Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.09.2011, Az. 2 BvR 947/11

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2011, 3053

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

EUGH VORLAGEPFLICHT

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Gegenstand

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG (Garantie des gesetzlichen Richters) durch Unterlassen einer Vorlage an den EuGH gem Art 267 Abs 3 AEUV - Zur Frage der Vereinbarkeit von § 28 Abs 4 S 1 Nr 3 FeV iVm § 28 Abs 4 S 3 FeV mit Unionsrecht, insbesondere mit Art 11 Abs 4 UAbs 2 der 3. Führerscheinrichtlinie (juris: EGRL 126/2006) - Inländische Gültigkeit einer Fahrerlaubnis, die nach Ablauf einer Sperre für die Neuerteilung, aber vor Tilgung der Sperre aus dem Bundeszentralregister in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erteilt wurde - Gegenstandswertfestsetzung auf 8000 Euro (Verfassungsbeschwerdeverfahren) bzw 4000 Euro (EiA-Verfahren)


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 30. März 2011 - 1 [X.]/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird im Hauptsacheverfahren auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine unterbliebene Vorlage an den [X.] ([X.]) hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein ([X.] ABl L 403/18).

2

1. Das [X.] verhängte gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2007 eine isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB). Nach Ablauf und vor Tilgung der Sperre im Verkehrszentralregister erwarb der Beschwerdeführer in der [X.] eine Fahrerlaubnis, in welcher der [X.] Zweitwohnsitz des Beschwerdeführers eingetragen ist.

3

2. Das [X.] verurteilte den Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil vom 20. Mai 2010 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und verhängte eine erneute isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von zwölf Monaten. Das [X.] verwarf die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Urteil vom 8. November 2010 und änderte auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts dahingehend ab, dass die Gesamtfreiheitsstrafe zu Lasten des Beschwerdeführers auf sechs Monate erhöht wurde.

4

Das [X.] verwarf die dagegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers mit angegriffenem Beschluss vom 30. März 2011 als unbegründet. § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) versage das Recht, von einer ausländischen [X.] im Inland Gebrauch zu machen, wenn eine isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis im Inland verhängt worden sei. Zwar sei die Sperre zu dem [X.]punkt, als der Beschwerdeführer die [X.] Fahrerlaubnis erworben habe, und zu den jeweiligen [X.] bereits abgelaufen gewesen. Dies ändere jedoch nichts, weil die Sperre noch im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht tilgungsreif sei (vgl. § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG).

5

Diese Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV sei mit [X.]srecht, insbesondere mit Art. 11 Abs. 4 [X.]. 2 der [X.], vereinbar (mit Hinweis auf [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2010 - 11 CS 10.1380 -, NJW 2011, [X.]). Der Beschwerdeführer habe wegen [X.] im Straßenverkehr wiederholt belangt werden müssen. Er habe sich dadurch in hohem Maße zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erwiesen. Angesichts der Gefahren, die vom motorisierten Straßenverkehr für das menschliche Leben und die körperliche Unversehrtheit insbesondere dann ausgingen, wenn charakterlich ungeeignete Personen wie der Beschwerdeführer zum Führen von Kraftfahrzeugen zugelassen würden, sei der [X.] Normgeber gehalten gewesen, diesem Schutzauftrag bei der Ausgestaltung der [X.] gerecht zu werden.

6

3. Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung setzte die Kammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 20. Mai 2010 in Form des Urteils des [X.] vom 8. November 2010 mit Beschluss vom 30. Mai 2011 einstweilen für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, längstens für die Dauer von sechs Monaten aus.

7

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

8

Das [X.] habe seinen Beurteilungsspielraum für eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in unvertretbarer Weise überschritten. Gegenüber der vom [X.] vorgenommenen Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV sei die Gegenauffassung eindeutig vorzuziehen. Verschiedene Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte hätten § 28 Abs. 4 FeV als unionsrechtswidrig bezeichnet und nicht angewendet, § 28 Abs. 4 FeV unionsrechtskonform ausgelegt oder dem [X.] Fragen zur Auslegung der [X.] vorgelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 22. September 2009 - 5 L 970/09 -, juris; [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2009 - 2 B 2138/09 -, juris; OVG [X.], Beschluss vom 16. Juni 2010 - 1 [X.]/10 -, SVR 2010, [X.]). Es sei davon auszugehen, dass der [X.]. 11 Abs. 4 [X.]. 2 der [X.] ebenso wie Art. 8 Abs. 4 der [X.] vom 29. Juli 1991 über den Führerschein ([X.] ABl L 237/1) eng auslegen werde und auch nach Inkrafttreten der [X.] allein ein Wohnsitzverstoß es rechtfertige, die Anerkennung einer gültigen [X.] abzulehnen.

