Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. 2 StR 20/18

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8251

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:060618U2STR20.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2
StR 20/18
vom
6. Juni
2018
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen

zu 1.: des Verdachts der schweren räuberischen Erpressung
u.a.

zu 2.: des Verdachts der Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 6.
Juni
2018, an der
teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
[X.]innen
am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten [X.]

,

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 26.
Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten [X.]

und
[X.]

im Fall II.
5 der Urteilsgründe freigesprochen worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an ei-ne andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen Diebstahls m
be-
sonders schweren

a-ten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom [X.] der schweren räuberischen Erpressung (als Mittäter eines am 12.
Dezember 2013 verübten [X.], Fall II.
5 der Urteilsgründe) hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Den Angeklagten
[X.]

hat das [X.] unter anderem von dem
Vorwurf der Verabredung zu einem schweren Raub (Banküberfall am 12.
Dezember 2013, Fall II.
5 der Urteilsgründe) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
1
2
-
4
-

Gegen die Freisprüche im Fall II.
5 der Urteilsgründe wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.
1. Die zugelassene Anklage legt dem
Angeklagten [X.]

, seinerzeit Prä-
sident des Hells [X.]

, im Fall II.
5 der [X.],
dem gesondert verfolgten M.

im Jahr 2013 zur Begehung eines Bank-
überfalls geraten zu haben, um mit der [X.] die Aufnahmegebühr für die Mitgliedschaft in dem
Hells [X.] bezahlen zu können. Dem Angeklagten
[X.]

wird vorgeworfen, sich an der Vorbereitung des [X.] beteiligt zu
haben.
Der [X.]
(und insoweit als Mittäter verurteilte)
Bordellbetreiber
[X.]

habe M.

eine Schreckschusswaffe sowie ein Fluchtfahrzeug zur
Verfügung gestellt sowie den Angeklagten [X.]

, ein Mitglied des [X.]
Charter B.

, als potentiellen Mittäter vermittelt. Beide, [X.]

und M.

, hätten in der Folge geeignete Objekte, darunter auch die später überfalle-
ne V.

bank in R.

, ausgekundschaftet. Am Tattag, dem 12.
Dezember
2013,
habe
der Angeklagte [X.]

den gesondert verfolgten M.

jedoch
angewiesen, den Raubüberfall

als eine Art Probe zur Aufnahme bei den [X.]

alleine auszuführen. Von den bei dem Überfall erbeuteten 17.000

habe M.

dem Angeklagten [X.]

unmittelbar 7.000

übergeben. An-
schließend habe er gemeinsam mit dem Angeklagten [X.]

die bei der Tat ge-
tragene Kleidung verbrannt. Zu einer Übergabe der Aufnahmegebühr an den
3
4
5
-
5
-
Angeklagten [X.]

sei es nicht mehr gekommen, da dieser, M.

und
[X.]

zuvor in anderer Sache verhaftet wurden.
2. Nach den Feststellungen des [X.] wollte der gesondert ver-folgte M.

Mitglied bei den [X.] werden und wandte sich deshalb
an den Präsidenten des [X.]

, den Angeklagten [X.]

, der die Zah-
lung einer Aufnahmegebühr forderte. Da M.

das benötigte Geld fehlte,
wandte er sich an den Angeklagten [X.]

, den Betreiber des Bordells A.

in E.

, der ihm

wie auch schon zuvor [X.]

zu einem Banküberfall riet.
[X.]

besorgte M.

eine Schreckschusswaffe und einen Mietwagen für
den geplanten Überfall; im Gegenzug sollte er einen nicht unerheblichen Beu-teanteil erhalten. Am frühen Nachmittag des 12.
Dezember 2013 trafen sich der Zeuge M.

und die Angeklagten [X.]

, [X.]

und [X.]

auf dem Park-
platz des A.

, wo es zu Gesprächen kam, deren Inhalt die [X.]
nicht hat feststellen können.
Gegen 15.30 Uhr verließ M.

alleine den Parkplatz. Um 17.41
Uhr
überfiel er unter Verwendung der ihm von [X.]

ausgehändigten, ungeladenen
Schreckschusspistole die V.

bank in R.

und erbeutete 16.550

. Auf
der Rückfahrt nach E.

versteckte er die bei der Tat getragene Kleidung unter
einer Brücke und wechselte das Fluchtfahrzeug, bevor er gegen 19.00
Uhr im
A.

eintraf, wo er bereits von [X.]

erwartet wurde, dem er einen Beu-
teanteil von 7.000

übergab.
Gemeinsam mit [X.]

fuhr M.

zu dem abgestellten Fluchtfahr-
zeug. Beide desinfizierten den Innenraum des Pkw, um Spuren zu beseitigen, bevor sie den Mietwagen zurückbrachten. Anschließend fuhr M.

mit ei-
nem anderen Mann

vermutlich dem Angeklagten [X.]

zum Ablageort der
Kleidung und verbrannte diese in einem [X.]tallfass, wobei
sie von einem An-6
7
8
-
6
-
wohner, dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen [X.].

