Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.04.2010, Az. 5 StR 428/09

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 7756

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Gegenstand

Strafbare Untreue: Notwendige Feststellungen bei Untreuevorwurf gegen den "Director" einer auf den britischen Virgin Islands ansässigen Limited zum Nachteil der Gesellschaft


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 13. März 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

– Von Rechts wegen –

Gründe

I.

1

Dem Freispruch liegt eine Anklage wegen Untreue zugrunde. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, als sogenannter „[X.]“ der [X.] (im Folgenden: „[X.]“), einer [X.] nach dem Recht der [X.], am 12. November 2007 von seinem Wohnsitz in [X.] aus im Wege des [X.] eine Überweisung von einem Konto der [X.] zu seinen Gunsten vorgenommen zu haben, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.

II.

2

Das [X.] hat hierzu im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der Angeklagte, ein studierter Ingenieur und gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann, und der Zeuge [X.] kamen im Laufe des Jahres 2002 überein, hochwertige Unterhaltungselektronik des [X.] Herstellers [X.] (im Folgenden „[X.]“) aus [X.] nach [X.] und in andere Nachfolgestaaten der früheren [X.] unter Umgehung dortiger Einfuhr-, Umsatz- sowie Ertragssteuern zu exportieren ([X.], 16). Zur Umsetzung dieses Tatplans und zur Verschleierung der tatsächlichen Unternehmensstrukturen gründeten sie mit Hilfe eines in [X.] ansässigen Agenten die [X.] mit Sitz in [X.] nach dem Recht der [X.]. Die [X.] „besaß umfangreiche Statuten mit zahlreichen Klauseln“ und wurde in das dortige Handelsregister eingetragen. Der Angeklagte und [X.] waren jedenfalls seit August 2003 zu gleichen Anteilen deren [X.]er und „[X.]s“ ([X.]). Die [X.] war von Beginn an Vertragspartner von [X.]. Über ihre von der Da. Bank in [X.] und [X.] geführten Konten wurden die Geschäfte jeweils abgewickelt. Der Angeklagte bestellte regelmäßig die Ware über das [X.] bei [X.] und kontrollierte ihren Versand nach [X.] sowie den anschließenden Export insbesondere nach [X.] ([X.] 19).

4

2. Eine weitere vom Angeklagten und [X.] gehaltene [X.] betrieb den Verkauf in [X.] ([X.] 22). Von deren Umsätzen wurden in der Folgezeit nur etwa 40 % verbucht. Die darüber hinausgehenden erheblichen „Schwarzeinnahmen“ wurden „in bar gesammelt“ und in Plastiktüten in angemieteten [X.] in [X.] verwahrt. Diese Beträge, die sich im Jahre 2007 auf 10 Mio. € beliefen, sollten später unter den „gleichberechtigten Partnern“ ([X.] 20, 79) aufgeteilt werden.

5

3. Im Jahre 2007 kam es zwischen dem Angeklagten und [X.] zu einem Zerwürfnis. Letzterer hatte in den vorangegangenen Monaten dem Angeklagten die Kontrolle über die gemeinsam „erwirtschafteten“ Einnahmen namentlich durch Änderung der Verkaufsorganisation und Neubesetzung wichtiger Positionen mit Mitarbeitern seines Vertrauens erschwert ([X.] 28/29).

6

Im [X.] 2007 begann [X.] damit, [X.] in Höhe von mehreren Millionen Euro aus den „gemeinsamen Töpfen des Firmenkonstruktes“ ([X.] 30) für eigene Zwecke zu verwenden, ohne den Angeklagten zu informieren. Nachdem der Angeklagte von [X.] in Kenntnis gesetzt worden war und [X.] ihn vergeblich aufgefordert hatte, gegen Zahlung von 500.000 € aus dem „Unternehmen“ auszuscheiden, entschloss er sich, Transaktionen zu seinen Gunsten von den Konten der [X.] bei der Da. Bank vorzunehmen. So überwies er am 12. November 2007 von [X.] aus insgesamt etwa 1,8 Mio. € von den Konten der [X.] auf seine privaten Konten in [X.]. Weitere angewiesene Beträge konnten am Folgetag auf Intervention [X.] s zurückgebucht werden.

