Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.03.2023, Az. XIII ZR 2/20

13. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6013

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Gegenstand

Erneuerbare Energien: Verbindliche Reservierung von Einspeisekapazitäten für Strom bereits vor der anschlussfertigen Errichtung einer Anlage - Anschlusskonkurrenz


Leitsatz

Anschlusskonkurrenz

Eine verbindliche Reservierung von Einspeisekapazitäten bereits vor der anschlussfertigen Errichtung einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien ist nicht von vornherein ausgeschlossen und kann dem Anschlussanspruch eines anderen Anlagenbetreibers an dem reservierten Verknüpfungspunkt entgegenstehen, selbst wenn dessen Anlage früher anschlussfertig errichtet wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 11. Februar 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die eine Freiflächen-Photovoltaikanlage betreibt, verlangt von der beklagten [X.] [X.]chadensersatz wegen der Verweisung an einen für sie ungünstigen Netzverknüpfungspunkt.

2

Die Anlage der Klägerin mit einer Leistung von etwa 7.600 kWp befindet sich auf den Flurstücken 13/28 und 13/32 der Flur 2 der Gemarkung              (nachfolgend: Anlage der Klägerin). Auf den Flurstücken 13/17, 13/19, 13/20 und 13/22 derselben Flur betreibt die [X.]treithelferin in Rechtsnachfolge der [X.] (beide nachfolgend: [X.]treithelferin) eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 6.000 kWp (nachfolgend: konkurrierende Anlage). Die [X.]treithelferin betreibt zudem auf dem Flurstück 13/22 der Flur 2 und dem Flurstück 1/3 der Flur 1 eine Auf-Dach-Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von etwa 400 kWp.

3

Nachdem die Anlage der Klägerin und die konkurrierende Anlage im [X.] 2011 bei der [X.] angemeldet worden waren, teilte die Beklagte jeweils unter anderem mit, dass der [X.] der geeignete Verknüpfungspunkt sei und eine Reservierung von Netzkapazitäten auf der Basis gültiger Baugenehmigungen erfolge.

4

Die [X.]treithelferin übermittelte der [X.] mit E-Mail vom 1. Juni 2012 die erste [X.]eite einer Baugenehmigung vom 14. Mai 2012. Darin ist als Bauvorhaben unter Bezeichnung der Flurstücke 13/22 der Flur 2 und 1/3 der Flur 1 angegeben "Errichtung einer Photovoltaikanlage". Die Anlagen zur Baugenehmigung, unter anderem die geprüften Bauunterlagen, legte sie nicht vor. Die Klägerin nahm ihre Anlage am 29. Juni 2012 in Betrieb, teilte der [X.] dies mit und übersandte ihr mit [X.]chreiben vom 13. Juli 2012 eine Baugenehmigung vom 18. April 2012 für ihre Anlage nebst weiterer für den Netzanschluss benötigter Unterlagen.

5

Die Beklagte reservierte den [X.] am 19. Juli 2012 für die konkurrierende Anlage, die am 25. [X.]eptember 2012 in Betrieb genommen wurde. Der [X.] beider Anlagen in [X.] war aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Die Beklagte teilte der Klägerin daher mit, dass der [X.]punkt [X.] nicht mehr zur Verfügung stehe und ihre Anlage am (weiter entfernten) [X.]punkt W angeschlossen werden könne.

6

Die Klägerin gab im Mai 2013 zwar die Herstellung des Netzanschlusses am [X.] in Auftrag. [X.]ie teilte der [X.] aber mit, dass sie diesen nicht als geschuldeten Netzverknüpfungspunkt anerkenne. Im August 2013 übermittelte sie der [X.] eine Abschrift der vollständigen der [X.]treithelferin erteilten Baugenehmigung vom 14. Mai 2012, aus der sich ergibt, dass diese sich auf eine Auf-Dach-Anlage bezieht. Die Beklagte hielt gleichwohl an ihrer Reservierungsentscheidung fest.

