Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2013, Az. X ZR 119/09

X. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4960

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 119/09
Verkündet am:

18. Juni 2013

Anderer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.
April 2013 durch [X.], Dr.
Grabinski, Dr.
Bacher
und Hoffmann
sowie die Richterin Schuster
beschlossen:
1.
Es soll Beweis erhoben werden durch Einholung des schriftlichen Gutachtens eines noch zu beauftragenden Sachverständigen zu den aus II.
1 der Gründe ersichtlichen Beweisfragen.
2.
Die auf [X.] bzw. möglicherweise Finnlandschwedisch ab-gefassten [X.] Patentanmeldungen Nr.
944090 und 945090 sollen unter Berücksichtigung der Ausführungen unter II.
2. der Gründe ins [X.] übersetzt werden.
3.
Der Klägerin wird aufgegeben, binnen eines Monats
nach Zugang dieses Beschlusses die Zahlung eines Auslagenvorschusses von 18.000

isen.
4.
Den Parteien wird aufgegeben, binnen gleicher Frist jeweils [X.] zwei fachlich qualifizierte und unabhängige Sachver-ständige (Beweisthema zu
1) und zwei Personen vorzuschla-gen, die in der Lage sind, die Prioritätsdokumente zu überset-zen und über textiltechnische Fachkenntnisse verfügen.
Gründe:
I.
Der Senat ist aufgrund der mündlichen Verhandlung zu folgender vor-läufiger Bewertung gelangt:
1

-
3
-
1.
Das Streitpatent betrifft
ein [X.].
a)
Die Nutzbarkeit von [X.]en wird der Beschreibung des [X.]s zufolge hauptsächlich durch unzureichende Ableitung des [X.]
her-abgesetzt, in deren Folge die abrasive Wirkung der Schleifkörner beeinträchtigt wird. Die im Stand der Technik dagegen entwickelten Maßnahmen wie die Wahl unter-schiedlich großer Schleifpartikel oder Lochung des [X.] an bestimmten Stellen, um eine Absaugung des Staubs zu ermöglichen, kritisiert das Streitpatent als unzureichend und stellt sich die Aufgabe, die Nutzbarkeit von [X.]en zu erhöhen, indem der Zusetzung durch Schleifstaub besser entgegengewirkt werden kann.
Dazu formuliert das Streitpatent in seiner zuletzt in erster Linie verteidigten Fassung drei Patentansprüche (Hauptantrag).
Die Ansprüche 1
(Merkmal 1.2.1 ge-mäß Hilfsantrag
I kursiv) und 3 dieser Fassung stellen, merkmalsmäßig
gegliedert, ein [X.] unter Schutz mit
1.
einem Tuch
1.1
aus gewirkten Fäden (1),
1.2
das ein [X.] mit einer kombinierten Bindung ist,
1.2.1
worin in allen Maschenstäbchen des [X.] abwechselnd eine Fadenverbindung zu [X.] auf der einen Seite und zu einer Masche des benachbar-ten [X.] auf der anderen Seite aufwei-sen,
1.2.1
gemäß Hilfsantrag
I: die aus Satinmaschen und Tri-kotmaschen aufgebaut ist,
1.3
das eine offene Struktur aufweist, die für den beim Schleifen gebildeten Staub durchlässig ist;
2.
Fadenabschnitten (-teilen) wie [X.] (3), die
2.1
sich auf einer Oberfläche des Tuchs befinden,
2.2
aus dem Tuch hervorstehen und
2.3
aus [X.] (3) der Fäden (1) des Tuchs bestehen;
2
3

-
4
-
3.
einem [X.], das als separate Agglomerate (4) auf die Oberfläche des [X.] mit hervorstehenden [X.]n (3, 5)
3.1
zumindest auf die
hervorstehenden [X.] aufgebracht wird;
4.
einer flüssigkeitsabsorbierenden Schaumstoffschicht (11),
4.1
die an der Oberfläche des Tuchs befestigt
ist, die
frei von [X.] ist.
Ein dem
entsprechendes Ausführungsbeispiel zeigt die nachfolgend
eingefüg-te Figur
7

