Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2013, Az. 2 StR 555/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5598

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Gegenstand

Konkurrenzverhältnisse beim Betrug: Natürliche Handlungseinheit bei Organisationstätigkeit durch den Hintermann eines Unternehmens


Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2012

1. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Betrugs in zwei Fällen verurteilt und im Übrigen freigesprochen ist,

2. im Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufge-hoben.

[X.] Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

I[X.] Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 21.295,68 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat aufgrund der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte an den Geschäften des früheren Mitangeklagten [X.]mit dessen Unternehmen [X.]und [X.].           beteiligt, bei denen Kunden gegen [X.] eines Honorars versprochen wurde, ihnen staatliche Förderleistungen zu vermitteln. Tatsächlich waren die in Aussicht gestellten Maßnahmen nicht förderungswürdig und es wurden auch nach dem [X.] keine Förderungsmittel beantragt. Der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte [X.]organisierten die Täuschung von Kunden über die Förderungswürdigkeit der Maßnahmen sowie die Absicht der Beantragung von staatlichen Förderleistungen unter Einrichtung eines Bürobetriebs, ferner dadurch, dass sie Vermittler ihrer Leistungen anwarben, instruierten und mit Provisionen bezahlten, schließlich dadurch, dass sie Präsentationen und andere Maßnahmen zur Kundenwerbung durchführten. In einem Fall täuschte der Angeklagte [X.]selbst einen Kunden, in zwei weiteren Fällen, die ihm vom [X.] als selbständige Fälle des Betrugs als Mittäter zugerechnet wurden, geschah dies durch den früheren Mitangeklagten [X.]; im Übrigen wurden durch Vermittler oder [X.] Kunden des Unternehmens getäuscht, was dem Angeklagten als insgesamt eine Tat zugerechnet wurde.

II.

3

1. Das [X.] hat im Fall des Betrugs zum Nachteil des vom Angeklagten selbst getäuschten Kunden [X.](§§ 263 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 25 Abs. 1 – 1. Alt. – StGB) und im Fall der Täuschung von 159 Kunden durch Vermittler (§§ 263 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 2, 25 Abs. 1 – 2. Alt. – StGB) zutreffend jeweils eine rechtlich selbständige Handlung durch den Angeklagten angenommen. Abweichend von der rechtlichen Beurteilung des [X.]s sind aber auch die Fälle der Täuschung der Kunden [X.]und [X.] durch den Mitangeklagten [X.]für den Angeklagten unselbständige Teile des "(unechten) Organisationsdelikts".

4

Nach der Rechtsprechung des [X.] bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter nach der Anzahl seiner Handlungen. Wird im Fall einer Organisation eines Unternehmens, das durch Mitarbeiter Kunden täuscht und hierdurch zu Vermögensverfügung veranlasst, ein einheitlicher Tatbeitrag des Hintermanns in seiner Organisationstätigkeit gesehen, wie es das [X.] im Fall der Täuschung von 159 Kunden durch Vermittler zutreffend angenommen hat, dann gilt dies für alle Fälle, in denen dieser Täter nicht selbst eigenhändig gegenüber den Kunden Betrügereien begeht (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 [X.], [X.], 363). Von der Handlungseinheit im Sinne eines Organisationsdelikts des Angeklagten ist daher nur der Fall einer selbständigen Täuschung des Kunden [X.]durch den Angeklagten selbst ausgenommen. Im Ergebnis liegen damit zwei Betrugstaten des Angeklagten vor.

5

Wegen der insoweit außerhalb des [X.] liegenden Teilakte (Fälle 1 und 9 der Anklageschrift) ist zudem eine Freisprechung des Angeklagten geboten.

6

Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

7

2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen des Betrugs zum Nachteil der Zeugen [X.] und [X.]. Der Senat hebt aber auch den Strafausspruch im Übrigen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe im Hinblick auf die Konkurrenzkorrektur neu zuzumessen.

8

Für die neue Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch weist der Senat ergänzend darauf hin, dass es rechtlich bedenklich ist, einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Hinweis auf genügende eigene Sachkunde abzulehnen, nachdem sich das Tatgericht diese Sachkunde erst durch Befragung eines Sachverständigen im Freibeweisverfahren verschafft hat (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 1995 – 2 StR 702/94, [X.], 339). Im vorliegenden Fall ist es aber offensichtlich ausgeschlossen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit "aufgrund einer charaktergebundenen Persönlichkeitsstörung" völlig aufgehoben war; allenfalls kommt eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Frage. Daher rechtfertigt die Verfahrensrüge keine – nach dem primären Beweisziel des Beweisantrags – weitergehende [X.], als sie der Senat bereits aufgrund der Sachbeschwerde vornimmt.

9

3. Die Anordnung des [X.] hat keinen Bestand, weil das [X.] § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht geprüft hat. Dieser hindert eine Verfallsentscheidung, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; nur das "für die Tat" [X.] unterliegt dem Verfall ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter. "Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst zugeflossen sind. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermögenswerte als Gegenleistung für [X.] gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2010 – 4 [X.], [X.], 229). Der Angeklagte hat nach den bisherigen Feststellungen des [X.]s aber unbeschadet der Leistungsbezeichnung den Betrag von 21.295,68 Euro in diesem Sinne unmittelbar als seinen Anteil am [X.], somit "aus der Tat" erlangt. Der neue Tatrichter wird daher § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen haben.

Fischer                       Appl                             Schmitt

               Berger                      Eschelbach

Meta

2 StR 555/12

23.05.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kassel, 15. Juni 2012, Az: 5610 Js 20174/08 - 3 KLs

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2013, Az. 2 StR 555/12 (REWIS RS 2013, 5598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5598

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