Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2004, Az. I ZR 48/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 400

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 48/02 Verkündet am: 2. Dezember 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 2. Dezember 2004 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant und Dr. Schaffert für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das [X.]eil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 9. Januar 2002 aufgeho-ben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der [X.] (im folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die [X.], die einen [X.] 3 - dienst betreibt, aus abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin bestellte am 15. Juli 1998 bei der W.

AG in [X.](im folgenden: Versenderin) 1.200 Speicher- module. Die Versenderin stellte der Versicherungsnehmerin dafür am 17. Juli 1998 insgesamt 127.560 DM zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung. Der [X.] der Ware erfolgte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Ver-käuferin auf Gefahr des Käufers.
Die Versenderin beauftragte die [X.] mit dem Transport der Ware. Sie übergab deren Abholfahrer am 17. Juli 1998 insgesamt drei Pakete zur Be-förderung an die Versicherungsnehmerin, von denen eines bei der Empfängerin nicht ankam. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1998 teilte die [X.] der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit, daß Nachforschungen nicht zum Wieder-auffinden des abhanden gekommenen Paketes geführt hätten.
Die Klägerin hat behauptet, in dem verlorengegangenen Paket hätten sich die am 15. Juli 1998 von ihrer Versicherungsnehmerin bestellten 1.200 Mikrochips mit einem Wert von 127.560 DM befunden. Sie habe den ihrer Versicherungsnehmerin durch den Verlust der Sendung entstandenen Schaden ersetzt. Ferner hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die [X.] könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Allgemeinen [X.] berufen, weil sie über keine wirksamen Organisations- und Kontrollmaßnahmen verfüge; dies führe zur unbeschränkten Haftung der [X.]. - 4 - Die Klägerin hat beantragt,

die [X.] zu verurteilen, an sie 127.560 DM nebst Zinsen zu [X.].

