Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2023, Az. 30 W (pat) 802/22

30. Senat | REWIS RS 2023, 10118

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Tenor

In der [X.]

betreffend das eingetragene Design 40 2018 101 022 - 0001

([X.] N 11/20)

(hier: Beschwerde gegen den [X.] vom 15. Juni 2022)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 19. Oktober 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

I. [X.] wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
III. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des eingetragenen Designs 40 2018 101 022 – 0001 mit dem Anmeldetag 10. Oktober 2018 und dem [X.] 2019. Als Erzeugnisangabe ist „Sitzmöbel, Tische, [X.]“ erfasst. Das Design ist im Register mit folgenden acht Darstellungen wiedergegeben:

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2

Gegen dieses Design hat die Antragstellerin mit [X.] vom 12. Mai 2020 Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gestellt, weil es dem angegriffenen Design u.a. im Hinblick auf die von ihr bereits vor Anmeldung des angegriffenen Designs im Geschäftsverkehr benutzte und nachfolgend abgebildete Schließfachschrank-Sitzbank

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3

an Neuheit und Eigenart fehle (§ 2 [X.]).

4

Die Designabteilung 3.5 des [X.] hat nach Durchführung des [X.], bei dem auf Seiten der Antragsgegnerin bis auf den Widerspruch vom 8. Juni 2020 ([X.], [X.]. 49/50 der [X.]) sämtliche Schriftsätze und dabei insbesondere auch die mit [X.] vom 6. August 2020 ([X.], [X.]. 55 ff. der [X.]) erfolgte Widerspruchsbegründung von einem Rechts- wie auch einem Patentanwalt unterzeichnet wurden, mit Beschluss vom 5. Mai 2021 den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Designs zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt.

5

Der zulässige Nichtigkeitsantrag sei unbegründet, da das angegriffene Design über die erforderliche Eigenart iS von § 2 Abs. 3 [X.] verfüge. Dazu hat die Designabteilung u.a. ausgeführt, dass der bei der Beurteilung der Eigenart zu berücksichtigende Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs technisch-funktional insoweit eingeschränkt gewesen sei, als ein designgemäßes Erzeugnis eine Sitzgelegenheit bieten und die einzelnen Segmente eine angemessene und nachgefragte Schließfachgröße aufweisen sollten. Dies habe zur Folge, dass die der Funktion eines designgemäßen Erzeugnisses als Sitzbank und Schließfach dienenden Übereinstimmungen der Vergleichsdesigns in der rechteckigen Grundform sowie in der einreihigen Anordnung der ([X.] ein geringeres Gewicht zukomme. Angesichts dessen gewinne für den Vergleich im Gesamteindruck an Bedeutung, dass die Entgegenhaltung im Gegensatz zum angegriffenen Design einen Sockel habe, über keine Rundung an den langen Seitenkanten der Abdeckplatte verfüge und ihre ([X.] zum Boden etwa dreimal so viel Abstand hätten wie zur Abdeckplatte. Dies führe zu einem unterschiedlichen und die Eigenart des angegriffenen Designs begründenden Gesamteindruck.

6

Der Beschluss ist rechtskräftig.

7

Mit einem am 3. September 2021 beim [X.] eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag hat die Antragsgegnerin beantragt, zu ihren Gunsten die von der Antragstellerin für das patentamtliche [X.] zu erstattenden Kosten in Höhe von 3.365,40 € festzusetzen. Die Antragstellerin machte hierbei neben den Rechtsanwaltskosten auch die Kosten für den mitwirkenden Patentanwalt geltend. Ferner hat sie gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO beantragt, eine Verzinsung dieses Betrages ab Antragstellung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auszusprechen.

8

Der von der Antragsgegnerin beantragte Erstattungsbetrag errechnet sich auf der Grundlage eines von der Designabteilung mit Beschluss vom 16. November 2021 festgesetzten [X.] von 50.000,- € aus einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr nach [X.] Nr. 3100 VV [X.] gemäß der ab dem 01. Januar 2021 geltenden Gebührentabelle [X.] sowohl für den Rechtsanwalt als auch den Patentanwalt in Höhe von jeweils 1662,70 € sowie zwei [X.] nach Nr. 7002 VV [X.] von jeweils 20,- pro Anwalt.

