Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.01.2014, Az. 3 B 29/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 8617

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Gegenstand

Genehmigung von Tierversuchen; ethische Vertretbarkeit; gerichtliche Überprüfbarkeit


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der [X.] vom 11. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die [X.]eteiligten streiten im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens über die Genehmigung von Tierversuchen.

2

Der Kläger leitet die Abteilung für Theoretische Neurobiologie im [X.] der [X.] und forscht über neuronale Mechanismen komplexer Hirnfunktionen. Hierbei werden Tierversuche mit Makaken (Rhesusaffen) durchgeführt, für die dem Kläger erstmals im Jahr 1998 eine befristete tierschutzrechtliche Genehmigung erteilt wurde. [X.]ei den Versuchen wird die Gehirnaktivität der Tiere mittels in das Gehirn eingeführter Elektroden gemessen. Die Tiere sind während der Versuche in einem sogenannten [X.] fixiert und haben die Aufgabe, auf bestimmte Zeichen zu reagieren, wofür sie mit Wasser belohnt werden. Das Forschungsvorhaben des [X.] wurde von einer Expertenkommission im Juni 2007 mit dem Ergebnis evaluiert, dass der Forschungsansatz internationales Profil habe und grundlegende Einsichten in kognitive Leistungen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis verschaffe.

3

Mit [X.]escheid vom 15. Oktober 2008 lehnte es die [X.]eklagte ab, das Forschungsvorhaben für den Versuchszeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2011 weiter zu genehmigen. Die Versuche seien wegen der mit ihnen verbundenen [X.]elastungen der Tiere im Verhältnis zu dem angestrebten Erkenntnisgewinn ethisch nicht vertretbar.

4

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die [X.]eklagte verpflichtet, den Genehmigungsantrag neu zu bescheiden. Im [X.]erufungsverfahren hat der Kläger die Klage wegen des Ablaufs des [X.] umgestellt und beantragt festzustellen, dass die [X.]eklagte verpflichtet war, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Diesem Antrag hat das Oberverwaltungsgericht stattgegeben.

5

Das Oberverwaltungsgericht führt aus, der Kläger habe einen Anspruch auf die beantragte Tierversuchsgenehmigung gehabt. [X.] von Fragen mit spezifischem Wissenschaftsbezug beschränke sich die Überprüfung der [X.] nicht auf eine qualifizierte Plausibilitätskontrolle der wissenschaftlich zu begründenden Darlegungen des [X.], sondern unterliege voller - gerichtlicher - Kontrolle. Das gelte sowohl für die [X.]ewertung der [X.]elastung der Versuchstiere als auch für die Abwägung dieser [X.]elastung mit der [X.]edeutung des Forschungsvorhabens. Für einen [X.]eurteilungsspielraum der [X.]eklagten sei in diesem Zusammenhang ebenso wenig Raum, wie für ein nach dieser Abwägung verbleibendes Versagungsermessen. Dem [X.], das der Grundlagenforschung diene, komme nach den Darlegungen des [X.] eine hohe wissenschaftliche [X.]edeutung zu, was durch verschiedene Stellungnahmen bestätigt werde. Die [X.]elastungen der Tiere seien allenfalls mäßig/mittel. Die Tierversuche seien ethisch vertretbar, denn die [X.]elastungen der Tiere hätten nicht das Gewicht, das es rechtfertige, die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit des [X.] zurückstehen zu lassen.

II

6

Die [X.]eschwerde der [X.]eklagten hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch leidet das Urteil des [X.] an einem Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

7

1. Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Rechtsfragen, die sich auf ausgelaufenes Recht beziehen, haben regelmäßig keine grundsätzliche [X.]edeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll. Etwas anderes kommt nur dann in [X.]etracht, wenn sich die Fragen auch für die Anwendung der Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre [X.]eantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von [X.]edeutung ist (stRspr, vgl. [X.]eschlüsse vom 24. Oktober 1994 - [X.]VerwG 9 [X.] - DV[X.]l 1995, 568, vom 8. März 2000 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.]chholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21 und vom 17. Mai 2004 - [X.]VerwG 1 [X.] - [X.]chholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29, jeweils m.w.[X.]). Einer Frage kommt darüber hinaus kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf zu, wenn sie sich auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln der Gesetzesauslegung ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. [X.]eschluss vom 24. August 1999 - [X.]VerwG 4 [X.] 72.99 - [X.]VerwGE 109, 268 <270> = [X.]chholz 310 § 60 VwGO Nr. 228).