7

Im [X.]eptember 2013 wurde die von der Klägerin und der [X.]treithelferin gemeinsam genutzte [X.] zum Verknüpfungspunkt [X.] fertiggestellt. Von dort zweigt die im Januar 2014 fertiggestellte [X.] der Klägerin zum [X.] ab. [X.]eit Februar 2014 speist die Anlage der Klägerin dort [X.]trom in das Netz der [X.] ein.

8

Die Klägerin begehrt von der [X.] [X.]chadensersatz wegen der Mehrkosten und der Ertragsausfälle, die ihr aufgrund des [X.]es ihrer Anlage am [X.] entstanden sind. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom [X.]enat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat Erfolg. [X.]ie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der [X.]ache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beklagte habe ihre sich aus § 5 Abs. 1 [X.] 2012 ergebenden Pflichten nicht verletzt. Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte den [X.] von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien an einem Netzverknüpfungspunkt auf Grundlage einer vorhergehenden Reservierung vergebe. Es sei zulässig, eine [X.] aufgrund eines transparenten, diskriminierungs- und willkürfreien Verfahrens zu treffen und dabei darauf abzustellen, welcher Anlagenbetreiber zuerst eine gültige Baugenehmigung vorlegt. Die Beklagte habe ihre Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass sie die Baugenehmigung vom 14. Mai 2012 zur Grundlage der [X.] gemacht habe. [X.]ie habe vom Vorliegen einer gültigen Baugenehmigung ausgehen dürfen. Es hätten keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Manipulationen der Urkunde vorgelegen. Auch wenn die von der Anmeldung umfassten Flurstücke mit den in der Baugenehmigung bezeichneten nur teilweise identisch gewesen seien, habe das keine weitergehenden Prüfpflichten der [X.] begründet, zumal das Begleitschreiben die bei der Anmeldung vergebene Registriernummer aufgewiesen habe. Die Pflichten des Netzbetreibers würden überspannt, wenn er prüfen müsste, ob die in der Baugenehmigung genannten Flächen größenmäßig ausreichen, um eine Photovoltaik-Anlage mit der angemeldeten Nennleistung aufzunehmen. Zudem wäre selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung der [X.] der von der Klägerin geltend gemachte [X.]chadensersatzanspruch nicht gegeben. Die Klägerin sei für den bei ihr eingetretenen [X.]chaden mitverantwortlich, weil sie die ihr unter dem 18. April 2012 erteilte Baugenehmigung erst am 13. Juli 2012 bei der [X.] vorgelegt habe. Dadurch sei ermöglicht worden, dass die [X.]treithelferin die Baugenehmigung vom 14. Mai 2012 zuerst bei der [X.] vorgelegt habe und die Reservierung des Netzanschlusses am Verknüpfungspunkt [X.] zu ihren Gunsten erfolgt sei.

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann der von der Klägerin geltend gemachte [X.]chadensersatzanspruch nicht verneint werden. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe gegenüber der Klägerin ihre aus dem zwischen ihnen bestehenden gesetzlichen [X.]chuldverhältnis folgenden Pflichten nicht verletzt (§ 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012, § 280 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB).