9

Die Kostenbeamtin hat mit Verfügung vom 7. April 2022 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, nur die Kosten des Rechtsanwalts zu berücksichtigen und dabei statt der beantragten 1,3-fachen Verfahrensgebühr nach [X.] Nr.3100 VV[X.] eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Gebührentatbestand Nr.2300 VV[X.] anzusetzen, da es sich um ein Verwaltungsverfahren handele. Ferner sei die bis zum 31. Dezember 2020 geltende Gebührentabelle [X.] maßgebend, da die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits im Juni 2020 und damit vor Inkrafttreten der aktuellen Gebührentabelle [X.] am 1. Januar 2021 beauftragt worden seien.

Die Antragsgegnerin hat dazu geltend gemacht, dass die Kosten für den Patentanwalt im Hinblick auf § 52 Abs. 4 [X.] ohne Prüfung der Erforderlichkeit der Mitwirkung festzusetzen seien. Ungeachtet dessen sei die Mitwirkung des Patentanwalts auch erforderlich gewesen.

Die Kostenbeamtin der Designabteilung des [X.] hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Kostenfestsetzungsantrags als erstattungsfähige Kosten eine 1,3- Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV [X.] gemäß der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Gebührentabelle [X.] für einen Rechtsanwalt (1.511,90 €) nebst der Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV [X.] in Höhe von 20,- € anerkannt und Kosten in Höhe von insgesamt 1.531,90 € festgesetzt. Ferner hat sie die Verzinsung des zugesprochenen Betrages mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3. September 2021, also ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags beim [X.] ausgesprochen.

Nicht anerkannt worden sind die geltend gemachten Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwalts, da die parallele Beauftragung eines Rechtsanwalts und eines Patentanwalts (sog. „Doppelvertretung“) nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig iS von § 34a Abs. 5 Satz 1 [X.] i.V.m. §§ 62 Abs. 2, 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden könne.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass bei dem allein auf die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit/Eigenart, nicht jedoch der technischen Bedingtheit gestützten Nichtigkeitsantrag keine schwierigen naturwissenschaftlich-technischen Fragen zu erörtern gewesen seien, die die Sachkunde eines Patentanwalts erfordert hätten. Dementsprechend sei auch seitens der Designabteilung kein technischer Sachverständiger hinzugezogen worden.

Die von der Antragsgegnerin zusätzlich vorgetragenen Umstände (umfangreiche Erfahrung des Patentanwaltes bei der Formulierung geometrischer Eigenschaften; Ausarbeitung einer Erwiderung auf den Vortrag der Antragstellerin zur angeblich fehlenden Eigenart des angegriffenen Designs aufgrund technisch-funktional bedingter Merkmale durch den Patentanwalt sowie die Abrechnung der Leistungen des Patentanwaltes gegenüber der Nichtigkeitsantragsgegnerin usw.) reichten dagegen nicht aus, um die Sachdienlichkeit einer Doppelvertretung bejahen zu können.

Es sei auch nicht ersichtlich, dass das verfahrensgegenständliche Design zeitgleich Gegenstand eines [X.]s zwischen den Beteiligten gewesen sei, so dass nur die Kosten des Rechtsanwalts berücksichtigt werden könnten.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Nichtberücksichtigung der Kosten für einen Patentanwalt. Sie macht weiterhin geltend, dass die parallele Beauftragung eines Rechtsanwalts und eines Patentanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei, daher auch die Kosten des Patentanwalts erstattungsfähig seien. Denn im Rahmen des auf mangelnde Neuheit und fehlende Eigenart gestützten Nichtigkeitsantrags sei wiederholt diskutiert worden, ob wesentliche Merkmale des [X.]s technisch-funktional bedingt und daher bei der Bewertung der Neuheit und Eigenart des Designs nicht zu berücksichtigen seien. Dieser Frage sei auch im Beschluss der Designabteilung eine maßgebende Bedeutung beigemessen worden. Vor diesem Hintergrund sei dann aber die Mitwirkung eines Patentanwalts erforderlich gewesen. Insbesondere zur Beurteilung der Merkmale des Schließfachmoduls, welches abgesehen von seinem besonderen Design ein konstruktives Gebilde darstelle und entsprechend unter Beachtung technischer Erfordernisse hergestellt werde, sei im Hinblick auf deren technische Bedingtheit ein technisches Verständnis des geschützten Gegenstandes erforderlich, welches das Können eines Rechtsanwalts überschreite. Zudem habe Patentanwalt [X.] im vorliegenden Verfahren die Recherche zum Registerstand der von der Nichtigkeitsantragstellerin als Anlage 3 im Verfahren angeführten eingetragenen Designs 40 2011 006 090 -0006 und -0009 durchgeführt.

