Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 07.09.2022, Az. 1 C 26/21

1. Senat | REWIS RS 2022, 7315

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH; Folgen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union für das deutsche Asylverfahren


Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 A[X.]V eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] zu folgender Frage eingeholt:

Sind in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedstaat den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC aussetzen würden, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO ([X.]) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 [X.] 2011/95/[X.] sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] dahin auszulegen, dass die bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Mitgliedstaat daran hindert, den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergebnisoffen zu prüfen, und ihn dazu verpflichtet, ohne Untersuchung der materiellen Voraussetzungen dieses Schutzes dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen?

Gründe

I

1

[X.]ie Klägerin, die vom [X.] ([X.]) als subsidiär schutz[X.]echtigt anerkannt worden ist, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

[X.]ie 1999 geborene Klägerin ist syrische Staatsangehörige, der [X.]eits 2018 in [X.] die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Sie kann nicht nach [X.] zurückkehren, weil ihr dort nach der rechtskräftigen Entscheidung eines [X.] die ernsthafte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 [X.] drohen würde. [X.]as [X.] gewährte ihr mit Bescheid vom 1. Okto[X.] 2019 subsidiären Schutz und lehnte ihren Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab.

3

[X.]ie hierauf gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, der geltend gemachte Anspruch folge nicht [X.]eits daraus, dass der Klägerin in [X.] die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei. In der Sache sei der Antrag der Klägerin unbegründet, weil ihr in [X.] keine Verfolgung drohe.

4

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin in erster Linie geltend, dass die Beklagte an die [X.]eits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gebunden sei.

II

5

[X.]er Rechtsstreit ist auszusetzen, weil sein Ausgang von einer vorab einzuholenden Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ü[X.] die Auslegung der Verträge abhängt (Art. 267 des Vertrages ü[X.] die Arbeitsweise der [X.] - [X.] -). [X.]ie Frage betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem [X.]rittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ([X.]. [X.], [X.]. 2017 L 49 S. 50; nachfolgend [X.] ([X.]) 604/2013), Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 der Richtlinie 2011/95/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. [X.]ezem[X.] 2011 ü[X.] Normen für die Anerkennung von [X.]rittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ([X.]. L 337 [X.], [X.]. [X.]. 2017 L 167 S. 58; nachfolgend [X.] 2011/95/[X.]) sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und A[X.]kennung des internationalen Schutzes ([X.]. [X.]; nachfolgend [X.] 2013/32/[X.]).

6

1. [X.]ie rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung des [X.]es richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Septem[X.] 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 zur Weiterentwicklung des [X.] ([X.] I S. 2467, 2504) sowie nach dem Gesetz ü[X.] den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im [X.] ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.] I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 4a des [X.] und einer Einmalzahlung in den [X.] Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des [X.] und weiterer Gesetze vom 23. Mai 2022 ([X.] I S. 760).

7

[X.]er danach maßgebliche rechtliche Rahmen des Rechtsstreits ergibt sich aus den folgenden Vorschriften:

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - Geltungs[X.]eich

(1) [X.]ieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

(...)

2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. [X.]ezem[X.] 2011 ü[X.] Normen für die Anerkennung von [X.]rittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ([X.]. L 337 vom 20.12.2011, [X.]); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/[X.] umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge ([X.] 1953 [X.], 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/[X.] vom 29. April 2004 ü[X.] [X.] für die Anerkennung und den Status von [X.]rittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und ü[X.] den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ([X.]. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/[X.] gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt un[X.]ührt.

§ 3 Abs. 1, 3 und 4 [X.] - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge ([X.] 1953 [X.], 560), wenn er sich

1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Ü[X.]zeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe

2. außerhalb des [X.] (Herkunftsland) befindet,

a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder

b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(...)

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der [X.] mit Ausnahme des [X.] der [X.] für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt [X.] des Abkommens ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der [X.] endgültig geklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das [X.] hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

§ 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - Unzulässige Anträge

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn (...)

