Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2020, Az. XIII ZB 38/19

XIII. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11855

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2020:120220BXIIIZB38.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XIII ZB 38/19
vom
12. Februar 2020
in der [X.]sache

-
2
-
Der XIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 12.
Februar
2020
durch den Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
Meier-Beck,
die [X.]in
Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, den [X.] Prof.
Dr.
[X.], die [X.]innen Dr.
Picker und Dr.
Rombach
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 14.
August 2018

21
T
1158/18
-
aufgehoben.
Es
wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom
16.
Juli 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

-
3
-
Gründe:
I.
Dem Betroffenen, einem pakistanischen
Staatsangehörigen, [X.] nach einem erfolglosen Asylverfahren am 14.
Juni 2017
die Abschiebung angedroht. Nach der [X.]ehnung des Asylantrags reiste der Betroffene nach [X.]. Die [X.] Behörden stellten an [X.] einen Antrag auf Über-nahme des Betroffenen, dem entsprochen wurde.
Der Betroffene reiste

ohne Information der [X.] und [X.] Ausländerbehörden

daraufhin wieder nach [X.]. Im Rahmen einer Einreisekontrolle
wurde er
durch Beamte der Bundespolizei
am Hauptbahnhof Salzburg im Zug Richtung Mün-chen
am 18.
Februar 2018
in Gewahrsam genommen. Der Betroffene konnte keine Ausweisdokumente vorweisen.
Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion
F.

ordnete das
Amts-
gericht Laufen am 19.
Februar 2018 eine Freiheitsentziehung zur Sicherung der Zurückweisung bis längstens 14.
Mai 2018 an.
Auf entsprechende An-träge
ordnete das Amtsgericht [X.] mit Beschlüssen vom 14.
Mai 2018 und 11.
Juni 2018 die weitere Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis einschließlich 11.
Juni 2018 bzw. 16.
Juli 2018 an. Am 16.
Juli 2018 hat das Amtsgericht [X.]
aufgrund des Antrags vom 12.
Juli 2018
die Siche-rungshaft bis zum 13.
August 2018 verlängert. Am 2.
August 2018 wurde
der Betroffene nach [X.] zurückgeführt.
Das [X.] hat die gegen
den Beschluss vom 16.
Juli
2018
auf die Feststellung seiner Rechtsverletzung
gerichtete Beschwerde mit [X.] vom 14.
August 2018
zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass er durch die Haftanord-nung in seinen Rechten verletzt worden ist.
1
2
3
-
4
-
II.
Nach Auffassung des [X.] liegt der Haftanordnung ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Die Behörde habe insbesondere im [X.] nachvollziehbar und schlüssig begründet, warum
ein Zeitansatz von insge-samt 25
Wochen zur Organisation der Zurückweisung erforderlich sei.
III.
Die mit dem Feststellungsantrag analog §
62 FamFG statthafte (§
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbe-schwerde ist begründet.
1.
Der Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen [X.] fehlte.
a)
Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist

wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht

eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts we-gen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Auch die Anordnung von [X.] ist nach §
15 Abs.
5 Satz
1, §
106 Abs.
2 [X.] nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in §
417 Abs.
2 Satz
2 FamFG bestimmten
gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht ([X.],
Beschluss vom 20.
September 2017