Patentanspruch
3 schlägt ein [X.] vor mit
1.
einem Tuch
1.1
aus gewirkten Fäden (1),
1.2
das eine für den beim Schleifen gebildeten Staub durchlässi-ge Struktur aufweist;
2.
Fadenabschnitten (-teilen) wie [X.] (3), die
2.1
sich auf einer Oberfläche des Tuchs befinden und
2.2
aus dem Tuch hervorstehen,
4
5

-
5
-
2.2.1
wobei die hervorstehenden Fadenabschnitte [X.] (3) aus Fäden
(1), die in dem Tuch enthalten sind, oder [X.] aus Fasern
(2) solcher Fäden aufwei-sen (comprise), und
2.2.2
einen derartigen Zwischenraum (gap) zwischen dem Tuch und einer Trägerfläche, auf welcher das Tuch mittels der hervorstehenden [X.] befestigt wer-den kann, bilden, dass der beim Schleifen gebildete Staub entlang dieses Zwischenraums ([X.]) ab-transportiert werden kann;
3.
einem [X.], das als separate Agglomerate (4) zumindest auf die andere, im Wesentlichen ebene Oberfläche des Tuchs aufgebracht wird.
Ein dementsprechendes Ausführungsbeispiel zeigt die nachfolgend eingefügte Figur
8:

b)
Unter der kombinierten
Bindung eines [X.]s ist eine Bindung mit zumindest zwei unterschiedlichen Maschenarten -
z.B. die im Streitfall diskutier-ten Satin-
und Trikotmaschen

zu verstehen.
Benachbarte Maschenstäbchen im Sinne von Merkmal
1.2.1 in Patentanspruch
1 sind nur solche, die unmittelbar einan-der benachbart sind.
2.
Als Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus mit langjäh-riger Erfahrung in der Entwicklung von [X.]en anzusehen, der sich [X.] bezüglich des Einsatzes
von Textilien in der Verbindung mit [X.]n die Kenntnisse von
Textilfachleuten
vermitteln lässt.
6
7
8

-
6
-
3. Für die Zulässigkeit der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassungen der beiden Patentansprüche
1 und 3 dürfte es hinsichtlich
des Merkmals
1.3 des Pa-tentanspruchs
1 und des Merkmals
1.2 des Patentanspruchs
3 nicht an der gemäß Art.
84 Satz
2 EPÜ gebotenen Deutlichkeit fehlen.
4.
Die Verteidigung des Streitpatents gemäß Hauptantrag dürfte unzuläs-sig sein. Die Verteidigung mit geänderten Patentansprüchen ist nur zulässig, wenn diese nicht über die [X.] in ihrer ursprünglich eingereichten [X.] hinausgehen. Das dürfte aber hinsichtlich des Merkmalselements "kombinierte Bindung" in Merkmal 1.2 der Fall sein.
Dieses Element ist in den [X.] nicht schriftlich beschrieben und kann nur durch die Figuren
des Streitpatents, namentlich durch Figur
2 und 9, offenbart sein. Diese zeigen nach dem Vorbringen der Beklagten ein [X.] in einer Satin-
und Trikotbindung. Mit dem verallgemeinerten Begriff "kombinierte [X.]" würden aber auch die Kombination anderer
Maschenarten (z.
B. Samt-, Atlas-
oder Ripsmaschen, vgl. die von der Beklagten eingereichte Zusammenstellung in [X.]age HE
13)
geschützt und damit auf ein Merkmal verallgemeinert, das der [X.] nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist.
5.
Unter
der Prämisse, dass die Figuren des Streitpatents, die bereits den ursprünglichen [X.] beigefügt waren, ein [X.] mit Satin-
und Trikotmaschen offenbaren und das Streitpatent überdies die Priorität der ge-nannten [X.] Anmeldungen in Anspruch nehmen kann, dürfte sich das [X.] nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme als patentfähig erweisen.
a)
Patentanspruch 1
aa) Hinsichtlich des Gegenstands von Patentanspruch
1 war aus fachmänni-scher, von der [X.] Patentschrift 2
996
368 ([X.]) ausgehender Sicht ein [X.] bekannt, bei dem ein aus thermoplastischen Fasern bestehender
Polstoff so erhitzt wird, dass die oberen Bereiche der Polfasern knollenförmig ver-9
10
11
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13
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-
7
-
schmelzen und an diesen Knollen Schleifpartikel aufgebracht werden ([X.], Sp.
1 Z.
20 bis 32).
[X.] zeigt keine offene Struktur entsprechend dem Merkmal
1.3. Eine solche Anforderung an die Herstellung des Polstoffs ist der [X.] nicht zu entnehmen. Dafür dürfte es nicht ausreichen, dass textile Stoffe regelmäßig per se eine mehr oder [X.] offene Struktur aufweisen, die in gewissem Umfang für Luft, Wasser und mög-licherweise
auch [X.] durchlässig ist, weil das nicht mit den Anforderungen dieses Merkmals gleichzusetzen
ist, wonach die Öffnungen so groß zu wählen sind, dass der bei dem jeweiligen [X.] anfallende Schleifstaub ganz überwiegend durch das Textil hindurchrieseln kann. [X.] zeigt auch keine Schaumstoffschicht (Merkmalsgruppe
4).
[X.] zeigt auch nicht die Merkmale
1.1 (gewirkte Fäden), 1.2, 1.2.1 ([X.] als kombinierte Bindung bzw. Satin-
und Trikotmaschen) und 2.3 ([X.] aus den Fäden des Tuchs); jedenfalls sind diese Merkmale weder dem Text noch den Zeichnungen als solche zu entnehmen. Der Begriff eines [X.]s ist [X.] nicht zu entnehmen; hinsichtlich der genannten Stoffe dürfte allenfalls der [X.] dafür in Frage kommen.
bb) Aus der [X.] Patentschrift 2
984
052 ([X.]) ist ein Schleif-produkt bekannt, bei dem auf ein gewebtes Tuch an den jeweils aufgrund der Web-struktur durch die horizontalen Überkreuzungen der Kett-
und Schussfäden leicht hervortretenden Stellen entsprechend den nachfolgenden Figuren
1 und 3 Schleifmit-tel aufgebracht werden.
15
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-
8
-

