Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. I ZR 263/01

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2756

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/01 Verkündet am: 17. Juni 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

HGB § 435

Eine vor dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Juli 1998 vom Spediteur erstellte Beförderungsbedingung, wonach die in den [X.] vorgesehenen Haftungsbegrenzungen nicht bei Vorsatz oder grober Fahr-lässigkeit gelten sollen, ist, wenn sie einem nach dem 1. Juli 1998 geschlosse-nen Vertrag zugrunde gelegt wird, dahin auszulegen, daß die vorgesehenen Haftungsbegrenzungen erst bei dem verschärften Verschuldensgrad des neu gefaßten § 435 HGB nicht gelten.

[X.], [X.]. v. 17. Juni 2004 - [X.]/01 - [X.]
- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 17. Juni 2004 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant und Dr. Schaffert für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.]n wird das [X.]eil des 16. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 13. September 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist [X.]. Sie nimmt die [X.], die ei-nen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem Recht des Pelzhau-ses [X.]in [X.] (im folgenden: Versicherungsnehmerin) wegen des Ver- lustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. - 3 -
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die [X.] am 11. April 2000 mit der Beförderung eines Pakets, das einen Pelzmantel enthielt, von [X.] nach [X.]. . Auf dem [X.] war als Serviceart "Standard" angekreuzt. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der [X.]n (Stand Februar 1998) zugrunde.
Die [X.] hat die Ersatzleistung unter Berufung auf ihre Beförde-rungsbedingungen auf 1.000 DM beschränkt.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe den durch den Verlust der Sendung entstandenen Schaden durch Zahlung von 21.000 DM an die Versicherungs-nehmerin reguliert. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, die [X.] hafte für den eingetretenen Verlust unbeschränkt. Die [X.] könne sich weder auf gesetzliche noch auf die in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorge-sehenen Haftungsbeschränkungen berufen, da ihr grobes Organisationsver-schulden zur Last falle. Dies führe zur unbeschränkten Haftung der [X.]n.
Die Klägerin hat beantragt,