7

4. [X.] vermochte sich nicht von einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der [X.] zu überzeugen. Deren „Statuten konnten nämlich keine Treuepflicht begründen, weil sie niemals echte Rechte zwischen der [X.] [X.] und deren Geschäftsführern und [X.]ern sowie der [X.]er untereinander begründen sollten“ ([X.] 4). Die [X.] sei vielmehr „ein pseudolegales Scheinkonstrukt“ gewesen, dem „keinerlei Bedeutung im Sinne eines echten kaufmännischen Betriebes zukommen sollte“ ([X.] 16, 88). Weiter stehe der Verurteilung die fehlende Rechtsfähigkeit der [X.] entgegen, die als „[X.]“ keinen Sitz in der [X.] unterhalte und deren Überweisungen an [X.] von [X.] aus veranlasst worden seien ([X.] 89).

8

Jedenfalls sei das Handeln des Angeklagten aber durch Notwehr gerechtfertigt gewesen ([X.] 89). [X.] habe sich das erwirtschaftete und zur Hälfte dem Angeklagten zustehende Vermögen „zugeeignet“ und sei unmittelbar davor gewesen, dem Angeklagten den Zugriff auf das Konto der [X.] bei der Da. Bank zu entziehen.

III.

9

[X.] vom Vorwurf der Untreue hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen sind lückenhaft und ermöglichen nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung, ob dem Angeklagten als „[X.]“ der [X.] eine Vermögensbetreuungspflicht oblag.

1. [X.] geht zutreffend davon aus, dass die Tathandlung des Angeklagten der [X.] Strafgerichtsbarkeit untersteht. Es liegt ein inländischer Handlungsort vor (§ 9 Abs. 1 StGB). Die Überweisungen wurden durch den Angeklagten in [X.] vorgenommen.

2. Die Feststellungen zum Innenverhältnis zwischen der [X.] als möglicher Vermögensinhaberin und dem Angeklagten als möglichem Betreuer dieser fremden Vermögensinteressen sind unvollständig.

a) Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB setzt für den Missbrauchs- wie für den Treubruchtatbestand voraus, dass der Täter fremde Vermögensinteressen von einiger Bedeutung zu betreuen hat (vgl. BGHSt 24, 386, 387; 33, 244, 250). Das Treueverhältnis kann insbesondere auf Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft beruhen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 266 [X.]. 39). Der nähere Inhalt und damit auch die Bestimmung einer möglichen Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten ergeben sich regelmäßig aus allgemeinem Zivil- oder auch [X.]srecht. Eine konkrete Pflichtenstellung des Organs einer [X.] kann namentlich aus der Satzung wie auch aus gesellschaftsrechtlichen Regelungen zum Schutz des [X.]svermögens abzuleiten sein.

b) Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Es fehlt jede Darstellung und Würdigung der [X.]sverhältnisse und der Satzung am [X.] der [X.] (im Folgenden: „[X.]“). Davon durfte das [X.] auch nicht etwa deshalb absehen, weil es sich bei der [X.] um eine [X.] handelte, die nach dem Recht der [X.] gegründet worden und nach den Urteilsfeststellungen dazu bestimmt war, als Teil eines auf Hinterziehung [X.] Einfuhrabgaben gerichteten Unternehmensgeflechts zu agieren.

aa) Die nach den Urteilsfeststellungen wirksam nach den Vorgaben des maßgebenden [X.] gegründete [X.] war entgegen der Annahme des [X.]s rechtsfähig.

