Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.01.2013, Az. 2 Ni 77/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 8771

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – zur Höhe des Streitwerts im Nichtigkeitsverfahren


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent …

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 23. Januar 2013 durch die Vorsitzende Richterin [X.] sowie [X.] und [X.] Schwengelbeck

beschlossen:

1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. [X.] wird auf 500.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegen das am 21. November 1995 angemeldete [X.] Patent DE … (Streitpatent) mit der Bezeichnung "…" hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. November 2011 Nichtigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat der Klage mit Schriftsatz vom 29. Februar 2012 ([X.]. 67 d. A.) fristgerecht widersprochen. Ihren Widerspruch hat die Beklagte in der Folgezeit nicht begründet, sondern mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012 ([X.]. 74 d. A.) erklärt, dass sie mit Schreiben an das [X.] vom gleichen Tag auf den [X.]n Teil des Streitpatents verzichtet habe und gegenüber der Klägerin keine Rechte für die Vergangenheit geltend machen werde. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2012 den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

2

Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 19. September 2012 ([X.]. 89 d. A.) angeschlossen und trägt vor, der von ihr erklärte Verzicht könne nicht als Beleg für die fehlenden Rechtsbestand verstanden werden, vielmehr sei der Verzicht aus anderen Gründen erfolgt. Die Beklagte hält ferner einen Streitwert in Höhe von 125.000 [X.] für angemessen.

II.

3

Nach der übereinstimmend erklärten Erledigung der Hauptsache ist gemäß §§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.

4

Für die Kostenverteilung kommt es dabei grundsätzlich darauf an, ob bzw. inwieweit die zulässige Klage voraussichtlich begründet gewesen wäre

5

Im Fall der Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent sowie auf die Geltendmachung von Ansprüchen für die Vergangenheit hat jedoch nach ständiger Rspr. des [X.] als auch des B[X.] regelmäßig der Patentinhaber die Kosten des [X.] zu tragen, da eine solche Vorgehensweise im Regelfall darauf schließen lässt, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg gehabt hätte und sich der Patentinhaber durch sein Vorgehen in die Rolle der Unterlegenen begibt (st. Rspr. vgl. [X.], [X.], 278, 279 Lampengehäuse; B[X.]E 31, 191, 192; Busse, [X.], 6. Aufl., § 83 Rdn. 17 m. w. N.). Der Anlass für den Verzicht ist insoweit unerheblich (vgl. nochmals [X.], a. a. [X.]). Von Bedeutung ist ferner, dass die Beklagte ihren Widerspruch nicht begründet hat und somit der Klage in der Sache nicht entgegengetreten ist. In Anbetracht dieser Umstände käme eine (zumindest teilweise) Kostenauferlegung auf die Klägerin nur dann in Betracht, wenn die Klage voraussichtlich erfolglos geblieben wäre (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 81 Rdnr. 35 unter Hinweis auf [X.] GRUR 2004, 623, 624 - Stretchfolienumhüllung). Dies vermag der Senat aber im Rahmen der bei einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht festzustellen. Vielmehr hat die Klägerin in ihrer Klageschrift vom 10. Januar 2012 in schlüssiger Weise dargelegt, dass sich der Gegenstand des angegriffenen (im vorherigen Einspruchsverfahren in beschränkter Weise aufrechterhaltenen) geltenden Patentanspruchs 1 für den Fachmann - vorliegend ein Ingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von [X.] - in nahe liegender Weise aus einer Zusammenschau der vorveröffentlichten Druckschrift [X.] ([X.]), welche bereits im [X.] berücksichtigt worden ist, und der von der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren neu aufgeführten, vorveröffentlichten Druckschrift [X.] 35 561 [X.] ([X.]) ergeben hätte. Mangels einer Widerspruchsbegründung seitens der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, ob und ggf. in welcher Hinsicht die Beklagte die Argumentation der Klägerin für angreifbar hält. Bestand für die Nichtigkeitsklage somit zumindest eine Aussicht auf Erfolg, muss es daher nicht zuletzt im Hinblick auf den nicht begründeten Widerspruch der Beklagten bei einer Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten bleiben.