9

Das [X.] hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

Eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liege nicht vor. Es bestünden keine Zweifel hinsichtlich des inhaltlichen Verständnisses von Art. 11 Abs. 4 der [X.], so dass die Vereinbarkeit von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV mit [X.]srecht von dem [X.] klar und ohne Vorlage an den [X.] habe beantwortet werden können. Art. 11 Abs. 4 [X.]. 1 und 2 der [X.] bestimmten sprachlich eindeutig, dass ein Mitgliedstaat einen Führerschein nicht ausstellen dürfe, wenn der betreffenden Person zuvor in einem anderen Mitgliedstaat ein Führerschein entzogen worden sei, und dass ein unter Verstoß gegen dieses Verbot gleichwohl erteilter Führerschein von dem Mitgliedstaat, der den Führerscheinentzug angeordnet habe, nicht anerkannt werden dürfe. Jedenfalls habe sich das [X.] nicht willkürlich über die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV hinweggesetzt.

Die Voraussetzungen für eine stattgebende [X.] nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 [X.] sind erfüllt, soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des [X.] vom 30. März 2011 wendet. Das [X.] hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]; vgl. [X.] 82, 159 <192 ff.>; 126, 286 <315 ff.>), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

1. Das [X.] hat den Beschwerdeführer entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG [X.] entzogen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist der [X.] [X.] im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Unterlässt es ein [X.] Gericht, ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] zu richten, obwohl es unionsrechtlich dazu verpflichtet ist, werden die [X.] des Ausgangsverfahrens [X.] entzogen ([X.] 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>; 126, 286 <315 ff.>). Allerdings stellt nicht jede Verletzung der sich aus Art. 267 Abs. 3 AEUV ergebenden Vorlagepflicht einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Das [X.] beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen oder offensichtlich unhaltbar sind. Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Rede steht ([X.] 82, 159 <194 f.>; 126, 286 <316>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, NJW 2011, [X.] 1427 <1431>).

Im Rahmen dieser Willkürkontrolle haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, in denen die Vorlagepflichtverletzung zu einer Verletzung des Rechts auf [X.] führt. Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des [X.]srechts einschlägige Rechtsprechung des [X.]s noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des [X.]s nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. [X.] 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2011, a.a.[X.], [X.] 1431). Dies kann nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 82, 159 <196>; 126, 286 <317>) insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des [X.]srechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind. Zu verneinen ist in Fällen der Unvollständigkeit der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat.

Dies setzt voraus, dass sich das Gericht hinsichtlich des [X.]srechts hinreichend kundig gemacht hat. Dabei umfasst der Begriff des [X.]srechts nicht nur geschriebenes und ungeschriebenes Recht in seiner Auslegung durch den [X.], sondern auch die in der Rechtsprechung des [X.]s für das [X.]srecht entwickelten Auslegungsmethoden und -grundsätze (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Januar 2001 - 1 BvR 1036/99 -, NJW 2001, [X.]). Das Gericht beantwortet die entscheidungserhebliche Frage des [X.]srechts in nicht mehr vertretbarer Weise, wenn keine tatsächlichen und rechtlichen Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die eigene Auslegung und Anwendung des [X.]srechts mit der Rechtsprechung des [X.]s und den herkömmlichen Auslegungsmethoden und -grundsätzen übereinstimmt.

b) Gemessen an diesem Maßstab hat das [X.] den Beschwerdeführer [X.] entzogen, indem es davon abgesehen hat, ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] zu richten oder das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des [X.]s über das Vorabentscheidungsersuchen des [X.] (Beschluss vom 16. August 2010 - 11 [X.] -, [X.], [X.] 596 = [X.]. [X.]/10, [X.], ABl 2010 Nr. C 301/12) auszusetzen.

aa) Die Frage, ob die Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV, wonach eine ausländische Fahrerlaubnis im Inland ungültig ist, wenn die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis abgelaufen, aber nach wie vor noch im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht getilgt ist, mit [X.]srecht, insbesondere mit Art. 11 Abs. 4 [X.]. 2 der [X.], vereinbar ist, ist entscheidungserheblich. Denn ihre Beantwortung entscheidet darüber, ob sich der Beschwerdeführer wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar gemacht hat.

