Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2018, Az. XII ZB 138/18

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6231

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:110718BXII[X.]138.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.] 138/18
vom
11. Juli 2018
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 15 Abs. 2 Satz 1; ZPO §§ 178 Abs. 1, 182, 418
a)
Die Beurkundung des [X.] nach §
182 ZPO dient nur dem Nachweis der Zustellung und ist nicht konstitutiver Bestandteil der Zustellung (im [X.] an [X.] Versäumnisurteil vom 19.
Juli 2007
I
ZR
136/05

NJW-RR 2008, 218).
b)
Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde erfasst zwar nicht den Umstand, ob die zur Entgegennahme bereite [X.] im Sinne von §
178 Abs.
1 Nr.
3 ZPO bevollmächtigt ist. War jedoch ein Klinikmitarbeiter
aus-weislich der Urkunde bereit, ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung [X.], hat dies aber eine starke Indizwirkung für das Bestehen [X.] solchen Vollmacht. Diese muss der [X.], der die Zustel-lung nicht gegen sich wirken lassen will, durch eine plausible und schlüssige Darstellung von abweichenden Tatsachen
erschüttern (Fortführung von [X.] Beschlüsse
vom 6.
Mai 2004
IX
[X.]
43/03
NJW 2004, 2386 und vom 17.
Februar 1992
[X.]
(B)
53/91
W 1992, 1963).
[X.], Beschluss vom 11. Juli 2018 -
XII [X.] 138/18 -
LG [X.] I

AG [X.]

-
2
-
-
3
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
11.
Juli
2018
durch den Vor-sitzenden Richter Dose
und
die Richter Schilling, Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
wird der Beschluss der 13.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
I
vom 28.
Februar
2018
aufgehoben, soweit mit diesem
die Beschwerde des Be-troffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 8.
August 2017 verworfen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Die angefochtene Entscheidung, mit der das [X.] die Beschwer-de des Betroffenen gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung seiner Un-terbringung für ein weiteres Jahr verworfen hat, hält der rechtlichen Nachprü-fung nicht stand.
Denn die der Verwerfung zugrunde liegende Annahme, die einmonatige Beschwerdefrist des §
63 Abs.
1 FamFG sei bei [X.] abgelaufen gewesen, beruht nicht auf ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen. Das [X.] hat sich für den Nachweis der Zustellung des amtsgerichtlichen Genehmigungsbeschlusses vom 8.
August 2017
auf die Postzustellungsurkunde gestützt, aus der sich als Tag der Zustellung der 11.
August 2017 ergebe, und ist aufgrund dessen zu dem Ergebnis gelangt, 1
-
4
-
dass die am 1.
Dezember 2017
eingelegte Beschwerde verfristet sei. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
1. In der vom [X.] in Bezug genommenen Zustellungsurkunde hat der Zusteller des Postunternehmens angegeben, er habe, "weil er den [X.]", das zuzustellende Schriftstück "einem dort Beschäftigten",
nämlich Herrn K., übergeben. Als [X.] des Betroffenen weist die Postzustellungsurkunde
die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie aus, in der der Betroffene untergebracht war.
2. Entgegen der vom [X.] offensichtlich vertretenen Auffassung kann hieraus nicht auf eine wirksame Zustellung im Sinne von §
15 Abs.
2 Satz
1 FamFG, §§
166
ff. ZPO geschlossen werden, deren es nach §
41 Abs.
1 Satz
2 FamFG bedurft hätte, um die einmonatige Beschwerdefrist des §
63 Abs.
1 FamFG gemäß §
63 Abs.
3 Satz
1 FamFG in Gang zu setzen (vgl. Se-natsbeschluss vom 13.
Mai 2015

XII
[X.]
491/14

FamRZ 2015, 1374 Rn.
6
f. mwN).
a) Allerdings erlauben
§§
15 Abs.
2 Satz
1 FamFG, §
178 Abs.
1 ZPO dann, wenn die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen wird, die Ersatzzustellung an bestimmte Dritte. Das mithin erforder-liche
Merkmal des "Nichtantreffens"
des [X.]en als Vorausset-zung etwa für eine Ersatzzustellung in Geschäftsräumen ist bereits erfüllt, wenn der Adressat von einer dort beschäftigten Person als abwesend oder verhindert bezeichnet wird; weitere Nachforschungen des Zustellers sind dann regelmäßig nicht veranlasst
(vgl. [X.] Beschlüsse vom 29.
März 2017 -
VIII
ZR
11/16 -
NJW 2017, 2472 Rn.
29 und
vom 4.
Februar
2015 -
III
ZR
513/13 -
NJW-RR 2015, 702 Rn.
10
ff. mwN).
2
3
4
-
5
-
Die Beurkundung des [X.] nach §
182 ZPO dient nur dem Nachweis der Zustellung und ist nicht konstitutiver Bestandteil der Zustel-lung ([X.] Versäumnisurteil vom 19.
Juli 2007