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass für den [X.] der Anlage der Klägerin an das Netz der [X.] und für deren damit verbundene Pflichten gegenüber der Klägerin das [X.] vom 25. Oktober 2008 in der vom 1. Januar 2012 bis 31. Juli 2014 geltenden Fassung maßgeblich ist (nachfolgend: [X.] 2012). [X.]owohl der [X.] der Anlage der Klägerin als auch die behaupteten Pflichtverletzungen durch die Reservierung der Netzkapazitäten und die Verweisung auf den [X.] fallen in diesen Zeitraum. [X.]oweit sich nicht aus [X.] etwas anderes ergibt, sind daher die in diesem Zeitraum geltenden Vorschriften heranzuziehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]ieberg, BeckOK [X.], 13. Edition, § 100 Rn. 4). Übergangsregelungen greifen hier hinsichtlich der [X.]pflicht des Netzbetreibers gemäß § 5 [X.] 2012 nicht ein. Zwar stellt § 100 [X.] in den seit dem 1. August 2014 in [X.] getretenen Fassungen - ganz überwiegend in Bezug auf [X.]trom aus Anlagen im [X.]inn des [X.]es - Übergangsregelungen bereit (siehe [X.], Urteile vom 26. Januar 2021 - [X.], [X.], 354 Rn. 15 - [X.]olarpark Tutow; vom 14. Dezember 2021 - [X.], [X.] 2022, 385 Rn. 10 bis 29 - [X.]anktion bei [X.]). Diese sehen aber keine Regelungen hinsichtlich der [X.]pflicht gemäß § 5 [X.] 2012 vor.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten [X.]chadensersatzanspruch § 280 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB heranzuziehen ist. Bereits vor Errichtung der Anlage und Herstellung eines Netzanschlusses besteht ein gesetzliches [X.]chuldverhältnis zwischen dem [X.] und dem Netzbetreiber (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2006 - [X.], [X.], 56 Rn. 12 zu § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2004; Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im [X.]trombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften vom 18. Februar 2008, BT-Drucks. 16/8148 [X.]. 41; [X.], [X.] 2011, 32 [juris Rn. 30]). Die Verletzung von Pflichten aus diesem [X.]chuldverhältnis kann [X.]chadensersatzansprüche gemäß § 280 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB begründen (vgl. auch [X.], Urteil vom 11. Mai 2016 - [X.], [X.], 404 Rn. 18).

3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber eine Verletzung der [X.] gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 durch die Beklagte verneint. Durch die Weigerung der [X.], die Anlage der Klägerin am Netzverknüpfungspunkt [X.] anzuschließen, und ihre Verweisung an den [X.] hat die Beklagte ihre sich aus dieser Regelung ergebende [X.] verletzt.

a) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass es einem Netzbetreiber durch § 5 Abs. 1 [X.] 2012 nicht grundsätzlich verwehrt ist, bereits vor der anschlussfertigen Errichtung einer Anlage [X.] an einem bestimmten Netzverknüpfungspunkt zugunsten dieser Anlage zu reservieren, so dass diese Kapazitäten für andere Anlagen nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine Pflichtverletzung der [X.] liegt daher nicht schon darin, dass sie überhaupt eine Reservierung vorgenommen hat.

aa) Ohne ein Reservierungsverfahren hätte die Anlage der Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 am Verknüpfungspunkt [X.] angeschlossen werden müssen, weil sie zuerst anschlussbereit war.

(1) Gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 sind Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von [X.]trom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig an der [X.]telle an ihr Netz anzuschließen (Verknüpfungspunkt), die im Hinblick auf die [X.]pannungsebene geeignet ist und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum [X.]tandort der Anlage aufweist, wenn nicht ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. Dabei ist zur Bestimmung des Verknüpfungspunkts, an dem der [X.] gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 geschuldet ist, auch bei alternativen [X.]tandorten innerhalb desselben Netzes eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung anzustellen ([X.], Urteil vom 10. Oktober 2010 - [X.] 362/11, [X.]Z 195, 73 Rn. 24), um auf diese Weise die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten zu verringern ([X.], aaO, Rn. 28; Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im [X.]trombereich vom 1. April 2004, BT-Drucks. 15/2864, [X.]. 33).

(2) Der Anspruch auf [X.] entsteht jedenfalls dann, wenn die Anlage anschlussfertig errichtet ist (vgl. BT-Drucks. 16/8148, [X.]. 41; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. § 5 Rn. 31; [X.], [X.], 56 Rn. 10 zu § 4 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2004). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es - wie die Revision zu Recht rügt - für die Entstehung dieses Anspruchs nicht darauf an, ob die [X.]leitung bereits errichtet ist. Das ist lediglich für den Abnahmeanspruch gemäß § 8 Abs. 1 [X.] 2012 von Bedeutung ([X.], aaO, Rn. 10). Wenn an einem Verknüpfungspunkt keine ausreichenden [X.] für mehrere Anlagen bestehen, kommt gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 dort die zuerst anschlussfertig errichtete Anlage zum Zuge, während der [X.]anspruch des Betreibers einer später anschlussfertig errichteten Anlage sich gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 auf den nächstgünstigen Verknüpfungspunkt bezieht (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 5 Rn. 48; [X.]alje, [X.] 2023, 10. Aufl., § 8 Rn. 28; [X.] in [X.]äcker, [X.] Kommentar zum Energierecht, 5. Aufl., § 8 [X.] Rn. 19).