[X.]

6

Der Streitwert für das Patentnichtigkeitsverfahren war auf 500.000,00 Euro festzusetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 51 GKG).

7

Der Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren ist nach § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] GRUR 2011, 757 - [X.]) ist dafür grundsätzlich der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich.

8

Da dem Senat dazu aber keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen, legt er die Streitwertfestsetzung im Verletzungsverfahren zugrunde (vorliegend 500.000,00 [X.]). Diese beziffert regelmäßig das Interesse des [X.] an der erstrebten Vernichtung des Streitpatents, mit der der [X.] die Grundlage entzogen werden soll. Eine Streitwertfestsetzung im [X.] unterhalb dieses Betrags kommt daher regelmäßig nicht in Betracht ([X.] GRUR 2011, 757 - "[X.]"; Mes, [X.], 3. Aufl., § 84 Rdnr. 72a). Nach Auffassung des Senats und abweichend von B[X.] 4 Ni 45/09 ist dabei ohne Bedeutung, dass das [X.] die Verletzungsklage (nach Erhebung der Nichtigkeitsklage) im Berufungsverfahren durch Urteil vom 16. Januar 2012 (6 [X.], [X.]. 94 ff. d. A.) mit der Begründung abgewiesen hat, dass die mit der Verletzungsklage angegriffenen Ausführungsformen von der für die Beklagte/Verletzungsklägerin geschützten Erfindung keinen Gebrauch machen, es demnach auch auf die Bestandskraft des Streitpatents nicht (mehr) ankam.

9

vorliegend allein maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage das Interesse der Klägerin an einer Vernichtung des Streitpatents dem Interesse gleichzusetzen war, im parallelen Patentverletzungsverfahren nicht zu unterliegen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des Streitpatents kann jedoch - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - nicht geringer sein als das Interesse der Klägerin, da es dieses mit umfasst. Es ist daher nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, den Streitwert auch in vorliegendem Fall jedenfalls nach dem Interesse der Klägerin an der Abwehr der gegen sie von der Patentinhaberin im Verletzungsverfahren geltend gemachten Ansprüche zu bemessen und entsprechend der Streitwertsetzung im Verletzungsverfahren mit

500.000,00 [X.]

zu bewerten.

Ein nach [X.] GRUR 2011, 757 – [X.] - möglicher "Zuschlag" in Höhe von 25 % zur Erfassung des über das Interesse des [X.] hinausgehenden gemeinen Werts des Streitpatents, mit dem insbesondere einer Eigennutzung des Streitpatents durch den Patentinhaber Rechnung getragen werden soll, ist vorliegend nicht veranlasst, da dem Senat keine hinreichenden Erkenntnisse zu einer Eigennutzung des Streitpatents durch die Patentinhaberin vorliegen.

Meta

2 Ni 77/11

23.01.2013

Bundespatentgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.01.2013, Az. 2 Ni 77/11 (REWIS RS 2013, 8771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8771

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 Ni 46/20 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – europäisches Patent – zur Frage der Kostenauferlegung nach Klagerücknahme und Verzicht der Beklagten …


4 Ni 24/12 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Zwischenwirbelimplantat" – am Verletzungsstreit orientierte Bemessung des Gebührenstreitwerts – Abstellung auf die verfahrenseinleitende …


2 Ni 18/16 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Interaktives Videosignalnavigationssystem für besondere Ereignisse (europäisches Patent)" – Erledigung der Hauptsache – Kosten …


X ZR 23/21 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren: Bemessung des Streitwerts für ein standardessentielles Patent – Nichtigkeitsstreitwert III


X ZR 28/09 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren: Bemessung des Gegenstandswertes - Nichtigkeitsstreitwert


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.