Entgegen den Ausführungen der Kostenbeamtin in dem angefochtenen Beschluss sei zudem ein paralleles [X.] mit dem Aktenzeichen 38 O 6/20 am [X.] anhängig, zu dem die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren als Anlage [X.] die Klage an das [X.] eingereicht habe und welches zudem umfangreich im vorliegenden [X.] thematisiert worden sei.

Erstattungsfähig seien daher eine (weitere) 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr.2300 VV [X.] für den mitwirkenden Patentanwalt in Höhe von 1.511,90 € (gemäß der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Gebührentabelle), so dass zuzüglich des bereits festgesetzten Betrages in Höhe von 1.531,90 € insgesamt 3.043,90 € zu Lasten der Antragstellerin festzusetzen seien.

Die Antragsgegnerin beantragt mit [X.] vom 1. Juli 2022,

- den Beschluss der Designabteilung vom 15. Juni 2022 abzuändern und die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 3.043,90 festzusetzen,
- die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen
- die Beschwerdegebühr zu erstatten.

Die Antragstellerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat den Verfahrensbeteiligten unter gleichzeitiger Übersendung des [X.]es der Antragstellerin vom 13. Mai 2022 an die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 4. September 2023 mitgeteilt, dass Termin zur Beratung und Entscheidung auf den 19. Oktober 2023 bestimmt worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] (in Verbindung mit34a Abs. 5 Satz 1 [X.]) eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat die Kostenbeamtin der Designabteilung nur die Kosten des mandatierten Rechtsanwalts als erstattungsfähig anerkannt, nicht jedoch die Kosten für den ebenfalls beauftragten Patentanwalt.

A. Eine Erstattung der [X.] sowohl für einen beauftragten Rechts- als auch Patentanwalt („Doppelvertretungskosten“) kann entgegen der von der Antragsgegnerin vor der Designabteilung geäußerten Auffassung nicht auf der Grundlage des § 52 Abs. 4 [X.] geltend gemacht werden.

1. § 52 Abs. 4 [X.] regelt die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer „Designstreitsache“ entstehen. Bei dem vorliegenden [X.] nach § 34a [X.] handelt es sich jedoch nicht um eine „Designstreitsache“, da zu diesen nach § 52 Abs. 1 [X.] nur Klageverfahren vor den ordentlichen Gerichten gehören.

2. § 52 Abs. 4 [X.] ist im [X.] nach § 34a [X.] – ebensowenig wie § 140 Abs. 4 [X.] (§ 140 Abs. 3 a.F.) im patentamtlichen Verfallsverfahren nach §§ 49, 53 [X.] sowie im [X.] nach §§ 50, 53 [X.] sowie § 143 Abs. 3 [X.] bei der [X.] nach § 81 [X.] - auch nicht analog anwendbar, da es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch im Hinblick darauf, dass § 52 Abs. 4 [X.] ebenso wie § 140 Abs. 4 [X.] dem Anwaltszwang gemäß § 78 ZPO Rechnung trägt an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt (vgl. [X.], 427 Rn -. 21, 22 – Doppelvertretung im [X.] - zur parallelen Vorschrift des § 143 Abs. 3 [X.] sowie B[X.] 28 W (pat) 95/10 v.28.04.2011 und 24 W (pat) 49/14 24 W (pat) 49/14 vom19.10.2016zu § 140 Abs. 4 [X.]).24 W (pat) 49/14 vom19.10.2016zu § 140 Abs. 4 [X.]).

