Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2010, Az. 4 StR 245/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2976

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 245/10 vom 28. September 2010 in der Strafsache gegen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010 einstimmig beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in sieben Fällen, wegen Sachbeschädigung in 14 Fällen, wegen Betruges in 26 Fällen und wegen versuchten Betruges in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; au-ßerdem hat es eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist - wie der Generalbundesan-walt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - unbegrün-det im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 Der Erörterung bedarf nur die Verurteilung des Angeklagten wegen ge-fährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen [X.], II. 19, II. 50 und II. 60 der Urteilsgründe. 2 - 3 - 1. Nach den hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte im Zeitraum von September 2007 bis September 2008 vier [X.] jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen hat. Dabei sind an den Fahrzeugen der Un-fallgegner Schäden in Höhe von 1.062,11 •, 792,30 •, 800 • bzw. 885,84 • verursacht worden; dass ein darüber hinausgehender Sachschaden oder sogar ein Personenschaden konkret gedroht haben, ist in keinem dieser Fälle [X.]. 3 2. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass eine Gefähr-dung für fremde Sachen von bedeutendem Wert im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB zur Tatbestandserfüllung nur ausreicht, wenn auch der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfangs war (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 27. Sep-tember 2007 - 4 StR 1/07, [X.], 83 m.w.N.), und hat diese Voraus-setzung in den fraglichen vier Fällen als erfüllt angesehen. Dabei hat es sich an der Rechtsprechung des [X.]s ausgerichtet, wonach die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 • liegt (vgl. [X.], Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 [X.], [X.]St 48, 119, 121; Beschlüsse vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07; vom 29. April 2008 - 4 [X.], [X.], 289; vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 408/09, [X.], 261). Gegenstand der letztgenannten Entscheidung war unter anderem ein Unfallgeschehen vom Januar 2008. 4 3. Für eine Anhebung dieser Wertgrenze sieht der [X.] keinen Anlass. 5 - 4 - a) Allerdings wird in der Literatur teilweise eine höhere Wertgrenze von bis zu 1.300 • angenommen, die der Grenze des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angeglichen ist (vgl. [X.], in: [X.][X.], StGB, 28. Aufl., [X.]. zu §§ 306 ff. Rn. 15; [X.], StGB, 57. Aufl., § 315 Rn. 16a; Burmann in Burmann/[X.]/[X.]/Janker, [X.], 21. Aufl., § 315c StGB Rn. 7; [X.]/Barnickel § 315 Rn. 69: ca. 850 • für Januar 2006; wie die [X.]srechtsprechung dagegen: [X.] in: Leip-ziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 95; [X.]/[X.] § 315c Rn. 25; [X.]/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 315c Rn. 24). 6 Vereinzelt haben auch Oberlandesgerichte eine Wertgrenze von 1.300 • für die konkrete Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert ange-nommen. Das [X.] hat dies mit der Angleichung an die Grenze zum bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB begründet (Be-schluss vom 17. September 2008 - 1 Ss 167/08, OLGSt StGB § 315c Nr. 16); das [X.] hat ohne weitere Begründung lediglich auf die Kommentierung von [X.], StGB, 55. Aufl., § 315 Rn. 16a verwiesen (Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 4 Ss 466/08, [X.], 185, 186). 7 b) Eine Angleichung an die Wertgrenze des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nicht angezeigt, weil die Vorschriften un-terschiedliche Schutzzwecke verfolgen. 8 Der Schadensbegriff des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nach dem [X.] des § 142 StGB zu bestimmen, der dem Interesse der Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zur Klarstellung der privatrechtlichen Ver-antwortlichkeit und damit an der Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatz-ansprüche dient (vgl. [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., 9 - 5 - § 69 Rn. 84, § 142 Rn. 1; [X.], in: [X.]/[X.] aaO § 142 Rn. 1a m.w.N.). Maßgeblich ist daher nicht der reine Sachschaden, sondern der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (vgl. [X.]/Athing § 69 Rn. 70 m.w.N.). Deswegen sind neben den Reparaturkosten auch Bergungs- und Abschleppkosten einzubeziehen. Bei §§ 315b, 315c StGB ist demgegenüber allein auf den (drohenden) Schaden an der Sache selbst abzustellen, wobei der Wert der Sache nach de-ren Verkehrswert, die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 29. April 2008 - 4 [X.], [X.], 289 m.w.N.; vgl. auch [X.] aaO § 315 Rn. 82a, 90). Die Vorschriften bezwecken den Schutz des Allgemeininte-resses an der Sicherheit des Straßenverkehrs, der in ihnen verwirklichte Schutz auch des Einzelnen ist nur eine Nebenwirkung (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 1976 - 4 [X.], [X.]St 27, 40; Beschluss vom 15. Dezember 1998 - 4 StR 576/98, [X.], 120). Das Schwergewicht der [X.] liegt dementsprechend - ungeachtet der Ausgestaltung der Straftatbestän-de als Erfolgsdelikte (vgl. [X.], Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 [X.], [X.]St 48, 119) - in der besonderen Gefährlichkeit der Tathandlung für die [X.] und damit im Handlungsunrecht; der Erfolgsunwert - der [X.] der abstrakten Gefährdung in einer konkreten Gefahr für Individual-rechtsgüter - hat lediglich strafbarkeitsbegrenzende Funktion (vgl. [X.] aaO § 315 Rn. 5), der auch die weitere Einschränkung des bedeutenden Wertes dient (vgl. Barnickel aaO § 315 Rn. 69). Insofern rechtfertigt der Schutzzweck der §§ 315b, 315c StGB die Bestimmung eines niedrigeren Grenzwertes als bei § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch losgelöst von der unterschiedlichen [X.] (zur Abhängigkeit verschiedener Wertgrenzen vom jeweiligen [X.] - 6 - zweck vgl. [X.], Urteil vom 12. September 2002 - 4 [X.], [X.]St 48, 14). c) Schließlich gebietet auch die in den letzten Jahren eingetretene wirt-schaftliche Entwicklung eine Anhebung des Grenzwertes für Sachwert und Schadenshöhe nicht. Bei der Wertgrenze handelt es sich zwar um eine verän-derliche Größe, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkom-men abhängig ist (vgl. [X.] aaO § 315 Rn. 94). Schon aus verfassungsrechtli-chen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, kommt eine Anhebung der Wertgrenze aber nur bei einer grundlegenden Ver-änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht. Eine derartige Verände-rung vermag der [X.] nicht zu erkennen. 11 [X.] [X.] [X.][X.] Bender

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4 StR 245/10

28.09.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2010, Az. 4 StR 245/10 (REWIS RS 2010, 2976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2976

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4 StR 245/10

4 Ss 466/08

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