Die Zwischenräume zwischen den Fäden bleiben offen. Die Beschreibung der [X.] bezieht sich für die Textilstruktur auf gewebte Stoffe ebenso wie auf [X.] ("[X.]"), also gestrickte oder gewirkte Stoffe ([X.], Sp.
1 Z.
49 bis 50, Sp.
4 Z.
4 bis 6).
[X.] zeigt damit die Merkmale
1 (Tuch), 1.3 (offene Struktur), 2 und 2.1 (Fa-denteile auf einer Oberfläche) sowie die Merkmalsgruppe
3 ([X.] als [X.] auf hervortretenden [X.]n). Die Angabe, dass als Tuch auch Ma-schenware eingesetzt werden könne, gibt keinen direkten Hinweis auf ein [X.].
cc) Das [X.] Gebrauchsmuster 83
02
051 (NK
13) offenbart ein flexibles Schleifelement, welches durch eine flexible Schaumkörperplatte auf einer Seite einer [X.]bahn gekennzeichnet ist. Dies entspricht der Merkmalsgruppe
4 (Schaumstoffschicht) des Gegenstands von Patentanspruch
1.
Mag gegebenenfalls einiges dafür
gesprochen haben, ein neues [X.] mit einer Schaumstoff-schicht entsprechend der Merkmalsgruppe
4 zu versehen, um ein Nassschleifen zu ermöglichen, so erscheint doch zweifelhaft, ob fachlicher [X.]ass bestand, ein [X.] gemäß [X.] mit einer offenen Struktur entsprechend [X.] oder [X.] ein solches gemäß [X.] mit [X.] entsprechend [X.] zu kombinieren. [X.] zeigt den Vorteil, mit einer offenen Netzstruktur Zwischenräume zu schaffen, die Schleifstaub aufnehmen und die [X.] davon entlasten können. Dies ent-spricht dem Vorteil, den die offene Struktur gemäß Merkmal
1.3 des Patentan-spruchs
1 bewirken soll.
Indessen hebt [X.] die Ausbildung eines offenen Netzes 18
19
20

-
9
-
hervor, worunter nach den Ausführungen des Sachverständigen aus fachlicher Sicht in der Regel eine zumindest annähernd rechtwinklige Struktur zu verstehen ist, wie beispielsweise aus den Figuren
1 und 3 ersichtlich.