(3) Nach diesen Grundsätzen hätte die Anlage der Klägerin ohne das von der [X.] durchgeführte Reservierungsverfahren und die Reservierung der [X.] für die konkurrierende Anlage am gesamtwirtschaftlich günstigsten Netzverknüpfungspunkt [X.] angeschlossen werden müssen.

(a) Die Anlage der Klägerin ist am 29. Juni 2012 und damit sowohl vor der [X.] der [X.] am 19. Juli 2012 als auch vor der konkurrierenden Anlage in Betrieb genommen worden. Dies hat die Klägerin der [X.] noch am gleichen Tage mitgeteilt und am 13. Juli 2012 unter Übersendung der Baugenehmigung vom 18. April 2012 und der für den Netzanschluss erforderlichen Unterlagen um ein Netzanschlussangebot gebeten.

(b) Einen anderen Netzverknüpfungspunkt gemäß § 5 Abs. 2 [X.] 2012 hatte die Klägerin nicht gewählt. Ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, der Klägerin den Verknüpfungspunkt W gemäß § 5 Abs. 3 [X.] 2012 zuzuweisen, ist unerheblich, da sie das [X.] nicht ausgeübt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2012 - [X.] 267/11, [X.] 2012, 396 Rn. 9). Dass die von der Anlage der Klägerin zum Netzverknüpfungspunkt [X.] führende [X.] erst im [X.]eptember 2013 fertiggestellt wurde, steht nach dem Ausgeführten (vgl. oben Rn. 18) ebenfalls nicht entgegen.

bb) Es war der [X.] indes nicht grundsätzlich verwehrt, ein Reservierungsverfahren für [X.] durchzuführen und auf der Grundlage des vor Herstellung der [X.]bereitschaft der Anlage der Klägerin begonnenen Reservierungsverfahrens auch noch nach deren [X.]bereitschaft eine Reservierung für die konkurrierende Anlage vorzunehmen.

(1) Ob der Netzbetreiber eine anschlussbereite Anlage gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1, § 4 Abs. 2 [X.]atz 1 [X.] 2012 ausnahmslos vorrangig an dem für diese günstigsten Netzverknüpfungspunkt anzuschließen hat, oder ob er ein Reservierungsverfahren für [X.] durchführen darf, ist umstritten. Nach einer Ansicht hat stets die zuerst anschlussbereite Anlage Vorrang, weil dies dem Zweck des Gesetzes, anschlussreife Anlagen zügig in das Netzsystem zu integrieren, besser entspreche ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. § 5 Rn. 39; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 8 Rn. 33; [X.] in [X.]äcker, [X.] Kommentar zum Energierecht, 5. Aufl., § 8 [X.] Rn. 19; [X.]alje, [X.] 2023, 10. Aufl., § 8 Rn. 28; [X.]alje, Versorgungswirtschaft 2008, 153, 158). Nach anderer Ansicht ist § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 dahin auszulegen, dass der Netzbetreiber berechtigt ist, bereits vor der anschlussfertigen Errichtung einer Anlage [X.] für diese verbindlich zu reservieren. Die Reservierung steht danach dem [X.]anspruch eines anderen Anlagenbetreibers an dem reservierten Verknüpfungspunkt entgegen, selbst wenn dessen Anlage früher anschlussfertig errichtet wird (so [X.]chulz-Gardyan in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2019, § 8 Rn. 42 f.; [X.] in [X.]/Kühling, Energierecht, [X.]tand: Februar 2021, § 8 [X.] 2021 Rn. 33; [X.]chleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 11 U 71/13, juris Rn. 18).

