Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2017, Az. I ZB 39/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 12707

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:060417BIZB39.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]
Verkündet am:

6.
April 2017

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend die [X.]. 869 586

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Schokoladenstäbchen III
[X.] §§ 3, 8 Abs. 2 Nr. 1, §§ 50, 107 Abs. 1, § 112 Abs. 1, § 115 Abs. 1;
[X.] Art.
6quienquies
Abschn.
B Satz
1 Nr.
2
a)
Bei der Prüfung, ob eine dreidimensionale Marke, die in der Form einer Ware besteht, Unterscheidungskraft aufweist, weil ihre Gestaltung erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht, ist auf ihren Gesamteindruck abzustellen.
b)
Die Frage, ob der Vertrieb einer Ware Auswirkungen darauf hat, ob und in welcher Weise der Verkehr eine Warenform im Zeitpunkt der [X.] oder der Schutzerstreckung als branchenüblich ansieht, ist nach den gesamten Gegebenheiten des betroffenen Marktsegments -
etwa den dort bestehenden Marktanteilen, den erzielten Umsätzen, der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Vertriebs und sonstigen Vertriebsumständen -
zu beantworten.
[X.], Beschluss vom 6. April 2017 -
I [X.] -
[X.]

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündlichen Verhandlung vom 6.
April 2017 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der am 22.
April 2016 an [X.] Statt zugestellte Beschluss des 25.
Senats ([X.]) des [X.] aufgehoben, soweit zum Nachteil der Markeninhaberin er-kannt worden ist.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den 29. Senat ([X.]) des Bundespatent-gerichts zurückverwiesen.

Gründe:
[X.] Für die Markeninhaberin ist seit dem 7.
September 2005 die dreidi-mensionale [X.].
869
586

für die Waren der Klasse
30
Cacao, chocolat, produits de chocolaterie
eingetragen. In der Beschreibung der Marke heißt es:
1
-
3
-

La marque est constituée par la forme du produit évoquant un sarment de vig-ne.
Seit dem 15.
Dezember 2005 ist der Schutz auf [X.] erstreckt. Der Eintragung liegt die im [X.] Markenregister enthaltene Ausgangs-eintragung Nr.
02
3188047 zugrunde, die im [X.] Markenregister wie folgt dargestellt ist:

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent-
und Markenamt die [X.] für [X.] beantragt. Die Marke sei freihaltebedürftig und nicht unterscheidungskräftig. Außerdem genüge sie nicht dem [X.]. Die Markeninhaberin hat dem [X.].
Das Deutsche Patent-
und Markenamt hat den Antrag auf Schutzentzie-hung zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Bundes-patentgericht den Beschluss des Deutschen Patent-
und Markenamts aufgeho-ben und der [X.] mangels Bestimmtheit den Schutz für [X.] ent-zogen ([X.], [X.], 283). Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninha-berin hat der [X.] diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen ([X.], Beschluss vom 28.
Februar 2013 -
I
ZB
56/11, [X.], 929 = [X.], 1194 -
Schokoladenstäbchen
II).
Im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren hat das [X.] den Beschluss des Deut-schen Patent-
und Markenamts erneut aufgehoben, soweit der [X.] in Bezug auf die Waren der Klasse
30 "chocolat"
und "produits de chocolaterie"
zurückgewiesen worden ist,
der [X.] insoweit den Schutz für [X.] entzogen
und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen
([X.], [X.], 52 =
[X.] 2017, 42). Hiergegen wendet sich die 2
3
4
-
4
-

Markeninhaberin mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbe-schwerde. Die Antragstellerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
I[X.] Das [X.] hat angenommen, die angegriffene Marke sei zwar bezogen auf die Ware "cacao"
hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Jedoch fehle der Marke für
die
Waren "chocolat"
und "produits de chocolaterie"
die notwendige Unterscheidungskraft
im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]. Dazu hat es ausgeführt:
Die angesprochenen Verkehrskreise -
die Allgemeinheit der Verbrau-cher

