Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2015, Az. 1 B 32/15

1. Senat | REWIS RS 2015, 3090

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Gegenstand

Personenbezogene Daten von Behördenmitarbeitern und informationelles Selbstbestimmungsrecht


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

3

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris und vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110).

4

a) Soweit die [X.]eschwerde folgende Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig aufwirft:

"Wie weit reicht der persönliche Anwendungsbereich des [X.] gemäß § 41 [X.]DSG und § 57 [X.] unter [X.]erücksichtigung der Artikel 3 und 5 GG insbesondere im Hinblick auf Publikationen im [X.]?

Ist für die Gewährung einer Privilegierung auf die konkrete publizistische Handlungsweise abzustellen oder muss eine 'publizierende Abteilung als Unternehmen im Unternehmen' vorliegen?

Ist eine [X.], wie die klägerische, die auf ihrer Website journalistisch-redaktionelle [X.]earbeitungen mit [X.] veröffentlicht, ein 'Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse' im Sinne der vorgenannten Normen, wenn der Vorstand des [X.] selbst die [X.]earbeitungen auf der Website verfasst?"

rechtfertigen diese nicht die Zulassung der Revision. Denn diese Fragen sind, soweit sie rechtsgrundsätzlicher Klärung zugänglich sind, bereits anhand des Gesetzes unter [X.]erücksichtigung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten.

5

Wie sich aus dem Wortlaut der einschlägigen [X.]estimmungen ergibt, gilt das sogenannte [X.] nur für Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse (§ 41 Abs. 1 [X.]DSG, § 57 Abs. 1 [X.]). Das [X.] stellt die Presse bei der Erfüllung ihrer in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuerkannten und garantierten Aufgaben von der Einhaltung von Datenschutzvorschriften weitgehend frei, denn ohne Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der [X.]etroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich; die Presse könnte ihre in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 [X.], Art. 11 Abs. 1 GRC zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen ([X.]GH, Urteile vom 23. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.]GHZ 181, 328 und vom 9. Februar 2010 - [X.]/08 - NJW 2010, 2432). Die Ausnahmeregelungen für die Presse sind Ausfluss der im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). § 41 [X.]DSG gilt für die Presse im verfassungsrechtlichen Sinne und folglich auch für die "elektronische Presse" ([X.], in: [X.], [X.]DSG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 9). Telemedien sind mithin grundsätzlich vom [X.] dann umfasst, wenn sie unter den [X.] des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen ([X.]GH, Urteil vom 23. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.]GHZ 181, 328 Rn. 20). Der [X.]egriff der Presse ist unter [X.]erücksichtigung des Grundes für die Einführung des [X.] weit auszulegen (Herb, in: [X.]Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 57 [X.] Rn. 10; [X.], in: [X.]/Saeugling, Systematischer Praxiskommentar Datenschutzrecht, 2014, § 41 [X.]DSG Rn. 9). [X.]eispielsweise können auch selbständige Journalisten, die nicht in redaktionelle Strukturen eingebunden sind, Unternehmen der Presse sein (Führ, in: [X.], [X.]DSG, 4. Aufl. 2014, § 41 Rn. 11; [X.], in: [X.], [X.]DSG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 11; vgl. auch: [X.], Urteil vom 16. Dezember 2008 - [X.]/07 [[X.]:[X.]:C:2008:727], [X.] - Rn. 58). Auch für Kunden-, Werks-, Partei- und Vereinspublikationen wird grundsätzlich anerkannt, dass das [X.] Anwendung findet. Vereine, Parteien oder sonstige Unternehmen, die Mitglieder-, Kunden- oder sonstige Publikationen erstellen, können das [X.] aber nur in Anspruch nehmen, wenn die für die Publikationen zuständige Abteilung organisatorisch selbständig ist ([X.], in: [X.], Datenschutzrecht in [X.]und und Ländern, 2013, § 41 [X.]DSG, Rn. 20; [X.], in: [X.]/Saeugling, Systematischer Praxiskommentar Datenschutzrecht, 2014, § 41 [X.]DSG Rn. 8; Führ, in: [X.], [X.]DSG, 4. Aufl. 2014, § 41 Rn. 12; [X.]/Schomerus, [X.]DSG, 12. Aufl. 2015, § 41 Rn. 7 f.; [X.], in: [X.], [X.]DSG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 11; [X.], in: [X.]/Klebe/[X.]/[X.], [X.]DSG, 4. Aufl. 2014, § 41 Rn. 9). Tauglicher Adressat des [X.] nach nationalem Recht sind daher nur organisatorisch in sich geschlossene, gegenüber den sonstigen (betrieblichen) Stellen abgeschottete, in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheiten ([X.]/Schomerus, [X.]DSG, 12. Aufl. 2015, § 41 Rn. 8). Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob für die Anwendbarkeit des [X.] eine "publizierende Abteilung als Unternehmen im Unternehmen" vorliegen muss, ist daher im Ansatz zu bejahen, ohne dass Art und Umfang dieser Verselbständigung hier näher zu vertiefen sind. Denn es genügt diesen Anforderungen offenkundig nicht, wenn der Vorstand einer [X.] seine allerdings von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützten [X.]eiträge zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und zur öffentlichen Auseinandersetzung auf der Website veröffentlicht. Denn es fehlt insoweit an einer eigenständigen, vom sonstigen Handeln des Vorstandes abgegrenzten, autonomen redaktionellen Stelle innerhalb des Vereins, die diese Informationsbearbeitung zu einer Verarbeitung "allein" bzw. "ausschließlich" zu eigenen journalistischen Zwecken werden lassen könnte. Das [X.]erufungsgericht nimmt zu Recht an, dass das sog. [X.] kein allgemeines Meinungsprivileg enthält. § 41 [X.]DSG und § 57 [X.] finden deshalb auch nicht auf alle Meinungsäußerungen, Foren oder [X.]ewertungsportale im [X.] Anwendung ([X.], in: [X.], [X.]DSG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 11). Insoweit ergeben sich auch in Ansehung von Art. 9 [X.]/[X.] und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (s. Urteil vom 16. Dezember 2008 - [X.]/07 -) keine Zweifelsfragen des Unionsrechts im Sinne des Art. 267 A[X.]V. Insbesondere folgt aus dem Umstand, dass journalistische Tätigkeiten nicht Medienunternehmen vorbehalten sind, nicht, dass jegliche Verbreitung und Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit "allein zu journalistischen Zwecken" erfolgt. Auch bei einer etwa erforderlichen unionsrechtskonformen Auslegung des § 41 [X.]DSG kann dies für die hier in Rede stehende Informationsverbreitung offenkundig ausgeschlossen werden.

