Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2010, Az. V ZB 89/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5040

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[X.]BESCHLUSS [X.] 89/10 vom 8. Juli 2010 in der [X.]- 2 -

Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 8. Juli 2010 durch den [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren ge-gen den [X.]uss der 11. Zivilkammer des [X.] vom 11. März 2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Rinkler beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der [X.]uss der 11. Zivilkammer des [X.] vom 11. März 2010 aufgehoben. [X.] wird zur anderweitigen Behandlung und Entschei-[X.], auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] be-trägt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene ist [X.] Staatsangehöriger. 1993 und 1997 [X.] er in der [X.]. Die Anträge wurden bestandskräftig 1 - 3 -

abgelehnt. 1997 wurde der Betroffene abgeschoben. Mit Hilfe einer [X.] reiste er um die Jahreswende 2009/2010 wieder nach [X.] ein. Am 10. Februar 2010 wurde er verhaftet. Das Amtsgericht hat ihn angehört. Es hat auf Antrag der beteiligten Be-hörde mit [X.]uss vom 10. Februar 2010 Haft zur Sicherung der [X.] des Betroffenen für die Dauer von längstens drei Monaten angeordnet. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hiergegen ist ohne Erfolg geblieben. 2 3 Am 22. April 2010 nahm die Behörde den Antrag vom 10. Februar 2010 zurück, weil es nicht möglich sei, während der verbleibenden Haftzeit des Be-troffenen das für die Abschiebung notwendige Passersatzpapier zu beschaffen. Der Betroffene wurde aus der Haft entlassen. Mit der gegen den [X.]uss des [X.] gerichteten Rechtsbeschwerde erstrebt er, die Rechtswidrigkeit der Anordnung seiner Haft festzustellen. I[X.] Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar [X.]. Aufgrund seines Verhaltens sei nicht anzunehmen, dass er seiner Ausreisepflicht freiwillig nachkommen werde. Er sei daher nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] zur Sicherung seiner Abschiebung in Haft zu nehmen. Zur Vorbereitung der Abschiebung sei eine Dauer der Haft von drei Monaten erforderlich und angemessen. 4 II[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und zulässig, soweit der Betroffene im Hinblick auf die [X.] - 4 -

nahme des [X.] und seine Entlassung aus der Haft die Feststellung er-strebt, dass er durch die Anordnung der Haft in seinen Rechten verletzt worden ist ([X.], [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.], [X.] 2010, 249, 250; [X.]. v. 29. April 2010, [X.] 218/09, juris Rdn. 11). 2. Das Beschwerdegericht geht zutreffend und von der [X.] nicht angegriffen davon aus, dass der Betroffene aufgrund seiner unerlaub-ten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist, §§ 50 Abs. 1, 2, 58 Abs. 1, 2 Nr. 1 [X.], und nicht glaubhaft gemacht hat, dass er sich seiner Abschiebung nicht entziehen will, § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.]. 6 7 3. Trotzdem halten die Entschei[X.] des [X.] und die Haftanordnung des Amtsgerichts der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entschei-[X.]serheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Zu diesen gehört die Feststellung, dass die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann, § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.]. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, sind weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht insoweit ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts in hinreichendem Umfang nachgekommen. Der Haftrichter hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der [X.] entgegenstehen oder sie verzögern können ([X.], [X.]. v. 25. März 2010, [X.], juris Rdn. 17; [X.]. v. 29. April 2010, [X.] 202/09, juris Rdn. 14, [X.]. v. 6. Mai 2010, [X.] 193/09, juris Rdn. 18). Die Entschei[X.] ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und [X.] - 5 -

dig gewürdigt hat ([X.], [X.]. v. 25. März 2010, [X.], juris Rdn. 17, [X.]. v. 6. Mai 2010, [X.] 193/09, juris Rdn. 20). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeit-raum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich [X.] von drei Monaten stattfinden können ([X.], [X.]. v. 25. März 2010, [X.], juris Rdn. 17). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen ([X.], [X.]. v. 6. Mai 2010, [X.] 193/09, juris Rdn. 20). 9 Den an die Beurteilungsgrundlage zu stellenden Anforderungen werden die angefochtene Entschei[X.] und die Haftanordnung des Amtsgerichts nicht gerecht. Bereits aus dem Antrag der beteiligten Behörde vom 10. Februar 2010 war ersichtlich, dass der Betroffene nicht im Besitz eines Ausweises ist. Ein sol-cher wurde der Beteiligten zu 2 trotz Ankündigung nicht vorgelegt. Vielmehr hat der Betroffene gegenüber der Beteiligten zu 2 erklärt, sein Ausweis befinde sich bei einem Schleuser. Zu der voraussichtlichen Dauer des damit offensichtlich notwendigen Verfahrens zur Beschaffung eines [X.] enthält der Antrag der beteiligten Behörde keine Ausführungen. Die Dauer der beantragten Haft wird vielmehr mit der zur organisatorischen Vorbereitung allgemein übli-chen Dauer begründet. Auch bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht hat der Betroffene er-klärt, sein Pass sei bei einem Schleuser und werde von diesem nicht herausge-geben. Trotzdem haben weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht konkrete Feststellungen zur Dauer des für die Abschiebung damit notwendigen Verfahrens auf Beschaffung eines [X.] getroffen. Die [X.] - 6 -

[X.] des [X.] wiederholt vielmehr die nicht näher ausgeführte Angabe der beteiligten Behörde, eine Dauer der Haft von bis zu drei Monaten sei "zur organisatorischen Vorbereitung" der Abschiebung erforderlich. [X.] Der angefochtene [X.]uss ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die zu § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] notwendige Prognoseentschei[X.] weitere Ermittlungen [X.], die von dem Beschwerdegericht nachzuholen sind (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). 11 [X.] Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen: [X.], Entschei[X.] vom 10.02.2010 - 246 [X.] - [X.], Entschei[X.] vom 11.03.2010 - 11 T 137/10 -

Meta

V ZB 89/10

08.07.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2010, Az. V ZB 89/10 (REWIS RS 2010, 5040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5040

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