die [X.] zu verurteilen, an sie 17.862,07 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die [X.] ist dem entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Haftung sei gemäß Ziff. 10 Abs. 1 ihrer Beförderungsbedingungen auf 1.000 DM begrenzt. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 435 HGB - 4 - lägen nicht vor. Ein leichtfertiges Verhalten in dem Bewußtsein der Wahrschein-lichkeit des Schadenseintritts könne ihr nicht angelastet werden, da lediglich ein geringer Bruchteil von Sendungen abhandenkomme. Jedenfalls sei ein über-wiegendes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen unterlassener [X.] anzunehmen. Bei Angabe des tatsächlichen Warenwertes [X.] sie das Paket als sogenanntes Wertpaket behandelt und demzufolge weitere Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Auch der Klägerin müsse ein Mitverschulden vorgeworfen werden, da sie es unterlassen habe, die Versicherungsnehmerin auf die Notwendigkeit einer [X.] hinzuweisen und ihr zudem aus vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten bekannt gewesen sei, daß sie, die [X.], auf Schnittstellenkontrollen verzichte.
Das [X.] hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die [X.] ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem (§ 398 BGB) Recht der Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 425 Abs. 1 HGB i.V. mit Ziff. 10 der Beförderungsbedingungen der [X.]n zuerkannt. Hierzu hat es ausgeführt: - 5 -
Da sich die [X.] mit der Versicherungsnehmerin über einen be-stimmten Satz an Beförderungskosten geeinigt habe und sie zudem die Versendung der Pakete zusammen mit Gütern anderer Versender als Sammel-ladung besorge, träfen sie gemäß §§ 459, 460 Abs. 2 HGB ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers.
Die [X.] könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Beförderungsbedingungen berufen, weil davon auszugehen sei, daß der Schaden durch ein qualifiziertes Verschulden der [X.]n verursacht worden sei. Der Umstand, daß die Versicherungsnehmerin eine Wertdeklarati-on unterlassen habe, führe nicht zur Annahme eines Mitverschuldens, das sich die Klägerin zurechnen lassen müsse. Die [X.] habe zwar behauptet, sie hätte bei Angabe des tatsächlichen Wertes der Sendung gegebenenfalls wei-tergehende Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Sie habe jedoch in ihren Beför-derungsbedingungen klargestellt, daß bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen - mithin auch diejenige, wonach bei unterbliebe-ner [X.] nur bis zu einem bestimmten Betrag gehaftet werde - ent-fielen. An diese dem Wortlaut nach eindeutige Regelung in den von ihr verwen-deten Beförderungsbedingungen müsse sich die [X.] festhalten lassen. Es komme nicht darauf an, ob die Haftungsvoraussetzungen des § 435 HGB n.F. erfüllt seien. Ein haftungsminderndes Mitverschulden der Versicherungsnehme-rin ergebe sich auch nicht daraus, daß sie nach einem [X.] vom 24. Januar 2000 nicht ein anderes Unternehmen mit der Paketversendung [X.] habe. Dazu habe aus der Sicht der Versicherungsnehmerin keine Ver-anlassung bestanden, da es sich bei dem Verlust vom Januar 2000 unstreitig - 6 - um den ersten nach etwa 8.000 problemlos durchgeführten Transporten ge-handelt habe.
I[X.] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Revision der [X.]n ist uneingeschränkt zulässig.
Das Berufungsgericht hat die Revision im [X.] ohne beschrän-kenden Zusatz zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, "die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die [X.] überregional tätig und die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Mitverschulden der [X.] bei unterlassener Wertangabe gegenüber einer auf grober Fahrlässigkeit der [X.]n beruhenden Haftung uneinheitlich ist". Damit ist die Revision der [X.]n nicht allein auf den Einwand des Mitverschuldens wegen unterlasse-ner [X.] der Versenderin beschränkt worden.
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der [X.]n nach § 425 HGB richten. Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die [X.] von der Versicherungsnehmerin als Fix-kostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt, soweit diese mit den in - 7 - § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu [X.] 153, 308, 310 f.).
3. Die Revision wendet sich im Ergebnis erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.] hafte für den streitgegenständlichen Scha-den unbeschränkt.
a) Mit Recht beanstandet die Revision allerdings die Ansicht des [X.], die unbeschränkte Haftung der [X.]n ergebe sich schon aus deren Beförderungsbedingungen, wonach die in Ziff. 10 Abs. 2 enthaltene - im Vergleich zu § 431 HGB zugunsten des Versenders nach oben abweichende - summenmäßige Haftungsbeschränkung dann nicht gelten soll, wenn der [X.]n Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Ziff. 10 Abs. 5). Es komme in einem solchen Fall nicht darauf an, ob die strengeren Haftungsvor-aussetzungen des § 435 HGB erfüllt seien.