(2) Der [X.]enat entscheidet die Rechtsfrage dahin, dass § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 nach Wortlaut, systematischer [X.]tellung und insbesondere nach seinem [X.]inn und Zweck eine Auslegung im letztgenannten [X.]inn erlaubt und daher eine Reservierung von [X.] nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

(a) Der Wortlaut der Vorschrift ist unergiebig. [X.]ie enthält keine Regelung einer Konkurrenzsituation zwischen Anlagen zur Erzeugung von [X.]trom aus Erneuerbaren Energien und schließt ein Reservierungsverfahren nicht aus.

(b) Die systematische [X.]tellung von § 5 Abs. 1 [X.] 2012 im Zusammenhang mit § 5 Abs. 5 und 6 [X.] 2012 spricht für die Zulässigkeit eines Reservierungsverfahrens.

(aa) Nach den letztgenannten Regelungen sind Netzbetreiber verpflichtet, [X.] nach Eingang eines Netzanschlussbegehrens unverzüglich einen genauen Zeitplan für die Bearbeitung des Netzanschlussbegehrens zu übermitteln. Darin ist unter anderem anzugeben, in welchen Arbeitsschritten das Netzanschlussbegehren bearbeitet wird und welche Informationen die [X.] übermitteln müssen, damit die Netzbetreiber den Verknüpfungspunkt ermitteln können. Nach Eingang der erforderlichen Informationen sind Netzbetreiber verpflichtet, [X.] unverzüglich, spätestens aber innerhalb von acht Wochen einen Zeitplan für die Herstellung des Netzanschlusses, die Informationen, die die [X.] für die Prüfung des Verknüpfungspunkts benötigen, sowie auf Antrag die für die [X.] erforderlichen Netzdaten und einen nachvollziehbaren und detaillierten Voranschlag der Kosten für den Netzanschluss zu übermitteln. Dabei ergibt sich bereits aus dem Wortlaut ("[X.]"), dass die Informationsansprüche gemäß § 5 Abs. 5 und 6 [X.] 2012 denjenigen zustehen, die den Betrieb einer Anlage (erst) beabsichtigen ([X.], Urteil vom 18. Juli 2007 - [X.] 288/05, [X.], 18 Rn. 20 zu § 4 [X.] 2004; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 5 Rn. 101 f.). Ein frühes Planungsstadium reicht daher aus. Die durch Art. 1 Nr. 3 des Europarechtsanpassungsgesetzes Erneuerbare Energien vom 12. April 2011 konkretisierten Informationspflichten sollen Planungssicherheit gewährleisten und eine Investitionsentscheidung erst ermöglichen (siehe zur Vorgängervorschrift § 5 Abs. 5 [X.] 2009 BT-Drucks. 16/8148, [X.]. 42; Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/[X.] zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen vom 23. Februar 2011, BT-Drucks. 17/4895, [X.]. 1, 20; [X.]chulz-Gardyan in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2019, § 8 Rn. 112).

(bb) Planungssicherheit als Grundlage für weitreichende Investitionsentscheidungen kann es indes nicht geben, wenn nicht gewährleistet werden kann, dass die mitgeteilten Informationen, insbesondere zum günstigsten Netzverknüpfungspunkt, ab einem bestimmten - für die Investitionsentscheidung maßgeblichen - Zeitpunkt für eine gewisse Zeit verbindlich bleiben. Angesichts des jederzeit möglichen Entstehens von [X.]ansprüchen anderer Erneuerbare-Energien-Anlagen am selben Verknüpfungspunkt gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 und des somit für jeden Investor bestehenden Konkurrenzrisikos kann daher nur eine Reservierung von Netzverknüpfungspunkten und [X.] die von § 5 Abs. 5 und 6 [X.] 2012 bezweckte Planungssicherheit gewährleisten.

(c) Auch [X.]inn und Zweck des § 5 [X.] 2012 erfordert eine Auslegung von § 5 Abs. 1 [X.]atz 1, § 4 Abs. 2 [X.]atz 1 [X.] 2012 dahin, dass eine vom Netzbetreiber aufgrund eines Reservierungsverfahrens getroffene [X.] als der Vorschrift immanente Beschränkung des sich aus dieser Regelung ergebenden [X.]anspruchs des Betreibers einer anschlussbereiten Anlage im Grundsatz zulässig ist.

