Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2020, Az. XIII ZB 57/19

XIII. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11704

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:070420BXIIIZB57.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XIII ZB 57/19
vom
7. April 2020
in der [X.]sache
-
2
-
Der XIII. Zivilsenat des [X.] hat am 7. April 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, die
Richter Prof.
Dr.
[X.] und Dr.
Tolkmitt sowie die Richterin Dr.
Linder
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6.
Zivilkammer des [X.] vom 19.
November 2018 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 4. Oktober 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] -
nach eigenen Angaben syri-scher
-
Staatsangehöriger
beabsichtigte am 24. Juli 2018 aus [X.] kommend über den [X.] ohne gültige Ausweispapiere in das [X.] einzureisen. Die beteiligte Behörde verweigerte ihm mit Bescheid vom 25.
Juli 2018 gemäß Art. 14 Schengener Grenzkodex in Verbindung mit 1
-
3
-
§
15
[X.] die Einreise. Einen
am selben Tag gestellten
Antrag der beteilig-ten Behörde auf vorläufige Anordnung von [X.] lehnte das [X.] ab, nachdem der Betroffene im
Verlauf seiner persönlichen Anhörung erklärt hatte, Asyl beantragen zu wollen. Nach erneuter Befragung zu den Beweggründen seiner Einreise gelangte die beteiligte Behörde zu der [X.], dass kein Asylgesuch des Betroffenen
vorliege. Auf ihren Antrag vom 26.
Juli 2018 ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag im Wege einer einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum 27.
Juli 2018 an. Eine
für den 26. Juli 2018 geplante Zurückweisung schei-terte, da der Betroffene auf dem Weg zum Flugzeug seinen Kopf gegen einen Türrahmen stieß und sich anschließend zu Boden fallen ließ. In der Folge [X.] das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 27. Juli 2018 Haft zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen bis zum 23. August 2018 an. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 14. August 2018 ver-längerte das Amtsgericht die [X.] bis zum 4. Oktober 2018.
Am 24.
August 2018 stellte der Betroffene aus der Haft und unter Verwendung ei-nes Aliasnamens
einen Asylantrag, der am 26. September 2018, nachdem er
auf Hinweis der beteiligten Behörde dem Betroffenen hatte zugeordnet werden können,
als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen wurde. Die beteiligte Behörde verweigerte dem Betroffenen daraufhin mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 erneut die Einreise.
Mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 hat das Amtsgericht auf den weite-ren Antrag der beteiligten Behörde die Verlängerung der [X.] bis zum 15. November 2018 angeordnet. Auf Antrag des Betroffenen verpflich-tete das [X.] mit Beschluss vom 15. Oktober 2018 die [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Be-troffenen die Einreise zu gestatten.
Vor diesem Hintergrund
hat
das Landgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Haftverlängerung im Beschluss vom 4. Oktober 2018
aufgeho-ben
und die unverzügliche Freilassung des Betroffenen
verfügt.
Den Antrag des
2
-
4
-
Betroffenen festzustellen, dass ihn der Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Ok-tober 2018 in seinen Rechten verletzt hat, hat
das Landgericht mit Beschluss vom 19.
November 2019 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Die Haftanordnung des Amts-gerichts hat den Betroffenen
-
entgegen der
Auffassung des Beschwerdege-richts
-
in seinen
Rechten verletzt.
1.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen -
und soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Belang
-
ausgeführt: Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 2. Oktober 2018 sei zulässig gewesen, weil er umfassende und ausreichende Angaben zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung und ihrer erforderlichen Dauer enthalten
habe. Die Anordnung der Haft sei auch in der Sache zu Recht ergangen. Die Voraussetzungen für die Verlängerung der [X.] hätten vorgele-gen. Insbesondere habe der Asylantrag des Betroffenen vom 24. August 2018 der Anordnung von [X.] nicht entgegengestanden. Von den [X.] sei nur das Vorliegen einer
Zurückweisungsentscheidung und nicht deren Rechtmäßigkeit zu prüfen. Überdies sei die Zurückweisungsent-scheidung der beteiligten Behörde auch nicht evident rechtswidrig gewesen. Ein [X.] sei erstmals mit Übermittlung des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts München vom 15. Oktober 2018 dargelegt worden. Eine vorherige Erkundigungs-
und Prüfungspflicht hinsichtlich des Ausgangs dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens habe nicht bestanden.
2.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Haftantrag war unzulässig.
3
4
5
-
5
-
a)
Die Anordnung von [X.] ist nach § 15 Abs. 5 Satz
1, §
106 Abs. 2 [X.] nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht ([X.], Beschlüsse vom 20. September 2017 -
V
ZB 118/17, NVwZ 2018, 349 Rn. 6, und
vom 12. April 2018 -
V [X.], [X.] 2018, 335 Rn. 6). Wird von der beteiligten Behörde für die Or-ganisation der Rückführung des Betroffenen mit Sicherheitsbegleitung ein län-gerer Zeitraum als sechs Wochen für erforderlich gehalten, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die den benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt,
etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage sowie zur Anzahl erforderlicher Begleitpersonen und zur insoweit bestehenden Personalsituation (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. September 2018 -
V [X.], [X.] 2019, 23 Rn.
11,
vom 4. Juli 2019 -
V [X.]/18,
juris Rn. 8, und vom 12. Februar 2020 -
XIII
ZB 16/19, juris Rn. 10).
b)
Diesen Maßstäben
genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht. Soweit diese
zur Begründung der erforderlichen Haftdauer lediglich [X.] darauf verweist, dass
die Rückführung des Betroffenen
bis zum bereits verlängerten Haftende
am 4. Oktober 2018 nicht möglich sei, aufgrund bun-desweit erhöhter Rückführungsmaßnahmen "teilweise" Personenbegleiter und Flugkapazitäten nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stünden, die "einzelnen Luftverkehrsgesellschaften"
[X.] von drei bis fünf rückzu-führenden Ausländern festgelegt hätten
und deshalb die Organisation der Rück-führung nach der innerhalb von etwa
drei Wochen zu erwartenden [X.] des [X.] weitere drei Wochen erfordern werde, handelt es sich um allgemeine Ausführungen, die den erforderlichen
Bezug zum konkreten Fall nicht erkennen lassen. Zudem bleibt unklar, welche Schritte zur Rückführung die Behörde während der bereits mehr als zweimonatigen Haftdauer unternommen hat, um die Rückführung unter Be-achtung des Beschleunigungsgebots schnellstmöglich durchzuführen.
6
7
-
6
-
c)
Dieser Fehler ist nicht geheilt worden (vgl. zur Heilungsmöglichkeit [X.], Beschluss vom 16. Juli 2014 -
V [X.], juris Rn. 21 ff.). Die beteiligte Behörde hat ihre Ausführungen zu der erforderlichen Dauer der Freiheitsentzie-hung nicht ergänzt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs.
1 Satz
1 und
2, §
83 Abs.
2 FamFG. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
36 Abs.
2 und
3 GNotKG.
Meier-Beck
Schmidt-Räntsch
[X.]

Tolkmitt
Linder

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.10.2018 -
1 [X.] (B) -

LG Landshut, Entscheidung vom 19.11.2018 -
65 [X.] -

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9

Meta

XIII ZB 57/19

07.04.2020

Bundesgerichtshof XIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2020, Az. XIII ZB 57/19 (REWIS RS 2020, 11704)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11704

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V ZB 162/17

V ZB 4/17

V ZB 80/13

65 T 2894/18

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