8

a) Nach diesen Grundsätzen rechtfertigt die Frage,

"Eröffnet § 8 Abs. 3 TierSchG der zuständigen [X.]ehörde ein Versagungsermessen für den Fall, dass die Voraussetzungen aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 TierSchG erfüllt sind?",

nicht die Zulassung der Revision, denn sie wird mittlerweile durch die aktuelle Fassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TierSchG beantwortet.

9

Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2010/63/[X.] des [X.] und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere ([X.] [X.]) hat der Gesetzgeber mit dem [X.] ([X.]) die [X.]estimmungen des Tierschutzgesetzes über Tierversuche teilweise neu geordnet, angepasst und geändert. Dabei wurde die bisher in § 8 Abs. 3 TierSchG (a.F.) enthaltene Regelung über die Erteilung der tierschutzrechtlichen Genehmigung eines [X.]s, die in der Gestaltung durch das [X.] zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. August 1986 ([X.] 1309) bis dahin unverändert gegolten hat, in § 8 Abs. 1 TierSchG neu gefasst. Die bisherige Regelung, nach der die Genehmigung unter näher bestimmten Voraussetzungen erteilt werden "darf", wurde dahin geändert, dass die Genehmigung zu erteilen "ist", wenn - unter anderem -wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere im Hinblick auf den [X.] ethisch vertretbar sind (§ 8 Abs. 1, § 7a Abs. 1 und 2 Nr. 3 TierSchG). Die [X.]egründung des [X.] eines [X.] zur Änderung des Tierschutzgesetzes enthält lediglich den Hinweis, dass § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG inhaltlich § 8 Abs. 3 Nr. 1 des TierSchG (a.F.) entspreche. Der Gesetzentwurf ging augenscheinlich davon aus, dass mit der geänderten Formulierung keine materielle Rechtsänderung verbunden sei. Diesem Gesetzesverständnis entspricht die von der [X.]ndesregierung mit Zustimmung des [X.]ndesrats erlassene [X.] zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 9. Februar 2000 ([X.]Anz 2000, Nr. 36a), nach der die Genehmigung erteilt wird, wenn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des [X.]s erfüllt sind ([X.] 6.4.2.). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde diese Frage - soweit ersichtlich - nicht vertieft (vgl. insb. [X.]TDrucks 17/11811, [X.]eschlussempfehlung und [X.]ericht und die dort - S. 22 - genannten Materialien sowie das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung).

Mit dem klaren Wortlaut der Gesetzesänderung ist der aufgeworfenen Frage die Grundlage entzogen worden. Die [X.]eklagte stützt sich für ihre Annahme, ihr stehe ein Versagungsermessen zu, darauf, dass nach der außer [X.] getretenen Fassung die Genehmigung erteilt werden „darf", wenn - unter anderem - die ethische Vertretbarkeit des Tierversuchs wissenschaftlich begründet dargelegt ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 [X.]chst. a, § 7 Abs. 3 Satz 1 TierSchG a.F.). Dieser Wortlaut mochte, wenn man ihm nicht nur die bloße Ermächtigung zur Genehmigungserteilung entnimmt, für sich gesehen dafür sprechen, dass der [X.]eklagten Versagungsermessen eingeräumt war, was nach Einfügung des Staatsziels Tierschutz in Art. 20a [X.] vereinzelt so erwogen wurde (vgl. [X.], in: [X.] (Hrsg.), Tierschutzgesetz, 1. Aufl. 2002, § 8 Rn. 7a). Der Gesetzgeber hat mit der neuen Rechtsfolgeanordnung jedoch klargestellt, dass die Genehmigung ohne Weiteres zu erteilen „ist", wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 TierSchG erfüllt sind.