I
ZR
136/05

NJW-RR 2008, 218 Rn.
26
mwN). Die über die Zustellung aufgenommene Urkunde begründet gemäß §
182 Abs.
1 Satz
2 ZPO den vollen Beweis der darin bezeichneten Tatsachen (§
418 ZPO). Diese Beweiskraft reicht jedoch nur so weit, wie [X.] ist, dass die zur Beurkundung berufene Amtsperson die Tatsachen selbst verwirklicht oder aufgrund eigener Wahrnehmungen zutreffend [X.] hat. Sie erfasst keine außerhalb dieses Bereichs liegenden Umstände. Daher vermag beispielsweise die Urkunde über eine Ersatzzustellung nach §
178 ZPO nicht den [X.] dafür zu erbringen, dass der Adressat unter der Zustellungsanschrift wohnt oder eine Person, die in Geschäftsräumen zur Entgegennahme des Schriftstücks bereit war, dort auch tatsächlich be-schäftigt
im Sinne des §
178
Abs.
1 Nr.
2 ZPO war. Sie begründet insoweit [X.] ein erhebliches Beweisanzeichen (vgl. [X.]
Beschlüsse
vom 6.
Mai 2004

IX
[X.]
43/03

NJW 2004, 2386, 2387
und vom 17.
Februar 1992

[X.]
(B)
53/91

NJW 1992, 1963).
b) Vorliegend war der Betroffene in dem psychiatrischen Krankenhaus, mithin in einer Gemeinschaftseinrichtung,
untergebracht. Sofern er vom Zustel-ler dort nicht angetroffen wurde, konnte nach §
178 Abs.
1 Nr.
3 ZPO eine Er-satzzustellung an den Leiter der Einrichtung oder einen
dazu ermächtigten [X.] erfolgen. Ob die zur Entgegennahme bereite [X.] entspre-chend bevollmächtigt ist, wird als außerhalb der Wahrnehmung des Zustellers liegender Umstand zwar nicht von der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde erfasst. Wenn ein Klinikmitarbeiter ausweislich der Urkunde bereit war, ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung entgegenzunehmen, hat dies aber eine starke Indizwirkung für das Bestehen einer solchen Vollmacht, die der [X.], der die Zustellung nicht gegen sich wirken lassen will, durch ei-5
6
-
6
-
ne plausible und schlüssige Darstellung von abweichenden Tatsachen erschüt-tern muss
(vgl. [X.] Beschlüsse
vom 6.
Mai 2004

IX
[X.]
43/03

NJW 2004, 2386, 2387 und vom 17.
Februar 1992

[X.]
(B)
53/91

NJW 1992, 1963; vgl. auch [X.] 5.
Aufl. §
182 Rn.
16 mwN).
So liegt es hier aber nicht. Denn
die Postzustellungsurkunde weist nicht eine Ersatzzustellung an einen zum Empfang ermächtigten Vertreter des [X.] aus. Vielmehr ist eine Ersatzzustellung gemäß §
178 Abs.
1 Nr.
2 ZPO beurkundet. Dies ist aber offensichtlich unzutreffend, weil der Be-troffene in der Klinik weder Geschäftsräume unterhält noch im Rahmen eines Geschäftsbetriebs dort Personen beschäftigt. Unabhängig davon, dass es sich beim Ankreuzen der falschen Zustellungsvariante um ein Versehen des [X.] gehandelt haben dürfte, fehlt es damit an einem sich aus der Urkunde er-gebenden Beweisanzeichen für die Berechtigung der als tatsächlicher Empfän-ger benannten Person, das Schriftstück entgegenzunehmen.
Bei dieser Be-weislage konnte
das [X.] mithin nicht von einer wirksamen Ersatzzustel-lung ausgehen. Mangels Feststellungen zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zu-gangs des Beschlusses an den Betroffenen ist auch für eine Heilung gemäß §§
15 Abs.
2 Satz
1 FamFG, 189 ZPO derzeit nichts ersichtlich.
c) Durch den [X.] wird allerdings nicht die

ggf. vorlie-gende

Wirksamkeit der Zustellung selbst berührt
(vgl. [X.] Versäumnisurteil vom 19.
Juli 2007

I
ZR
136/05

NJW-RR 2008, 218 Rn.
26). Es
bedarf nun weiterer tatrichterlicher Ermittlungen

etwa der Einvernahme des Zustellers

dazu, ob eine wirksame Ersatzzustellung nach §§
15 Abs.
2 Satz
1 FamFG, 178 Abs.
1 Nr.
3
ZPO erfolgt ist.
Der angefochtene Beschluss ist daher [X.], soweit mit ihm die Beschwerde des Betroffenen verworfen worden ist, und die Sache ist insoweit an das [X.] zurückzuverweisen (§
74 Abs.
5, Abs.
6 Satz
2 FamFG).
7
8
-
7
-
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

Schilling

Nedden-Boeger

Ri[X.] Dr. Botur ist im Urlaub

Guhling

und kann deswegen nicht un-

terschreiben.

Dose
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 08.08.2017 -
708 XVII 7309/16 -

LG [X.] I, Entscheidung vom 28.02.2018 -
13 T 2397/18 und 13 T 2398/18 -

9

Meta

XII ZB 138/18

11.07.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2018, Az. XII ZB 138/18 (REWIS RS 2018, 6231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6231

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