bb) Das [X.] hat als letztinstanzliches Hauptsachegericht den ihm bei der Auslegung der [X.] zukommenden Beurteilungsrahmen überschritten. Es hat unter Verweis auf den Beschluss des [X.] vom 7. Oktober 2010 (a.a.[X.]) eine Auslegung der [X.] vorgenommen, die im Widerspruch zu der ihm bekannten Rechtsprechung des [X.]s zur Unvereinbarkeit von § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV a.F. mit Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 4 der [X.] steht, ohne sich hierfür auf vertretbare tatsächliche und rechtliche Anhaltspunkte stützen zu können. Darauf beruht die Auffassung, dass § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV, wonach eine ausländische Fahrerlaubnis im Inland ungültig ist, wenn die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis abgelaufen, aber nach wie vor noch im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht getilgt ist, mit [X.]srecht vereinbar ist.

(1) Es bestehen begründete Zweifel daran, dass § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV mit [X.]srecht, insbesondere mit Art. 11 Abs. 4 [X.]. 2 der [X.], vereinbar ist (vgl. [X.], Beschluss vom 22. September 2009, a.a.O, Rn. 13 ff.; O[X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - 10 [X.]/09 -, juris, Rn. 6 ff.; [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2009, a.a.[X.], Rn. 2; OVG [X.], Beschluss vom 16. Juni 2010, a.a.[X.], [X.] 393 ff.; [X.], [X.], [X.]>; [X.], [X.], [X.] 361 <366 f.>; [X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.] 481 <486> m.w.N.; [X.]/ [X.], [X.], [X.] 329 <335>).

(a) Es liegt noch keine Rechtsprechung des [X.]s zur Auslegung der [X.] vor.

(b) Nach der Rechtsprechung des [X.]s zur [X.] sind die Mitgliedstaaten nach deren Art. 1 Abs. 2 verpflichtet, die Führerscheine anderer [X.] ohne jede Formalität anzuerkennen ([X.], Urteil vom 19. Februar 2009, [X.]. [X.]/07, [X.], [X.]. 2009, [X.] I-1113, Rn. 75).

Es ist Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats, zu prüfen, ob die im [X.]srecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen hinsichtlich der Fahreignung und des Wohnsitzes, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008, verb. [X.]. [X.]/06 und [X.], [X.]/Funk, [X.]. 2008, [X.] I-4635, Rn. 52). Wenn die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedstaaten somit nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber dieses Führerscheins am [X.] diese Voraussetzungen erfüllte ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008, [X.]/Funk, a.a.[X.], Rn. 53). Dies gilt auch dann, wenn der Führerschein im Aufnahmemitgliedstaat wegen Drogen- oder Alkoholkonsums entzogen wurde und der [X.] nicht dieselben Anforderungen an den Eignungsnachweis stellt, insbesondere auf eine medizinisch-psychologische Untersuchung verzichtet ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008, [X.]/Funk, a.a.[X.], Rn. 73). Der Aufnahmemitgliedstaat ist nur im Hinblick auf ein Verhalten, das nach dem Erwerb des von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins eingetreten ist, zur nachträglichen Eignungsüberprüfung befugt.

Ausnahmen von dem in Art. 1 Abs. 2 der [X.] enthaltenen allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine sind insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Grundsatz die Ausübung der Grundfreiheiten erleichtern soll, eng auszulegen ([X.], Urteil vom 29. April 2004, [X.]. [X.]/01, [X.], [X.]. 2004, [X.] I-5205, Rn. 72). Aus diesem Grund kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 8 Abs. 4 der [X.] berufen, um einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer früher von ihm erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte [X.] die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird. Ist nämlich die zusätzlich zu der fraglichen Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats bereits abgelaufen, verbietet es Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der [X.] diesem Mitgliedstaat weiterhin, die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins abzulehnen ([X.], Urteil vom 29. April 2004, [X.], a.a.[X.], Rn. 76). Die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins kann allerdings abgelehnt werden, wenn sein Inhaber zum [X.]punkt dieser Ausstellung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis unterlag ([X.], Beschluss vom 3. Juli 2008, [X.]. [X.]/07, [X.], [X.]. 2008, [X.] I-103, Rn. 45).