nähmen die angegriffene dreidimensionale Gestaltung nicht als betriebli-chen Herkunftshinweis für die Waren "chocolat"
und "produits de chocolaterie"
wahr. Auf dem Warengebiet der Schokolade und Schokoladenwaren gebe es eine große und nahezu unüberschaubare Vielfalt von [X.], die nicht auf geometrische Grundformen oder gegenständliche Darstellungen be-schränkt sei. Für die herkunftshinweisende Wahrnehmung einer Warenform bedürfe es einer besonderen, sich vom vielgestaltigen [X.] unter-scheidenden Ausgestaltung, die die
angegriffene Marke nicht aufweise. Ihre einzelnen Merkmale seien dem bekannten [X.] entnommen und wi-chen weder einzeln noch in ihrer Kombination erheblich vom
Branchenüblichen ab.
II[X.] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Annahme des [X.], der angegriffenen Marke sei
mit Blick auf die Waren "chocolat"
und "produits de chocolaterie"
mangels hinreichender Unterschei-dungskraft der Schutz für [X.] zu entziehen, hält der rechtlichen Nach-prüfung nicht stand.
1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass es auf die Entschei-dung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. 5
6
7
8
-
5
-

[X.], Beschluss vom 17.
Oktober 2013 -
I
ZB
11/13, [X.], 376 Rn.
9 = [X.], 449 -
grill [X.]; Beschluss vom 22.
Mai 2014 -
I
ZB
64/13, [X.], 376 Rn.
6 = [X.], 449 -
ECR-Award; Beschluss vom 9.
November 2016 -
I
ZB
43/15, [X.], 186 Rn.
9 = [X.], 183 -
Stadtwerke Bre-men).
2. Das [X.] ist zunächst
zu Recht davon ausgegangen, dass einer nach dem [X.] Markenabkommen ([X.]) international re-gistrierten Marke der Schutz für [X.] zu entziehen ist, wenn die Marke nicht hinreichend unterscheidungskräftig ist.
Die [X.] gemäß §
107 Abs.
1, §
115 Abs.
1, §
50 Abs.
1 und 2 [X.] einer im Ursprungsland vorschriftsmäßig eingetragenen [X.] setzt nach Art.
5 Abs.
1 [X.] voraus, dass
ein in Art.
6quinquies Ab-schn.
B Satz
1 Nr.
1 bis 3 [X.] genannter Grund vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
April 1990
I
ZB
7/89, [X.]Z
111, 134, 135
[X.] FE; Beschluss vom 17.
November 2005
I
ZB
12/04, [X.]
2006, 589 Rn.
12 = WRP
2006, 900
Rasierer mit drei Scherköpfen; [X.], [X.], 929 Rn.
10

Schoko-ladenstäbchen
II). Nach Art.
6quinquies Abschn.
B Satz
1 Nr.
2 [X.] darf einer Marke der Schutz entzogen werden, wenn sie jeder Unterscheidungskraft [X.].
Der für diese Prüfung anzulegende Maßstab stimmt mit demjenigen der §§
3, 8 Abs.
2 [X.] überein. Dies folgt daraus, dass einerseits durch diese Vorschriften die Art.
2 und 3 der [X.] 2008/95/[X.] umgesetzt worden und sie daher richtlinienkonform auszulegen sind, es aber andererseits nach dem 13.
Erwägungsgrund zur [X.] erforderlich ist, dass sich deren Vorschriften in vollständiger Übereinstimmung mit der [X.] befinden (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
März 1999

I
ZB
22/96, [X.], 728, 729 = [X.], 858 -
PREMIERE
II; [X.] vom 14.
Dezember 2000 -
I
ZB
27/98, [X.], 413, 414 = [X.], 405 -
SWATCH; Beschluss vom 4.
Dezember 2003 -
I
ZB
38/00, [X.] 9
10
11
-
6
-

2004, 329 = [X.], 492

Käse in Blütenform
I; vgl. auch -
zum Be-stimmtheitserfordernis
-
[X.], [X.], 929 Rn.
14