2. ein anderer Mitgliedstaat der [X.] dem Ausländer [X.]eits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat (...).

§ 60 Abs. 1 [X.] - Verbot der Abschiebung

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge ([X.] 1953 [X.]) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe oder wegen seiner politischen Ü[X.]zeugung bedroht ist. [X.]ies gilt auch für Asyl[X.]echtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im [X.] die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des [X.]s als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das [X.] nach diesem Absatz [X.]uft, stellt das [X.] außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. [X.]ie Entscheidung des [X.]es kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

8

2. Am innerstaatlichen Recht gemessen steht der Klägerin nach § 3 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. Abs. 1 [X.] kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu (a). [X.]er [X.] kann jedoch ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) nicht feststellen, ob dieses Verständnis des § 3 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. Abs. 1 [X.] mit [X.]srecht - nämlich mit Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 [X.] 2011/95/[X.] sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] - vereinbar ist. [X.]anach bedarf die im [X.] formulierte Frage einer Klärung durch den Gerichtshof, weil sie weder durch seine Rechtsprechung geklärt noch ihre Beantwortung offenkundig ist (b).

9

a) [X.]ie Vorlagefrage ist entscheidungserheblich, weil der Klägerin gemäß nationalem Recht nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des [X.] kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.

Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht im Hinblick auf die individuelle Situation der Klägerin aus § 3 Abs. 4 Halbs. 1 i. V. m. Abs. 1 [X.]. [X.]as angefochtene Urteil des [X.] hat das Vorbringen der unverfolgt ausgereisten Klägerin und die tatsächlichen Verhältnisse in [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin beurteilt, dass ihr bei - einer hypothetischen - Rückkehr dorthin nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Zu einer Sachentscheidung ü[X.] den Asylantrag ist das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen, obwohl § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat der [X.] dem Ausländer [X.]eits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gewährt hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Novem[X.] 2020 - 1 C 8.19 [[X.]:[X.]E:BVerwG:2020:171120U1C8.19.0] - BVerwGE 170, 326 Rn. 14 f. und vom 30. März 2021 - 1 C 41.20 [[X.]:[X.]E:[X.]] - BVerwGE 172, 125 Rn. 31).

[X.]enn diese Vorschrift ist in den Fällen anderweitiger Flüchtlingsanerkennung innerhalb der [X.] unangewendet zu lassen, in denen der betreffende Ausländer wegen einer nach Art. 4 [X.] drohenden ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nicht durch Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] auf den (formal gewährten) Schutz des anderen Mitgliedstaates verwiesen werden darf ([X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17 u. a. [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] u. a. - Rn. 81 ff. und 101 und Beschluss vom 13. Novem[X.] 2019 - [X.]/17 u. a. [[X.]:[X.]:C:2019:964], [X.] u. a. - Rn. 34 und 43).

Nach dem nationalen Recht steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auch nicht [X.]eits wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in [X.] zu. [X.]ie hiervon ausgehenden Rechtswirkungen sind [X.] in § 60 Abs. 1 Satz 2 [X.] abschließend geregelt. [X.]anach schließt die für einen bestimmten Staat ausgesprochene ausländische Anerkennung als Flüchtling die Abschiebung in diesen Staat auch für [X.]eutschland aus. [X.]urch diese nationale Regelung hat der [X.] Gesetzge[X.] eine auf den [X.] begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung angeordnet, aus der a[X.] kein Anspruch auf neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft folgt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29 und vom 30. März 2021 - 1 C 41.20 - NVwZ 2022, 66 Rn. 32).

