Z 156, 302, 310 und vom 15.
Januar 2004
IX
ZR 152/00, [X.], 720, 723; siehe auch Senatsurteil vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
40) ist ein formularmä-ßiger Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit gemäß §
770 Abs.
2 [X.] mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewi-chen wird, nicht zu vereinbaren (§
307 Abs.
2 Nr.
1 [X.]) und benachteiligt den Bürgen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§
307 Abs.
1 Satz
1 [X.]), wenn davon auch unbestrittene oder rechtskräftig festge-stellte Forderungen des [X.] umfasst werden.
§
770 Abs.
2 [X.] ist insoweit eine Ausprägung des allgemeinen Subsi-diaritätsgrundsatzes, wonach der Bürge im Grundsatz erst dann in Anspruch genommen werden soll, wenn sich der Gläubiger nicht durch Inanspruchnahme des [X.], etwa durch Aufrechnung, befriedigen kann. Ein formu-larmäßiger Ausschluss der Einrede des Bürgen nach §
770 Abs.
2 [X.] ist [X.] mit einer durch §
309 Nr.
3 [X.] verbotenen Bestimmung, die dem Vertragspartner des [X.] die Befugnis nimmt, mit einer unbestrit-19
20
21
-
10
-
tenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Insoweit gibt die Regelung im Klauselverbot des §
309 Nr.
3 [X.] ein allgemeines Grundver-ständnis von Treu und Glauben wieder ([X.], Urteil vom 16.
Januar 2003

IX
ZR 171/00, [X.]Z 153, 293, 299
f.).
Auf dieser Grundlage benachteiligt die streitige Klausel den Bürgen un-angemessen. Denn nach der gesetzlichen Regelung des §
770 Abs.
2 [X.] ist es dem Gläubiger zuzumuten, sich durch Aufrechnung mit der verbürgten [X.] von einer eigenen Schuld zu befreien, bevor er den Bürgen in Anspruch nimmt. Das gesetzlich geschützte Interesse des Bürgen, den Gläubiger auf die Aufrechnungsmöglichkeit verweisen zu können, wird nicht durch dessen Inte-resse aufgehoben, sich die Gegenforderung des [X.] als [X.] Sicherheit dienen zu lassen ([X.], Urteil vom 16.
Januar 2003
IX
ZR 171/00, [X.]Z 153, 293, 299 f.).
[X.]) Eine Sicherungsabrede, die es dem Auftragnehmer auferlegt, zur [X.] eines Gewährleistungseinbehalts eine Bürgschaft mit diesem gegenüber dem Bürgen unzulässigen [X.] zu stellen, benachteiligt ihrerseits den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemes-sen und ist damit nach §
307 Abs.
1 Satz 1 [X.] unwirksam (vgl. [X.], [X.], 767, 768; [X.], Beschluss vom 17.
November
2009