Gleichwohl ist den genannten [X.] keine Anregung dafür zu entnehmen, das [X.] aus einem Tuch herzustellen, das als [X.] eine kombinierte Bindung gemäß der Merkmalsgruppe
1.2 aufweist, sei es mit einer Fadenverbindung, die Maschen zu benachbarten Maschenstäbchen abwechselnd zur einen und zur anderen Seite bildet, oder entsprechend dem Hilfsantrag mit Satin-
und Trikotmaschen. Weiterhin zeigen die [X.] keinen Hinweis dafür, die [X.] gemäß Merkmal
2.3 gerade aus den Fäden des Tuchs herzustellen.
dd)
Die [X.] Patentanmeldung 2
199
053 ([X.]) vermag als [X.] ebenfalls nicht ein Naheliegen des Gegenstands des Patentanspruchs
1 zu begründen.
Erkennbar soll der offenbarte [X.] nicht abrasiven Prozessen wie dem Schleifen von Oberflächen, sondern zur Abtrennung von [X.] für die Reinigung insbesondere von Küchenutensilien dienen. Dieser Stand der Technik ge-hört nicht zu jenem, von dem zu erwarten wäre, dass der Fachmann ihn für die Ent-wicklung eines insbesondere auch maschinell einsetzbaren [X.] wie dem Gegenstand des Streitpatents heranziehen würde. [X.] gehört nicht nur zu einer vom Gegenstand des Streitpatents weit entfernten Patentklassifikation, sondern weist sowohl technisch als auch in Bezug auf die Erwartungshaltung der Nutzer
streitpatentgemäßer Erzeugnisse erhebliche Unterschiede auf.
b)
Patentanspruch
3
aa)
Der Gegenstand des Patentanspruchs
3 ist neu. In [X.]
sind jedenfalls die Merkmale
2.2.1 und 2.2.2 ([X.], Spalt zum Staubtransport) nicht gezeigt. [X.] enthält keine Anweisung, [X.] auszubilden. Sie geht davon aus, dass ein-zelne [X.] des verwendeten Tuchs aufgrund seiner Web-
oder Maschenstruk-tur im Verhältnis zu anderen erhöht hervortreten, zeigt dies anhand der nebenste-21
22
23
24
25

-
10
-
henden Figuren
2 und 4 und sieht diese [X.] als Ort für die aufzubringenden Schleifkörper (13, 22) vor. Diese knotigen Erhöhungen ("protuberances") sind nicht mit [X.] gleichzusetzen, die aus dem Tuch hervortreten. Damit fehlt es zugleich auch an der Offenbarung eines aus diesen [X.]n gebildeten [X.], der einen horizontalen Staubtransport ermöglicht.
Die übrigen [X.] sind im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme des Streitpatents noch weiter vom Gegenstand des Patentan-spruchs
3 entfernt.
bb)
Der Senat vermag beim gegenwärtigen Sach-
und Streitstand nicht die Wertung zu treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch
3 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann.
[X.] zeigt dessen Merkmale
1 (Tuch) und 3 ([X.]) und eine für den Schleifstaub durchlässige Struktur gemäß Merkmal
1.2. Nach den
Ausführungen des
gerichtlichen Sachverständigen Dr. H.

bezweckt die offene Netzstruktur der
[X.] im Wesentlichen, Zwischenräume zu bilden, in denen sich der Schleifstaub [X.] und in diesem Umfang die [X.] davon entlasten kann. Sofern auf der Rückseite keine den vertikalen Staubtransport hindernden Mittel anliegen, bleibt diese Struktur aber zugleich offen genug, um einen vertikalen Abtransport des [X.] auf die andere Seite des [X.] zu ermöglichen, sofern von dieser Seite ein Unterdruck [X.] aufsaugt.
Indessen zeigt [X.], wie bereits ausgeführt, auf der anderen Seite keine [X.] entsprechend der Merkmalsgruppe
2.
Die [X.] Offenbarungsschrift Re
21
852 ([X.]) zeigt insoweit ähnlich der [X.] ebenfalls ein [X.] in Form eines Gitternetzes mit den Merkmalen
1 (Tuch), 1.2 (durchlässige Struktur) und 3 ([X.]). Im Unterschied zur [X.] haftet diesem [X.] das [X.] jedoch an jeder Stelle an.
26
27
28
29
30