b) Auch mit der Frage,

"Steht der zuständigen [X.]ehörde im Rahmen der Prüfung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) TierSchG, ob ein beantragter Tierversuch ethisch vertretbar gemäß § 7 Abs. 3 TierSchG ist, eine [X.]efugnis zur administrativen Normkonkretisierung oder ein im Ergebnis vergleichbarer, gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfender Spielraum zu?",

wird ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

Die [X.]eklagte trägt vor, dem Tierschutzgesetz selbst könne zwar kein behördlicher [X.]eurteilungsspielraum für die [X.]eantwortung der Frage, ob ein Tierversuch ethisch vertretbar sei, entnommen werden. Gleichwohl stehe ihr ein [X.]eurteilungsspielraum aufgrund der Funktionsgrenzen von Verwaltung und Rechtsprechung zu, weil nur die Verwaltung, die hier von gewählten Senatoren geleitet werde, "hinreichend personell demokratisch legitimiert" sei, die gebotene ethische Abwägung vorzunehmen.

Diese Überlegung ist ersichtlich nicht tragfähig. Sie geht bereits daran vorbei, dass der [X.]nd mit dem Tierschutzgesetz von der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 [X.] umfassend Gebrauch gemacht hat. Der [X.] fehlt es daher an einer Kompetenz, die Zulässigkeit von Tierversuchen jenseits dessen zu regeln, was ihr im Gesetz zugestanden ist. Ihre [X.] Legitimation und eine von ihr abgeleitete [X.] Legitimation der Senatsverwaltung ändert hieran nichts.

Nach der Rechtsprechung des [X.]ndesverfassungsgerichts verbindet sich mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 [X.] die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig und uneingeschränkt nachzuprüfen. [X.]eruht die angefochtene Entscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, so ist deren verbindliche Konkretisierung Sache der Gerichte. Ausnahmen hiervon, in denen der Verwaltung [X.] und damit von Gerichten nicht oder nur eingeschränkt überprüfbare Letztentscheidungsbefugnisse eingeräumt sind, dürfen der vollziehenden Gewalt nur aufgrund eines Gesetzes eingeräumt werden. Ob ein Spielraum besteht, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Wegen der mit ihm verbundenen Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf es stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes ([X.], [X.]eschluss vom 31. Mai 2011 - 1 [X.]vR 857/07 - [X.]E 129, 1 <20 ff.> m.w.[X.]).

Nach diesen Grundsätzen ist die [X.] Legitimation als solche, die allen staatlichen Organen mehr oder weniger unmittelbar zukommt, kein denkbarer Anknüpfungspunkt für die Zuerkennung eines Entscheidungsspielraums der Verwaltung. Nicht die Legitimation des Organs, sondern der aus [X.]esonderheiten einer Materie folgende Sachgrund kann eine Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung rechtfertigen. Einen solchen hat die [X.]eklagte für die Entscheidung nach § 8 TierSchG nicht benannt, er ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere führt es nicht weiter, wenn sie sich darauf beruft, ein behördlicher Entscheidungsspielraum könne, wie das [X.]ndesverfassungsgericht (a.a.[X.]) nicht ausgeschlossen habe, ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Grundlage von Verfassungs wegen dann zulässig sein, wenn eine weitergehende gerichtliche Kontrolle zweifelsfrei an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stieße. Eine solche Konstellation ist hier offensichtlich nicht gegeben. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 TierSchG liegt keineswegs außerhalb der [X.] von [X.]. Auch soweit dabei eine Kontrolle der Abwägung zwischen dem Gewicht des [X.]s und der ethischen Vertretbarkeit der zu erwartenden [X.]eeinträchtigungen der Tiere (§ 7a Abs. 2 Nr. 3 TierSchG vorgenommen wird, führt dies nicht über die Grenzen hinaus, die Gerichten bei der Rechtsanwendung gezogen sind.