Dem kann nicht beigetreten werden. Nach Ziff. 10 Abs. 1 der Beförde-rungsbedingungen wird in den Fällen, in denen das [X.] oder das [X.] nicht gelten, die Haftung durch die Beförderungsbe-dingungen der [X.]n "geregelt". Die nachfolgenden "Haftungsbegrenzun-gen" sollen nicht gelten bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der [X.]n (Ziff. 10 Abs. 5). Da die Bedingungen der [X.]n zum Umfang der dann [X.] Haftung keine Ausführungen enthalten, kann nur das im Gesetz vor-gesehene Haftungsregime greifen. Dieses sieht für den Frachtführer nach dem zum 1. Juli 1998 in [X.]aft getretenen und für die Abwicklung des [X.] maßgeblichen § 435 HGB eine unbegrenzte Haftung nur - 8 - vor, wenn der Frachtführer vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein gehandelt hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. An das (lediglich) grob fahrlässige Verhalten knüpft die vom Gesetzgeber des Jahres 1998 geregelte Frachtführerhaftung - in Abweichung von dem zuvor geltenden Recht (§ 430 Abs. 3 HGB a.F.) - keine verschärfte Haftung. Es ist aus dem [X.] in Ziff. 10, die auf eine [X.] angelegt sind, nicht ersichtlich, daß die [X.] über den gesetzlichen Haftungsrahmen hinaus für Transportschäden einstehen wollte. Die im Februar 1998, und damit noch unter der Geltung des § 430 HGB a.F., erstellte Vertragsbedingung der [X.]n ist folglich dahin auszulegen, daß die Haftungsbegrenzungen dann nicht gelten sollen, wenn bei verschärftem Ver-schuldensgrad auch das Gesetz eine verschärfte Frachtführerhaftung vorsieht, das heißt also mit Inkrafttreten des § 435 HGB nur, wenn nach den dort ge-nannten Voraussetzungen die gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen [X.]en nicht gelten.
b) Nach § 435 HGB gelten die im [X.] vorgesehenen Haftungs-befreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß die [X.] es unstreitig unterlassen hat, bei der Beförderung von [X.] durchzuführen. Auf dieser tatsächlichen Grundlage - 9 - kann der [X.] selbst entscheiden, daß der [X.]n in bezug auf den streit-gegenständlichen Verlust ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB an-zulasten ist.
c) Die aufgrund des [X.] vom 25. Juni 1998 ([X.]) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in [X.]aft getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Ri-siken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. [X.] 1955; s. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, [X.]).
[X.]) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen beson-ders schweren Pflichtverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegset-zen (vgl. [X.] 145, 170, 183; [X.], [X.]. v. 25.3.2004 - I ZR 205/01, [X.]. [X.], zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann - 10 - anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Danach ist im vorliegenden Fall von einem qualifizierten Verschulden der [X.]n i.S. des § 435 HGB auszugehen.
[X.]) Wie der [X.] in seinem [X.]eil vom 25. März 2004 ([X.]. [X.]) ent-schieden hat, ist bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt.
cc) Entgegen der Ansicht der Revision kann aus der [X.] durch die [X.] auch auf deren Bewußtsein geschlossen werden, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer, wie die [X.] im Streitfall, elementare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer also Schnittstellenkontrollen unterläßt, ob-wohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem an-vertrauten [X.] entstehen (vgl. [X.] 74, 162, 172; [X.], [X.]. v. 25.3.2004, [X.]. [X.]).
Auf das Verhältnis der Schadensfälle zur Anzahl der umgeschlagenen Sendungen kommt es nicht an (vgl. [X.], [X.]. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, - 11 - [X.] 2003, 467, 471; [X.]. v. 9.10.2003 - I ZR 275/00, [X.] 2004, 175, 177; [X.]. v. 25.3.2004, [X.]. [X.] m.w.N.).
4. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des [X.], die Klägerin müsse sich die unterlassene [X.] bei der in Verlust geratenen Sendung nicht als Mitverschulden der Versicherungsneh-merin anrechnen lassen.
a) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung darauf gestützt, daß die [X.] in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen klargestellt habe, daß bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen, mithin auch diejenige, wonach bei unterbliebener [X.] nur bis zu einem bestimmten Betrag gehaftet werde, entfielen. An dieser dem Wortlaut nach ein-deutigen Regelung müsse sich die [X.] festhalten lassen. Ließe man eine bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausdrücklich für unwirksam erklärte [X.] über die Rechtsinstitute des Mitverschuldens oder des treu-widrigen Verhaltens wieder aufleben, entstünde ein klarer Wertungswider-spruch. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b) Ein Versender gerät in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer [X.] absieht und gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Mit seinem Ver-zicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt der Versender das Transportgut bewußt einem erhöhten Verlustrisiko aus - 12 - mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 BGB anteilig zuzurechnen ist (vgl. [X.] 149, 337, 353; [X.] [X.] 2003, 467, 471 m.w.N.). Ein anspruchsminderndes Mitverschulden kann sich gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, daß der Ge-schädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen mußte (vgl. [X.] 149, 337, 353). Auch gegenüber einem qualifi-zierten Verschulden des Schädigers kann der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten gerechtfertigt sein. Die Vorschrift des § 435 HGB zur ver-schärften Haftung des Frachtführers schließt eine Mithaftung des Versenders oder Empfängers aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus deren Bereich nicht aus (vgl. [X.] [X.] 2003, 467, 471).
c) Nach dem Vortrag der [X.]n unterliegt der Transportweg einer dem Wert nach deklarierten Sendung weiterreichenden Kontrollen als der Weg einer nicht deklarierten Sendung. Zwar kann auch bei wertdeklarierten Sendun-gen ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen werden. Das rechtfertigt es jedoch grundsätzlich nicht, den Einwand des Mitverschuldens wegen unterlas-senen Hinweises auf den Wert der Ware an der fehlenden Kausalität scheitern zu lassen.