3. Zudem hat der [X.] im [X.] an die auf ein Vorabentscheidungsersuchen (GRUR 2020, 1239 – Kosten des Patentanwalts VI) ergangene Entscheidung des [X.] GRUR 2022, 853 – [X.] - festgestellt, dass abweichend von der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Kostender Mitwirkung eines Patentanwalts nach § 140 Abs. 4 [X.] (§ 140 Abs. 3 Marken a.F.) ohne Prüfung der Notwendigkeit der Mitwirkung erstattungsfähig sind und es insbesondere auch nicht darauf ankommt, ob der Patentanwalt gegenüber dem Rechtsanwalt eine „Mehrleistung“ erbracht hat (vgl. [X.] [X.], 756 Rn. 20 – Kosten des Patentanwalts III; [X.], 759 Rn. 11 – Kosten des Patentanwalts IV); [X.], 93 Rn. 10 – Kosten des Patentanwalts V), § 140 Abs. 4 [X.] (§ 140 Abs. 3 [X.] a.F.), mit [X.]ick auf Art. 3 und Art. 14 [X.] 2004/48/[X.] richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind ([X.] GRUR 2023, 446 – Kosten des Patentanwalts VII), was auch für § 52 Abs. 4 [X.] gilt.

B. Im [X.] richtet sich die Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten demnach allein nach § 34a Abs. 5 Satz 1 [X.] i.V.m. §§ 62 Abs. 2, 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Zu erstatten sind danach die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Kosten.

1. Insoweit kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (Hüßtege: in [X.]/[X.], ZPO, 34. Auflage, §[X.]. 9). Die Parteien trifft dabei im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit ihrer Prozessführungskosten die Obliegenheit, diese möglichst niedrig zu halten. Deshalb können bei Inanspruchnahme mehrerer Anwälte grundsätzlich nur die Kosten eines Anwalts als erstattungsfähig angesehen werden (vgl. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, sowie Hüßtege: in [X.]/[X.], ZPO, 34. Auflage, §[X.].24; [X.], NJW 1990,3073).

a. Grundsätzlich sind daher in Verfahren vor dem [X.] entweder die Kosten eines Patentanwalts oder die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig. Die Beteiligten haben dabei die Wahl, ob sie sich von einem Patent- oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen (vgl. dazu für das markenrechtliche Löschungsverfahren vor dem [X.] B[X.]28 W (pat) 95/10,BeckRS 2011,16). So hat auch der Gesetzgeber in den für [X.] vor den Landgerichten geltenden Regelungen der §§ 140 Abs. 4 [X.], 52 Abs. 4 [X.] zum Ausdruck gebracht, dass er von einer besonderen Sachkunde des Patentanwalts nicht nur in patent- und gebrauchsmusterrechtlichen Streitigkeiten, sondern auch im Kennzeichenrecht und Designrecht ausgeht (vgl. zum Kennzeichenrecht [X.] GRUR 2011, 754 Nr. 26 – Kosten des Patentanwalts II).

b. Findet in diesen Verfahren sowohl eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt als auch einen Patentanwalt statt, sei es in Form einer sog. „Mitwirkung“ oder auch – wie vorliegend - durch gleichzeitige Mandatserteilung gegenüber einem Rechts- als auch einem Patentanwalt, hängt die Frage der Erstattungsfähigkeit der sog. Doppelvertretungskosten“ für einen Rechts- und Patentanwalt nach § 91 Abs. 1 ZPO– ebenso wie nunmehr nach [X.] GRUR 2023, 446 – Kosten des Patentanwalts VII bei den (allein) die Erstattungsfähigkeit von [X.] in [X.] betreffenden Vorschriften der §§ 140 Abs. 4 [X.], 143 Abs. 3 [X.] und § 52 Abs. 4 [X.] - davon ab, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt und durch einen Patentanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war (vgl.B[X.] 24 W (pat) 49/14 24 W (pat) 49/14 vom 19.10.2016), d.h. wenn aus Sicht eines verständigen und 24 W (pat) 49/14 vom 19.10.2016), d.h. wenn aus Sicht eines verständigen und wirtschaftlich vernünftig handelnden Beteiligten sowohl die Hinzuziehung bzw. Mitwirkung eines Patentanwalts neben einem beauftragten Rechtsanwalt als auch „umgekehrt“ die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt als erforderlich und sachgerecht angesehen werden darf.