c) Mit der weiteren Frage,

"Kann die ethische Abwägung der [X.]edeutung eines [X.]s gegen die [X.]elastung der Versuchstiere nach § 7 Abs. 3 TierSchG zugleich konkret und einzelfallbezogen und insbesondere ohne pauschalisierende [X.]etrachtungsweisen durchgeführt werden, während die für die ethische Vertretbarkeit eines Tierversuchs gemäß § 7 Abs. 3 TierSchG relevante [X.]edeutung eines [X.]s der Grundlagenforschung allein anhand ihres abstrakten Erkenntnisgewinns, frei von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen bestimmt wird?",

möchte die [X.]eklagte die Vereinbarkeit zweier Rechtssätze und insoweit geklärt wissen, wie die ethische Vertretbarkeit von zu erwartenden Schmerzen, Leiden und Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf ein [X.] der Grundlagenforschung zu bestimmen ist.

Der im ersten Teil der Frage enthaltene Rechtssatz, den das Oberverwaltungsgericht seiner Abwägung der [X.]elange des Tierschutzes gegenüber den [X.]elangen der Wissenschaft zugrunde gelegt hat, verweist auf die Notwendigkeit, die ethische Vertretbarkeit konkret und einzelfallbezogen zu bestimmen. Er wird von der [X.]eklagten für sich gesehen nicht in Frage gestellt und ergibt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz, so dass insoweit kein selbstständiger rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf gegeben ist.

Mit dem im zweiten Teil der Frage formulierten Rechtssatz stellt die [X.]eklagte dem ersten Rechtssatz einen anderen gegenüber, dessen Aussage sie als dazu im Widerspruch empfindet und für unzutreffend hält. Ein von Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen unabhängiger Freiraum führe letztlich dazu, dass alle Tierversuche zu Zwecken der Grundlagenforschung von vornherein als ethisch vertretbar anzusehen seien.

Auch insoweit rechtfertigt die Frage nicht die Zulassung der Revision. Soweit ein Rechtssatz, wie ihn die [X.]eklagte im zweiten Satzteil ihrer Frage formuliert und verstanden hat, der Entscheidung des [X.] überhaupt zugrunde liegt, weist die Frage keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

Zunächst ist nicht zweifelhaft, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Abwägung das konkrete [X.] mit dem diesem beigemessenen Gewicht zugrunde gelegt hat. Das stellt auch die [X.]eschwerdebegründung nicht in Abrede, denn sie referiert zutreffend aus der auf dieses Vorhaben bezogenen konkreten Würdigung der [X.]edeutung des Forschungsvorhabens durch das Oberverwaltungsgericht. Auch wenn sie lediglich "bei oberflächlicher [X.]etrachtung Tendenzen in Richtung" ihrer Rechtsauffassung zu erkennen vermag, hat das Oberverwaltungsgericht unter anderem darauf abgestellt, dass die vom Kläger betriebene Forschung grundlegende Einsichten in kognitive Leistungen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis verschaffe, und hat damit nicht aufgrund eines irgendgearteten abstrakten Erkenntnisgewinns der Grundlagenforschung pauschal Vorrang gegeben. Entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht allgemein lediglich ausgeführt, dass bei der [X.]estimmung der [X.]edeutung des [X.]s sowohl - im Rahmen der anwendungsorientierten Forschung - der praktische Nutzen als auch - im Rahmen der Grundlagenforschung - der abstrakte Erkenntnisgewinn von [X.]elang sein könne. Es hat darauf hingewiesen, dass der Wissenschaftsfreiheit auch der Gedanke zugrunde liege, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft am besten diene, und daraus gefolgert, dass auf die Eigengesetzlichkeit des jeweiligen [X.] Rücksicht zu nehmen sei. Das Oberverwaltungsgericht hat damit aber keineswegs gesagt, dass die [X.]edeutung eines [X.]s der Grundlagenforschung in der Abwägung gegenüber dem Tierschutz entkoppelt von einem jedenfalls möglichen Nutzen für die Menschen zu bestimmen sei und damit letztlich stets dem Tierschutz vorgehe. Vielmehr hat es auf der Grundlage der wissenschaftlich begründeten Darlegungen des [X.] und einer entsprechenden Würdigung des [X.]s dessen konkrete [X.]edeutung den [X.]elastungen der Versuchstiere gegenübergestellt. Dass dabei in Fällen der Grundlagenforschung ein mehr oder weniger abstrakt bleibender, zu erwartender Erkenntnisgewinn in die Abwägung einzustellen ist, dessen tatsächlicher Nutzen sich vorweg nicht konkret ausmachen lässt, liegt in der Eigenart der Grundlagenforschung und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Klärung.

2. Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.

a) Die [X.]eklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt, zu mehreren [X.] ein Sachverständigengutachten einzuholen ([X.]eweisantrag 2a). Sie meint, dieser [X.]eweisantrag sei [X.] abgelehnt worden. Insbesondere zu der [X.]ehauptung, dass deutliche [X.]eeinträchtigungen des Wohlbefindens der Versuchstiere in vielen Fällen weder durch äußeres Verhalten noch durch messbare physiologische Korrelate feststellbar seien, habe ein Gutachten eingeholt werden müssen ([X.]eweisantrag 2a zur [X.]). Die [X.]eweiserhebung hätte erbracht, dass messbare physiologische Korrelate [X.]elastungen der Versuchstiere belegen könnten, aber nicht belegen müssten. Das [X.]erufungsurteil beruhe auf der gegenteiligen Annahme, die nicht Gegenstand eines der vorliegenden Gutachten gewesen sei.

Soweit damit ein Verfahrensfehler in der erforderlichen Weise bezeichnet ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), liegt dieser nicht vor.

Sind zu einer beweiserheblichen [X.] von den [X.]eteiligten Gutachten eingeholt und in das Verfahren eingebracht worden, so ist das Gericht nicht ohne Weiteres verpflichtet, ein zusätzliches Sachverständigengutachten einzuholen. Wird ein hierauf gerichteter [X.]eweisantrag gestellt, so ist über diesen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Auswertung der vorliegenden Gutachten zu entscheiden. Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn sich die Einholung eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten hätte aufdrängen müssen, weil sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter bestehen, so dass sie nicht geeignet sind, dem Gericht die für die Entscheidung notwendige Sachkunde zu vermitteln (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 6. Oktober 1987 - [X.]VerwG 9 C 12.87 - [X.]chholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 und [X.]eschluss vom 29. Mai 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.]chholz 235.1 § 58 [X.] Nr. 5). Das zeigt die [X.]eklagte nicht auf.

Abgesehen davon, dass sich das [X.]erufungsurteil nicht allein auf physiologische [X.]efunde, sondern auch auf Verhaltensbeobachtungen der Versuchstiere stützt, geht die [X.]eschwerdebegründung daran vorbei, dass sich das Oberverwaltungsgericht näher mit der Frage der Feststellung von Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere auseinandergesetzt hat. Entsprechend der in [X.]ezug genommenen tierschutzrechtlichen Fachliteratur und auf der Grundlage der Ausführungen von Prof. Dr. [X.]o., Prof. [X.] aber auch Prof. Dr. [X.]. Und Prof. [X.] ist es davon ausgegangen, dass diese Parameter eine valide [X.]ewertung der [X.]elastungen erlaubten. Dabei hat es hinsichtlich des Erkenntniswertes der Verhaltensbeobachtung die Aussage von Prof. [X.] aufgegriffen, nach dem Makaken mangelndes Wohlergehen verbergen. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu auf die Stellungnahme von Prof. [X.] verwiesen, der deshalb entsprechend erfahrenes, kundiges Personal für notwendig erachtet. Darauf geht die [X.]eschwerdebegründung nicht ein. Weshalb das Oberverwaltungsgericht gleichwohl von einer unzureichenden Erkenntnisgrundlage hätte ausgehen müssen, ist dem Senat nicht ersichtlich.

