Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2013, Az. 5 StR 203/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5436

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5 [X.]/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom
29. Mai 2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Mordes u.a.

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 29. Mai 2013
beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten S.

gegen das Urteil des [X.] vom 28. Dezember 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Es wird davon abgesehen,
diesem Angeklagten die Kos-ten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.

2.
Auf die Revision des
Angeklagten [X.]

wird das vorgenannte Urteil nach § 349 Abs. 4
StPO mit den zu-gehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch auf-gehoben.

Die weitergehende Revision dieses Angeklagten wird nach §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Schwurgerichtskammer
des Land-gerichts zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Den Angeklagten S.

hat es we-gen Totschlags unter Einbeziehung zweier Geldstrafen zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Nichtrevidentin E.

wurde

unter [X.]
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sprechung im Übrigen

wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer zur Be-währung ausgesetzten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Revi-sion des Angeklagten [X.]

hat mit der Sachrüge im Umfang der [X.]; im Übrigen ist
sie
ebenso wie die Revision des [X.]n S.

unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

1. Der zur Tatzeit 31 Jahre alte Angeklagte [X.]

hatte
zeitwei-se bei dem später getöteten 42 Jahre alten geistig behinderten und bis zu seiner Augenoperation kurz vor der Tat fast blinden späteren Tatopfer

M.

gewohnt und mit diesem eine homosexuelle Beziehung unter-halten, ohne jedoch selbst homosexuell zu sein. Hin und wieder kam es auch zu gegenseitiger Gewaltanwendung. Seit [X.] 2011 bewohnte der [X.] eine eigene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, in dem auch die zur Tatzeit 50-jährige Nichtrevidentin E.

wohnte. Zwischen
beiden entwi-ckelte sich eine sexuelle Beziehung. Der Angeklagte hielt sich öfter
in der Wohnung der Nichtrevidentin auf. Der zur Tatzeit 19 Jahre alte Angeklagte S.

wohnte seit Ende 2011 bei

M.

. Allein oder gemeinsam hielten beide
sich zeitweise bei den Angeklagten [X.]

und E.

auf, die im Tatzeitraum täglich Bier, Schnaps und Sangria tranken.

Am Nachmittag des [X.] (31. Januar 2012) befanden sich die [X.] und

M.

in der Wohnung der Nichtrevidentin. Sie [X.], Sangria) in unterschiedlicher, nicht genau feststellbarer Menge und S.
42). Wegen angeblicher Schulden des

M.

bei der [X.] kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Ange-2
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klagten [X.]

, in deren Verlauf der Angeklagte ihn
gewaltsam zu Fall brachte. [X.]

schlug und trat auf Körper und Kopf des am Boden liegenden, sich nicht zur Wehr setzenden M.

ein, wobei er dessen
Tod beabsichtigte. Er drückte M.

mit dem Daumen das rechte Auge ein, wodurch er die Augenhöhle zertrümmerte, und steckte ihm zwei Finger tief in Mund und Rachen, um ihn zu ersticken. Nun beteiligte sich auch der Angeklagte S.

aktiv an den weiteren massiven Tätlichkeiten gegen

M.

.
Er schlug und trat vielfach mit seinen Stiefeln gegen Kopf und Körper des M.

, dem von den Angeklagten die Hände gefesselt worden waren. Beide schlugen mit einem Besenstiel aus Hartplastik, den sie zuvor in zwei Teile gebrochen hatten, auf den [X.] des M.

ein. S.

zwang M.

, ihm seine Stiefel abzulecken und urinierte auf das am Boden liegende Opfer. [X.]

setzte sich mit ei-nem Hocker auf den Oberkörper des M.

; damit wippend schlug er weiter massiv und brutal auf ihn
ein. Schließlich zogen die Angeklagten ihm Hose und Unterhose aus und schlugen und traten mehrfach brutal gegen seinen
Genitalbereich;
zum Schlagen benutzten sie ein Holzstück. Zudem stachen sie ihn
mit Steakmessern in die Genitalregion und führten gewaltsam einen Gegenstand in den After ein. Die Nichtrevidentin war bei den [X.] der Angeklagten, die schließlich zum Tod des

M.

führten, zugegen und beobachtete diese von der Couch aus.

