Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2007, Az. III ZR 116/06

III. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5827

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 11. Januar 2007 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 839 D; § 254 [X.], [X.]Zum (hier verneinten) Mitverschulden eines Bauherrn, der es unterlassen hat, die Bauaufsichtsbehörde nach Rücknahme einer bestandskräftigen Baugenehmigung auf ihm günstige Stellungnahmen der übergeordneten Be-hörde hinzuweisen. [X.], Urteil vom 11. Januar 2007 - [X.]/06 - [X.]

LG Trier - 2 - Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2007 durch [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 26. April 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, mit Ausnahme der Entscheidung über die Zinsmehr-forderung. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des [X.] vom 31. Mai 2005 [X.] abgeändert. Der beklagte [X.] wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 10.000 • nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2005 zu zahlen. Wegen der Zinsmehrforderung bleibt die Klage abgewiesen und werden die Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen. Der beklagte [X.] hat die Kosten des Rechtsstreits zu tra-gen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand Die Klägerin war [X.] abgetretenen Rechts Inhaberin von bestandskräf-tigen Baugenehmigungen des beklagten [X.]es für die Errichtung von drei Photovoltaikmodulträgern an drei Wind[X.]anlagen. Einer ihrer [X.] lagen außerdem eine Stellungnahme der Struktur- und Genehmi-gungsdirektion Nord des [X.], der übergeordneten Behörde des beklagten [X.]es, vom 5. September 2002 und ein eine andere Anla-ge betreffender Feststellungsbescheid nach § 15 Abs. 2 BImSchG vom 2. Sep-tember 2004 vor, in denen bestätigt wurde, dass die Errichtung eines Photo-voltaikmodulträgers keiner Genehmigung nach § 16 des [X.] bedürfe. Zur Realisierung des Projekts schloss die Klägerin Verträge mit verschiedenen Unternehmen, darunter am 30. August 2004 einen solchen mit der Firma [X.] (im Folgenden: Firma [X.]). In diesem Vertrag war unter anderem vereinbart: 1 § 6 Rücktrittsrecht Im Bereich des benannten Vorhabens haben diverse rechtliche Hindernisse zu Verzögerungen bei der Ausführung der existenten WKA [Wind[X.]anlage] geführt. Auch [X.] sind möglich. Daher werden in dieser Frage und der damit einhergehend möglichen Kostenrisiken präventiv folgende Rege-lungen getroffen. 1. – 2. Im Falle behördlicher Eingriffe in die Genehmigung oder er-schwerter behördlicher Auflagen hinsichtlich der Bauausführung hat der [X.] [Firma [X.]] zwischen der [X.] durch den BH [die Klägerin] bis zum Baubeginn der Modulträger das Recht, mit sofortiger Wirkung vom Vertrag zurückzutreten, wenn Erkenntnisse oder Ereignisse die Umsetzung verzögern oder zu verzögern drohen. Der [X.] hat eine Klärung über den - 4 - Rechtsweg nicht abzuwarten, da dessen Ausgang ungewiss und zeitlich unbestimmt ist. 3. Im Falle des Rücktrittes des [X.] gemäß § 6 Abs. 2 ist der BH zu einem pauschalen Schadensersatz in Höhe von 10.000,00 Euro verpflichtet, der die entgangene Auftragsannahme durch den [X.] in Erwartung der hindernisfreien Ausführung der rechtskräf-tigen Baugenehmigung des hier gegenständlichen Vorhabens eingeplant hat und in der Folge auf die Auftragsannahme dritter Projekte im Jahresendgeschäft verzichtet hat. Am 10. September 2004 zeigte die Klägerin dem [X.]n den Baube-ginn zum 24. September 2004 an. Mit Bescheid vom 21. September 2004 hob der [X.] die Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Photovoltaikmo-dulträgern mit der Begründung auf, beim Anbringen dieser Modulträger an die Türme der jeweiligen Wind[X.]anlagen handele es sich um wesentliche Be-standteile einer insgesamt nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürfti-gen Anlage. 