Schokoladenstäb-chen
II).
3. Das [X.] ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass der
Antrag auf [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §
115 Abs.
1 [X.] erfolgreich ist, wenn im Zeitpunkt der [X.] Registrierung
der Marke am 7.
September 2005 keine
[X.] bestand und dieses Schutzhindernis im Entscheidungszeitpunkt noch fort-besteht.
Im Falle eines gegen eine [X.] Marke gerichteten [X.] (§
50 Abs.
1 [X.]) ist für die Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]
ausgeschlossen oder entgegen §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] eingetra-gen worden ist, auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen ([X.], Beschluss vom 18.
April 2013 -
I
ZB
71/12, [X.], 1143 Rn.
15 = [X.], 1478 -
Aus Akten werden Fakten). Eine Lö-schung darf gemäß §
50 Abs.
2 [X.]
aber nur erfolgen, wenn die Marke auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag keine hinrei-chende Unterscheidungskraft aufweist.
Nach §
115 Abs.
1 [X.] tritt an die Stelle des Löschungsantrags wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß §
50 [X.] der Antrag auf [X.].
Nach §
112 Abs.
1 [X.] hat die internationale Registrie-rung einer Marke, deren Schutz nach Artikel
3ter [X.] auf das Gebiet [X.] erstreckt worden
ist, dieselbe Wirkung, wie wenn die Marke am Tag der internationalen Registrierung nach Art.
3 Abs.
4 [X.] zur Eintragung in das vom Patentamt geführte Register angemeldet und eingetragen worden wäre. Für die Prüfung des absoluten Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungs-12
13
14
-
7
-

kraft ist danach im Streitfall auf den [X.] am 7.
September 2005
abzustellen.
4. Das [X.] ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] Ausgangseintragung der Beurteilung zugrunde zu legen
ist. Grundlage für die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer international re-gistrierten Marke ist ihre Eintragung im Ursprungsland. Das folgt aus Art.
3 Abs.
1 Halbs.
2 [X.]. Danach bescheinigt die Behörde des Ursprungslandes, dass die Angaben in dem Gesuch um internationale Registrierung denen des nationalen Registers entsprechen (vgl. [X.] [X.], 929 Rn.
16

Scho-koladenstäbchen II).
5. Auf der Grundlage der vom [X.]
getroffenen [X.] kann das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nicht bejaht werden.
a) Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-dungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kenn-zeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher [X.] ein Eintragungshindernis begründet, ist
ein großzügiger Maßstab anzule-gen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzu-stellen ([X.], [X.], 376 Rn.
11 -
grill [X.]; [X.], Beschluss vom 19.
Februar 2014 -
I
ZB
3/13, [X.], 569 Rn.
10 = [X.], 573

[X.]; Beschluss vom 10.
Juli 2014

I
ZB
81/13, [X.] 2015, 173 Rn.
15 = [X.], 195 -
for you; [X.], [X.], 186 Rn.
29 -
Stadtwerke Bremen, jeweils mwN).
Dieser großzügige Maßstab steht entgegen der Auffassung des 15
16
17
-
8
-

[X.]s mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] im Einklang, wonach sich die Prüfung nicht auf ein Mindestmaß beschränken darf, sondern streng und umfassend sein muss ([X.], Urteil vom 6.
Mai 2003 -
C-104/01, [X.]. 2003, [X.] = [X.] 2003, 604 Rn.
59 -
Libertel; Urteil vom 12.
Februar 2004 -
C-363/99, [X.]. 2004, [X.] = [X.] 2004, 674 Rn.
123 -
Postkantoor; Urteil
vom
21.
Oktober 2004 -
C-64/02, [X.]. 2004, [X.] = [X.] 2004, 1027 Rn. 45 -
DAS PRINZIP [X.]R [X.]). Dieses Erfordernis besagt nur, dass alle Gesichtspunkte umfassend zu würdi-gen sind und nicht nur eine summarische Prüfung erfolgen darf; es bezieht sich auf den Prüfungsumfang und nicht auf den Prüfungsmaßstab ([X.], Beschluss
vom
22.
Januar 2009
-
I
ZB
34/08, [X.] 2009, 949 Rn.
11 = [X.], 963

My World;
Beschluss vom 9. Juli 2009 -
I [X.], [X.] 2010, 138 Rn. 23 = [X.], 260 -
ROCHER-Kugel).
Deshalb reicht auch nach der Rechtspre-chung des Gerichtshofs der [X.] ein Minimum an Unterschei-dungskraft aus, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], Urteil vom 29.
April 2004

