Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2010, Az. V ZB 202/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7054

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[X.][X.]/09 vom 29. April 2010 in der [X.]- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 29. April 2010 durch die Rich-ter Dr. [X.], [X.], [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] [X.] beschlossen: Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von [X.] für eine Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 26. Zivilkammer des [X.] vom 9. November 2009 wird zurückgewiesen. Gründe: [X.] Der Beteiligte zu 2 betreibt die Abschiebung des Betroffenen nach Alge-rien. Der Betroffene reiste zu einem nicht näher bekannten [X.]punkt, eigenen Angaben zufolge im November 1999, in das [X.] ein. Seinen Antrag auf Asyl lehnte das [X.] mit Bescheid vom 26. Januar 2001 bestandskräftig ab. Der Betroffene wurde unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert und mit bestandskräftiger Verfügung vom 3. Juni 2002 aus dem [X.] ausgewiesen. Der Betroffene kam seiner Ausreisepflicht nicht nach. Er legte auch keine Identitätspapiere vor. Im Rahmen des seit 2002 laufenden Verfahrens zur Beschaffung von Passersatz-papieren machte er wiederholt unterschiedliche, falsche Angaben zu seiner I-dentität, Herkunft und Nationalität. Drei [X.] nach dem deutsch-algerischen Rückübernahmeabkommen scheiterten am Widerstand des Betroffenen beziehungsweise an den algerischen Behörden, nachdem der 1 - 3 - Betroffene vor Ort angegeben hatte, [X.] Staatsangehöriger zu sein. Der Betroffene befand sich in der [X.] vom 6. Dezember 2008 bis zum 7. Mai 2009 in Haft. Nach Entlassung aus der Haft war er für den Beteiligten zu 2 unbekannten Aufenthalts. Auf Grund eines Haftbefehls des [X.] vom 13. Juni 2009 befindet sich der Betroffene, der erstin-stanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden ist, in Unter-suchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Einvernehmen mit einer Abschie-bung des Betroffenen erteilt. 2 Auf Antrag des Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am 1. Oktober 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung im [X.] an die Unter-suchungshaft, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2009 an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der der Betroffene geltend gemacht hat, eine Ab-schiebung nach [X.] dürfe nicht erfolgen, weil er dort misshandelt werden würde, hat das Beschwerdegericht nach erneuter Anhörung des Betroffenen mit [X.]uss vom 9. November 2009 zurückgewiesen. Der Betroffene beantragt, ihm Verfahrenskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde zu gewähren. 3 I[X.] Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung auf den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] gestützt und ausgeführt, es bestehe der [X.], dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen werde. Dies folge aus den stets wechselnden Angaben zu seiner Identität und Herkunft, wodurch er die Abschiebung bislang gezielt verhindert habe. Zudem verhalte sich der Betroffene allgemein gesetzeswidrig, wie ein Diebstahlsversuch zeige, der zu 4 - 4 - einer Freiheitsstrafe geführt habe. Die Identität des Betroffenen stehe nach dem Ergebnis des [X.] nunmehr fest. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb der gesetzlichen Drei-Monats-Frist das Passer-satzpapier beschafft und die Abschiebung durchgeführt werden könne. Der [X.] zu 2 habe eine schnellstmögliche Abschiebung mit Nachdruck betrieben. Die von dem Betroffenen geltend gemachte Gefahr der Misshandlung sei als mögliches Abschiebungshindernis nicht in dem Verfahren über die Anordnung der [X.] zu prüfen. II[X.] Die Anträge des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sind zurückzuweisen, weil die Rechtsver-folgung aussichtslos erscheint (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Satz 1 ZPO, 78 Abs. 1 FamFG). 5 1. a) [X.] (§ 106 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG) eröffnete Rechtsbeschwerde wäre [X.] trotz zwischenzeitlichen Ablaufs der bis zum 31. Dezember 2009 ange-ordneten Haft statthaft. Damit hat sich zwar die Hauptsache erledigt (vgl. Senat, [X.], 108, 109; [X.] 1995, 17, 18). Das Rechtsmittel wäre aber mit dem Antrag nach § 62 Abs. 1 FamFG zulässig, die Verletzung des Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG durch die Anordnung der Haft fest-zustellen (Senat, [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.]/09, juris Rdn. 9). 6 b) Dem Betroffenen wäre auch Wiedereinsetzung wegen der Versäu-mung der Beschwerdefrist (§ 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG) zu gewähren, obwohl er die Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (§§ 76 7 - 5 - Abs. 1 FamFG, 117 ZPO) erst nach Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist einge-reicht hat (vgl. dazu [X.], [X.]. v. 13. Februar 2008, [X.] 151/07, [X.], 581, 582). Dies war unschädlich, weil die Rechtsbeschwerdefrist mangels wirksamer Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Verfahrensbe-vollmächtigten des Betroffenen nicht zu laufen begann. Ist für den Betroffenen ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt (§ 10 Abs. 2 FamFG), hat die Zustellung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an diesen und nicht an den Betroffenen zu erfolgen (Bahrenfuss, FamFG [2009], § 15 Rdn. 6; [X.], FamFG, 16. Aufl., § 15 Rdn. 23 f.; [X.]/ Weinreich/[X.], FamFG [2009], § 15 Rdn. 27). Eine Zustellung an den Bevollmächtigten nach § 174 ZPO ist nicht erfolgt. Die formlose, vom [X.] nicht verfügte Mitteilung des [X.]usses per Telefax zur Kenntnisnahme durch die Geschäftsstelle löst nicht die [X.] nach § 189 ZPO aus ([X.], [X.]