-
11
-
Die [X.] Offenlegungsschrift 1
577
588 ([X.]) zeigt eine Reißverbindung zum Auswechseln von Werkzeugblättern. Diese Verbindung wird entsprechend der nebenstehenden Figur
1 der [X.] durch ein [X.]gewebe oder -gewirk (6) auf der Rückseite eines Werkzeugblattes (5) hergestellt, das als Gegenfläche mit den auf der Fläche des [X.] (1) verteilten [X.] (4) nach der Art eines Klettverschlusses zusammenhält ([X.], S.
2 Abs.
2). Als eine weitere Ausführungs-form wird beschrieben, das Werkzeugblatt schon bei seiner Her-stellung mit einem [X.]gewebe als Haftmittel zu verbinden. Dabei könne das [X.]gewebe einseitig mit einer glatten Auf-nahmefläche versehen und unter Zuhilfenahme eines geeigneten Bindemittels mit [X.]n beschichtet sein ([X.], S.
3 Abs.
1).
Diese Entgegenhaltung offenbart die Merkmale
1 (Tuch), 1.1 (gewirkte [X.]), 2, 2.1 und 2.2 (hervorstehende [X.] auf einer Seite). Ob eine ihr entspre-chende Vorrichtung auch Eigenschaften entsprechend dem Merkmal
2.2.2 ([X.] zum horizontalen Staubtransport) aufweist, weil die [X.] für einen Klettverschluss auf der Rückseite eines [X.] potenziell einen für einen horizontalen Staubtransport in Betracht kommenden Raum bilden, kann dahinstehen. Jedenfalls wird diese Eigenschaft in der [X.] nicht dargestellt. Die konkret in [X.] gezeigten Ausführungsbeispiele wären für einen solchen Staubtransport im Falle ih-rer Herstellung und Anwendung auch nicht geeignet, weil bei diesen zwischen den [X.] und dem [X.] jeweils noch eine Trägerschicht (5) vorgesehen ist, die einen vertikalen Transport des [X.] zu den [X.] hin ausschließt. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen war ein horizontaler Staubtransport durch die [X.] auch nicht vorhersehbar; vielmehr hätte man damit gerechnet, dass ein solcher Transport durch die dichten [X.] eines Klett-verschlusses parallel zur [X.] nicht stattfinden würde.
[X.] offenbart weder das Merkmal
1.2 (durchlässige Struktur) noch das Merkmal
3 ([X.] auf der ebenen Oberfläche des Tuchs). Die Beschreibung zu der Ausführungsform einer Verbindung des [X.]gewebes mit dem Schleif-31
32
33

-
12
-
mittel ([X.], S.
3 Abs.
1) zeigt nicht, wie diese Verbindung vorzunehmen ist. Das Ausführungsbeispiel zu Figur
1 deutet darauf hin, dass hierfür ein papierenes Blatt als Trägerschicht zum Einsatz kommt und somit die [X.] nicht auf dem Tuch des [X.]gewirks aufgebracht werden. Weiterhin enthält [X.] keinen Hinweis zum Merkmal
2.2.1 ([X.] aus in dem Tuch enthaltenen Fäden), denn außer der Angabe, dass der Flächenreißverschluss aus einem [X.]gewirk hergestellt werden kann, enthält sich die [X.] weiterer Angaben zur Konstruktion dieses Ge-wirks.
Es mag fachlich [X.]ass bestanden haben, einem [X.] entsprechend [X.] eine Befestigungsmöglichkeit
mit einem Klettverschluss, wie er in [X.] be-schrieben ist, zu verschaffen, weil diese Verbindungsform entsprechend den Ausfüh-rungen des Sachverständigen zum Prioritätszeitpunkt bereits weit verbreitet war. Dies hätte jedoch nicht dazu geführt, ein papierenes oder anderes flächiges Binde-mittel zur Verbindung des [X.]gewirks gemäß [X.] mit dem [X.] entsprechen-den Schleifnetz vorzusehen. [X.] sieht ein solches Bindemittel in seinen Ausfüh-rungsbeispielen vor. Der Umstand, dass [X.] aus dem [X.] stammt und [X.] schon 1970 veröffentlicht wurde und bis zum [X.] kein dem Gegenstand des Patentanspruchs
3 entsprechendes [X.] entwickelt wurde, deutet, wie mit dem gerichtlichen Sachverständigen herausgearbeitet wurde,
darauf hin, dass diese beiden [X.] aus fachlicher Sicht nicht dahin verstanden wurden, auf ein flächiges Bindemittel zwischen den [X.] des Klettverschlusses und dem die [X.] tragende Netzstruktur verzichten
zu können.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergab sich aus [X.] hierzu kein [X.]ass, denn die dort gezeigte offene Netzstruktur soll ihren Vorteil beim [X.] nicht durch einen vertikalen Schleiftransport auf die andere Seite des Netzes be-wirken, sondern lediglich Zwischenräume zum Aufsammeln des [X.] bilden. Ein Verzicht auf das in [X.] gezeigte Bindemittel, um eine durchlässige Struktur für einen vertikalen Staubtransport hin zu den [X.] des Klettverschlusses zu er-möglichen, hat daher nicht nahegelegen.
34
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-
13
-
6.