6

b) Soweit die [X.]eschwerde weiterhin folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht:

"ob der Kläger als [X.]erichterstatter über Lokalpolitik im vorliegenden Fall ein Interesse im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 [X.]DSG an der Nennung der personenbezogenen Daten der [X.]eigeladenen hatte",

und

"ob die Interessen einer Veröffentlichung personenbezogener Daten durch Meldungen mit [X.] gegenüber den schutzwürdigen Interessen von [X.]ehördenmitarbeitern, wie der [X.]eigeladenen, im Rahmen des § 28 [X.]DSG überwiegen",

rechtfertigt auch dies nicht die Zulassung der Revision. Diesen Fragen fehlt die Klärungsfähigkeit, da sie sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lassen, d.h. sie entziehen sich einer abstrahierenden Rechtssatzbildung, weil es ausschlaggebend auf die Würdigung konkreter Gegebenheiten des Einzelfalls ankommt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 16. August 1989 - 7 [X.] 57.89 - [X.]uchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 268).

7

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]DSG ist das Speichern und Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des [X.]etroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass personenbezogene Daten von [X.]ehördenmitarbeitern grundsätzlich vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts erfasst werden und sich die Schutz- und Geheimhaltungsbedürftigkeit schutzwürdiger Angaben nach einer Abwägung mit den entgegenstehenden Informationsinteressen bestimmt ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. Juni 2013 - 20 F 10.12 - ZIP 2014, 442 - juris Rn. 10, 12). Welche Abwägungsentscheidung von der [X.]ehörde anzustellen ist, ist eine Frage der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Verallgemeinerungsfähige Aussagen, die es rechtfertigen könnten, die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache zu bejahen, wären in einem Revisionsverfahren nicht zu erwarten.

8

2. Die von dem Kläger erhobene [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) genügt bereits nicht den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

9

Maßgeblich im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur eine Abweichung von einer Entscheidung des [X.]undesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes oder des [X.]undesverfassungsgerichts, nicht auch eines anderen obersten [X.]undesgerichts. Der Kläger rügt indes eine Abweichung von einem Urteil des [X.]undesgerichtshofs (Urteil vom 23. Juni 2009 - [X.]/08 -), die eine Zulassung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht zu rechtfertigen vermag und zudem auch nicht auf eine grundsätzlicher Klärung zugängliche Frage weist.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

1 B 32/15

29.10.2015

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 25. März 2015, Az: 5 B 14.2164, Urteil

§ 28 Abs 1 S 1 Nr 2 BDSG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2015, Az. 1 B 32/15 (REWIS RS 2015, 3090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3090

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