456/01 und 457/01, [X.]. 2004, 089 =
[X.] Int. 2004, 631 Rn.
37
[X.]/[X.] [Dreidimensionale Tablettenform
I]; Urteil vom 21.
Januar 2010
398/08, [X.]., 2010, [X.] =
[X.] 2010, 228 Rn.
39

[X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; ebenso EuG, Urteil vom 19.
Sep-tember 2001
[X.]/99, [X.]. 2001, II81 Rn.
44; Urteil vom 13.
Juni 2007

T1/05, [X.]. 2007, [X.] =
[X.] Int. 2007, 856 Rn.
55
IVG/[X.]).
Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung der [X.] dreidimensionaler Marken Anwendung, die aus der Form der Ware beste-hen. Bei ihnen sind die Kriterien für die Unterscheidungskraft keine anderen als diejenigen, die für die übrigen Markenkategorien gelten (vgl. [X.], Urteil
vom
22.
Juni 2006 -
C-24/05, [X.]. 2006, [X.] = [X.] Int. 2006, 842 Rn.
24

Storck/[X.]; [X.], Beschluss vom 24.
Mai 2007

I
ZB
37/04,
[X.] 2008, 71 Rn. 23 =
[X.], 107 -
Fronthaube). Wie bei jeder anderen Markenform ist auch bei der dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Markenform
allein zu prüfen, ob der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die in Rede 18
-
9
-

stehenden Waren einen Herkunftshinweis sieht. Eine dreidimensionale Marke, die allein aus der Form der Ware besteht, wird allerdings vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise
wahrgenommen wie eine herkömmliche Wort-
oder Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Gewöhnlich schließen Verbraucher daher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung nicht auf die betriebliche Herkunft (vgl. [X.], Urteil
vom
7.
Oktober 2004

C136/02, [X.]. 2004, [X.] = [X.] Int. 2005, 135 Rn.
30 -
Maglite; [X.],
[X.] Int. 2006, 842 Rn.
25

Storck/[X.]; [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2005

I
ZB 33/04, [X.]Z 166, 65 Rn. 17 -
Porsche Boxster; [X.], [X.] 2008, 71 Rn. 24 -
Fronthaube; [X.], [X.] 2010, 138 Rn. 24 f. -
ROCHER-Kugel).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] kommt einer Marke, die in der Form einer Ware besteht, nur [X.] zu, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Januar 2006 -
C-173/04, [X.]. 2006, [X.] = [X.] 2006, 233 Rn.
31 -
Standbeutel; [X.], [X.] Int. 2006, 842 Tz.
26

Storck/[X.]). Mit dem Merkmal der erheblichen Abweichung ist jedoch nur gemeint, dass die Besonderheiten, die die beanspruchte Form gegenüber üblichen [X.] aufweist, geeignet sein müssen, vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden (vgl. [X.]Z 166, 65 Rn.
17 -
Porsche Boxster; [X.], [X.] 2008, 71 Rn.
24 -
Fronthaube; [X.], [X.] 2006, 793, 794).
Die der Prüfung der Unterscheidungskraft zugrundeliegende Feststellung des [X.] liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet.
Sie kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zu Grunde gelegt und entspre-chend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergebnis von
den getroffenen Feststellungen getragen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Juli 2016 -
I
ZB
52/15, [X.] 2016, 1167 Rn. 19 = [X.], 1364 -
Sparkassen-Rot).
19
20
-
10
-

