Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.01.2016, Az. B 9 SB 76/15 B

9. Senat | REWIS RS 2016, 17911

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Schwerbehindertenrecht - GdB-Feststellung - Vornahme einer quantitativen sensorischen Testung - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Amtsermittlungsgrundsatz - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27. August 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 70 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G. Bei dem Kläger war zuletzt ein GdB von 50 ab 1.7.2009 festgestellt (Bescheid vom 16.2.2010; Funktionsstörung der Wirbelsäule, chronisches Schmerzsyndrom, Einzel-GdB 50; [X.], Einzel-GdB 10). Der Antrag auf Neufeststellung war erfolglos (Bescheid vom 26.3.2012; Widerspruchsbescheid vom 10.7.2012). Das [X.] hat im anschließenden Klageverfahren schriftliche Auskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt und aus einem parallelen Rentenverfahren von Amts wegen im Verwaltungs- bzw Klageverfahren veranlasste chirurgische, orthopädische und neurologische Gutachten, weitere nach § 109 [X.]G eingeholte orthopädische und neurologisch-psychiatrische Gutachten beigezogen und zudem ebenfalls nach § 109 [X.]G ein orthopädisches sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt, welche zu dem Ergebnis kamen, der GdB sei anhand der objektivierbaren Funktionsbeeinträchtigungen mit 50 ausreichend bewertet. Auch bestünden keine Anhaltspunkte für die Voraussetzungen des [X.] Daraufhin hat das [X.] die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.12.2014). Im Berufungsverfahren hat der Kläger den im [X.]-Verfahren als verspätet zurückgewiesenen Antrag auf Einholung eines anästhesiologischen Gutachtens nach § 109 [X.]G zur Durchführung einer quantitativen sensorischen Testung ([X.]-Untersuchung) weiterverfolgt. Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen, sich zur Begründung auf die vorliegenden Beweisergebnisse gestützt und ergänzend ausgeführt, dem weiteren Antrag nach § 109 [X.]G sei nicht nachzugehen gewesen, weil das Antragsrecht verbraucht sei. Die vorrangig angestrebte [X.]-Untersuchung sei zur Feststellung der allein relevanten Funktionseinschränkungen auch unerheblich (Urteil vom [X.]).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] und rügt die grundsätzliche Bedeutung wie auch Verfahrensfehler.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Sache sowie des [X.] nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

4

1. Der Kläger legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]; B[X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] f; s auch B[X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.] f mwN). Der Kläger muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160 [X.] 17; B[X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.] 11; B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

5

Der Kläger formuliert als Frage, "ob es im Schwerbehindertenrecht einen Anspruch des Behinderten darauf gibt, dass eine quantitative sensorische Testung - [X.] - zur Ermittlung des Grades der Behinderung durch das Gericht im Rahmen des richterlichen Amtsermittlungsgrundsatzes nach den §§ 103, 106 [X.]G vorgenommen wird". Zweifelhaft ist bereits, ob es sich bei dieser Frage um eine Rechtsfrage handelt, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals abzielt, und nicht um eine (unzulässige) Tatfrage bezogen auf die Feststellung tatsächlicher Umstände des Einzelfalls. Dessen unbeschadet legt der Kläger aber jedenfalls den Klärungsbedarf nicht dar. Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich bereits nicht mit der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Umfang der Amtsermittlungspflicht im sozialgerichtlichen Verfahren [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 2014, § 103 Rd[X.] 6 ff, 11 ff, 24 ff mwN).

6

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde zudem darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Der Kläger trägt vor, der gerügte Verfahrensmangel bestehe in dem Übergehen des hilfsweise gestellten Antrags auf gutachterliche Anhörung nach § 109 [X.]G des Herrn N. M. zu den Funktionseinschränkungen aufgrund des bei ihm gegebenen [X.]. Damit ist ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Abgesehen davon, dass eine Verletzung des § 109 [X.]G im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht von Bedeutung wäre (vgl B[X.] Beschluss vom 8.5.2012 - B 5 R 48/12 B - Juris Rd[X.] 8 mwN), liegt auch keine sinngemäß geltend gemachte Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G) vor. Zur Darlegung des [X.] einer Verletzung des § 103 [X.]G muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen [X.], dem das L[X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des L[X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (B[X.] Beschluss vom 15.9.2015 - B 13 R 201/15 B - Juris Rd[X.] 5). Denn auch wenn der Kläger seinen Hilfsantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat, fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des L[X.], für die Bemessung des GdB komme es maßgeblich allein auf die vorhandenen Funktionseinschränkungen an, die die Teilhabe des [X.] am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigten, unabhängig davon, welche Symptomatik ihnen zugrunde liege. Die [X.]-Testung, die der Erfassung von Symptomen diene, die auf spezifische neurobiologische Mechanismen von chronischem Schmerz hinwiesen, sei deshalb im Schwerbehindertenrecht nicht entscheidungserheblich. Der Kläger behauptet im Übrigen nicht einmal, dass sein chronisches Schmerzsyndrom bei der Feststellung des GdB unberücksichtigt geblieben sei.

8

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

9

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

5. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 9 SB 76/15 B

12.01.2016

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Karlsruhe, 30. Dezember 2014, Az: S 10 SB 2751/12, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 103 SGG, § 109 SGG, § 69 Abs 1 S 1 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.01.2016, Az. B 9 SB 76/15 B (REWIS RS 2016, 17911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17911

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