Nach der Tat aßen alle
Angeklagten in der Wohnküche, in der auch die Leiche lag, zu
Abend, tranken Alkohol und unterhielten sich. Sie ver-brachten auch die nachfolgenden Tage bis zum Abend des 7. Februar 2013 gemeinsam in der Wohnung der E.

mit dem für sie üblichen Konsum von Alkohol immer gleich Versuche, die Leiche des

M.

zu zerstückeln, um sie besser ent-n-an dem Leichnam vor, die allein seiner Beschimpfung dienten. So schnitt der Angeklagte [X.]

dem Verstorbenen ein Ohr ab und legte es zum Trocknen auf die Heizung. E.

durchstach die 5
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Zunge des Toten mit einem Korkenzieher; S.

skalpierte

ihn teilweise. Schließlich warfen E.

und S.

den Leichnam auf Anweisung des [X.]

in einen Papiercontainer der Wohnanlage. Dort wurde er am 8.
Februar 2013 gefunden, nachdem die Nichtrevidentin sich kurz zuvor der Polizei offenbart hatte.

2. Das [X.] hat die Tat des Angeklagten [X.]

unter Annahme niedriger Beweggründe als Mord bewertet. Bei der Ausführung der Tat sei er

trotz seiner Alkoholisierung

stets in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. [X.] sei der nach seiner geistigen und seelischen Entwicklung einem Jugendlichen gleichstehende Angeklagte S.

bei der Tat infolge einer organischen Persönlichkeitsstörung bei erhaltener Einsichtsfähigkeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich gemindert gewesen. Aufgrund seiner organi-schen Persönlichkeitsstörung sei er auch nicht in der Lage gewesen, seine gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern und das Verachtenswerte seiner Gefühlsregungen gegenüber

M.

zu erkennen. Die [X.] hat den [X.]n S.

deshalb wegen Totschlags zu Jugendstrafe verurteilt und ihn in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht (§ 63 StGB).

II.

Während die Revision des Angeklagten S.

aus den in der [X.] genannten Gründen unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO) ist, führt die Revision des Angeklagten [X.]

zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

1. Das [X.] hat eine erhebliche Verminderung der Schuldfä-higkeit des Angeklagten [X.]

nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

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k-zumindest mittelgradiger alkoholbedingter Rauschzustand vorgelegen habe, ist
dies gerade angesichts der Vielzahl solcher Anhaltspunkte nicht hinrei-chend nachvollziehbar.

a) Den Feststellungen und zahlreichen ihnen zugrunde liegenden Zeugenaussagen ist zu entnehmen, dass zumindest die Angeklagten [X.]

und E.

regelmäßig in erheblichem Umfang Alkohol konsumier-ten. Dies deckt sich auch mit früheren
eigenen Angaben von
[X.]

und E.

.

Dass insbesondere diese beiden
auch am Tattag in erheblichem Ma-ße Alkohol getrunken haben, ergibt sich nicht nur
aus ihren eigenen
Angaben und denjenigen des Angeklagten S.

. In der Wohnung der Nichtreviden-tin aufgefundene Kassenzettel belegen, dass am Tattag zwischen 12.00 Uhr und 20.00 Uhr dreimal im Supermarkt Alkohol gekauft wurde (18 Flaschen Pils und eine Flasche Pfefferminzlikör),
wobei bei den Biereinkäufen jeweils Leergut in entsprechender Zahl zurückgegeben wurde. Auch wenn diese Einkäufe keinen

zwingenden

Rückschluss auf
den Alkoholisierungsgrad der drei Tatbeteiligten
zur Tatzeit zulassen
so sprechen die Gesamtumstände doch für einen zeitnahen Konsum
des eingekauften Alkohols, zumal offenbar bereits am nächsten Tag, dem 1. [X.], weitere Einkäufe erfolgten. Die aus dem Urteil ersichtlichen Gesamtum-stände legen es auch nahe, dass [X.]

und E.

die Hauptkon-sumenten des eingekauften Alkohols waren. Insoweit haben die beiden Be-schwerdeführer
übereinstimmend angegeben, dass S.

i-schen Untersuchung des Leichenbluts kommt ein Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass die Blutalkoholkonzentration bei dem getöteten

M.