b) Weiter macht die [X.]eklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe das [X.]gutachten von Herrn Prof. [X.] wie ein gerichtliches Gutachten behandelt und mit der Ablehnung, diesen zu der [X.]ehauptung anzuhören, dass auch unter Zugrundelegung seines Ansatzes und seiner Feststellungen die [X.]elastungen eines Teils der Tiere über schlichtes Unbehagen deutlich hinausgingen ([X.]eweisantrag 2b zur [X.]), gegen Prozessrecht verstoßen.

Erhebt das Gericht [X.]eweis durch Sachverständige, so finden gemäß § 98 VwGO die Vorschriften der §§ 402, 397 ZPO entsprechende Anwendung. Die darin enthaltene Verpflichtung, einen Sachverständigen auf Antrag zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden und anzuhören, findet allerdings - jedenfalls grundsätzlich - nur auf die gerichtliche [X.]eweisaufnahme Anwendung ([X.]eschlüsse vom 21. September 1994 - [X.]VerwG 1 [X.] 131.93 - [X.]chholz 310 § 98 VwGO Nr. 46, vom 3. August 2001 - [X.]VerwG 1 [X.] 63.01 - [X.]chholz 310 § 98 VwGO Nr. 64 und vom 31. Januar 2012 - [X.]VerwG 9 [X.] 58.11 - juris Rn. 4). Geht man ausnahmsweise davon aus, dass die §§ 402, 397 ZPO jedoch dann entsprechend anzuwenden sind, wenn das Gericht seine Entscheidung auf ein von einer [X.] eingeholtes und in das Verfahren eingebrachtes Gutachten stützen will ([X.]eschluss vom 29. Mai 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] - a.a.[X.]), so führt auch dies hier nicht zu dem geltend gemachten [X.]. Die von der [X.]eklagten beantragte Anhörung bezieht sich auf der Grundlage des von Prof. [X.] gewählten Ansatzes und seiner Feststellungen allein auf dessen hieraus abgeleitete [X.]ewertung der [X.]elastungen der Versuchstiere. Das Oberverwaltungsgericht hat auf diese [X.]ewertung jedoch nicht abgestellt, sondern hat in eingehender Auseinandersetzung und Würdigung der Feststellungen der verschiedenen von den [X.]eteiligten eingeholten und in das Verfahren eingebrachten Gutachten - darunter das Gutachten von Prof. [X.] - die [X.]elastungen selbst als allenfalls mäßig/mittel eingestuft. Im Übrigen muss ein Anhörungsantrag wenigstens erkennen lassen, inwiefern ein schriftliches Gutachten für erläuterungsbedürftig gehalten wird ([X.]eschlüsse vom 31. Juli 1985 - [X.]VerwG 9 [X.] 71.85 - [X.]chholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 und vom 31. Januar 2012 - [X.]VerwG 9 [X.] 58.11 - a.a.[X.]). Nachdem Prof. [X.] in seinem Gutachten zu den allgemeinen Kriterien einer [X.]elastungsbeurteilung Stellung genommen und seine [X.]ewertung danach aus den vorliegenden Untersuchungsprotokollen und Laboranalysen sowie eigenen [X.]eobachtungen der Versuchstiere gefolgert hat, ist aber auf der Grundlage, dass dessen Ansatz und Feststellungen nicht in Frage gestellt werden, die [X.] des Gutachtens nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

3 B 29/13

20.01.2014

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 11. Dezember 2012, Az: 1 A 180/10, Urteil

§ 8 Abs 1 TierSchG, § 7a Abs 2 Nr 3 TierSchG, § 8 Abs 3 Nr 1 Buchst a TierSchG vom 09.12.2010, § 7 Abs 3 S 1 TierSchG vom 09.12.2010, Art 20a GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.01.2014, Az. 3 B 29/13 (REWIS RS 2014, 8617)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8617

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1 BvR 857/07

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