V
ZB
118/17, NVwZ
2018, 349 Rn.
6;
Beschluss vom 12.
April 2018

V
ZB
162/17, juris Rn.
6). Erforderlich sind bei der [X.] Darlegungen dazu, dass dem Betroffenen die Einreise verweigert worden ist,
und dass und aus welchen Gründen er nicht unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden kann, sowie Darlegungen zur Durch-führbarkeit der Zurückweisung in den beabsichtigten Zielstaat und zur notwen-digen Haftdauer. Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die bean-4
5
6
7
-
5
-
tragte [X.] nicht angeordnet werden ([X.], Beschluss vom
20.
September 2017
V
ZB
118/17, InfAuslR
2018, 96 Rn.
6 mwN).
b)
Entgegen der Ansicht des [X.] genügte der An-trag
auf Verlängerung der Haft
vom 12.
Juli 2018 diesen Anforderungen nicht.
aa)
Die Verlängerung der Haft um vier Wochen, welche zu einer Gesamtdauer der Haft von insgesamt 25
Wochen führt, wird im Antrag damit begründet,
dass
die Zurückweisung nach dem Abkommen zwischen der [X.] und der Islamischen Republik [X.] über die Rückübernahme von Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung (vgl. Beschluss 2010/649/[X.], [X.]. L
287 vom 4.
November 2015, 50, nachfolgend: [X.] Rückführungsübereinkommen) durchgeführt werde. Der Zeitan-satz von 25
Wochen setze sich zusammen
aus einer
Woche Bearbeitungszeit
für das Erstellen und Versenden der Unterlagen zur [X.], einer
Woche Bearbeitungszeit
für die Überprüfung der Unterlagen auf Vollständigkeit und Übergabe des Antrags auf [X.] an die Botschaft sowie zwölf
Wochen Bearbeitungszeit durch die pakistanischen Behörden für Prüfung und Passersatzausstellung sowie neun
Wochen für die Identifizierung der Person durch die zuständige
pakistanische Botschaft in [X.] sowie zwei Wochen Bearbeitungszeit nach Eingang der Mitteilung, dass ein Passersatz ausgestellt werde, für die Organisation einer unbegleiteten Rückführung, Flugbuchung und tatsächlicher Rückführung.
bb)
Diese Angaben sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§
62 Abs.
1 Satz
2
[X.], näher [X.], Beschluss vom 10.
Mai 2012 -
V
ZB
246/11, FGPrax
2012, 225 Rn.
10). Besteht mit dem Zielstaat, in den der Betroffene 8
9
10
-
6
-
abgeschoben werden soll, ein Rückübernahmeabkommen, sind die nach [X.] durchzuführenden entscheidenden Schritte im Haftantrag darzustellen ([X.],
Beschluss vom 27.
September 2017

V
ZB
29/17, juris Rn.
6). Zu be-rücksichtigen und darzustellen ist auch die Verwaltungspraxis der Behörden des um die Aufnahme-
oder Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaats, selbst wenn diese den Vorgaben des Rückübernahmeabkommens widerspricht, weil der ersuchende Staat keine Möglichkeit hat, die für die Überstellung des Be-troffenen erforderliche Mitwirkung des ersuchten Staates zu erzwingen (vgl. [X.], Beschluss vom 31.
Januar 2013

V
ZB
20/12, juris Rn.
21). Art.
6 Abs.
4
des europäisch-pakistanischen Rückübernahmeübereinkommens sieht vor, dass für den Fall, dass

wie hier

keines der in Anhang
I oder Anhang
II aufge-führten Dokumente vorgelegt werden kann, die zuständigen Behörden des [X.] und die diplomatischen und konsularischen Vertretungen des ersuchten Staates auf Ersuchen Vorkehrungen treffen, um die Person, um deren Rückübername ersucht wird, unverzüglich zu befragen. Zu diesem mögli-chen Verfahrensschritt verhält sich der Haftantrag jedoch nicht. Selbst wenn die Behörde nicht vorhatte, ein entsprechendes Ersuchen zu stellen, weil dieses Vorgehen nicht der Verwaltungspraxis des ersuchten Staates entsprach oder ein solches Vorgehen nicht erfolgsversprechend war, wäre jedenfalls dies [X.] und zu erläutern gewesen. Ohne solche Angaben ist es dem [X.] und dem Betroffenen nicht möglich, die Rechtmäßigkeit der beantragten Haft, insbesondere die notwendige Haftdauer (§
62 Abs.
1 Satz
2 [X.]), zu [X.] ([X.], Beschluss vom 27.
September 2017