(aa) Zweck des [X.]es 2012 ist es gemäß § 1 Abs. 1 [X.] 2012, eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und eine Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von [X.]trom aus erneuerbaren Energien zu fördern. Um dies zu erreichen, soll gemäß § 1 Abs. 2 [X.] 2012 der Ausbau der erneuerbaren Energien erhöht und sollen die so erzeugten [X.]trommengen in das Versorgungssystem integriert werden.

(bb) Diesem Zweck dient der vorrangig und unverzüglich zu gewährleistende [X.]anspruch aus § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012. Allerdings besteht für den [X.] vor Errichtung der Anlage - wie bereits ausgeführt - ein erhebliches Bedürfnis nach Planungssicherheit, dem auch der Gesetzgeber Rechnung tragen wollte, um Finanzierungsschwierigkeiten und Investitionshemmnisse zu vermeiden (BT-Drucks. 16/8148, [X.]. 41; vgl. auch [X.], [X.], 56 Rn. 16 zu § 4 [X.] 2004). Daraus folgt, dass [X.]inn und Zweck des § 5 [X.] 2012, den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern und diesen Ausbau gesamtwirtschaftlich zu optimieren (§ 1 [X.] 2012), auch durch eine verbindliche Reservierung von [X.] an bestimmten Netzverknüpfungspunkten gefördert und sogar begünstigt werden kann. Das gilt wegen der erheblichen Bedeutung von Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen in diesem Bereich gesamtwirtschaftlich betrachtet auch dann, wenn der Netzbetreiber eine zuerst anschlussbereite Anlage aufgrund der Reservierung an einen anderen, ungünstigeren Netzverknüpfungspunkt verweisen muss.

(cc) Bei der Ausgestaltung des Reservierungsverfahrens wird der Netzbetreiber allerdings zu berücksichtigen haben, dass eine Reservierung eine der Vorschrift des § 5 [X.] 2012 immanente Beschränkung des [X.]anspruchs desjenigen Anlagenbetreibers zur Folge haben kann, dessen Anlage zuerst anschlussbereit ist. Er muss daher die Interessen der Beteiligten bei der Verfahrensgestaltung und [X.] angemessen berücksichtigen. Das wird jedenfalls - wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt - ein transparentes, diskriminierungs- und willkürfreies Verfahren erfordern. Der Netzbetreiber muss zudem sicherstellen, dass das Reservierungsverfahren den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht entgegen der obigen Zielsetzung behindert, was etwa Anlass geben dürfte, Reservierungen in geeigneter Weise zu befristen.

b) Im vorliegenden Fall kann indes dahinstehen, wie ein Reservierungsverfahren, das zu einer wirksamen Beschränkung der sich aus § 5 Abs. 1 [X.]atz 1, § 4 Abs. 2 [X.] 2012 ergebenden Ansprüche von Anlagenbetreibern führen soll, im Einzelnen auszugestalten ist, ab welchem Zeitpunkt und aufgrund welcher Kriterien eine Reservierung erfolgen darf und ob das von der [X.] durchgeführte Verfahren diesen Anforderungen genügt hätte. Denn eine die [X.]chadensersatzpflicht gemäß § 280 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB begründende Pflichtverletzung der [X.] liegt im Verhältnis zur Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schon darin, dass sie aufgrund der von der [X.]treithelferin mit E-Mail vom 1. Juni 2012 eingereichten ersten [X.]eite einer Baugenehmigung vom 14. Mai 2012 eine Reservierung zugunsten der konkurrierenden Anlage vorgenommen hat.