b) Das [X.] hat angenommen, das angegriffene Zeichen habe für die Waren "chocolat"
und "produits de chocolaterie"
keine [X.] Unterscheidungskraft. Zwar gebe es auf dem Markt kein mit diesem Zeichen identisches Produkt. Auf dem Warengebiet der Schokolade und Schokoladen-waren gebe es
jedoch
eine große und nahezu unüberschaubare Vielfalt von [X.], die nicht auf geometrische Grundformen oder gegenständ-liche Darstellungen beschränkt sei. Es bedürfe daher einer besonderen Ausge-staltung von Schokoladenprodukten, um sie aus dem [X.] in einer die Herkunft
kennzeichnenden Weise herauszuheben. Die
Merkmale des angegrif-fenen Zeichens seien dem bekannten [X.] entnommen und wichen weder einzeln noch in ihrer Kombination erheblich von der Branchenüblichkeit ab. Die wesentlichen Merkmale des Zeichens -
insbesondere die dünne, längli-che Grundform und der runde Durchmesser -
lägen auch bei den Produkten "[X.]", "[X.]"
und "[X.]"
vor, auf die die Parteien in einem [X.] hingewiesen worden seien. Diese Produkte seien zu [X.], auch wenn sie nicht vollständig aus Schokolade gefertigt seien. [X.] und Wellenform des angegriffenen Zeichens seien ebenfalls bekannt. [X.] seien etwa die seit Jahrzehnten verkauften "[X.]". Das angegriffene Zeichen hebe sich nur unerheblich darin vom vorbe-kannten [X.] ab, dass das im Verhältnis von Querschnitt und Länge sehr dünne Stäbchen stärker gewellt sei als andere Produkte. Die Antragstelle-rin habe im Zeitpunkt vor der Schutzrechtserstreckung [X.], die mit dem angegriffenen Zeichen mit Ausnahme des runden Quer-schnitts nahezu identisch gewesen seien, und hierdurch das Verkehrsverständ-nis dahingehend beeinflusst, dass solche Gestaltungen als branchenüblich an-gesehen würden.
Diese Beurteilung hält der
rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

21
22
-
11
-

c) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Einbeziehung der Produkte "[X.]", "[X.]"
und "[X.]"
in den Pro-duktvergleich.
aa) Für die Beurteilung der Frage, ob der Verkehr eine Produktgestaltung als branchenüblich ansieht, ist in erster Linie auf den betroffenen [X.] abzustellen (vgl. [X.], [X.] 2010, 138 Rn.
24 -
ROCHER-Kugel). Hierbei können allerdings auch Gestaltungsformen aus benachbarten [X.] berücksichtigt werden, wenn aufgrund der konkreten Umstände mit einer Über-tragung der Verkehrsanschauung auf den betroffenen [X.] zu rech-nen ist (vgl. [X.], [X.] 2010, 138 Rn. 26 f. -
ROCHER-Kugel; [X.], Urteil vom 10.
November 2016 -
I [X.], [X.], 730 Rn. 25 = [X.], 811 -
Sierpinski-Dreieck). Die tatrichterliche Feststellung des [X.], dass die Gestaltungsformen von nicht vollständig aus Schokolade herge-stellten Keksprodukten auf das Verkehrsverständnis im Bereich der Schokolade und Schokoladenwaren hinüberwirken, unterliegt danach keinen rechtlichen Bedenken.
bb) Die Heranziehung der genannten Produkte ist -
entgegen der [X.] -
auch nicht deshalb zu beanstanden, weil das [X.] diese
Produkte mittels bildlicher Darstellung im Anhang zur Terminsladung selbst zum Gegenstand der Erörterung gemacht hat. Im [X.] vor dem [X.] gilt gemäß §
73 Abs.
1 [X.] der Amtsermittlungsgrundsatz. Nach §
73 Abs.
2 Satz
1 [X.] hat
der [X.] oder ein von ihm zu bestimmendes [X.] schon vor der mündli-chen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um die Sa-che möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Sofern das [X.] vorbereitende Recherchen tätigt, ist den Parteien das Ergebnis der [X.] zur Verfügung zu stellen und ihnen hierzu rechtliches Gehör zu gewäh-ren (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
August 2003 -
I
ZB
26/01, [X.] 2004, 77, 23
24
25
-
12
-

78
f. = [X.], 1445 -
PARK & BIKE). Diesen Erfordernissen ist im Streitfall Genüge getan.
d) Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil das [X.] bei seiner Prüfung einen unrichtigen rechtlichen Maßstab angewendet und zu hohe Anforderungen an das Vorliegen von Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gestellt hat.
aa) Der Ausgangspunkt des [X.]s, wegen der unüber-schaubaren Formenvielfalt im Sektor der
Schokolade und Schokoladenwaren bedürfe es für die Annahme eines Herkunftshinweises einer besonderen Aus-gestaltung, überspannt die Anforderungen an die Unterscheidungskraft. Besteht eine Vielzahl an üblichen Gestaltungen, so setzt die Annahme der [X.] Funktion eines Zeichens eine erhebliche Abweichung von branchenüblichen Gestaltungen voraus
(vgl.
[X.], [X.] 2006, 233 Rn.
31