Eine weitergehende Bindung des [X.]es lässt sich [X.] auch nicht aus § 3 Abs. 3 [X.] herleiten. [X.]anach ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen, wenn der Ausländer den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der [X.] mit Ausnahme des [X.] der [X.] für Flüchtlinge nach Art. 1 Abschnitt [X.] des Abkommens ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der [X.] endgültig geklärt worden ist, sind § 3 Abs. 1 und 2 [X.] anwendbar (§ 3 Abs. 3 Satz 2 [X.]). [X.]as Hilfswerk der [X.] für [X.] im Nahen Osten ([X.]) fällt derzeit als einzige Organisation in den Anwendungs[X.]eich dieser Bestimmungen, die Art. 1 Abschn. [X.] GFK sowie Art. 12 Abs. 1 Buchst. a [X.] 2011/95/[X.] umsetzen und gerade im Hinblick auf die besondere Lage der - regelmäßig staatenlosen - [X.] geschaffen worden sind, die den Beistand oder Schutz des [X.] genießen. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, ist einem Antragsteller daher auf seinen Antrag ipso facto die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne dass er in Bezug auf das Gebiet, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung nachweisen muss ([X.], Urteil vom 13. Januar 2021 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 [[X.]:[X.]E:[X.]] - [X.] 402.251 § 29 [X.] Nr. 7 Rn. 18, unter Hinweis auf [X.], Urteile vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 67, 70 ff., 76 und vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 [[X.]:[X.]:C:2018:584] - Rn. 86).

[X.]ie genannten Voraussetzungen sind jedoch hier nicht gegeben. Zudem ist die Lage der Klägerin, der in [X.] die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und in [X.]eutschland subsidiärer Schutz gewährt wurde, nicht mit der in § 3 Abs. 3 [X.] geregelten Situation vergleichbar, so dass auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt.

Eine andere Rechtslage ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.] vom 13. Septem[X.] 2020 - 2 BvR 2082/18 [[X.]:[X.]E:BVerfG:2020:rk20200913.2bvr208218] - (BeckRS 2020, 25171 Rn. 28), nach dem eine Abschiebung in den Herkunftsstaat im Falle einer [X.]eits erfolgten Schutzgewährung durch einen anderen Mitgliedstaat untersagt ist. Es kann dahinstehen, ob eine ausländische Flüchtlingsanerkennung auch dann ein [X.] nach § 60 Abs. 1 Satz 2 [X.] oder unionsrechtlichen Normen begründet, wenn eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - wie hier - ausgeschlossen ist (a. A. etwa VG [X.]üsseldorf, Urteil vom 4. August 2021 - 16 K 1148/21.A [[X.]:[X.]E:VG[X.]:2021:0804.16K1148.21A.00] - juris Rn. 102; [X.], Urteil vom 18. Februar 2022 - [X.] [[X.]:[X.]E:VGSTUTT:2022:0218.A7K3174.21.00] - juris Rn. 44; [X.], Urteil vom 3. Juni 2022 - 10 K 2844/20.A [[X.]:[X.]E:[X.]] - juris Rn. 99 ff.). [X.]enn auch wenn dies der Fall sein sollte, bestätigte das lediglich die im Gesetz angeordnete, auf den [X.] beschränkte Rechtswirkung ausländischer Zuerkennungen (jedenfalls) des Flüchtlingsstatus. Eine umfassende Bindung an durch andere Mitgliedstaaten ausgesprochene Statusentscheidungen dergestalt, dass ein ausnahmsweise zur erneuten [X.]urchführung eines Asylverfahrens verpflichteter Mitgliedstaat das im ersten Mitgliedstaat gefundene Ergebnis ungeprüft ü[X.]nehmen müsste, lässt sich der Entscheidung des [X.] hingegen nicht entnehmen.

b) [X.]er vorlegende [X.] hält für klärungsbedürftig, ob die im Tenor des Beschlusses genannten Vorschriften des [X.]srechts in Fällen wie dem vorliegenden einer ergebnisoffenen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch die Beklagte entgegenstehen.