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zum Zeitpunkt des Eintritt seines Todes sehr wahrscheinlich gering gewe-sen sei ([X.]). Bei ihm lag nach den Aussagen seines Halbbruders und seiner Betreuer kein Alkoholproblem vor.

Danach liegt nahe, dass der
Angeklagte [X.]

bei der Tat in nicht unerheblichem Maße
alkoholisiert war. Schließlich spricht insbesondere auch aus dem außerordentlich brutalem Tatbild und dem unmittelbaren Nachtatverhalten
eine erhebliche Enthemmung dieses
Angeklagten,
von dem die Angriffe auf das Tatopfer ursprünglich ausgingen.

b) All dem trägt der Sachverständige, dem das [X.] folgt, nur unzureichend Rechnung, indem er darauf abstellt, dass keine Hinweise in Form von bestimmten Leistungsausfällen

vorlägen, die für einen wenigstens mittelgradigen Rauschzustand sprechen würden
([X.]). Dabei wird auch übersehen, dass Hinweise auf etwaige Leistungsausfälle angesichts der Be-weislage nicht unbedingt zu erwarten waren. [X.] Zeugen gab es nicht. Der Angeklagte [X.]

selbst hatte
sich hinsichtlich des eigentli-chen Tatgeschehens auf Erinnerungslücken berufen.
Soweit die Angeklagte E.

bekundet hatte, keiner von ihnen sei betrunken gewesen, wäre
die-se Aussage mit Blick darauf zu würdigen gewesen, dass
die Zeugin selbst alkoholisiert war und

bei aller Passivität ihres Verhaltens

eine emotionale Beteiligung in der [X.]. Die Angabe des Angeklagten S.

, [X.]

und E.

t-,
hat die [X.] nicht als Hinweis auf erhebliche Alkoholisierung während des Tatgeschehens gewer-tet (UA S.
91).

c) Als Erklärungsmodell für die Tat hält der Sachverständige die Grup-penkonstellation für naheliegend. Der Angeklagte [X.]

habe der Nichtrevidentin in besonderer Weise imponieren wollen, indem er

M.

angegriffen habe. Das Eingreifen und Mitmachen des Angeklagten S.

die das 12
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wechselseitige Agieren zum Nachteil des

M.

bis hin zu dessen Tod und noch darüber hinaus gekennz([X.]). Indes [X.] bloßes Imponiergehabe die bereits in der ersten Phase der Tat vor
Ein-greifen des Angeklagten S.

verübten schweren Gewalttätigkeiten durch den Angeklagten [X.]

allein nicht in nachvollziehbarer Weise zu er-klären.

2. Der Senat kann
angesichts
des bei der Tat, die
sich über einen län-geren Zeitraum erstreckte, gezeigten motorischen s-schließen, dass der alkoholgewöhnte Angeklagte [X.]

schuldunfähig war. Mit Blick auf die außerordentliche Brutalität und die
menschenverach-tenden Begleitumstände der Tat, die klar zutage traten,
schließt
der Senat auch aus, dass sich
der Rechtsfehler auf die Annahme niedriger
Beweg-gründe ausgewirkt hat
(vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2004

5 [X.], [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 44). Er
hebt deshalb
ledig-lich den Rechtsfolgenausspruch
auf. Das neue Tatgericht wird sich auch mit der Frage einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB erneut zu befassen haben.

Der Senat verweist die Sache an eine Schwurgerichtskammer zurück, weil sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet.

[X.]Raum

Schneider

Dölp

Bellay

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16

Meta

5 StR 203/13

29.05.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2013, Az. 5 StR 203/13 (REWIS RS 2013, 5436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5436

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