Ungeklärt ist im vorliegenden Fall, in welcher Phase des Transports der Schaden eingetreten ist. Er kann also auch in einem Bereich eingetreten sein, in dem die [X.] ihre Sorgfalt bei dem Transport von wertdeklarierter Ware nicht oder nicht in krasser Weise verletzt hat. Die Haftung wegen qualifizierten Verschuldens beruht auf dem Vorwurf unzureichender Kontrolle der [X.] - len und der daraus folgenden Vermutung, daß die Ware in diesem besonders gefährdeten Bereich verlorengegangen ist (vgl. [X.] 149, 337, 345 f.; [X.], [X.]. [X.], [X.] 2003, 317, 318 = NJW-RR 2003, 1473; [X.]. v. 25.3.2004, [X.]. S. 14 f.). Das damit auf einer Vermutung beruhende Haftungsrisiko wird eingeschränkt, wenn die Ware in ihrem Wert deklariert [X.] ist. Der Weg einer wertdeklarierten Ware wird nach der Darstellung der [X.]n weitergehend kontrolliert und läßt sich bei einem Verlust genauer nach-vollziehen als der einer nicht deklarierten Sendung. Hat der Versender den Wert angegeben, erhöhen sich die Möglichkeiten der [X.]n, die Vermu-tung, daß ein besonders krasser Pflichtenverstoß für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen ist, durch den Nachweis zu widerlegen, daß die Ware in einem gesicherten Bereich verlorengegangen ist (vgl. [X.] [X.] 2003, 317, 318).
d) Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die unterlassene Wertangabe auf der in Verlust geratenen Sendung den Schaden tatsächlich deshalb (mit-)verursacht hat, weil die [X.] bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu dem Verlust gekommen wäre. Die [X.] hat unter Hinweis auf ihre Allge-meinen Beförderungsbedingungen vorgetragen, durch die fehlende [X.] habe die Versicherungsnehmerin ihr die Möglichkeit genommen, die bei [X.] vorgesehenen weiteren Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, die gerade den Eintritt des Schadens verhindern sollten. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuge-hen haben. - 14 - Die [X.] nach § 254 BGB obliegt grundsätzlich dem [X.] (vgl. [X.] 51, 275, 279; 149, 337, 355 m.w.N.), so daß die Sache auch aus diesem Grund zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen ist.
5. Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich im Streitfall ein Mitver-schulden oder auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht darüber hinaus damit begründen, daß die Versicherungsnehmerin die Geschäftsbeziehung zur [X.]n nach dem Verlust einer Sendung im Januar 2000 fortgesetzt hat.
a) Eine Anspruchsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, bei dem es sich um eine konkrete gesetzliche Ausprägung des in § 242 BGB enthaltenen all-gemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, kann dann in Betracht kommen, wenn der Versender einen Spediteur mit der Transportdurchführung beauftragt, von dem er weiß oder zumindest hätte wissen müssen, daß es in dessen Unternehmen aufgrund von groben [X.] immer wie-der zu Verlusten kommt. Die Auftragserteilung beinhaltet unter solchen Um-ständen die Inkaufnahme eines Risikos, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem § 254 BGB zugrundelie-genden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist ([X.], [X.]. v. 29.4.1999 - I ZR 70/97, [X.] 1999, 410, 411 = [X.], 474).
b) Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsge-richts hat es sich bei dem [X.] vom 24. Januar 2000 unstreitig um den ersten Verlust nach etwa 8.000 problemlos durchgeführten Transporten gehandelt. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist es aus Rechtsgründen nicht - 15 - zu beanstanden, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die Versiche-rungsnehmerin habe keine Veranlassung gehabt, einen anderen Transporteur mit der Paketversendung zu beauftragen. Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Umstand, daß der Versicherungsnehmerin die Transportorganisation der [X.]n vor Erteilung des streitgegenständlichen Auftrags bekannt war. Denn die Kenntnis und Billi-gung der Transportorganisation der [X.]n reicht für sich allein zur [X.] eines Mitverschuldens nicht aus. Es ist im allgemeinen ausschließlich Sa-che des Fixkostenspediteurs, den [X.] - in den der Auftraggeber in der Regel keinen näheren Einblick hat - so zu organisieren, daß die ihm anver-trauten Güter weder Schaden nehmen noch in Verlust geraten. Ohne besonde-ren Anlaß brauchte die Versicherungsnehmerin die Eignung, Befähigung und Ausstattung ihres Vertragspartners nicht in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen (vgl. [X.], [X.]. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, [X.] 2003, 255, 259 m.w.N.).
6. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das [X.] ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin nicht darauf ge-stützt hat, daß auf dem [X.] im [X.] das Wort "Pelze" [X.] war.
Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsge-richts hat die [X.] selbst im [X.] das beanstandete Wort "Pelze" als Bestandteil der Firma des Versenders vorgedruckt. Zudem folgt aus der Be-zeichnung des Versenders mit dessen Firma nicht ohne weiteres ein Hinweis darauf, daß das Paket wertvolle Pelzwaren enthalten könnte. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht festgestellt, daß weder aus dem Paket selbst noch - 16 - aus den mitlaufenden Begleitpapieren für einen potentiellen Täter erkennbar war, daß das Paket einen wertvollen Pelzmantel enthielt. Die Verneinung eines Mitverschuldens der Versenderin ist auf dieser tatsächlichen Grundlage revisi-onsrechtlich nicht zu beanstanden.
II[X.] Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der [X.]n auf-zuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] v. Ungern-Sternberg Bornkamm

Pokrant Schaffert

Meta

I ZR 263/01

17.06.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. I ZR 263/01 (REWIS RS 2004, 2756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2756

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.