Dabei ist es Sache des Anspruchstellers, die Umstände darzulegen und nachzuweisen, die es erforderlich machten, sowohl einen Rechts- als auch einen Patentanwalt zu beauftragen.

2. Ausgehend davon kann vorliegend die Tätigkeit des beauftragten Patentanwalts neben dem beauftragten Rechtsanwalt nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erachtet werden, so dass hier nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig sind.

a. Grundsätzlich ist bei der Prüfung, ob eine Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i. S. v.§ 91 Abs. 1 ZPO ist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen wäre, in keinem Verhältnis zu den Nachteilen stünde, die sich einstellen würden, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten Maßnahme zu erstatten sind ([X.],427, Rn. 24 - Doppelvertretung im [X.]; [X.] GRUR 2011,754, Rn. 32 - Kosten des Patentanwalts II).

Eine solche typisierende Betrachtungsweise kommt dann in Betracht, wenn bestimmte Umstände typischerweise den Schluss zulassen, dass eine bestimmte Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war ([X.],427, Rn. 25 - Doppelvertretung im [X.]).

b. Insoweit ist von Bedeutung, dass es in [X.] vor den Landgerichten wie auch im patentamtlichen [X.] nach § 34a [X.] ebenso wie in [X.] bzw. im patentamtlichen markenrechtlichen Verfalls- und [X.] nach §§ 49, 50, 51, 53 [X.] grundsätzlich nicht um naturwissenschaftliche oder technische Sachverhalte und die sich daraus ergebenden Rechtsfragen geht, die es regelmäßig nahelegen, neben einem Rechtsanwalt auch noch einen Patentanwalt einzuschalten. Ein eingetragenes Design dient dem Schutz der Erscheinungsform eines Erzeugnisses iS von § 1 Nr. 1, 2 [X.], dessen Schutzvoraussetzungen im Wesentlichen von Neuheit und Eigenart gegenüber dem vorbekannten [X.] abhängen (§ 2 Abs. 1 [X.]). Der Ermittlung der Eigenart eines Designs iS von § 2 [X.] liegt dabei ein Formenvergleich mit dem der Öffentlichkeit bekannten bzw. zugänglich gemachten Formenschatz im Wege eines [X.] zugrunde. Dabei finden nur die äußerlichen Erscheinungsmerkmale Eingang in die Gegenüberstellung der Erscheinungsformen des älteren Designs und des eingetragenen Designs, nicht auch der Verwendungszweck (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Designgesetz 7. Aufl., § 2 Rdnr. 5).

Vor diesem Hintergrund kann allein die Übernahme von typischerweise (auch) in das Arbeits- und Tätigkeitsgebiet eines Patentanwalts fallenden Aufgaben wie die Durchführung einer Recherche zum vorbekannten Formenschatz oder zu in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen - wie zB zu den in Anlage 3 zum Nichtigkeitsantrag benannten eingetragenen Designs 40 2011 006 090 - 0006 und – 0009 -, die Ermittlung und schriftliche Wiedergabe der wesentlichen Merkmale eines Designs einschließlich seiner geometrischen Eigenschaften und Ausgestaltung sowie der zur Ermittlung von Neuheit und Eigenart erforderliche Vergleich mit dem [X.] Formenschatz nicht die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Patentanwalts begründen. Denn sowohl die Beschreibung der Merkmale eines Designs, die schriftliche Formulierung geometrischer Eigenschaften und die Ermittlung vergleichbarer vorveröffentlichter Formen als auch der zur Ermittlung von Neuheit und Eigenart des Designs erforderliche Vergleich des ermittelten Formenschatzes mit dem angegriffenen Design befassen sich im Wesentlichen mit den äußerlichen Erscheinungsmerkmalen der Erscheinungsformen der miteinander zu vergleichenden Designs. Solange in diesem Zusammenhang keine spezifisch naturwissenschaftlichen und/oder technischen Fragen und Probleme aufgeworfen werden, können die vorgenannten Tätigkeiten und Aufgaben auch ohne weiteres durch einen Rechtsanwalt sach- und fachgerecht erbracht und behandelt werden.