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] haben sich die Zivilsenate des [X.] für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der [X.] oder des [X.] oder in einem mit diesen aufgrund Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet wurden, der sogenannten Gründungstheorie angeschlossen (vgl. [X.], 185; 164, 148, 151; 178, 192, 196; vgl. [X.] NJW 2002, 3614 [Überseering]; [X.], Urteil vom 30. September 2003 – C-167/01 [[X.]]). Danach ist die Rechtsfähigkeit einer [X.] unabhängig von ihrem Verwaltungssitz nach dem Recht zu beurteilen, nach dem sie gegründet wurde; dies gilt auch für sogenannte Briefkastengesellschaften (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 2003 – C-167/01 [[X.]] [X.]. 139; [X.], 930, 950). Die [X.] sind gemäß [X.]. 198, 199 Nr. 5, Art. 203 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] in Verbindung mit [X.] ([X.]. 2008, [X.], 137 – AEUV) in den Geltungsbereich der insoweit für die Überseeischen Gebiete assoziationsrechtlich modifizierten Niederlassungsfreiheit nach [X.]. 49, 54 AEUV einbezogen (vgl. [X.], 3706, 3707; zu den insoweit durch den [X.] vom 13. Dezember 2007 inhaltlich unveränderten Bestimmungen, [X.], 1060).

bb) Die Feststellungen der [X.] tragen die angenommene Nichtigkeit der [X.] nicht. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen rechtlichen Vorgaben – dem Gründungs- oder dem [X.] – sich die Nichtigkeit ergeben sollte. Sie liegt angesichts der beschränkten Möglichkeiten, einer [X.] wegen eines Missbrauchsvorwurfs – zumal ohne vorangehende gerichtliche Entscheidung – die formale Existenz abzusprechen, auch unter Beachtung assoziationsrechtlicher Besonderheiten nach Art. 203 AEUV ohnehin fern (vgl. die Vorgaben der für Mitgliedstaaten der [X.] geltenden [X.]. 11, 12 der Richtlinie 2009/101/[X.] vom 16. September 2009, [X.]. 2009, L 258/11 – [[X.]]; dazu auch Schön in Festschrift für [X.] 2002 S. 1271, 1293).

cc) Überdies belegen die Feststellungen keine missbräuchliche Ausnutzung der hier assoziationsrechtlich modifizierten Niederlassungsfreiheit durch Umgehung mitgliedstaatlicher Bestimmungen oder Erschleichen einer Rechtsstellung (vgl. zum Missbrauch von Grundfreiheiten [X.], Urteil vom 9. März 1999 – [X.]/97 [Centros] [X.]. 38; Urteil vom 30. September 2003 [[X.]] [X.]. 132 ff.; [X.]/[X.] in: [X.]/Hilf, Das Recht der [X.] [18. EL Mai 2001] [X.]V vor Art. 39-55 [X.]. 122 ff.; [X.] 1289 ff.; [X.]/Bücker, Grenzüberschreitende [X.]en, 2005 S. 16 [X.]. 31; [X.]/[X.] 2004, 159, 178 ff.). Die [X.] war zwischen 2002 und 2007 Vertragspartnerin der in [X.] ansässigen [X.] und übte durch das von ihr von [X.] aus betriebene Handelsgeschäft eine effektive wirtschaftliche Geschäftstätigkeit aus (vgl. [X.], 23, 43). Überdies verfügte sie über ein erhebliches [X.]svermögen (etwa 3,2 Mio. US-Dollar, vgl. [X.] 37). Dass durch den Angeklagten jedenfalls auch beabsichtigt war, nach Auslieferung der Waren in [X.] die Exporte nach [X.] nicht ordnungsgemäß zu fakturieren und dadurch [X.] Einfuhrabgaben zu verkürzen ([X.] 14), legt für sich keine Umgehung gemeinschaftsrechtlicher oder [X.] Regelungen nahe (vgl. zum anerkannten Schutzanliegen der Steueraufsicht der Mitgliedstaaten [X.], Urteil vom 15. Mai 1997 – [X.]/95 [Futura], Slg. 1997 [X.], 2501 [X.]. 31; Urteil vom 20. Februar 1979 – [X.]/78 [[X.]], Slg. 1979 [X.], 662 [X.]. 8).