Standbeutel; [X.] Int. 2006, 842 Rn.
26 Storck/[X.]). Hierfür kann es ausreichen,
dass der Verkehr in der jeweiligen Gestaltung eine willkürliche Formgebung erkennt, die sich von anderen Gestaltungen durch [X.] charakteristische, also identitätsstiftende Merkmale unterscheidet (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
April 1997 -
I
ZB
1/95, [X.] 1997, 527, 529 = [X.], 755 -
Autofelge; [X.], [X.] 2004, 329, 330 -
Käse in Blütenform I).
Lediglich bloße Varianten handelsüblicher Formen werden -
auch auf dem [X.] -
in der Regel nicht als Herkunftshinweis aufgefasst (vgl. [X.], [X.] Int. 2006, 842 Rn. 29 f. -
Storck/[X.]; [X.], [X.] 2010, 138 Rn. 27-
ROCHER-Kugel).
bb) Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann der Streitmarke danach eine hinreichende Unterscheidungskraft nicht abgespro-chen werden.
(1) Im Streitfall spricht schon der vom [X.] festgestellte, aber zu Unrecht für unmaßgeblich erachtete
Umstand, dass -
abgesehen von 26
27
28
29
-
13
-

den Produkten der am Verfahren Beteiligten und ihrer Schwesterunternehmen -
kein identisches oder nahezu identisches Produkt auf dem Markt angeboten wurde und wird, für die Unterscheidungskraft des angegriffenen Zeichens.
(2) Bei der Beurteilung der Abweichungen vom branchenüblichen [X.] hat das [X.] die Prüfung
sodann in rechtsfehlerhaf-ter Weise auf isolierte, nach Auffassung des [X.]s branchenüb-liche Merkmale des angegriffenen Zeichens eingeengt, ohne seinen Gesamt-eindruck zu berücksichtigen.
Mit Blick auf die Vergleichsprodukte "[X.]", "[X.]"
und "Mi-kado"
hat das [X.] lediglich die dünne, längliche Grundform und den runden Durchmesser als wesentliche Merkmale der Streitmarke ange-sehen. Gleichermaßen augenfällig und den optischen Gesamteindruck maß-geblich mitbestimmend ist jedoch die in [X.] vorhandene Wellenform, die die Streitmarke von den durch das [X.] herangezogenen Vergleichsprodukten "[X.]", "[X.]"
und
"[X.]"
unterscheidet. Diese sind
zylindrische, also gerade verlaufende Stäbchen.
Mit Blick auf das Vergleichsprodukt "Katzenzungen"
und dessen unre-gelmäßige, leicht wellige Form hat das [X.] auch die [X.] als branchenüblich angesehen.
Hierbei
hat es
jedoch ver-kannt, dass die Gesamtheit der Merkmale der Streitmarke einen vollständig an-deren optischen Eindruck vermittelt als die Gestaltung der "Katzenzungen", die durch einen geschwungenen Linienverlauf vom schmaleren
Mittelteil zu den breiteren Abrundungen an beiden
Enden
des Schokoladenstäbchens gekenn-zeichnet ist.
Stellt man auf den Gesamteindruck der Streitmarke ab, der durch die Kombination einer länglichen, wellenförmigen Gestaltung mit einem rundem Durchmesser geprägt wird, so bestehen deutliche, für ein Mindestmaß an Un-30
31
32
33
-
14
-