c. Ausgehend davon kann die Tätigkeit und Mitwirkung eines Patentanwalts neben dem Rechtsanwalt im [X.] grundsätzlich nur dann als notwendig anerkannt werden, wenn es in Zusammenhang mit der Beurteilung der Neuheit und Eigenart des angegriffenen Designs aufgrund besonderer, grundsätzlich vom Anspruchsteller darzulegender Umstände des spezifischen naturwissenschaftlichen und/oder technischen Sachverstands eines Patentanwalts bedurfte. Solche Umstände lassen sich vorliegend jedoch nicht feststellen.

aa. Dabei kann offenbleiben, ob von solchen besonderen, die Hinzuziehung eines Patentanwalts erfordernden Umständen bereits dann auszugehen ist, wenn im patentamtlichen Verfahren vor der Designabteilung wegen „besonderer technischer Fragen“ die Hinzuziehung eines technischen Mitglieds nach § 23 Abs. 2 Satz 2 [X.] bzw. im Beschwerdeverfahren vor dem [X.] die Erweiterung des Spruchkörpers nach § 24 Abs. 4 Satz 3 [X.] erfolgt ist, die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Patentanwalts somit gleichsam „vermutet“ wird. Denn eine Hinzuziehung eines technischen Mitglieds nach § 23 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist seitens der Designabteilung nicht erfolgt.

bb. Besondere, die Hinzuziehung eines Patentanwalts erfordernde Umstände ergeben sich in der vorliegenden Sache auch nicht daraus, dass die Designabteilung im Beschluss vom 5. Mai 2021 ihre Entscheidung zur Neuheit und Eigenart des angegriffenen Designs maßgeblich darauf gegründet hat, dass bei dem angegriffenen Design gebrauchsbedingte und damit technisch-funktionale Gestaltungsnotwendigkeiten zu einer Einschränkung des Gestaltungsspielraums eines Entwerfers führen mit der Folge, dass den der bestimmungsgemäßen Verwendung dienenden Merkmalen im Gesamteindruck des angegriffenen Designs ein geringeres Gewicht gegenüber den sonstigen Merkmalen zukommt (vgl. dazu [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 2 Rdnr. 57).

aaa. Zwar kann bei Fragen zur Einschätzung des [X.] eines Entwerfers bei funktionell gestalteten Erzeugnissen und den sich daraus ergebenden Folgen für die Gewichtung der betreffenden Merkmale im Gesamteindruck eines Designs nicht von vornherein die Notwendigkeit einer Mitwirkung eines Patentanwalts in Abrede gestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn seitens der Designabteilung keine Hinzuziehung eines technischen Mitglieds zur Einschätzung des [X.] und dessen Einschränkung aufgrund von technischen Funktionalitäten erfolgt ist.