3. Im Falle einer [X.] als [X.] ist zur Bestimmung der Pflichten des „[X.]“ im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB auf das ausländische [X.]srecht zurückzugreifen (vgl. [X.] in [X.], GmbHG 10. Aufl. Vor § 82 [X.]. 67; [X.] aaO S. 952; Mankowski/Bock [X.] 2008, 704, 757; [X.] GmbHR 2008, 729, 734; [X.]/[X.] 2009, 157, 175; [X.] in Festschrift für [X.] 2008 S. 1023, 1034; [X.] 2005, 832, 854; [X.] 2006, 887, 905; [X.] in [X.]/[X.], Europäisierung des Strafrechts in Polen und [X.] 2007 S. 199; [X.], Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des [X.]s einer [X.] in Krise und Insolvenz 2010 S. 262, 287; [X.], Die Strafbarkeit eines [X.]s einer [X.] [X.] nach [X.] Strafrecht 2009 S. 108 f.).

a) Eine entsprechende Anwendung [X.] [X.]srechts kommt nicht in Betracht (a.[X.] in [X.]/[X.], [X.] [X.]srecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen 2004 S. 227, 258 ff.). Abgesehen davon, dass einer solchen Interpretation das strafrechtliche Analogieverbot widerstreiten könnte, stehen ihr die Rechtsprechung des [X.], welche die Anwendung des Gründungsrechts der [X.] vorschreibt, der eindeutige Wortlaut der relevanten Vorschriften (vgl. nur § 84 GmbHG) sowie das Fehlen einer Regelungslücke entgegen (vgl. auch [X.] 2005, 832, 855 Fn. 111; [X.] aaO S. 103 f., 106 f.).

b) Die gebotene Anwendung des [X.] einer [X.] bei der Bestimmung pflichtwidrigen Handelns ihres „[X.]“ ist auch mit dem verfassungsrechtlich garantierten Bestimmtheitsgebot vereinbar (Art. 103 Abs. 2 GG).

Aus dem Untreuetatbestand lassen sich für beide Tatbestandsalternativen noch vollständige abstrakt-generelle Verhaltensnormen ableiten (vgl. zum Vermögensnachteil auch [X.] [Kammer] NStZ 2009, 560). Welches Verhalten in Bezug auf die Betreuung fremden Vermögens pflichtwidrig ist, regelt die Strafbestimmung zwar nicht selbst; sie eröffnet aber über das normative Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit die Möglichkeit einer einfachgesetzlichen oder auch privatautonomen Konkretisierung, namentlich durch Satzung oder Vertrag (vgl. BGHR StGB § 266 Pflichtwidrigkeit 4; [X.], 214, 217, insoweit in BGHSt 50, 331 nicht abgedruckt). Diese außerstrafrechtlichen Regelungen – gegebenenfalls auch ausländischen Rechts – entscheiden damit nicht selbst über den tatbestandsmäßigen Erfolg und die ihn herbeiführende Handlung, sondern schaffen lediglich die – für sich genommen strafrechtlich wertungsfreie und ihrerseits nicht dem Bestimmtheitsgebot unterstehende – Grundlage für eine anschließende untreuespezifische Präzisierung (vgl. [X.]E 78, 205, 213; BGHSt 37, 266, 272; [X.] in [X.]. § 1 [X.]. 149, 217; [X.] in [X.]. Vor § 3 [X.]. 42; [X.] in [X.]/[X.], GG [48. EL Dezember 1992] Art. 103 Abs. 2 [X.]. 200; [X.] aaO S. 293).

Bedenken unter dem Aspekt der Vorhersehbarkeit des [X.] bestehen nicht. Für die Bestimmung der Fremdheit einer Sache ist die Anwendung ausländischen Rechts anerkannt (vgl. [X.], 135, 136 f.; [X.] aaO [X.]. 149; [X.] in [X.]. Vor § 3 [X.]. 335; [X.] aaO; [X.] NStZ 1989, 182; Mankowski/[X.] 744 f.). Eine Anwendung des ausländischen [X.]srechts im Rahmen des § 266 Abs. 1 StGB greift über diese anerkannten Grundsätze nicht hinaus. Der Senat teilt insoweit nicht die von Teilen der Literatur mit Blick auf das Demokratieprinzip erhobenen Bedenken (vgl. [X.] 2005, 832, 856; [X.]/[X.] [X.] 2008, 569, 572; Mosiek StV 2008, 94, 98). Denn Bedeutung und Tragweite der hinreichend bestimmten Strafvorschrift bleiben durch diesen zur Pflichtenbestimmung heranzuziehenden Maßstab unberührt (vgl. [X.] aaO S. 293; [X.] aaO S. 115).