Für die Entscheidung kommt es danach zum einen darauf an, ob Pa-tentanspruch
1 in der Fassung von Hilfsantrag
I durch die Merkmale 1.2 und 1.2.1 (Tuch aus gewirkten Fäden, das ein [X.] mit einer aus Satin-
und Trikotma-schen aufgebauten kombinierten Bindung) unzulässig erweitert ist und zum anderen, ob die Priorität der [X.] [X.] in Anspruch genommen werden kann.
In den [X.] ([X.]age
NK1b) werden die Begriffe
"[X.]", "[X.]", "[X.] mit kombinierter Bindung" sowie "Satinmaschen und Trikotmaschen" im Text nicht verwendet; im Übrigen wird auch eine Bindung ent-sprechend dem Merkmal
1.2.1 (Maschen abwechselnd in benachbarten Maschen-stäbchen) nicht beschrieben.
Der in der Patentanmeldung verwendete [X.] Be-griff "knitted" steht im Sinne von Maschenware sowohl für gestrickte als auch für ge-wirkte Textilien.
Die Parteien streiten darüber, ob
namentlich in den Figuren
2 und Figur
9 der Patentanmeldung für den Fachmann, der sich, wie ausgeführt, die Kenntnisse eines in der [X.] versierten Fachmanns
vermitteln lassen kann, nach den oben dar-gestellten Grundsätzen ein [X.] mit einer aus Satin-
und Trikotmaschen aufgebauten kombinierten Bindung offenbart und als zur Erfindung gehörig zu erken-nen ist.

a)
Dafür kann nach der Rechtsprechung des [X.] die Of-fenbarung allein in den Figuren ausreichen.
Entscheidend ist, ob das Gezeigte aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig als zu der zum
Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist, wofür der fachlich geschulte Blick maßgeblich ist.
b) Die Beklagte hat, unterstützt durch das
Privatgutachten von Professor P.

([X.].
[X.]) geltend gemacht, der Figur
2 des Streitpatents sei ein Kettenge-
wirk mit Maschen einer Trikotbindung und einer Satinbindung zu entnehmen. Bei [X.] handelt es sich nach den Definitionen der Norm EN
ISO
4912:2001
(D) um eine Anordnung von zwei kettengewirkten Maschen, von denen die zweite von 37
38
39
40

-
14
-
den
ersten drei Maschenstäbchen entfernt in der nachfolgenden Maschenreihe [X.] wird, Trikotmaschen stellen eine Anordnung von zwei kettengewirkten Ma-schen dar, die in benachbarten Maschenstäbchen in aufeinander folgenden Ma-schenreihen gewirkt werden.
Die
nachfolgenden Abbildungen zeigen von links: Figur
2 des Streitpatents sowie Muster von Satin-
und Trikotmaschen
gemäß der vorgenannten Norm:

Die Klägerin bestreitet, dass den Figuren
2 und
9 der Patentanmeldung eine konkrete Variante eines [X.]s oder [X.]s zu entnehmen sei; es sei nicht sicher zu erkennen, dass es sich dabei nicht um ein Gewebe handele. Das von ihr vorgelegte Parteigutachten ([X.].
[X.]) merkt an, eine Trikotbindung mit einer Satin-bindung passe am ehesten zur Figur
2, jedoch nicht zu der in Figur
1 gezeigten [X.].
Der gerichtliche Sachverständige, der einleitend klarstellte, dass er kein Textil-fachmann sei, hat
ausgeführt, er könne in den Figuren
2 und 9 eine Maschenware erkennen, ohne aufgrund seines Fachwissens auf dem Gebiet der [X.]e unterscheiden zu können, ob es sich um Strickware oder um ein [X.] handele. Aufgrund der von den Parteien vorgelegten Druckschriften insbesondere den DIN-Normen, könne er allerdings die in den Figuren
2 und
9 dargestellten Textilien den [X.]en zuordnen. Ein Fachmann für [X.]e würde einen Textil-fachmann, der zu seinem Team gehört, zu Rate ziehen beispielsweise, wenn er zum Zwecke der Umsetzung wissen wolle, welche konkrete Ausführung in der Patentan-41
42
43

