Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.11.2010, Az. 2 BvR 2553/09

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2010, 1593

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Garantie des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) und Vorlagepflicht nach § 121 Abs 2 GVG - hier: Annahme der Unstatthaftigkeit eines Vornahmeantrags gem § 113 Abs 1 StVollzG ohne Vorlage an BGH stellt jedenfalls keine krasse Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze dar


Tenor

1. Dem Beschwerdeführer wird hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Rechtsschutzmöglichkeiten eines Strafgefangenen, der geltend macht, dass die Vollzugsbehörde einer sie zur Neubescheidung verpflichtenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nicht zeitgerecht nachkomme.

2

1. Dem Beschwerdeführer ist auf seinen innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 [X.] gestellten Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 93 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Durch die Vorlage des Belegs über die rechtzeitige Abgabe der Verfassungsbeschwerde zur Versendung ist das fehlende Verschulden des Beschwerdeführers hinsichtlich der Versäumung der Frist hinreichend glaubhaft gemacht (§ 93 Abs. 2 Satz 3 [X.]).

3

2. Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 [X.]), liegen nicht vor.

4

Das [X.] hat zwischenzeitlich durch Beschluss vom [X.] entschieden, dass dem Beschwerdeführer bis zum 15. September 2010 drei Begleitausgänge zu gewähren sind und er bis zum 31. Oktober 2010 in den offenen Vollzug zu verlegen ist. Der Beschwerdeführer selbst hat dies pflichtgemäß mitgeteilt. Nach eigenen Angaben wurde er inzwischen in den offenen Vollzug verlegt.

5

Es bedarf keiner Entscheidung, ob damit wegen Erledigung des in der Sache verfolgten [X.] das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde entfallen ist oder ob der Umstand, dass bei [X.] nicht zeitgerechter Umsetzung von Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer eine Erledigung häufig eintreten wird, bevor verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann (vgl. [X.] 110, 77 <86>; 117, 244 <268>; [X.]K 11, 54 <59>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 31. August 1993 - 2 BvR 785/93 -, juris), und die konkreten Umstände der hier eingetretenen Erledigung (vgl. [X.] 116, 69 <80>) für ein Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses sprechen.

6

Die Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, zur Entscheidung anzunehmen ist auch unter der Voraussetzung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses nicht angezeigt. Da die vom Beschwerdeführer erstrebten Lockerungen inzwischen gerichtlich angeordnet wurden, die erneute behördliche Ermessensentscheidung, gegen deren Verzögerung er sich im fachgerichtlichen Verfahren gewandt hat, sich damit erübrigt und nichts dafür ersichtlich ist, dass die Behörde den gerichtlichen Anordnungen nicht nachkäme, entsteht dem Beschwerdeführer durch die Versagung einer Entscheidung zur Sache kein besonders schwerer Nachteil (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

7

Allerdings kann die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung unabhängig von einem dem Beschwerdeführer im Fall der Nichtannahme drohenden schweren Nachteil allein deshalb zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt sein, weil ein Grundrecht unter krassem Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze verletzt wurde (vgl. [X.] 90, 22 <25>). Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor.

8

Auch wenn das [X.] das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 GG dadurch verletzt haben sollte, dass es, ohne die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem [X.] vorzulegen, die angegriffene Entscheidung auf die Annahme gestützt hat, gegen die vom Beschwerdeführer beanstandete nicht zeitgerechte Umsetzung eines Beschlusses der Strafvollstreckungskammer sei ein Antrag nach § 113 Abs. 1 [X.] nicht statthaft (a.[X.]. [X.], Beschluss vom 8. Februar 2005 - 3 Vollz (Ws) 6/05 -, [X.] 2005, S. 308 <309>; KG, Beschluss vom 15. August 2005 - 5 Ws 282/05 Vollz -, [X.] 2006, [X.]; [X.], Beschluss vom 8. April 2008 - 2 VollzWs 123/08 -, [X.], [X.]), wären rechtsstaatliche Grundsätze durch ein derartiges Versehen jedenfalls nicht in derart krasser Weise verletzt, dass allein deshalb die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung geboten wäre, obwohl dem Beschwerdeführer durch die Versagung einer Entscheidung kein schwerer Nachteil entsteht.

9

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2553/09

09.11.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Hamm, 27. August 2009, Az: 1 Vollz (Ws) 323/09, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG, § 121 Abs 1 GVG, § 113 Abs 1 StVollzG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 09.11.2010, Az. 2 BvR 2553/09 (REWIS RS 2010, 1593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1593


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 2553/09

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2553/09, 09.11.2010.


Az. 1 Vollz (Ws) 323/09

Oberlandesgericht Hamm, 1 Vollz (Ws) 323/09, 27.08.2009.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 2192/13

2 BvR 431/09

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