Die [X.] ist dem entgegengetreten. Sie hält ihre Kontrollmaßnahmen für ausreichend und macht ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlas-sener [X.] geltend.
Das [X.] hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die [X.] ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem (§ 398 [X.]) Recht ihrer Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 425 Abs. 1, § 421 Abs. 1 Satz 2, § 435 HGB zuerkannt. Hierzu hat es ausge-führt:
Die [X.] unterliege als Fixkostenspediteurin gemäß § 459 HGB der Frachtführerhaftung. Sie könne sich nicht mit Erfolg auf die [X.] berufen, weil - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - davon auszugehen sei, daß der Ver-- 5 - lustschaden durch ein qualifiziertes Verschulden der [X.] verursacht [X.] sei. An der unbeschränkten Haftung ändere auch der mit der Versenderin vereinbarte Verzicht auf die schriftliche Schnittstellendokumentation durch die [X.] nichts.
Der Versicherungsnehmerin der Klägerin sei ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durch-geführten Beweisaufnahme stehe fest, daß sich in dem verlorengegangenen Paket die gekauften 1.200 Stück Mikrochips befunden hätten.
I[X.] Die Revision hat nur hinsichtlich des Einwands des Mitverschuldens der Versenderin wegen unterlassener [X.] Erfolg.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der [X.] für den in Rede stehenden Verlust von Transportgut nach §§ 425, 421 Abs. 1 Satz 2 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die [X.] von der Versenderin als Fixkostenspediteurin [X.] von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt.
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.], die [X.] hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt. - 6 - a) Nach § 435 HGB gelten die im [X.] vorgesehenen Haftungs-befreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
[X.]) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die [X.] an ihren Umschlagstellen keine bzw. unzureichende Eingangs- und Ausgangskon-trollen durchführt. Dies habe die [X.] selbst eingeräumt, indem sie in ihrer Berufungsbegründung vorgebracht habe, fehlende [X.]n könnten ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Im übrigen sei das Fehlen von [X.]n auch gerichtsbekannt.
[X.]) Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Bei dem Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, handelt es sich um einen [X.] schadensanfälligen Bereich. Er muß deshalb so organisiert werden, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbe-stände frühzeitig festgehalten werden können. Dies erfordert im Regelfall einen körperlichen Abgleich der [X.] bzw. [X.] erfaßten Ware, da sonst ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlag-stationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden kann (vgl. [X.], 337, 347).
Eine ausreichende Kontrolle des [X.] wird entgegen der Annahme der Revision nicht durch den Einsatz des [X.] der [X.] erreicht. Die im Rahmen dieses [X.] führt nicht dazu, den exakten Schadensort - 7 - innerhalb des Beförderungssystems zu lokalisieren. Der gebotene körperliche Abgleich der [X.] erfaßten Ware mit den abgehenden Sendungen findet gerade nicht statt. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, daß das [X.] der [X.] es lediglich erlaubt, im nachhinein festzustellen, ob eine Sendung abgeholt wurde bzw. in einem Umschlagzen-trum aufgetaucht ist. Ein Verlust der Sendung fällt erst auf, wenn - wie hier - der Empfänger deren Ausbleiben beanstandet. Dann besteht aber in Anbetracht des unbekannten [X.] nach der allgemeinen Lebenserfahrung kaum mehr die Möglichkeit, mit Aussicht auf Erfolg nach dem Verbleib der Sendung zu forschen. Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht eine ausreichende Überwachung des [X.] vermißt und daher die Kontrollmaßnahmen der [X.] nicht als genügende Kontrolle des [X.] angesehen hat.
Dem steht nicht entgegen, daß die erforderlichen Ein- und Ausgangskon-trollen nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht zwingend lückenlos alle [X.] Sendungen erfassen müssen, um den Vorwurf eines qualifizier-ten Verschuldens auszuschließen. Im Einzelfall kann vielmehr auch eine stich-probenartige Kontrolle genügen, sofern auf diese Weise eine hinreichende Kon-trolldichte gewährleistet wird, um der Gefahr des Abhandenkommens von [X.] wirksam entgegenzuwirken ([X.], 345, 350 f.; 149, 337, 348). Das setzt jedoch voraus, daß die Umstände der Stichprobenkontrolle, ihr ge-nauer Ablauf, ihre Häufigkeit und Intensität nachvollzogen werden können. [X.] fehlt es hier aber gerade.
b) Auf der vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Grundlage ist der [X.] in bezug auf den streitgegenständlichen Verlust ein qualifizier-tes Verschulden [X.] von § 435 HGB anzulasten. - 8 -
Die aufgrund des [X.] vom 25. Juni 1998 ([X.]) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in [X.] getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Ri-siken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. [X.] 1955; s. auch die Begr. z. Gesetzentwurf d. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, [X.]).