4
W 485/09, juris Rn.
18; [X.], Urteil vom 21.
Oktober 2011
10
O 454/10, juris Rn. 31).
(1) Nach der Rechtsprechung des [X.] führt ein in einem Vertrag über Bauleistungen formularmäßig vereinbarter Sicherungseinbehalt dann nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Werkunternehmers, wenn ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen ist, dass er den Werklohn nicht [X.] ausgezahlt erhält, das [X.] des Bestellers für die Dauer der Ge-22
23
24
-
11
-
währleistungsfrist tragen muss und ihm die Verzinsung des [X.] vorent-halten wird ([X.], Urteile vom 5.
Juni 1997
VII
ZR 324/95, [X.]Z 136, 27, 31
f. und vom 13.
November 2003
VII
ZR 57/02, [X.]Z 157, 29, 31
f.; [X.], Beschluss vom 24.
Mai 2007
VII
ZR 210/06, [X.], 1625 Rn.
6 [X.]). Ausreichend ist es danach, dem Werkunternehmer das Recht einzuräumen, den Einbehalt durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürg-schaft abzulösen ([X.], Urteile
vom 13.
November 2003, [X.]O
und vom 26.
Februar 2004
VII
ZR 247/02, [X.], 718, 719 f.). Kein angemessener Ausgleich liegt vor, wenn eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ([X.], Urteile vom 5.
Juni 1997, [X.]O, S.
32 f. und vom 8.
März 2001
IX
ZR 236/00, [X.]Z 147, 99, 105; [X.], Beschluss vom 24.
Mai 2007, [X.]O Rn.
7) oder eine solche, in der auf sämtliche Einreden aus §
768 [X.] zu verzichten ist ([X.], Urteile vom 8.
März 2001, [X.]O,
S.
104 und vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
24), verlangt wird.
(2) Nach diesen Maßstäben stellt die Ablösungsmöglichkeit durch eine
formularmäßige
Bürgschaft, die den uneingeschränkten Verzicht auf die [X.] der Aufrechenbarkeit aus §
770 Abs.
2 [X.] enthalten muss, keinen ange-messenen Ausgleich für die Vereinbarung eines [X.] dar. Denn damit verlangt der Auftraggeber die Ablösung durch eine Bürgschaft, die der Auftragnehmer, wie ausgeführt, nicht wirksam stellen kann, weil diese einen gegenüber dem Bürgen unzulässigen [X.] hätte. Die von der Kläge-rin verwendete und der Hauptschuldnerin vorgegebene Klausel in Ziffer
12.2 [X.] in Verbindung mit dem [X.] verwehrt es dieser, die nach §
17 Nr.
3 [X.]/B bestehende Wahlmöglichkeit unter den verschiedenen Arten der Sicherheit wahrnehmen zu können, ohne dabei gegen Klauselverbote zu verstoßen. Damit erhält in der vorliegenden Sicherungsvereinbarung die Haupt-schuldnerin nicht den nach der Rechtsprechung erforderlichen fairen Ausgleich 25
-
12
-
für die Einbußen an Liquidität, das [X.] und die [X.], die mit dem Gewährleistungseinbehalt verbunden sind.
(3) Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, eine [X.], die dem Bürgen den Schutz des §
770 Abs.
2 [X.] umfassend nimmt, könne nur formularmäßig nicht wirksam vereinbart werden, während eine indi-vidualvertragliche Vereinbarung möglich bleibe (vgl. [X.], Urteil vom 25.
