Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2015, Az. III ZR 513/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16056

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 513/13
vom

4. Februar 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2
In der widerspruchslosen Entgegennahme des zustellenden Schriftstücks durch eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) liegt zugleich die (konkludente) Erklärung, dass der [X.] abwe-send beziehungsweise an der Entgegennahme der Zustellung verhindert ist. Weitere Nachforschungen des Zustellers sind dann regelmäßig nicht [X.].

[X.], Beschluss vom 4. Februar 2015 -
III ZR 513/13 -
OLG [X.]

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 4. Februar 2015 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.]
[X.], [X.], [X.] und Reiter

beschlossen:

Die Beschwerden der [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 14. Oktober 2013 -
19 [X.] -
werden zurückgewiesen.

Die [X.] tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert:

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die beiden [X.], eine Kommanditgesell-schaft und ihre Komplementärin, eine GmbH,
als Gesamtschuldner Zahlungs-ansprüche aus einem Maklervertrag sowie vorgerichtliche Anwaltskosten gel-tend.

Durch Versäumnisurteil des [X.] vom 29. Januar 2013 wurden n-1
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waltskosteils nebst Zinsen
zu zahlen. Ausweislich der [X.] wurde das
Versäumnisurteil am 1.
Februar 2013 unter der Geschäftsadresse "F.

,

G.

"
an beide [X.] durch Übergabe an die
bei der [X.] zu 1 beschäftigte L.

S.

zuge-stellt. Dabei vermerkte der Zusteller jeweils in den Zustellungsurkunden, den [X.]en (den Geschäftsführer der [X.] zu 2
als deren ge-setzlichen
Vertreter) in dem Geschäftsraum nicht erreicht zu haben.

Mit Telefax vom 26. Februar 2013 haben die [X.] Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.

In Bezug auf die fristgerechte Einlegung des Einspruchs haben sie gel-tend gemacht, die Zustellung des Versäumnisurteils sei nicht wirksam erfolgt. Der Zusteller habe die beiden Schriftstücke ohne jede Nachfrage bei der Mitar-beiterin S.

abgegeben, obwohl der Geschäftsführer der [X.] zu 2 in den Geschäftsräumen anwesend und zur Annahme der Zustellung bereit gewe-sen sei. Am 22. Februar 2013 habe der Geschäftsführer erstmals von dem [X.] Kenntnis erlangt.

Das [X.] hat den Einspruch durch Urteil gemäß § 341 ZPO als unzulässig verworfen. Das [X.] hat die Berufung der [X.] nach § 522
Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Dagegen wenden sich die [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwer-de.

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II.

Zulassungsgründe liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebli-che, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in [X.] unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt
allgemein von Bedeutung ist (grundlegend [X.], Beschlüsse vom 4. Juli 2002 -
V [X.], [X.]Z 151, 221,
223 f und vom 27.
März 2003 -
V [X.], [X.]Z 154, 288, 291 f). [X.] ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechts-frage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem in den Fällen, in denen die Rechtsfrage vom [X.] bisher nicht entschie-den ist und von einigen [X.]en unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Klä-rungsbedürftige Unklarheiten liegen dagegen nicht vor, wenn abweichende An-sichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind ([X.], Beschluss vom 8. Februar 2010 -
II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3 mwN).

2.
Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Beschwerde formulierte Rechtsfrage, ob das für die Ersatzzustellung in den Geschäftsräumen nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Tatbestands-merkmal des "Nichtantreffens"
des [X.]en eine ausdrückliche 7
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Nachfrage des Zustellers nach der Anwesenheit des Adressaten voraussetzt, ist nicht klärungsbedürftig. Die hierzu veröffentlichte Rechtsprechung der [X.] ist einheitlich. Davon abweichende, nicht näher begründete Stimmen in der Literatur sind vereinzelt geblieben. Darauf, dass der [X.] die Rechtsfrage noch nicht entschieden hat, kommt es nicht an ([X.]/
[X.], ZPO, 30. Aufl., § 543 Rn. 11 mwN).

a) Nach der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung ist das Merkmal des "Nichtantreffens"
des gesetzlichen Vertreters als Voraussetzung für eine Ersatzzustellung in Geschäftsräumen bereits dann erfüllt, wenn der gesetzliche Vertreter als abwesend oder verhindert bezeichnet wird.
Ob dies zutrifft, ist un-erheblich; insbesondere muss der Zusteller keine eigenen Nachforschungen darüber anstellen, zumal gerichtliche Zustellungen ein Massengeschäft sind und bei juristischen Personen die Ersatzzustellung inzwischen den Regelfall darstellt (OLG Frankfurt
am Main, [X.], 699; NJW-RR 1998, 1684;
OLG Köln, [X.], 116, 117; siehe auch [X.], Urteil vom 30. Januar 2004 -
III 320/03, juris Rn. 97 und [X.], [X.], 951, 952). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass in der widerspruchslosen Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks durch eine in den Geschäftsräumen beschäf-tigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zugleich die (konkludente) Erklärung liegt, der [X.] sei abwesend beziehungsweise an der [X.] der Zustellung verhindert, und weitere Nachforschungen des [X.] regelmäßig nicht veranlasst sind. Der Umstand, dass die vorgenannte ober-landesgerichtliche Rechtsprechung zu §§ 183, 184 ZPO
in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung ergangen ist, ist für die Entscheidung der Streitfrage ohne Bedeutung. Die Neuregelung des [X.] durch das Zustel-lungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 ([X.] I S. 1206) hat insoweit
keine Än-10
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derung gebracht. Sowohl nach § 183 Abs. 1, § 184 Abs. 1 ZPO
aF als auch nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
nF hängt die Wirksamkeit der Ersatzzustellung in den Geschäftsräumen davon ab, dass der [X.] "nicht angetrof-fen"
wird. Durch das [X.] wurde an dem "Nichtantreffen"
des [X.]en als (gemeinsame) Voraussetzung für sämtliche in §
178 Abs. 1 ZPO geregelten Arten der Ersatzzustellung festgehalten (BT-Drucks. 14/4554 S. 20). Nach dem Willen des Gesetzgebers, der eine Verein-heitlichung und Vereinfachung der Ersatzzustellung in einem Geschäftslokal bezweckte (BT-Drucks. aaO S. 1, 13 f), besteht dabei keine Verpflichtung des Zustellers zur ausdrücklichen Nachfrage nach der Person des Zustellungsad-ressaten. Es reicht aus, dass er den [X.]en in dem Geschäfts-raum, in dem sich der Publikumsverkehr abspielt, nicht antrifft. In diesem Fall kann er das zuzustellende Schriftstück an eine dort beschäftigte Person über-geben (BT-Drucks. aaO S. 20).