[X.]) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen beson-ders schweren Pflichtverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegset-zen (vgl. [X.], 170, 183; [X.], [X.]. v. 25.3.2004 - I ZR 205/01, [X.] 2004, 309, 310, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt; [X.]. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, [X.] 2004, 399, 401). Das subjektive Erfordernis des Be-wußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt ([X.] [X.] 2004, 309, 310; [X.] 2004, 399, 401). Danach ist im vorlie-- 9 - genden Fall von einem qualifizierten Verschulden der [X.] [X.] von § 435 HGB auszugehen.
[X.]) Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist bei einer Betriebsorganisa-tion des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Um-schlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt (vgl. [X.] [X.] 2004, 309, 311; [X.] 2004, 399, 401).
[X.]) Entgegen der Ansicht der Revision kann aus der Organisation des [X.] durch die [X.] auch auf deren Bewußtsein geschlossen werden, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer - wie die [X.] im Streitfall - elementare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer gebotene [X.]n nicht oder nur unzureichend durchführt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an [X.] entstehen, ohne daß dabei das Verhältnis der Schadensfälle zur Anzahl der umgeschlagenen [X.] von Bedeutung ist (vgl. [X.] [X.] 2004, 309, 312; [X.] 2004, 399, 401, jeweils m.w.N.).
c) Der Revision kann auch insofern nicht beigetreten werden, als sie meint, geringere Anforderungen an ein bewußt leichtfertiges Organisationsver-schulden nach dem jetzt geltenden Transportrecht ließen sich aus einem Ver-gleich mit den die postalische Paketbeförderung betreffenden Regelungen [X.]. - 10 -
[X.]) Der [X.] hat bereits entschieden, daß sich ein Absenken der für die Paketbeförderung geltenden [X.] nicht im Blick auf die in der Vergangenheit gültigen Haftungsbeschränkungen bei postalischer Briefbe-förderung im [X.] von 1969 und auf die nunmehr mögliche [X.] zugunsten des Frachtführers/Spediteurs bei der Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen nach §§ 449, 466 HGB rechtfertigen läßt (vgl. [X.], 337, 349 f.). Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
[X.]) Nichts anderes gilt aber auch für die früher gültig gewesenen gesetz-lichen Regelungen für die postalische Paketbeförderung und das nunmehr für die Paketbeförderung geltende Recht (vgl. [X.], [X.]. v. 11.11.2004 - I ZR 120/02, [X.]. S. 14 f.).
Bis zur Neufassung des [X.]es vom 22. Dezember 1997 ([X.] I S. 3294) war die Haftung der [X.] (später der [X.] [X.] und noch später des Nachfolgeunternehmens der [X.] [X.]) für Schäden durch den Verlust oder die Beschädigung von gewöhnlichen Paketen auf einen Höchstbetrag und für Schäden durch den Verlust oder die Beschädigung von Sendungen mit [X.] auf den Betrag der Wertangabe beschränkt (vgl. zuletzt § 12 Abs. 3 u. 4 [X.] in der Fassung v. [X.], [X.] I S. 2325). Seit der Privatisierung der Postdienste bestimmt sich die Haftung des [X.] postalischer Dienste ge-genüber den Kunden und damit auch die Haftung der [X.] bei der [X.] nach dem im Handelsgesetzbuch geregelten Allgemeinen Transportsrecht. Denn das geltende [X.] enthält keine eigenen vertragli-chen Haftungsvorschriften mehr und der Verordnungsgeber hat von der in § 18 Abs. 1 [X.] enthaltenen Ermächtigung, Haftungsbeschränkungen in einer - 11 - Rechtsverordnung zu regeln, bislang keinen Gebrauch gemacht (vgl. [X.], [X.]. v. 11.11.2004 - I ZR 120/02, [X.]. S. 15 m.w.N.).
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Be-rufungsgerichts, die Klägerin müsse sich das Unterlassen der [X.] bei der in Verlust geratenen Sendung nicht als Mitverschulden der Versenderin anrechnen lassen.
a) Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Frage des Mitverschuldens wegen unterlassener [X.] ausschließlich auf die Ausführungen im landgerichtlichen [X.]eil Bezug genommen, die es für zutreffend erachtet hat. Das [X.] hat seine Auffassung, die [X.] könne sich nicht mit Erfolg auf ein Mitverschulden der Versenderin berufen, darauf gestützt, die [X.] habe in ihren Beförderungsbedingungen klargestellt, daß bei Vorsatz und gro-ber Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen entfielen. An den klaren Wort-laut dieser Beförderungsbedingung müsse sich die [X.] festhalten lassen. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b) Ein Versender gerät in einen nach § 254 Abs. 1 [X.] bzw. - unter der Geltung des neuen [X.] - § 425 Abs. 2 HGB beachtlichen Selbstwi-derspruch, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei [X.] Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer [X.] absieht und gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt er das Transportgut bewußt einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 Abs. 1 [X.], § 425 Abs. 2 HGB anteilig zuzurechnen ist (vgl. [X.], 337, 353; [X.], [X.]. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, [X.] 2003, 467, 471 m.w.N.; [X.] - 12 - 2004, 399, 401). Auch gegenüber einem qualifizierten Verschulden des [X.] kann der Einwand des Mitverschuldens des Anspruchsberechtigten ge-rechtfertigt sein. Die Vorschrift des § 435 HGB zur verschärften Haftung des Frachtführers schließt eine Mithaftung des Versenders oder Empfängers gemäß § 425 Abs. 2 HGB aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus deren Bereich nicht aus (vgl. [X.] [X.] 2003, 467, 471; [X.] 2004, 399, 401).