2 Die Klägerin legte am nächsten Tage Widerspruch gegen diesen Be-scheid ein und unterrichtete zugleich die Firma [X.] von der Aufhebung der Baugenehmigung. Die Firma [X.] erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2004 wegen der Aufhebung der Baugenehmigung und der [X.] resultierenden [X.] den Rücktritt vom Vertrag und be-hielt sich die Rechte aus dessen § 6 vor. Im Laufe des Monats Oktober zahlte die Klägerin an die Firma [X.] den vereinbarten Pauschalbetrag von 10.000 •. Mit Bescheid vom 3. November 2004 hob der [X.] den [X.] vom 21. September 2004 wieder auf. In der Begründung führte er unter anderem aus, dass ihm die beiden Schreiben der Struktur- und Genehmi-gungsdirektion Nord vom 5. September 2002 und vom 2. September 2004 nicht bekannt gewesen seien. Hätte die Klägerin diese Schreiben sofort nach Erhalt 3 - 5 - der [X.] bzw. mit Einlegung der Widersprüche eingereicht, wäre der [X.] in die Lage versetzt worden, bereits viel früher den [X.] der Aufhebungen vom 21. September 2004 zu überdenken. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin den [X.]n aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz der an die Firma [X.] geleisteten Schadenspauschale in Höhe von 10.000 • nebst Zinsen in Anspruch genom-men. Das [X.] hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 5.000 • nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die [X.] wegen eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin bestätigt. Mit der zu ihren Gunsten zur Klärung der Mitverschuldensfrage zugelassenen Re-vision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung des [X.]n in vol-lem Umfang weiter. 4 Entscheidungsgründe Das Berufungsgericht hat die ausschließlich zugunsten der Klägerin zu-gelassene Revision auf die Frage einer Anspruchsminderung wegen mitwirken-den Verschuldens beschränkt. Diese Beschränkung ist wirksam, weil sich vor-liegend der Einwand des Mitverschuldens (unterlassene Unterrichtung des [X.]es und der Firma [X.]) vom Grund der Haftung (Aufhebung der [X.]) trennen lässt (vgl. [X.], Urteile vom 15. November 2001 - I ZR 264/99 = NJW-RR 2002, 1148 f und vom 30. September 1980 - [X.] = NJW 1981, 887 f). Damit ist der Amtshaftungsanspruch der Klägerin gegen den beklagten [X.] dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt; es geht nur noch um eine etwaige, der Klägerin anzulastende Minderung der Anspruchshö-he. 5 - 6 - In der Sache hat die Revision im Wesentlichen Erfolg. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Klägerin mitgewirkt habe (§ 254 Abs. 1 [X.]), hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand. 6 1. Die Frage, ob und inwieweit im Sinne von § 254 [X.] einerseits die Amtspflichtverletzung des [X.]n und andererseits das Verhalten der Kläge-rin den Schaden verursacht haben, ist in Anwendung des § 287 ZPO zu beur-teilen ([X.] 121, 210, 214). Die hiernach vorzunehmende Abwägung der [X.] gehört in den Bereich der tatrichterlichen Würdigung; sie ist deshalb mit der Revision nur begrenzt an-greifbar. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat ([X.], Urteile vom 12. Juli 1988 - [X.] = [X.], 1238, 1239 und vom 13. [X.] 2005 - [X.]/04 = NJW 2006, 896, 897, jeweils [X.].[X.]). 7 2. Vom rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend zieht das Berufungsgericht hier eine Obliegenheit der Klägerin in Betracht, den [X.]n über die Schreiben der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 5. September 2002 und vom 2. September 2004 zu unterrichten. 8 a) Der Senat hat bereits mit Urteil vom 28. Oktober 1963 ([X.] = NJW 1964, 195, 196) ausgesprochen, ebenso wie der Beamte als "Helfer des Staatsbürgers" dem von ihm betreuten Personenkreis durch Belehrung und Aufklärung im Rahmen des Möglichen und Zulässigen behilflich sein solle, was er zu erreichen wünsche, zu erreichen, so sei auch der Staatsbürger im [X.] - 7 - resse eines gedeihlichen Zusammenlebens aller gehalten, im Rahmen des [X.] das Seine zur Vermeidung von Schwierigkeiten zu tun. b) Eine Anspruchsminderung wegen mitwirkenden Verschuldens auf-grund der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Informationsobliegenheit hätte indessen vorausgesetzt, dass die Klägerin insoweit