Eine solche Bindungswirkung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Mitgliedstaat der [X.] für einen anderen Mitgliedstaat aufgrund primären [X.]srechts dürfte zur Ü[X.]zeugung des [X.]s ausgeschlossen sein (aa). Ob sie sich aus sekundärem [X.]srecht ergeben könnte ([X.]), erscheint dem [X.] demgegenü[X.] durch den Gerichtshof klärungsbedürftig (cc).

(aa) Nach Art. 78 Abs. 1 Satz 1 [X.] entwickelt die [X.] eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorü[X.]gehender Schutz. Hierfür erlassen das [X.] und der Rat nach Art. 78 Abs. 2 [X.] gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen in Bezug auf ein gemeinsames [X.] Asylsystem ([X.]). [X.]ieses umfasst unter anderem einen in der ganzen [X.] gültigen einheitlichen Asylstatus für [X.]rittstaatsangehörige und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für [X.]rittstaatsangehörige, die keinen [X.] Asylstatus erhalten, a[X.] internationalen Schutz benötigen (Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b [X.]). Weder diesen Regelungen noch sonstigen Vorschriften der Art. 77 ff. [X.] lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat der ergebnisoffenen Prüfung eines in einem weiteren Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz entgegenstünde. Vielmehr gibt es bislang gerade keine gegenseitige Anerkennung positiver Asylentscheidungen. [X.]ies entspricht im Übrigen auch der verschiedentlich zum Ausdruck gekommenen Auffassung der [X.] (vgl. "Mitteilung der [X.] an das [X.], den Rat, den [X.] und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Ein offenes und sicheres [X.]: Praktische Umsetzung" vom 11. März 2014 - [X.] <2014> 154 final, Nr. 3.1 sowie [X.] "Fragen und Antworten zur [X.] vom 13. Mai 2015, zur Frage der langfristigen Strategie im Bereich Asyl) und des [X.] ("Entschließung des [X.] vom 12. April 2016 zur Lage im [X.] und zur Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der [X.] für Migration" - 2015/2095 Rn. 39).

[X.]er Gerichtshof hat aus Art. 2 und 3 [X.]V und Art. 67 und 82 Abs. 1 [X.] darü[X.] hinaus den "Grundsatz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten" entwickelt. Er verlangt namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von jedem Mitgliedstaat, dass dieser, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass die anderen Mitgliedstaaten das [X.]srecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten ([X.], Urteile vom 19. März 2019 - [X.]/17 u. a. - Rn. 83 f. und vom 22. Februar 2022 - [X.]/20 [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 28).

[X.]araus folgt a[X.] keine Bindung an die in einem anderen Mitgliedstaat getroffene Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. [X.]em Eintritt einer derart weitreichenden Rechtsfolge steht entgegen, dass die [X.] bislang gerade keinen einheitlichen Schutzstatus im Sinne des Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b [X.] geschaffen hat. [X.]ie inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen des Antrags auf internationalen Schutz bleibt daher Sache des Mitgliedstaates, bei dem dieser Antrag gestellt wurde.

Unabhängig vom Vorstehenden könnte der unionsrechtliche Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zur Ü[X.]zeugung des [X.]s in Fällen wie dem vorliegenden deshalb nicht greifen, weil der erstanerkennende Mitgliedstaat dieses Vertrauen und damit zugleich einen Grundwert im Sinne von Art. 2 [X.]V dadurch beeinträchtigt hat, dass der andere Mitgliedstaat von der Möglichkeit, eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] zu treffen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse im Staat der Erstanerkennung den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 [X.] aussetzen. Ist das gegenseitige Vertrauen in dieser Weise [X.]eits erschüttert, kann es nicht zugleich Grundlage einer Bindungswirkung von Entscheidungen des erstaufnehmenden Mitgliedstaates sein.

([X.]) Auch das Sekundärrecht der [X.] kennt keine Regelung des verfahrensrechtlichen oder des materiellen Flüchtlingsrechts, die ausdrücklich eine Bindung an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines anderen Mitgliedstaates vorschreibt. [X.]ies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s (BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29 und vom 30. März 2021 - 1 C 41.20 - BVerwGE 172, 125 Rn. 32).