-
15
-
meldung gezeigt werde. Ob die Maschen gleichlegig oder gegenlegig miteinander kombiniert seien, interessiere den Fachmann eher nicht.
c)
Die Klägerin behauptet, die [X.] Patentanmeldungen
Nr.
944090 und 945090 würden aufgrund der Verwendung des Begriffs "stickade" ausschließlich [X.]e mit gestricktem, nicht aber mit kettengewirktem
Tuch offenbaren. Die Beklagte bestreitet dies und ergänzt, dass am Ende der Beschreibung der Patent-anmeldung Nr.
944090 erläutert werde, dass mit "stickade" auch gewirkte Stoffe ge-meint seien.
Diese Beweisfrage kann erheblich
sein. Sollte sich aus fachmännischer Sicht trotz des Umstands, dass auch den [X.] Patentanmeldungen die Figuren des Streitpatents einschließlich der Figuren 2 und 9 beigegeben waren, ergeben, dass (nur) [X.]e mit gestricktem und nicht mit kettengewirktem Tuch offenbart sind und dass die Prioritätswirkung der [X.] Dokumente deshalb nicht in [X.] genommen werden kann, wäre für die Patentfähigkeit auf den Zeitpunkt der Patentanmeldung des Streitpatents (5.
September 1995) abzustellen und das am 27.
Juli 1995 veröffentlichte [X.] Gebrauchsmuster 295
05
847.1 ([X.]2) zu be-rücksichtigen, die den Gegenstand des Streitpatents in der Fassung von Hilfsantrag
I neuheitsschädlich treffen dürfte.
II.
Deshalb sollen

1.
ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt werden,
ob die Lehre nach den Patentansprüchen
1 und
3 in der Fassung des Hilfsantrags
I
schon aus der Gesamtheit der Anmel-dungsunterlagen (Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnun-gen) in der ursprünglichen Fassung vom Fachmann als zur Erfin-dung gehörend zu entnehmen
ist,
wobei der Gutachter sich dabei insbesondere dazu äußern
soll, ob die Begriffe bzw. Merkmale
-
"[X.]",
44
45
46

-
16
-
-
"[X.]",
-
"[X.] mit einer kombinierten
Bindung, die aus [X.] und Trikotmaschen aufgebaut ist,"
für den Fachmann in den Figuren
2, 4 oder 9 der Patentanmeldung des Streitpatents (WO
96/07509, [X.]age
NK1b) unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörig (oben I.
2) offenbart sind. Als Fachmann soll der Sachverständige von einem Textilingenieur [X.], der mehrjährige Erfahrungen in der Fertigung von Textilien -
insbesondere Textilien für [X.]e

besitzt,
und
2.
Übersetzungen der auf [X.] bzw. Finnlandschwedisch ab-gefassten [X.] Patentanmeldungen Nr.
944090 und 945090 eingeholt werden.

-
17
-
Dabei ist besonderes Augenmerk darauf zu legen und [X.] gesondert zu erläutern, welche Bedeutung dem Begriff "sticka-de" jeweils
am Anfang der Beschreibung der beiden Erfindungen für eine Unterscheidung zwischen Stricken und Wirken, zukommt, auch
unter Berücksichtigung des letzten Satzes der Beschreibung in der Patentanmeldung Nr.
944090 (S.
10 am Ende).

[X.]
Hoffmann
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 14.05.2009 -
2 Ni 21/07 ([X.]) -

Meta

X ZR 119/09

18.06.2013

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2013, Az. X ZR 119/09 (REWIS RS 2013, 4960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4960

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

5 Ni 19/13 (EP)

6 Ni 32/14 (EP)

Zitiert

X ZR 119/09

Zitieren mit Quelle:
x

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