April 2002
IX
ZR 254/00, [X.], 1179, 1181). Denn die Klausel in Ziffer 12.2 [X.] sieht vor, dass die betreffende Bürgschaft der von der Klägerin gestellten [X.]age
7 zu entsprechen hat. Die Hauptschuldnerin war daher verpflichtet, die Klausel über den Verzicht auf die Einreden aus §
770 Abs.
2 [X.] gegenüber einem möglichen Bürgen zu stellen, sodass von einer Kontrolle der [X.] Klausel in der Bürgschaftsurkunde nach den §§
305
ff. [X.] auszuge-hen war. Insoweit ist es unerheblich, dass die Klägerin der Hauptschuldnerin die Verwendung des Formulars aus [X.]age
7 nicht verbindlich vorgegeben hat. Der Inhalt des zu stellenden Einredeverzichts war genau vorgegeben und für eine Vorformulierung genügt es bereits, wenn die Vertragsbedingung zum [X.] künftiger wiederholter Einbeziehung in Vertragstexte "im Kopf des Verwen-ders" gespeichert ist (Senatsurteil vom 13.
Mai 2014
XI
ZR 170/13, [X.], 1325 Rn.
20 [X.]). Davon ist vorliegend auszugehen. Überdies besteht inso-weit auch kein Raum für eine Individualvereinbarung im Sinne des §
305 Abs.
1 Satz
3 [X.]. Für ein Aushandeln nach dieser Norm ist es erforderlich, dass der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt ([X.], Urteile vom 22.
November 2012
VII
ZR 222/12, [X.], 856 Rn.
10
[X.] und vom 20.
März 2014
VII
ZR 248/13, [X.]Z 200, 326 Rn.
27). Da die Klägerin der Hauptschuldnerin den zu vereinbarenden Einredeverzicht
jedoch genau vorgegeben hat, kann der Inhalt der entsprechenden Klausel durch diese 26
-
13
-
nicht ernsthaft zur Disposition gestellt werden. Ein Aushandeln im Sinne des §
305 Abs.
1 Satz
3 [X.] scheidet von vornherein aus.
Dass die tatsächlich von der Beklagten gestellte Bürgschaft den bean-standeten Einredeverzicht in dieser Form nicht enthielt, ist ohne Bedeutung, da im Rahmen der Inhaltskontrolle auf die Umstände im Zeitpunkt des Vertrags-schlusses abzustellen ist ([X.], Urteile vom 3.
November 1999
VIII
ZR 269/98, [X.]Z 143, 103, 117 und vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
29).
d) Die Regelung kann nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass die Hauptschuldnerin berechtigt ist, den Sicherheitseinbehalt durch eine selbst-schuldnerische, unbefristete [X.] ohne Verzicht des Bürgen auf die Einrede aus §
770 Abs.
2 [X.] abzulösen.
[X.]) Für die Teilbarkeit einer solchen Klausel kommt es darauf an, ob die Sicherungsvereinbarung
hier die Ablösung eines Einbehalts durch eine selbst-schuldnerische Bürgschaft unter Verzicht des Bürgen auf die Einrede nach §
770 Abs.
2 [X.]
als konzeptionelle Einheit zu verstehen ist, was zu einer die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigenden [X.] zwingt ([X.],
Urteile vom 12.
Februar 2009