terscheidungskraft sprechende Abweichungen zu den Gestaltungen der ge-nannten Vergleichsprodukte.
(3) Die Annahme des [X.]s, die Wellenform
der ange-griffenen Marke
entspreche mit Blick auf die Gestaltung der im angefochtenen Beschluss genannten Vergleichsprodukte der Branchenüblichkeit, wird zudem von den durch das [X.] getroffenen Feststellungen nicht getra-gen.
Der vom [X.] allein herangezogene Umstand, dass sich eine unregelmäßige, leicht wellige Form auch bei den bekannten, seit Jahr-zehnten verkauften "Katzenzungen"
finde, rechtfertigt die Annahme nicht, die Wellenform der angegriffenen
Gestaltung sei allgemein branchenüblich. Die Annahme, eine wellenförmige Gestaltung sei branchenüblich, kann im Regelfall nicht ohne weiteres mit der Bezugnahme auf nur ein einziges Produkt innerhalb eines großen und in der Formgebung vielgestaltigen Produktmarktes begründet werden, wenn -
wie im Streitfall -
Feststellungen zur Marktbedeutung des Ver-gleichsprodukts fehlen.
(4)
Die Annahme des [X.]s, die Streitmarke weiche schon deshalb nicht erheblich von branchenüblichen Gestaltungen ab, weil die Antragstellerin vor der Schutzerstreckung der Streitmarke am 7.
September 2005 ab
April 2005 das Produkt "[X.] du
Médoc"
über die [X.] vertrieben habe, das der Streitmarke mit Ausnahme des runden Querschnitts nahezu identisch gewesen sei, wird durch die vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht getragen.
Das [X.] hat angenommen, der bis zum 31.
August 2005 erzielte Verkauf von 2.423.000
Packungen des Produkts "[X.] du
Médoc"

dahingehend beeinflusst, dass von einer Branchenüblichkeit dieser Produktge-staltung gesprochen werden könne.
Hierfür erscheine ausreichend, dass ein Produkt über eine große Supermarktkette vertrieben und ein Umsatz von über 2

arauf ankomme, welcher Anteil am Ge-34
35
36
-
15
-

samtmarkt, gemessen in Tonnen, dem Produkt der Antragstellerin zuzurechnen sei.
Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, das Verkehrsver-ständnis sei durch den Vertrieb des genannten Produkts maßgeblich beeinflusst worden. Die Frage, ob der Vertrieb einer Ware Auswirkungen darauf hat, ob und in welcher Weise der Verkehr eine Warenform im Zeitpunkt der Markenan-meldung oder der Schutzerstreckung als branchenüblich ansieht, kann regel-mäßig nicht allein unter Hinweis auf absolute Vertriebsdaten eines einzelnen Anbieters beantwortet werden. Vielmehr sind hierfür die gesamten Gegebenhei-ten des betroffenen Marktsegments -
etwa die dort bestehenden Marktanteile, die erzielten Umsätze, die räumliche
und zeitliche
Ausdehnung des Vertriebs
und sonstige Vertriebsumstände -
in den Blick zu nehmen. Bei einem
-
wie im Streitfall -
nur kurze Zeit andauernden, nicht das gesamte [X.] erfas-senden Produktvertrieb
über nur einen Filialisten sind dabei
keine geringen An-forderungen an eine Beeinflussung der Verkehrsauffassung zu stellen.
Diesen Anforderungen werden die Feststellungen des [X.]s nicht ge-recht, so dass sie die Annahme nicht tragen, der Vertrieb des Produkts "[X.] du
Médoc"
habe das Verkehrsverständnis der branchenüblichen Formgebung von Schokolade und Schokoladenwaren vor der [X.] maßgeblich beeinflusst.
[X.] Die Rechtsbeschwerde kann vom Senat auch nicht aus anderen Gründen zurückgewiesen werden. Das [X.] hat keine tatsäch-lichen Feststellungen zum von der Antragstellerin ebenfalls geltend gemachten Schutzhindernis der freihaltebedürftigen beschreibenden Angabe (§
8 Abs.
2 Nr. 2 [X.]) getroffen.
[X.] Die Entscheidung des [X.]s kann danach nicht [X.] werden. Sie ist aufzuheben und die Sache an das Bundespatent-gericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§
89 Abs. 4 Satz 1 [X.]).
Der erkennende Senat macht hierbei in entspre-37
38
39
-
16
-

chender Anwendung der
§ 563 Abs.
1 Satz 2, § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO von der im Falle einer Häufung von Sachfehlern bestehenden Möglichkeit Gebrauch, die Sache an einen anderen Senat des [X.]s zurückzuverwei-sen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 1988 -
X [X.], [X.] 1990, 346, 348; [X.], [X.] 2004, 77, 79 -
PARK & BIKE; Fezer, Markenrecht, 4.
Aufl., § 89 Rn. 10).
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

[X.]
Feddersen
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 22.04.2016 -
25 W(pat) 8/09 -

Meta

I ZB 39/16

06.04.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2017, Az. I ZB 39/16 (REWIS RS 2017, 12707)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12707

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I ZB 39/16

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