c) Ein Mitverschulden der Versenderin muß sich auch die Versicherungs-nehmerin der Klägerin als Empfängerin des Gutes zurechnen lassen. Der [X.] kann gemäß § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB die Ansprüche aus dem [X.] im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend machen, wenn [X.] verlorengegangen ist. Der [X.] ist insoweit als Vertrag zugunsten Dritter [X.] von § 328 [X.] ausgestaltet (vgl. [X.], Transportrecht, 5. Aufl., § 421 HGB [X.]. 1). Bei einem Vertrag zugunsten Dritter beruht das Recht des [X.] ausschließlich auf dem Vertragsverhältnis zwischen dem Versprechen-den und dem Versprechensempfänger. Das hat nach § 334 [X.] zur Folge, daß dem Schuldner alle Einwendungen, also auch der Einwand des [X.] gemäß § 254 [X.], aus dem Vertrag mit dem Versprechensempfänger auch gegenüber dem [X.] zustehen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 334 [X.]. 3). Zudem bestimmt § 425 Abs. 2 HGB, der den Rechtsgedanken des § 254 [X.] aufgreift ([X.] [X.]O § 425 HGB [X.]. 1), daß die Verpflichtung zur Ersatzleistung sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon abhän-gen, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers mitgewirkt hat.
d) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die unterlassene [X.] auf der in Verlust geratenen Sendung den Schaden mitverursacht hat, - 13 - weil die [X.] bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu dem Verlust gekommen wäre. Die [X.] hat un-ter Vorlage ihrer Betriebsorganisation dargelegt, daß der Transportweg einer dem Wert nach deklarierten Sendung weiterreichenden Kontrollen als der Weg eine nicht wertdeklarierten Sendung unterliege. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben.
Auch die [X.] nach § 254 [X.], § 425 Abs. 2 HGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter ([X.], 337, 355, m.w.N.; [X.] [X.] 2004, 399, 402).
II[X.] Danach war das angefochtene [X.]eil auf die Revision der [X.] aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen.
Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das [X.] auch zu berücksichtigen haben, daß der Einwand des [X.] wegen unterlassener [X.] nicht bereits dann an der fehlenden Kausalität scheitert, wenn auch bei wertdeklarierten Sendungen ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen werden kann (vgl. [X.] [X.] 2004, 399, 401). Ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkendes Verschulden der [X.] kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn bei wertdeklarierten Sendungen ebenfalls Lücken in der [X.] verbleiben und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Sendung gerade in diesem Bereich ver-lorengegangen ist und die Angabe des Wertes der Ware daher deren Verlust nicht verhindert hätte (vgl. [X.], [X.]. [X.], [X.] 2003, 317, 318 = [X.], 1596). - 14 -
Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, in welcher Phase des Transports der Verlust eingetreten ist. Er kann also auch in einem Bereich eingetreten sein, in dem die [X.] ihre Sorgfalt bei dem Transport von wertdeklarierter Ware nicht oder nicht in bewußt leichtfertiger Weise verletzt hat. Die Haftung wegen qualifizierten Verschuldens beruht auf dem Vorwurf unzureichender Kontrolle der Schnittstellen und der daraus folgenden Vermutung, daß die Ware in [X.] besonders gefährdeten Bereich verlorengegangen ist (vgl. [X.] [X.] 2004, 399, 401 m.w.N.). Das damit auf einer Vermutung beruhende Haftungsri-siko wird aber eingeschränkt, wenn der Weg der Ware - wie die [X.] be-hauptet hat - im Falle einer [X.] weitergehend kontrolliert wird und sich daher bei einem Verlust genauer nachvollziehen läßt als bei einer nicht deklarierten Sendung. Denn dann erhöhen sich die Möglichkeiten der Beklag-ten, die Vermutung, daß ihr bewußt leichtfertiges Verhalten für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen sei, durch den Nachweis zu widerlegen, daß die Ware in einem gesicherten Bereich verlorengegangen ist (vgl. [X.] [X.] 2003, 317, 318; [X.], [X.] 2004, 399, 402). - 15 - Im Rahmen der [X.] stellt dabei die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung des Mitverschuldensanteils relevanten Gesichtspunkt dar: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des [X.], der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware au-ßerhalb des gesicherten Bereichs veranlaßt (vgl. [X.] [X.] 2003, 317, 318).

[X.] v. Ungern-Sternberg Bornkamm

Pokrant Schaffert

Meta

I ZR 48/02

02.12.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2004, Az. I ZR 48/02 (REWIS RS 2004, 400)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 400

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