4. Aus alledem folgt, dass die [X.] die maßgeblichen Vorschriften des ausländischen Rechts, insbesondere den [X.], sowie die Satzungen, gegebenenfalls auch weitere Abreden berücksichtigen und anhand dieses Maßstabs Feststellungen hätte treffen müssen. Vor diesem Hintergrund hätte das [X.] – auch im Blick auf mögliche Ansprüche Dritter gegen die [X.] – einen „Durchgriffsanspruch“ gegen die [X.] unmittelbar prüfen müssen, der sich aus einem möglichen Auseinandersetzungsanspruch gegen seinen Mitgesellschafter ableiten und einen Vermögensnachteil in Frage stellen könnte.

5. Der vom [X.] bemühte Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 32 StGB) liegt ebenso fern wie die Rechtfertigungsgründe des Notstands oder der Selbsthilfe. Von der [X.] ging zu keiner Zeit ein unmittelbarer Angriff auf Rechtsgüter des Angeklagten aus. Abgesehen von einem Verteidigungswillen fehlte es auch an einer Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Es ist nicht ersichtlich, dass mildere, insbesondere zivilprozessuale Maßnahmen vom Angeklagten zuvor ausgeschöpft worden wären.

6. Die Sache wird an eine Wirtschaftsstrafkammer zurückverwiesen. Diese ist als Gericht höherer Ordnung (vgl. § 74e Nr. 2, § 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 lit. [X.]) angesichts des vom Angeklagten eingesetzten grenzüberschreitenden Unternehmensgeflechts zuständig (vgl. zur gleichgelagerten Frage der Rückverweisung an das Schwurgericht [X.], 192, 195; 14, 19, 28; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 355 [X.]. 2, 7). Der gegenteilige Eröffnungsbeschluss interpretiert das Kriterium besonderer Kenntnisse des Wirtschaftslebens fallbezogen zu eng.

IV.

Gegenstand des Verfahrens ist eine eigenmächtig vorgenommene Beuteteilung unter ausländischen Straftätern nahezu ohne Inlandsbezug. Dieser Hintergrund lässt einen überaus schonenden Einsatz justizieller Ressourcen durch die Strafverfolgungsbehörden angezeigt erscheinen. Dementsprechend werden alsbaldige Einstellungsmöglichkeiten zu erwägen sein. Für eine gleichwohl etwa erforderliche Hauptverhandlung weist der Senat höchstvorsorglich auf Folgendes hin:

Stellt sich der Sachverhalt der Wirtschaftsstrafkammer zur objektiven Tatseite in seinen wesentlichen Elementen so dar, wie er im angefochtenen Urteil festgestellt ist, und sollten – was hier keinesfalls fern liegt – ergänzende, ein pflichtwidriges Handeln des Angeklagten tragende Feststellungen getroffen und ein Vermögensnachteil angenommen werden können, so wird die Strafbarkeit des Angeklagten von der subjektiven Tatseite abhängen. Belegen die durch das Tatgericht festzustellenden Umstände auch weiterhin ein internationales Handelsgeschäft erfahrener Kaufleute in nicht nur geringem Umfang über einen längeren Zeitraum hinweg und deren bewusste Unterwerfung unter fremdes Recht, müssen Zweifel am Wissen um die durch ausländisches Recht konstituierten Pflichten nicht aufkommen (vgl. dazu [X.] aaO S. 112; [X.] 2005, 832, 856).

Basdorf                                   Schaal                              Schneider

                         König                                 [X.]

Meta

5 StR 428/09

13.04.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 13. März 2009, Az: 611 KLs 11/08, Urteil

§ 266 Abs 1 StGB, Art 103 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.04.2010, Az. 5 StR 428/09 (REWIS RS 2010, 7756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7756

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