(c) Art. 11 Abs. 4 der [X.] ist durch die 3. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 7. Januar 2009 (BGBl I [X.] 27 und 29) umgesetzt worden. § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV, wonach Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] erteilten gültigen Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt sind, wenn ihnen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, wurde wortgleich aus der vorangegangenen Fassung übernommen. Ergänzend wurde § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV angefügt, wonach Satz 1 Nr. 3 und 4 nur anzuwenden ist, wenn die dort genannten Maßnahmen im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt sind. Da eine unbegrenzte Verweigerung der Anerkennung unionsrechtswidrig ist, wurde sie nach der Begründung des Verordnungsgebers durch einen Verweis auf die Tilgungsfristen des [X.] ersetzt ([X.] 851/08, [X.] 12).

(2) Die Argumente, die das [X.] unter Verweis auf den Beschluss des [X.] vom 7. Oktober 2010 (a.a.[X.]) für die Vereinbarkeit von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV mit [X.]srecht anführt und die von Stimmen in der Rechtsprechung (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2010 - 16 B 814/09 -, juris, Rn. 6 ff.; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2010 - 10 S 2391/09 -, NJW 2010, [X.] 2821 <2822 ff.>; [X.], Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 M 172/09 -, juris, Rn. 11 ff.; [X.], Beschluss vom 26. Mai 2010 - 2 Ss 269/10 -, NJW 2010, [X.] 2818 <2819 f.>; [X.], Beschluss vom 18. August 2010 - 12 [X.] -, juris, Rn. 11 ff.) und in der Literatur geteilt werden (vgl. [X.], [X.], [X.] 181 <184 f.>; [X.]/[X.], NJW 2009, [X.] 801 <804>), sind nicht vertretbar.

(a) Der [X.] kommt aufgrund einer grammatikalischen, systematischen und historischen Auslegung der [X.] zu der Auffassung, dass eine Auslegung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV, wonach eine ausländische [X.] im Inland ungültig sei, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung in Verbindung mit § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV erfüllt seien, mit [X.]srecht vereinbar sei (Beschluss vom 7. Oktober 2010, a.a.[X.], [X.] 1382).

Dies begründet er damit, dass durch die [X.] ein Paradigmenwechsel vollzogen worden sei, um ein Unterlaufen von in einem Mitgliedstaat getroffenen fahrerlaubnisrechtlichen "Negativentscheidungen" dadurch zu verhindern, dass der Betroffene zwecks Erlangung einer neuen Fahrerlaubnis in einen anderen Mitgliedstaat ausweiche. Dies komme nicht nur in der doppelten Sicherung zum Ausdruck, die Art. 11 Abs. 4 der [X.] durch den Übergang von fakultativen zu bindenden Regelungen und dadurch geschaffen habe, dass das in Art. 11 Abs. 4 [X.]. 1 der [X.] ausgesprochene Verbot der Erteilung einer Fahrerlaubnis durch eine an den [X.] gerichtete Nichtanerkennungsverpflichtung ergänzt worden sei. Der Wille des Normgebers, den Mitgliedstaaten ein möglichst wirksames Instrument zur Bekämpfung des Führerscheintourismus an die Hand zu geben, lasse sich auch aus den Materialien entnehmen (mit Hinweis auf [X.], Beschluss vom 22. Februar 2007 - 11 CS 06.1644 -, [X.], [X.] 539 <540 f.>).

Diese Auslegung der [X.] stehe nicht in Widerspruch zu höherrangigem [X.]srecht. Zu den Normen des primären [X.]srechts, die im vorliegenden Zusammenhang in den Blick zu nehmen seien, gehörten nicht nur die Bestimmungen, die die Freizügigkeit innerhalb der [X.] verbürgten, sondern auch die [X.]sgrundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit. In den Erwägungsgründen 2, 7, 8, 9, 10, 11, 13 und 15 der [X.] komme zum Ausdruck, dass die [X.] das Ziel verfolge, dem aus diesen [X.]sgrundrechten folgenden Schutzauftrag gerecht zu werden, indem die Verkehrssicherheit erhöht werde, und dass dieses Ziel mindestens gleichrangig neben dem Anliegen stehe, die Freizügigkeit der [X.]sbürger zu erleichtern.