V
ZB
29/17
Rn.
8, juris).
cc)
Den sich aus dem Vorstehenden ergebenden Begründungsanfor-derungen entsprach der Haftantrag auch deshalb nicht, da er keine Angabe dazu enthielt, wann das Rückübernahmeersuchen bei der Botschaft [X.]s 11
-
7
-
in [X.] tatsächlich eingegangen war. Denn erst die Kenntnis des [X.] versetzte den Haftrichter in die Lage, den Beginn
der mit insgesamt 21
Wochen angegebenen
benötigten
Bearbeitungszeit durch die pakistanischen Behörden
zu bestimmen. Zwar wurde im Haftantrag die für die Prüfung und Übergabe der
Unterlagen für das Rückübernahmeersuchen erforderliche Zeit mit insgesamt 2
Wochen angegeben. Während dies
im
ersten Haftantrag vom 19.
Februar 2018
im Rahmen einer
notwendigerweise anzustellenden
Prognose
nicht zu beanstanden war, da der genaue Zeitpunkt des Zugangs des Rück-übernahmeersuchens zu diesem Zeitpunkt
nicht bekannt
war (vgl. [X.], [X.] vom 12.
April 2018
V
ZB
162/17, juris Rn.
7
f.),
konnte und musste für den Antrag auf Verlängerung der Haft der tatsächliche Zugang des Übernah-meersuchens angegeben werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn

wie hier

sich bereits aus dem Haftantrag ergibt, dass das Übernahmeersuchen bereits zugegangen ist.
Dass die Abweichung zwischen dem prognostizierten und tat-sächlichen Zugangsdatum beträchtlich sein kann, zeigt sich darin, dass hier das Übernahmeersuchen nach den Angaben in der Rechtsbeschwerdeerwiderung bereits am 21.
Februar 2018 und damit zwei Tage nach [X.]tellung vor-lag.
2.
Die Fehler sind
nicht geheilt worden.
a)
Mängel des [X.] können behoben werden, indem die Be-hörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Zurückweisung
des [X.] und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Juli 2014
V
ZB
80/13, InfAuslR
2014, 384 12
13
-
8
-
Rn.
21
ff.; Beschluss vom
7.
März 2019
V
ZB
130/17, juris Rn.
9). Zwingende weitere
Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Be-troffene zu
den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 20.
September 2018

V
ZB
4/17, InfAuslR
2019, 23 Rn.
14;
Beschluss vom 7.
März 2019

V
ZB
130/17, juris Rn.
9).
b)
Im Beschwerdeverfahren wurden weder die Angaben im [X.] ergänzt noch wurde der Betroffene persönlich angehört.
c)
Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im Nachhinein als rechtmäßig dar, weil die Zurückweisung
des Betroffenen [X.] beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Zwar wirken sich [X.] des Gerichts nicht aus, wenn es in der ange-ordneten Haftzeit zu der Zurückweisung
kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Januar 2011
V
ZB
226/10, FGPrax
2011, 144 Rn.
19; [X.], Beschluss vom 16.
Juli 2014
V
ZB
8/13, juris Rn.
26). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des [X.] übertragen
werden ([X.], Beschluss vom 16.
Juli 2014 -
V
ZB
8/13,
14
15
-
9
-
juris Rn.
26). Die Ordnungsmäßigkeit des [X.] ist eine Verfahrensgaran-tie, deren Beachtung von Art.
104 Abs.
1 Satz
1 GG gefordert ist (vgl. [X.],
Beschluss vom 2.
Oktober 2011
V
ZB
311/10, FGPrax
2012, 82 Rn.
11;
Beschluss vom 19.
Januar 2012

V
ZB
70/11, juris Rn.
8; Beschluss vom
17.
Oktober 2013
V
ZB
162/12, InfAuslR
2014, 51 Rn.
9).

Meier-Beck

Schmidt-Räntsch

[X.]

Picker

Rombach
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.07.2018 -
7 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 14.08.2018 -
21 T 1158/18 -

Meta

XIII ZB 38/19

12.02.2020

Bundesgerichtshof XIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2020, Az. XIII ZB 38/19 (REWIS RS 2020, 11855)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11855

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 160/17 (Bundesgerichtshof)


31 T 997/18 (LG Ingolstadt)

Anordnung der Haft


22 T 903/18 (LG Ingolstadt)

Anordnungen sowie die Verlängerung der Zurückweisungshaft eines pakistanischen Staatsangehörigen


V ZB 92/16 (Bundesgerichtshof)


V ZB 28/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.