Vom Gerichtshof bisher nicht entschieden und auch sonst nicht offenkundig ist indes, ob sich eine Bindungswirkung mitgliedstaatlicher Anerkennungsentscheidungen im Asylverfahren gleichwohl aus dem in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]) 604/2013 ([X.]ublin III-[X.]) zum Ausdruck kommenden allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz herleiten lässt, dass der Asylantrag eines Antragstellers (allein) von einem einzigen Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wird, der nach den Kriterien des [X.] der Verordnung als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das ein zentraler Grundsatz der [X.]ublin III-Verordnung, der dem [X.] generell zugrunde liegt ([X.], Urteil vom 2. April 2019 - [X.]/17 u. a. [[X.]:[X.]:C:2019:280] - Rn. 78) und der deshalb auch in Fällen zum Tragen kommen könnte, die - wie derjenige der Klägerin - nicht nach der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 zu beurteilen sind. [X.]anach könnte eine inhaltliche Prüfung in einem einzigen Mitgliedstaat - unabhängig vom Prüfungsergebnis - in allen anderen Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen.

Auch der Wortlaut der Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 [X.] 2011/95/[X.] steht einer Auslegung nicht entgegen, dass es für die Anerkennung in allen Mitgliedstaaten der [X.] allein auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat ankommen könnte. Während Art. 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2011/95/[X.] bestimmt, dass es die Pflicht des Mitgliedstaates ist, unter Mitwirkung des Antragstellers die für den Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte zu prüfen, regelt Art. 13 [X.] 2011/95/[X.], dass die Mitgliedstaaten einem [X.]rittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der [X.] - Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz - und [X.]I - Anerkennung als Flüchtling - erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen. In der Zusammenschau könnten diese beiden verfahrensrechtlichen Vorgaben dahin auszulegen sein, dass allein die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus in einem Mitgliedstaat der [X.] maßgeblich ist, der damit in allen Mitgliedstaaten ohne weitere Ü[X.]prüfung anzuerkennen ist.

Für die Beantwortung der Frage nach einer unionsweiten Anerkennung des von einem Mitgliedstaat zuerkannten Flüchtlingsschutzes sind des Weiteren die einschlägigen Vorgaben der Richtlinie 2013/32/[X.] zu [X.]ücksichtigen. [X.]abei ist zunächst auf Erwägungsgrund 43 Satz 2 zu dieser Richtlinie hinzuweisen, der festlegt, dass Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein sollen, einen Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu prüfen, wenn ein anderer Mitgliedstaat dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat oder ihm anderweitig ausreichenden Schutz gewährt und die Rückü[X.]nahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist. [X.]es Weiteren sind Art. 10 Abs. 2 und 3 sowie Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] in den Blick zu nehmen. Art. 10 [X.] 2013/32/[X.] bestimmt die Anforderungen an die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz. Auf einen solchen Antrag stellt die Asylbehörde nach Art. 10 Abs. 2 [X.] 2013/32/[X.] zuerst fest, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllt. Art. 10 Abs. 3 [X.] 2013/32/[X.] legt die dazu notwendigen verfahrensrechtlichen Standards fest. [X.]es Weiteren regelt Art. 33 Abs. 1 [X.] 2013/32/[X.], dass zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 ein Antrag nicht geprüft wird, die Mitgliedstaaten nicht prüfen müssen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/[X.] zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] kommt das in Betracht, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.

[X.]ie in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, auf eine Sachentscheidung für den Fall zu verzichten, dass ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat - für die Bundesrepublik [X.]eutschland in § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] geregelt -, könnte als Ausdruck des Grundsatzes einer einzigen inhaltlichen Prüfung eines Asylantrags in einem einzigen Mitgliedstaat der [X.] zu verstehen sein. Es stellt sich indes die weitere Frage, ob in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Gebrauchmachen von der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] geregelten Befugnis aufgrund einer andernfalls drohenden Verletzung von Art. 4 [X.] ausgeschlossen ist, eine Bindungswirkung einer mitgliedstaatlichen Anerkennungsentscheidung für alle Mitgliedstaaten eintreten kann. Zwar kann es bei konsequenter Anwendung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] eröffneten Möglichkeit schon gar nicht zu einer Sachentscheidung in einem anderen Mitgliedstaat kommen, doch ist dieser Weg in Fällen wie dem vorliegenden von vornherein verschlossen.