Allerdings handelt es sich dabei um Fragen, die im Rahmen des Formenvergleichs maßgeblich auf Grundlage des Verwendungszwecks zu beurteilen sind. Dazu bedarf es in aller Regel nicht des besonderen naturwissenschaftlichen und/oder technischen Sachverstands eines Patenanwalts, vielmehr kann zB die technisch-funktionale Ausgestaltung einzelner oder mehrerer Merkmale der Erscheinungsform eines Erzeugnisses ebenso wie bei dreidimensionalen Marken in aller Regel auch durch nicht besonders naturwissenschaftlich und/oder technisch vorgebildete Personen und damit auch durch einen Rechtsanwalt sach- und fachgerecht beurteilt werden. Lediglich wenn die Funktion solcher Merkmale nicht ohne weiteres auf der Hand liegt und daher eine besondere Prüfung und gegebenenfalls vertiefte Darstellung der technischen Zusammenhänge erforderlich erscheint, kann die Hinzuziehung eines Patentanwalts als notwendig erachtet werden. Entsprechendes gilt, wenn die betreffende Funktion aus technischer Sicht zwingend eine Ausgestaltung des Merkmals in der konkreten Weise erfordert, wie es anhand des der (markenrechtlichen) Entscheidung [X.] GRUR 2010, 1008 – [X.] zugrundeliegenden Spielbausteins („[X.]stein“) verdeutlicht werden kann, bei dem die Funktion der einzelnen Merkmale wie insbesondere der [X.] auf der Oberseite als Klemmelemente auch für einen technisch nicht vorgebildeten Verbraucher/Benutzer erkennbar ist. Hingegen wäre die Frage, ob die Klemmwirkung der [X.] nur in der ganz konkreten Ausgestaltung erreicht werden kann, nicht aber bei abweichender Ausgestaltung der [X.] zB in Höhe, Durchmesser, Oberfläche, eine technische Frage, die die Hinzuziehung eines Patentanwalts rechtfertigen würde.

bbb. Dass vorliegend die Erfassung und Bewertung der Funktion einzelner Merkmale des angegriffenen Designs eines besonderen naturwissenschaftlichen und/oder technischen Sachverstands sowie einer vertieften Darstellung technischer Zusammenhänge bedurfte, ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr handelte es sich bei sämtlichen Merkmalen, denen die Designabteilung aufgrund von Gestaltungsnotwendigkeiten ein geringeres Gewicht für den Gesamteindruck beigemessen hat, um solche, deren funktionelle Bedeutung auf der Hand lag, ohne dass es dazu besonderer technischer und/oder naturwissenschaftlicher Kenntnisse bedurfte. Dies gilt gleichermaßen für die Auswirkungen der Funktionalität dieser Merkmale auf den Gestaltungsspielraum eines Entwerfers.

cc. Weitere Umstände, die in Zusammenhang mit der Beurteilung der Neuheit und Eigenart des angegriffenen Designs den besonderen naturwissenschaftlichen und/oder technischen Sachverstand eines Patenanwalts erforderten, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Insbesondere hinsichtlich der seitens des Patentanwalts durchgeführten Recherche zu den als Entgegenhaltung in das Verfahren eingeführten eingetragenen Designs ist nicht erkennbar, inwieweit eine solche sich im Wesentlichen auf die Erscheinungsform und den für die [X.] von § 5 [X.] maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntmachung (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 5 Rdnr. 26) beziehende Recherche einen besonderen naturwissenschaftlichen und/oder technischen Bezug aufweist. Eine solche Recherche kann vielmehr – wie bereits dargelegt - ohne weiteres durch einen Rechtsanwalt sach- und fachgerecht durchgeführt werden.

3. Die Tätigkeit des beauftragten Patentanwalts kann daher neben dem beauftragten Rechtsanwalt nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erachtet werden, so dass die Antragsgegnerin hier nur die Kosten eines Anwalts beanspruchen kann.


4. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob „umgekehrt“ die Beauftragung des Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt ebenfalls als „notwendig“ angesehen werden kann, weil zeitgleich mit dem [X.] ein das [X.] betreffendes [X.] anhängig war.

C. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23 Abs. 4 Satz 5 [X.] i.V.m. §§ 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], 97 ZPO.

E. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 23 Abs. 4 Satz 4 [X.] i.V.m. § 80 Abs. 3 [X.] ist nicht veranlasst, da Billigkeitsgründe dafür nicht ersichtlich sind. Soweit die Designabteilung den [X.] der Antragstellerin vom 13. Mai 2022 der Antragsgegnerin nicht zur Kenntnis gegeben hat, wirkte sich dieser Verfahrensfehler nicht in der Sache aus, da die Antragsgegnerin nach Übermittlung dieses [X.]es weiterhin an der Beschwerde festgehalten hat und diese sich im Ergebnis als unbegründet erwiesen hat.

Meta

30 W (pat) 802/22

19.10.2023

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2023, Az. 30 W (pat) 802/22 (REWIS RS 2023, 10118)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10118

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28 W (pat) 95/10

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