VII
ZR 39/08, [X.]Z 179, 374 Rn.
20 [X.] und vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
34).
Nach gefestigter Rechtsprechung
des [X.]
bildet eine Vereinbarung zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen mit der [X.] durch eine [X.]
hier Ziffer 12.2 [X.]

eine untrennbare Einheit ([X.], Urteile vom 8.
März 2001
IX
ZR 236/00, [X.]Z 147, 99, 106, vom 22.
November 2001
VII
ZR 208/00, [X.], 133, 134, vom 9.
Dezember 2004
VII
ZR 265/03, [X.], 268, 269
f., vom 27
28
29
30
-
14
-
12.
Februar 2009

VII
ZR 39/08, [X.]Z 179, 374 Rn.
20, vom 16.
Juni 2009

XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
36

und vom 28.
Juli 2011
VII
ZR 207/09, [X.], 1697 Rn.
14). Der unauflösbare wechselseitige Bezug dieser Teile der Klausel wird dadurch deutlich, dass die Sicherheitsleistung
durch eine Bürgschaft für sich genommen den Auftragnehmer nicht
unangemessen
belas-tet. Ein
unangemessener
Nachteil entsteht erst dadurch, dass es sich dabei um die
Ablösungsbefugnis für den
Einbehalt von Entgelt handelt
und der Auftrag-nehmer die vereinbarte Sicherheit stellen muss, um den davon betroffenen Teil des [X.] zu erhalten.
[X.]) Auch eine ergänzende Auslegung der Sicherungsvereinbarung da-hingehend, dass eine Bürgschaft ohne umfassenden Verzicht
auf die Einrede der Aufrechenbarkeit
zu stellen ist, um den Sicherungseinbehalt abzulösen, kommt mit dem Berufungsgericht nicht in Betracht ([X.], Urteile vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn. 37
ff.
und vom 28.
Juli 2011
VII
ZR 207/09, [X.], 1697 Rn.
14).
Um den Vorrang des dispositiven Gesetzesrechts nicht zu umgehen, setzt eine ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung einer Lücke, die durch den Wegfall einer unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen entstanden ist, voraus, dass [X.] Gesetzesrecht nicht zur [X.] steht und die ersatzlose Streichung der Klausel nicht zu einer angemes-senen, den typischen Interessen Rechnung tragenden Lösung führt ([X.], Ur-teile vom 9.
Juli 2008
VIII
ZR 181/07, [X.]Z 177, 186
Rn.
18 und vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
38, jeweils [X.]).
Vorliegend fehlt jeglicher Anhalt dafür, was die Parteien, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten, bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen typischerweise bestehenden Interessen vereinbart hätten. Da die 31
32
33
-
15
-
Klägerin im Werkvertrag die zu einer Bürgschaft alternative Hinterlegung [X.], gibt sie zu erkennen, dass sie besonderen Wert auf eine Sicherheits-leistung durch Bürgschaft in der von ihr vorgegebenen
Form legt. Sie will den Sicherheitseinbehalt nur im Austausch mit genau der von ihr vorgegebenen [X.] auszahlen. Dem Auftragnehmer soll ausdrücklich kein Wahlrecht [X.]. Vor diesem Hintergrund ist offen, ob die Vertragsparteien aus der Vielzahl denkbarer Gestaltungsmöglichkeiten gerade die Ablösung eines [X.]seinbehalts durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft ohne den ([X.] oder teilweisen) Verzicht auf die Rechte aus den §§
770, 772 und 776 [X.] gewählt hätten, da eine solche für die Klägerin aufgrund der zahlrei-chen Einredemöglichkeiten des Bürgen wesentlich weniger "wert" gewesen wä-re. Stattdessen wären etwa auch eine Verringerung des Einbehalts, die Verkür-zung der Einbehaltsfrist oder die Wahl eines anderen der in §
17 [X.]/B ge-nannten Sicherungsmittel in Betracht gekommen (vgl. [X.], Urteile vom 8.
März 2001
IX
ZR 236/00, [X.]Z 147, 99, 106, vom 9.
Dezember 2004
VII
ZR 265/03, [X.], 268, 270, vom 14.
April 2005
VII
ZR 56/04, [X.], 1188, 1189 und vom 16.
Juni 2009
XI
ZR 145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
38).
e) An diesem Ergebnis ändert auch die von der Revision angeführte [X.] im Werkvertrag vom 13./22.
Februar 2007 nichts, wonach der Gewähr-leistungseinbehalt in Höhe von 5% der Schlussrechnungssumme durch eine unbefristete Bankbürgschaft abgelöst werden kann. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts wird die konkrete Höhe des [X.] (Brutto-
oder Nettoschlussrechnungssumme) und die Ablösungsmöglichkeit durch eine Bürgschaft im Werkvertrag selbst nicht geregelt, sondern insoweit auf die Klausel in Ziffer 12.2 der [X.] der Klä-gerin verwiesen, in der die konkrete Höhe der Sicherheitsleistung sowie die [X.] zu den Ablösungsmöglichkeiten geregelt sind.
34
-
16
-
f) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe auf die Wirk-samkeit der Sicherungsabrede vertraut. Dem Verwender Allgemeiner Ge-schäftsbedingungen, die sich aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erweisen, ist im Allgemeinen kein Vertrauens-schutz zuzubilligen ([X.], Urteil vom 5.
März 2008
VIII
ZR 95/07, [X.], 1438 Rn.
20
[X.]). Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von dieser Regel [X.] könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
3. Da die Sicherungsabrede bereits aus diesem Grund unwirksam ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob sie auch wegen des in dem Bürgschaftsmus-ter
vorgesehenen unbeschränkten Verzichts auf die Rechte gemäß §
776 [X.] unwirksam ist.

Ellenberger

Joeres

Matthias

Menges

Dauber
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2015 -
27 [X.]/15 -

O[X.], Entscheidung vom 12.10.2016 -
11 U 3/16 -

35
36

Meta

XI ZR 600/16

24.10.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2017, Az. XI ZR 600/16 (REWIS RS 2017, 3426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3426

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 600/16

11 U 3/16

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