schuldhaft gehandelt hätte und dass der Schaden bei rechtzeitiger Unterrichtung der Behörde vermieden oder gemindert worden wäre. 10 aa) Insoweit weist die Revision mit Recht darauf hin, dass der Klägerin eine ausreichende Frist eingeräumt werden musste, um Überlegungen darüber anzustellen, welche Maßnahmen zu einer zweckentsprechenden Rechtsvertei-digung, insbesondere zur Begründung des bereits am 22. September 2004 ein-gelegten Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid vom 21. September 2004, ergriffen werden mussten. Über die Dauer einer derartigen, der Klägerin zuzubilligenden Überlegungsfrist trifft das Berufungsgericht keine Feststellun-gen; solche sind auch nicht mehr zu erwarten. [X.] war die Klägerin, wie das Berufungsgericht anscheinend meint, verpflichtet, auf die Schreiben und deren Inhalt bereits bei Einlegung des Widerspruchs vom 22. September 2004 hinzuweisen; die Überlegungsfrist war - auch unter Berücksichtigung der Eilbe-dürftigkeit der Sache angesichts des geplanten Baubeginns am 24. September 2004 - auf zumindest mehrere Tage zu bemessen. Hierbei kann insbesondere auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der [X.] die Klägerin vor dem Erlass des Bescheids vom 21. September 2004 nicht einmal - wie geboten (vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG) - angehört und sich damit selbst der Chance begeben [X.], von der Klägerin bereits im Vorfeld der zu treffenden Entscheidung über die Rechtsauffassung der übergeordneten Behörde unterrichtet zu werden. 11 - 8 - bb) Deswegen ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bei Ausschöpfung dieser Überlegungsfrist ihre Vertragspartnerin, die Firma [X.], von einem Rück-tritt hätte abhalten können. Die vertraglichen Voraussetzungen für den Rücktritt der [X.]und die daraus resultierende Schadensersatzpflicht der Klägerin nach § 6 Abs. 2 und 3 des Vertrags lagen vor. 12 3. Dementsprechend kommt als weiterer - vom Berufungsgericht auch so gesehener - Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden noch in Betracht, dass die Klägerin nicht versucht hat, die Firma [X.] von dem Rücktritt vom Vertrag abzuhalten bzw. zu einer Rücknahme dieser Maßnahme zu bewegen. Aufgrund der Aussage des Geschäftsführers der Firma [X.] in der Beweisaufnahme vermochte das Berufungsgericht indessen nicht festzustellen, dass die Klägerin damit Erfolg gehabt hätte. Das Berufungsgericht hält es lediglich für möglich, dass die Firma [X.] mit dem Rücktritt noch zugewartet hätte. Diese bloße Hypothese reicht indessen für eine richterliche Überzeugungsbildung, auch un-ter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO, nicht aus. 13 4. Für ein Mitverschulden der Klägerin und dessen Ursächlichkeit bei der Entstehung des Schadens ist der [X.] darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil [X.] 91, 243, 260; [X.], Urteil vom 26. Mai 1994 - [X.] = NJW 1994, 3103, 3105; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2005, [X.]. zu §§ 249 ff Rn. 91; [X.], [X.] 4. Aufl [2003] § 254 Rn. 145, jeweils m.w.[X.]). Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Weitere Fest-stellungen sind nicht zu erwarten. Die Sache ist daher im Sinne einer vollen Haftung des [X.]n entscheidungsreif, ohne dass es einer [X.] bedarf. 14 - 9 - 5. Die Revision wendet sich auch gegen die vom Berufungsgericht vorge-nommene Kürzung des von der Klägerin geltend gemachten [X.]. Insoweit handelt es sich jedoch um einen selbständigen Teil des [X.], der von der Revisionszulassung nicht erfasst wird. Schon aus diesem Grunde hatte es bei der Abweisung der Zinsmehrforderung zu verbleiben. 15 [X.] [X.] [X.]

[X.] Herrmann Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 31.05.2005 - 11 O 440/04 - [X.], Entscheidung vom 26.04.2006 - 1 U 749/05 -

Meta

III ZR 116/06

11.01.2007

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2007, Az. III ZR 116/06 (REWIS RS 2007, 5827)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5827

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