(b) Es bestehen keine tatsächlichen oder rechtlichen Anhaltspunkte dafür, dass diese Auslegung der [X.] mit der Rechtsprechung des [X.]s übereinstimmt.

(aa) Der Wortlaut von Art. 11 Abs. 4 [X.]. 2 und 3 der [X.] stützt die Annahme einer Einschränkung der Rechtsprechung des [X.]s zur Reichweite des Anerkennungsgrundsatzes nicht.

Er lehnt sich weitgehend an Art. 8 Abs. 4 der [X.] an. Geändert hat sich im Wesentlichen nur die Ersetzung einer Ermessensklausel durch eine Pflicht, die Anerkennung zu verweigern. Inhaltlich ist die Vorschrift jedoch weitgehend identisch geblieben, wenn man davon absieht, dass Art. 8 Abs. 4 Satz 2 der [X.] auf Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 verweist, während Art. 11 Abs. 4 der [X.] nicht mehr auf Maßnahmen nach Art. 11 Abs. 2 (Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis) verweist, sondern direkt auf die Einschränkung, Aussetzung oder Entziehung im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats Bezug nimmt.

Die Folgerung, dass damit der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s die Grundlage entzogen würde, wäre nur tragfähig, wenn die Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit von § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV a.F. entscheidend auf der Verknüpfung von Art. 8 Abs. 4 mit Abs. 2 der [X.] beruhen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall (vgl. [X.], [X.], [X.] 361 <366>). Der [X.] begründet seine restriktive Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der [X.] entscheidend mit den Grundfreiheiten, für die dem Grundsatz der Anerkennung von Führerscheinen große Bedeutung zukomme. Dabei unterscheidet er zwischen Art. 8 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 4 argumentativ nicht. Der [X.] stellt vielmehr fest, dass im Hinblick auf die Bedeutung der Individualverkehrsmittel der Besitz eines vom [X.] ordnungsgemäß anerkannten Führerscheins Einfluss auf die tatsächliche Ausübung einer großen Zahl von unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeiten haben könne ([X.], Urteil vom 29. April 2004, [X.], a.a.[X.], Rn. 71). Eine nationale Regelung, die wie § 28 FeV a.F. gerade darauf abziele, die zeitliche Wirkung einer Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer früheren Fahrerlaubnis auf unbestimmte [X.] zu verlängern und den [X.] Behörden die Zuständigkeit für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis vorzubehalten, wäre daher "die Negation des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine selbst, der den Schlussstein des mit der Richtlinie 91/439 eingeführten Systems darstellt" ([X.], Urteil vom 29. April 2004, [X.], a.a.[X.], Rn. 77).

(bb) Auch die Entstehungsgeschichte der [X.] spricht nicht für eine erweiterte Befugnis der Mitgliedstaaten zur Nichtanerkennung der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis.

Die Erwägungsgründe der [X.] enthalten keine Hinweise auf eine Änderung der Rechtsgrundlagen zur Anerkennung (vgl. [X.], [X.], [X.] 361 <366>). Erwägungsgrund Nr. 6 verweist in allgemeiner Form auf die Anerkennungspflicht der Mitgliedstaaten und Erwägungsgrund Nr. 15 auf die allgemeine Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen der Verkehrssicherheit ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Entziehung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf einen Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat.

Die Erwägungsgründe [X.], 7, 8, 9, 10, 11 und 13, die nach Ansicht des [X.] zum Ausdruck bringen, dass das Ziel der Erhöhung der Verkehrssicherheit mindestens gleichrangig neben dem Anliegen stehe, die Freizügigkeit der [X.]sbürger zu erhöhen, betreffen nicht die Anerkennung von ausländischen EU-Führerscheinen, sondern beschreiben lediglich, inwieweit die innerstaatlichen Vorschriften für den Führerschein durch die Richtlinie harmonisiert werden. Auch ein Vergleich der Formulierung der Erwägungsgründe der 2. und [X.] widerstreitet der Einschätzung des [X.]. Während die [X.] beabsichtigte, "die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben" (Erwägungsgrund 1), "tragen" die Regelungen der [X.] lediglich "zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei", während sie "die Freizügigkeit der Personen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen", "erleichtern", und "der Besitz eines vom Aufnahmemitgliedstaat anerkannten Führerscheins die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit der Personen" "fördert" (Erwägungsgrund 2).