Vor diesem Hintergrund ist nach den Rechtsfolgen zu fragen, die der Wegfall der Befugnis zum Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [X.] 2013/32/[X.] auslöst. Generalanwalt [X.] hat dazu wörtlich ausgeführt ([X.], Schlussantrag des Generalanwalts vom 30. Septem[X.] 2021 - [X.]/20 [[X.]:[X.]:C:2021:780] - Rn. 64):

"Für den Fall, dass sich ein Mitgliedstaat mit einer Situation konfrontiert sieht, die ihn daran hindert, von der ihm in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 verliehenen Befugnis Gebrauch zu machen, hätte er den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz folglich zu prüfen und zu untersuchen, ob die internationalen Schutz beantragende Person die oben beschriebenen materiellen Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllt. [X.]er Mitgliedstaat muss den betreffenden [X.]rittstaatsangehörigen daher wie eine Person behandeln, die erstmals internationalen Schutz beantragt, unabhängig von dem Schutz, der ihm von einem anderen Mitgliedstaat [X.]eits gewährt worden ist. [X.]ie Folgen einer solchen Situation hat der [X.]sgesetzge[X.] im Rahmen des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen [X.] zweifellos bedacht [...]; soll dieser Vorschrift nicht ihre gesamte praktische Wirksamkeit genommen werden, darf der Umstand im Zusammenhang mit der vorherigen Zuerkennung des internationalen Schutzes durch einen ersten Mitgliedstaat - darauf sei a[X.]mals hingewiesen - im Rahmen der [X.] in keiner Weise [X.]ücksichtigt werden [...]."

[X.]er [X.] hält diese Auffassung, zu der sich der Gerichtshof bislang nicht geäußert hat, für ü[X.]zeugend.

Gewisse Anhaltspunkte für eine Bindungswirkung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergeben sich möglicherweise allerdings auch daraus, dass die Verneinung dieser Rechtsfolge zu einer Umgehung der speziellen Regeln für das Erlöschen, den Ausschluss und die A[X.]kennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 11, 12 und 14 [X.] 2011/95/[X.]) führen könnte. [X.]ies hat das [X.] (Kammerbeschluss vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 [[X.]:[X.]E:BVerfG:2022:rk20220330.2bvr206921] - juris Rn. 48 ff.) bezogen auf das Auslieferungsverfahren und die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 und 3 [X.] 2013/32/[X.] erwogen und die genannte Frage als bislang ungeklärt bezeichnet (vgl. nunmehr das beim Gerichtshof unter dem [X.]: [X.]/22 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des O[X.]landesgerichts Hamm). Auch in Fällen wie dem vorliegenden könnte angenommen werden, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat durch eine erneute Sachprüfung, die mit der Möglichkeit der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz verbunden ist, faktisch entwertet wird, ohne dass die Voraussetzungen der Art. 11, 12 oder 14 [X.] 2011/95/[X.] vorliegen.

Gegen eine solche Umgehungsgefahr spricht, dass es in dem hier in Rede stehenden Asylverfahren nicht um das Erlöschen oder um die A[X.]kennung des in dem ersten Mitgliedstaat zuerkannten Flüchtlingsstatus, sondern darum geht, ob ein Asylantragsteller zusätzlich zu dem ihm [X.]eits in dem ersten Mitgliedstaat zuerkannten Flüchtlingsstatus eine weitere Schutz[X.]echtigung mit den darin verbundenen Rechten in dem zweitprüfenden Mitgliedstaat erlangen kann. Anders als im Auslieferungsverfahren droht hingegen keine Verschlechterung der Rechtsposition des Asylantragstellers, der jedenfalls mit Blick auf den ihm zuerkannten subsidiären Schutz in seinem Herkunftsstaat nicht abgeschoben werden kann. Gleichwohl bestärkt die Argumentation des [X.] den [X.] darin, die vorgelegte Rechtsfrage für unionsrechtlich nicht geklärt zu halten.