. v. 26. November 2002, [X.], NJW 2003, 1192, 1193). 8 2. Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. 9 a) Der Betroffene, der nach dem für ihn erfolglosen Abschluss des Asyl-verfahrens abgeschoben werden soll, ist nach einem bestandskräftigen Be-scheid vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. §§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, 58 Abs. 2 Satz 2 [X.]). An die dem [X.] zugrunde liegenden Verwaltungsakte ist der Haftrichter grundsätzlich gebunden (vgl. [X.]Z 78, 145, 147; Senat, [X.]Z 98, 109, 112; [X.]. v. 16. Dezember 2009, [X.] 148/09, [X.] 2010, 50, 51). Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen der Ausländerbehörde kann der Betroffene nur in einem (verwaltungsgerichtlichen) Verfahren gegen-über der Ausländerbehörde prüfen lassen. 10 - 6 - Dasselbe gilt für sein Vorbringen, ihm drohe nach einer Abschiebung ei-ne Misshandlung durch algerische Behörden. Das Vorbringen eines [X.] nach § 60 [X.] betrifft die Rechtmäßigkeit der [X.], über die allein die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. Senat, [X.]. v. 16. Dezember 2009, [X.] 148/09, aaO). Für den [X.] sind darauf bezogene Einwendungen erst dann zu berücksichtigen, wenn ihm bekannt wird, dass der Betroffene deswegen um Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nachgesucht hat und sich daraus für einen [X.]raum von mehr als drei Monaten ein der Abschiebung entgegenstehendes Hindernis ergibt, so dass die Anordnung oder das Fortbestehen der Haft aus dem in § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] genannten Grund unzulässig ist (Senat, [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.]/09, juris Rdn. 24 und 29). Dafür ist hier jedoch nichts vorgetragen oder ersichtlich. 11 b) Die Annahme des [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ZPO in der anzufechtenden Entscheidung ist frei von [X.]. Nach dieser Vor-schrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Ab-schiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbeson-dere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, [X.]Z 98, 109, 112 f.; OLG Mün-chen OLGR 2005, 439; [X.], Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 19 f.). Sol-che Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil der Betroffene durch wechselnde, falsche Angaben Behörden und Gerichte über seine Identität und Nationalität zu täuschen versucht hat, bei der Beschaffung 12 - 7 - der für seine Ausreise erforderlichen [X.] nicht kooperiert und alles daran setzt, seine Abschiebung zu verhindern. Die hierzu getroffenen Feststellungen des [X.] sind für den Senat nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO bindend; Rechts-fehler sind nicht ersichtlich (§ 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG). 13 c) Die Anordnung der Haft war auch nicht deshalb unzulässig, weil in [X.] [X.]punkt nicht feststand, dass die Abschiebung aus Gründen, die der [X.] nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchge-führt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Der Haftrichter hat auf [X.] einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage und unter Berücksich-tigung der Möglichkeiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes eine [X.] zum [X.]punkt der möglichen Zurückschiebung zu stellen (vgl. [X.] NJW 2009, 2659, 2660). Dass die von dem Beschwerdegericht gestellte [X.] diesen Anforderungen nicht genügte, ist nicht aufgezeigt und ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beschaffung der Rückführungsdoku-mente bei der algerischen Auslandsvertretung länger als erwartet gedauert hat. 14 Die von dem Beschwerdegericht für seine Prognose festgestellten [X.] sind für das Rechtsbeschwerdegericht nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO grundsätzlich bindend. Ihre Beurteilung ist nur darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrundeliegenden Wertungsmaßstäbe erkannt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt sind (vgl. Senat, [X.]. v. 25. März 2010, [X.], juris Rdn. 17). Nach dieser Maßgabe ist die Annah-me des [X.], man habe davon ausgehen können, dass auf Grund der nunmehr festgestellten Identität nach dem normalen Gang des [X.] - 8 - fahrens eine Passersatzpapierbeschaffung innerhalb einer Frist von drei Mona-ten möglich ist, aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. d) Die Anordnung der Haft ist schließlich nicht wegen Verstoßes gegen das [X.]eunigungsgebot (vgl. hierzu Senat, [X.]Z 133, 235, 239; [X.]. v. 25. März 2010, [X.], juris Rdn. 22) unverhältnismäßig. Das Beschwerde-gericht hat festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Abschiebung schnellstmöglich zu erreichen. [X.] bei der Abschiebung, die dadurch entstanden sind, dass der Betroffene falsche Angaben zu seinen Personalien gemacht hat und weiterhin macht, so dass es zur Feststellung der Nationalität aufwendiger Recherchen bedurfte und die Beschaffung eines [X.] durch Behörden seines Heimatstaa-tes länger gedauert hat, sind dem Betroffenen zuzurechnen (vgl. Senat, [X.]Z 133, 235, 238 f.; [X.]. v. 25. März 2010, [X.], juris Rdn. 22). 16 [X.] Schmidt-Räntsch [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 01.10.2009 - 272 [X.]/09 - [X.], Entscheidung vom 09.11.2009 - 26 T 87/09 -

Meta

V ZB 202/09

29.04.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2010, Az. V ZB 202/09 (REWIS RS 2010, 7054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7054

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