Auch die Begründung der Kommission für die [X.] geht auf die mit dem sogenannten "Führerscheintourismus" zusammenhängenden Probleme der Verkehrssicherheit nur insoweit ein, als die Mitgliedstaaten ausdrücklich keinen neuen Führerschein ausstellen dürfen sollen für eine Person, der der Führerschein entzogen wurde und die somit indirekt immer noch Inhaber eines anderen Führerscheins ist ([X.] 2003 <621> endg., [X.] 6). Der Gemeinsame Standpunkt des Rates verweist ausschließlich auf die neuen Vorschriften über die Überprüfung der [X.] ([X.] E/45). Diese Ausführungen deuten nicht auf eine Korrektur der Rechtsprechung des [X.]s zur Reichweite der Pflicht zur Anerkennung einer [X.] hin.

(cc) Der Kritik des [X.]s, wonach ein Mitgliedstaat nicht befugt ist, einer Person, auf die eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis angewendet worden ist, auf unbestimmte [X.] die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird, kann - entgegen der Begründung des Verordnungsgebers ([X.] 851/08, [X.] 12) - auch nicht in vertretbarer Weise durch § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV Rechnung getragen werden. Danach darf die Anerkennung nur solange versagt werden, als die Entziehung im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist.

(α) Die bisherige Rechtsprechung des [X.]s, wonach ein Mitgliedstaat nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der [X.] die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht anerkennen muss, wenn sein Inhaber zum [X.]punkt dieser Ausstellung im ersten Mitgliedstaat einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis unterlag ([X.], Beschluss vom 3. Juli 2008, [X.], a.a.[X.], Rn. 45), stellt allein auf die Sperrfrist ab. Nicht gemeint ist hingegen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, sonstige Fristen vorzusehen, wenn diese der Funktion der Sperrfrist nicht entsprechen.

Die Funktion der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis besteht darin, dass erst durch ihre Festsetzung die Entziehung der Fahrerlaubnis ihre Wirkungskraft in dem jeweils festgesetzten Umfang erlangt (Herzog, in: Kindhäuser/[X.]/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 69a StGB Rn. 1). Für die Bemessung der Sperrfrist gelten die gleichen Maßstäbe wie für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst. Die Sperrfrist leitet sich mit anderen Worten aus der durch die Schwere der Tat und unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit anzunehmenden Dauer der Ungeeignetheit ab ([X.], [X.] Kommentar, [X.], 12. Aufl. 2008, § 69a StGB Rn. 16; [X.], StGB, 58. Aufl. 2011, § 69a StGB Rn. 15 ff.). Die Tilgungsfrist nach § 29 StVG verfolgt einen anderen Zweck als die Sperrfrist, indem sie keine Rückschlüsse auf die aktuelle Fahreignung gibt. Beim Verkehrszentralregister steht der Gedanke der Bewährung im Sinne der Verkehrssicherheit im Mittelpunkt (vgl. Janker, in: [X.][X.]/[X.]/Janker, [X.], 21. Aufl. 2010, § 29 StVG Rn. 2). Bewährung in diesem Sinne bedeutet aber, dass eine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht fehlt, sondern eine Fahrerlaubnis erteilt werden kann und lediglich bei zukünftigen Zuwiderhandlungen die zurückliegenden Verstöße berücksichtigt werden können.

§ 28 Abs. 5 FeV sieht zwar die Möglichkeit vor, auf Antrag eine Genehmigung zur Nutzung der [X.] während der Tilgungsfrist zu erhalten, "wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen", das heißt die Fahreignung besteht. Ein im Aufnahmemitgliedstaat durchzuführendes Genehmigungsverfahren widerspricht jedoch der Rechtsprechung des [X.]s, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Führerscheine anderer [X.] ohne jede Formalität anzuerkennen ([X.], Urteil vom 19. Februar 2009, [X.], a.a.[X.]). Frühere Inhaber einer Fahrerlaubnis, die in einem Mitgliedstaat entzogen oder aufgehoben wurde, können insbesondere nicht verpflichtet werden, bei den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats die Erlaubnis zu beantragen, von einer Fahrberechtigung Gebrauch zu machen, die sich aus einem nach Ablauf der Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ergibt ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008, [X.]. [X.]/06 und 336/06, [X.] u.a., [X.]. 2008, [X.] I-4691, Rn. 70).