(cc) [X.]ie bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs kann zur Ü[X.]zeugung des [X.]s weder in die eine noch in die andere Richtung mit Gewissheit zur Beantwortung der aufgeworfenen Bindungsfrage herangezogen werden. Namentlich der Beschluss des Gerichtshofs in der Rechtssache "[X.] u. a." ([X.], Beschluss vom 13. Novem[X.] 2019 - [X.]/17 u. a. -) verhält sich zur Art und Weise der [X.]urchführung eines neuen Asylverfahrens nicht hinreichend eindeutig.

In dem Beschluss führt der Gerichtshof ([X.], Beschluss vom 13. Novem[X.] 2019 - [X.]/17 u. a. - Rn. 42) wörtlich aus:

"Wie sich außerdem aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, bietet das [X.] Recht zwar einen gewissen Schutz für einen Antragsteller, der aufgrund der ernsthaften Gefahr, in dem Mitgliedstaat, der ihm [X.]eits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, eine gegen Art. 4 der [X.] zu erfahren, nicht dorthin zurückgeführt werden kann; es sieht jedoch ohne ein neues Asylverfahren nicht die Anerkennung dieser Eigenschaft und die Gewährung der damit verbundenen Rechte auch in [X.]eutschland vor."

Sofern der Gerichtshof einerseits von einem "neuen" Asylverfahren spricht, spricht dies für eine in jeder Hinsicht ergebnisoffene Prüfung. Andererseits stellt der Gerichtshof im weiteren Verlauf des wiedergegebenen Satzes die an die Flüchtlingseigenschaft geknüpften Rechte, das heißt die statusrechtlichen Folgen der Anerkennung, in den Vordergrund. [X.]iese Feststellung des Gerichtshofs könnte auch im Sinne einer Bindungswirkung der Flüchtlingserstanerkennung eines Mitgliedstaates durch andere Mitgliedstaaten zu verstehen sein.

Meta

1 C 26/21

07.09.2022

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend VG Aachen, 19. August 2021, Az: 1 K 2968/19.A

Art 267 AEUV, Art 78 Abs 2 Buchst a AEUV, Art 78 Abs 2 Buchst b AEUV, Art 3 Abs 1 S 2 EUV 604/2013, Art 4 Abs 1 S 2 EURL 95/2011, Art 13 EURL 95/2011, Art 10 Abs 2 EURL 32/2013, Art 10 Abs 3 EURL 32/2013, Art 33 Abs 1 EURL 32/2013, Art 33 Abs 2 Buchst a EURL 32/2013, § 3 Abs 4 Halbs 1 AsylVfG 1992, § 3 Abs 1 AsylVfG 1992, § 3 Abs 3 AsylVfG 1992, § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992, Art 4 EUGrdRCh, § 60 Abs 1 S 2 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 07.09.2022, Az. 1 C 26/21 (REWIS RS 2022, 7315)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7315

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 C 32/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH; Vorlagebeschluss zur Auslegung von Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich …


1 C 4/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Richtlinienkonformität der Erstreckung des internationalen Schutzes kraft Ableitung und maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der …


1 C 2/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH; Aussetzungs- und Vorlagebeschluss zu Rechtsfragen der Zuerkennung der Familienflüchtlingseigenschaft


1 C 8/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Internationaler Familienschutz in Deutschland auch bei Flüchtlingsstatus in einem anderen EU-Mitgliedstaat


15a K 1766/22.A (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.