b) Eine
Verpflichtung des Zustellers zur ausdrücklichen Nachfrage ergibt sich auch nicht aus dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Urteil des [X.] vom 14. März 1990 ([X.], [X.]Z 111, 1, 6). [X.] Entscheidung ist nicht einschlägig. Sie
betrifft nicht die Ersatzzustellung in Geschäftsräumen, sondern die Ersatzzustellung in der Wohnung des Zustel-lungsadressaten an dessen nichteheliche Lebensgefährtin nach § 181 Abs. 1 ZPO aF. In einem solchen Fall musste der Zusteller die Voraussetzungen der Ersatzzustellung ("zur Familie gehörender Hausgenosse") durch Befragen des [X.] ermitteln, wenn er die Beziehung des Adressaten zu dem in der Wohnung [X.] nicht kannte und sie ihm auch nicht unaufgefordert genannt wurde. Hier liegt der Fall auch deshalb anders, weil es sich bei der zur Entgegennahme der Zustellung in den Geschäftsräumen der [X.] zu 1 bereiten Ersatzperson ersichtlich um eine bei dieser
beschäftigte Mitarbeiterin 11
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im Sinne von § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO handelte, so dass kein Anlass zu Zweifeln bestand.

c) Die dargestellte
Rechtsprechung der [X.]e, wonach ei-ne ausdrückliche Nachfrage des Zustellers nach der Anwesenheit beziehungs-weise Annahmebereitschaft des [X.]en nicht erforderlich ist und es für eine wirksame
Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr.
2 ZPO genügt, wenn eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person zur Annahme bereit ist, wird vom ganz überwiegenden Schrifttum nicht in Frage gestellt
(vgl. [X.]/[X.], ZPO, 73. Aufl., § 178 Rn.
4; Hk-ZPO/[X.], 5. Aufl., § 178 Rn. 4; MüKoZPO/[X.], 2. Aufl., § 181 Rn. 11 und § 183 Rn. 4; Musielak/Witt-schier, ZPO, 11. Aufl., § 178 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/[X.]/Kessen, ZPO, 6. Aufl., § 178 Rn. 2; [X.]/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 176 Rn. 2; unklar [X.] ZPO/Dörndorfer, § 178 Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO, 35. Aufl., § 178 Rn. 5 f).
Soweit
in der Literatur vereinzelt -
ohne nähere Begründung -
eine ausdrückli-che Nachfrage des Zustellers verlangt wird ([X.], ZPO, 22. Aufl., §
178 Rn. 5 unter Hinweis auf [X.], 213, 215; diese -
ohnehin einen [X.] gelagerten Sachverhalt betreffende -
Entscheidung befasst sich
jedoch,
ebenso
wie die Entscheidung [X.]Z 111, 1, mit der
Ersatzzustellung an einen Familienangehörigen gemäß §
181 Abs. 1 ZPO aF; [X.] folgend MüKoZPO/
Häublein, 4. Aufl., § 178 Rn. 4 [X.]. 14
und wohl auch [X.]/Schütze/Rohe, ZPO, 4. Aufl., § 178 Rn. 3 [X.]. 6; siehe auch [X.], Beschluss vom 29. Sep-tember 2011 -
31 T 34/11, juris Rn. 6),
wird
dies vom Wortlaut des § 178 Abs. 1 ZPO, der nur voraussetzt, dass der [X.] "nicht angetroffen"
wird,
nicht gefordert; diese Gegenauffassung
widerspricht
auch
dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Ersatzzustellung ("Vereinfachung der Ersatz-zustellung"). Die abweichenden Ansichten vermögen daher keine [X.]
-

8

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lich zu klärenden Unklarheiten über die Voraussetzungen einer wirksamen Er-satzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu begründen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs.
4 Satz
2 Halb-satz
2 ZPO abgesehen.

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Reiter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.05.2013 -
6 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.10.2013 -
19 [X.] -

13

Meta

III ZR 513/13

04.02.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2015, Az. III ZR 513/13 (REWIS RS 2015, 16056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16056

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III ZR 513/13

II ZR 54/09

19 U 163/13

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