(β) § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 3 FeV führt zu einer Ungleichbehandlung zwischen Kraftfahrern, die eine neue ausländische, und solchen, die eine neue [X.] Fahrerlaubnis erworben haben (vgl. [X.]/[X.]/ [X.], [X.], [X.] 481 <487>). Selbst wenn diese Bestimmungen dahingehend ausgelegt werden könnten, dass sie mit der [X.] vereinbar wären, würden sie - entgegen der Auffassung des [X.] - gegen höherrangiges primäres [X.]srecht, nämlich das in allen Grundfreiheiten enthaltene Diskriminierungsverbot, verstoßen.

§ 28 Abs. 4 Satz 3 FeV enthält für die Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis nach Entziehung einer inländischen Fahrerlaubnis eine andere Frist, als sie für die Neuerteilung einer inländischen Fahrerlaubnis gilt. Die inländische Fahrerlaubnis kann unmittelbar nach Ablauf der Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis neu erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach wie vor vorliegen (§ 20 Abs. 1 FeV). Zur Klärung von Eignungszweifeln kann ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet werden (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 FeV). Eine ausländische Fahrerlaubnis kann, sofern der betroffene Kraftfahrer nach Ablauf der Sperrfrist keinen Antrag nach § 28 Abs. 5 FeV stellt, erst nach Ablauf der Tilgungsfrist im Verkehrszentralregister, in dem sowohl die Entziehung der Fahrerlaubnis als auch die Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis eingetragen wird, anerkannt werden. Im Fall einer isolierten Sperre (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) beträgt die Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG zehn Jahre. Stellt der betroffene Kraftfahrer nach Ablauf der Sperrfrist einen Antrag nach § 28 Abs. 5 FeV, wird seine Fahreignung vom Aufnahmemitgliedstaat geprüft, das heißt er müsste bei Eignungszweifeln ebenfalls ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorlegen.

Eine Ungleichbehandlung kann nach der Rechtsprechung des [X.]s zwar grundsätzlich durch Grundrechte gerechtfertigt werden ([X.], Urteil vom 12. Juni 2003, [X.]. [X.]/00, [X.], [X.]. 2003, [X.] I-5659, Rn. 74; [X.], Urteil vom 14. Oktober 2004, [X.]. [X.]/02, [X.], [X.]. 2004, [X.] I-9609, Rn. 35). Völlig offen ist allerdings, ob sich aus den [X.]sgrundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit - wie der [X.] annimmt - ein Schutzauftrag (der Mitgliedstaaten) zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ergibt. Unterstellt, dies wäre der Fall, erscheint die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung unter Hinweis auf diesen Schutzauftrag jedenfalls deshalb nicht vertretbar, weil das Ziel der [X.] damit offensichtlich konterkariert würde. Die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins würde von den im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Fahreignung abhängig gemacht werden, obwohl die [X.] die innerstaatlichen Mindestvoraussetzungen im Hinblick auf die Fahreignung harmonisiert hat, die Prüfung der Mindestvoraussetzungen durch den [X.] erfolgen soll und Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach der Rechtsprechung des [X.]s eng auszulegen sind.

2. Der Beschluss des [X.] ist aufzuheben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 [X.]).

3. Im Hinblick auf die Urteile des [X.] vom 20. Mai 2010 und des [X.] vom 8. November 2010 wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]).

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 [X.]. Zwar wird die Verfassungsbeschwerde teilweise nicht zur Entscheidung angenommen. Da der Beschwerdeführer sein wesentliches Verfahrensziel erreicht hat, sind die Angriffsgegenstände jedoch insoweit für sein Begehren von untergeordneter Bedeutung (vgl. [X.] 32, 1 <39>; 79, 372 <378>; 86, 90 <122>; 88, 366 <381>; 104, 220 <238>; 114, 1 <72>).

Die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 947/11

22.09.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Nürnberg, 30. März 2011, Az: 1 St OLG Ss 42/11, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 11 Abs 4 UAbs 2 EGRL 126/2006, Art 1 Abs 2 EGRL 439/91, Art 8 Abs 4 EGRL 439/91, § 28 Abs 4 S 1 Nr 3 FeV, § 28 Abs 4 S 3 FeV, § 69a Abs 1 S 3 StGB, § 29 Abs 1 S 2 Nr 3 StVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.09.2011, Az. 2 BvR 947/11 (REWIS RS 2011, 3053)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3053

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III-5 Ss 133/05 - 91/05 IV (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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