aa) Die Beklagte hat das von ihr aufgestellte Reservierungskriterium - die Vorlage einer gültigen Baugenehmigung - nicht beachtet. [X.]ie hat am Netzverknüpfungspunkt [X.] [X.] für die konkurrierende Anlage reserviert, obwohl ihr nur die erste [X.]eite einer Baugenehmigung vorlag, die sich auf eine auf den Flurstücken 1/3 der Flur 1 und 13/22 der Flur 2 zu errichtende Anlage bezog, während die konkurrierende Anlage sich nach der Anmeldung auch auf weitere Flurstücke erstrecken sollte. Damit ging aus dem vorgelegten Teil der Baugenehmigung nicht hervor, welche geplante Anlage diese betraf, insbesondere nicht, dass für die konkurrierende Anlage eine Baugenehmigung erteilt worden war. Auf dieser Grundlage durfte die Beklagte schon nach ihren eigenen Kriterien keine Reservierung für die konkurrierende Anlage vornehmen.

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte von einer Überprüfung der Baugenehmigung nicht entbunden.

(1) Führt der Netzbetreiber ein Reservierungsverfahren durch, obliegt ihm nach dem oben Ausgeführten eine gewisse Verfahrensverantwortung. Er ist insbesondere gegenüber demjenigen Anlagenbetreiber, dessen [X.]anspruch gemäß § 5 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] 2012 durch die [X.] beschränkt wird, verpflichtet, das Vorliegen der von ihm vorgegebenen Reservierungskriterien zu überprüfen und eine Reservierung zugunsten einer konkurrierenden Anlage nur vorzunehmen, wenn die Kriterien eingehalten worden sind.

(2) Diese Pflicht hat die Beklagte hier nicht erfüllt. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass Änderungen an Bauvorhaben im Lauf eines Projekts nicht ungewöhnlich sind. Es bestand aus diesem Grund - für die Beklagte ohne weiteres erkennbar - Anlass, die Übereinstimmung der Baugenehmigung mit dem fast ein Jahr zuvor angemeldeten Vorhaben zu überprüfen. Auf die Angabe der bei der Anmeldung vergebenen Registriernummer im Begleitschreiben kommt es dabei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht an, da Reservierungskriterium allein die Vorlage einer gültigen Baugenehmigung war.

4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass ein [X.]chadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB jedenfalls gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin ausgeschlossen ist.

a) Das Berufungsgericht hat die in ständiger Rechtsprechung anerkannte Lehre zum [X.]chutzzweck der Norm nicht beachtet. Danach steht die adäquate Zurechnung eines [X.]chadens unter dem Vorbehalt eines haftungserweiternden oder -begrenzenden besonderen Zwecks der Haftungsnorm oder des der Haftung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses. Eine [X.]chadensersatzpflicht besteht nur, wenn der geltend gemachte [X.]chaden aus dem Bereich der Gefahren stammt, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist. Das ist auch bei der Prüfung eines Mitverschuldens nach § 254 BGB und auch bei der Verletzung einer bloßen Obliegenheit zu beachten ([X.], Urteil vom 14. März 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 965 Rn. 9 mwN).

b) Die Klägerin war nicht verpflichtet, die ihr erteilte Baugenehmigung möglichst frühzeitig einzureichen, um die Beklagte vor einer unrichtigen [X.] im Hinblick auf eine andere eingereichte Baugenehmigung zu schützen. Die Einreichung der Baugenehmigung oblag ihr - sofern eine solche Obliegenheit überhaupt zu bejahen ist - allein im eigenen Interesse. Die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin scheidet deshalb aus.

III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.]enat kann nicht in der [X.]ache selbst entscheiden, da das Berufungsgericht - nach seiner rechtlichen Beurteilung folgerichtig - keine Feststellungen zum [X.]chaden getroffen hat. Die [X.]ache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 [X.]atz 1 ZPO).

[X.]    

        

[X.]    

        

Tolkmitt

        

Picker    

        

Holzinger    

        

Meta

XIII ZR 2/20

21.03.2023

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 11. Februar 2020, Az: 6 U 116/15

§ 4 EEG 2012, § 5 Abs 1 S 1 EEG 2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.03.2023, Az. XIII ZR 2/20 (REWIS RS 2023, 6013)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6013

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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