, beobachtet und
angesprochen wurden. Später warf M.

die bei dem Überfall verwendete
Schreckschusspistole sowie das leere Magazin
auf Geheiß [X.]

s
in einen
See, wo beide Gegenstände aufgrund von M.

s Angaben von der Polizei
gefunden und sichergestellt wurden. Der Verbleib der restlichen Beute ist unge-klärt.
3. Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

im Fall II.
5 wegen
schwerer räuberischer Erpressung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, die Angeklagten
[X.]

und [X.]

hingegen insoweit aus tatsächlichen
Gründen freigesprochen.
a) Zwar habe der Zeuge M.

bekundet, mit dem Angeklagten [X.]

im Vorfeld der Tat Banken in [X.]

, R.

und Ka.

ausge-
kundschaftet zu haben. Am Nachmittag des [X.] habe er sich mit [X.]

,
[X.]

und [X.]

im A.

getroffen, letzterer habe mit [X.]

unter vier Augen
gesprochen und dann zu ihm, M.

,
gesagt, dass er den Banküberfall
al-
leine machen solle. Am nächsten Tag habe er sich mit [X.]

, der ihm zum
Banküberfall gratuliert habe, an einer Tankstelle getroffen. Anschließend sei er mit [X.]

zum Versteck der Tatkleidung gefahren und habe diese zusammen
mit [X.]

in einer [X.]talltonne verbrannt. Dabei seien sie von [X.]
beobachtet worden.
b) Sämtliche den Feststellungen entsprechende Angaben des Zeugen
M.

zu seiner eigenen Täterschaft und zur Tatbeteiligung des Angeklag-
ten [X.]

seien nach Ansicht der [X.] zutreffend.
Wahrscheinlich trä-
fen seine Aussagen auch im Übrigen zu.
Auch dass M.

nach der Tat zu-
sammen mit [X.] etwas in einem [X.]tallfass verbrannt
habe, stehe fest aufgrund der verlesenen Aussage des verstorbenen
Zeugen [X.].

9
10
11
-
7
-

. Gleichwohl könne die [X.] letzte Zweifel hinsichtlich der Tatbeteili-
gung des Angeklagten [X.]

nicht ausräumen. Zwar treffe die Aussage des
Zeugen M.

wahrscheinlich auch insoweit zu, vermutlich habe sich der
Angeklagte [X.]

zum Banküberfall verabredet. Allerdings habe der verstorbe-
ne Zeuge [X.].

M.

bei einer polizeilichen Lichtbildvorlage identifi-
ziert, den Angeklagten [X.]

hingegen nicht
wiedererkannt. Durch Aufnahme
einer Video-Kamera sei zwar
erwiesen, dass [X.]

, [X.]

, [X.]

und M.

sich kurz vor dem Banküberfall auf dem Parkplatz des A.

getroffen und
unterhalten haben; jedoch ergäben die Aufnahmen keinen Aufschluss über den Inhalt des Gesprächs.
Vor allem habe der Zeuge M.

ein denkbares Motiv
für eine Falschbelastung des Angeklagten [X.]

, nämlich selbst in den Genuss
einer Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe nach §
46b StGB zu gelangen.
Ebenso habe die [X.] trotz der belastenden Aussage M.

s

Zweifel
an der Tatbeteiligung des Angeklagten [X.]

. Zwar habe auch dieser
an
dem Treffen im A.

unmittelbar vor dem Banküberfall teilgenommen, der
Inhalt der Unterredung sei jedoch nicht bekannt. Auch insoweit sei ein denkba-res Motiv für eine Falschbelastung, dass
M.

selbst in den Genuss einer
Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe nach §
46b StGB gelangen
wolle.

II.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge führt zur Aufhe-bung der Freisprüche der Angeklagten [X.]

und [X.]

im Fall II.
5 der Urteils-
gründe. Die von der Staatsanwaltschaft insoweit beanstandete Beweiswürdi-gung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12
13
14
-
8
-
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§
261 StPO), dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil
vom 10.
Mai 2017

2
StR 258/16, juris Rn.
17; [X.], Urteil
vom 12.
Februar 2015

4
StR 420/14, [X.], 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung be-schränkt sich allein darauf,
ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung wi-dersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesi-cherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 1.
Februar 2017

2
StR
78/16, [X.], 183, 184;
[X.], Urteile
vom 13.
Juli 2016

1
StR 94/16, juris Rn.
9 und vom 14.
September 2017

4
StR 45/17, juris Rn.
7).
Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm
festgestellten Tatsa-chen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten
auseinan-derzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen ([X.], Urteil vom 21.
Februar 2018

2 StR 431/17, NStZ-RR 2018, 151, 152). Er darf dabei
keine überspannten Anforderungen an die für eine Verurteilung er-forderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 26.
Juli 2016

1
StR 607/15, juris Rn.
12).
2. Gemessen daran begegnet die Beweiswürdigung des [X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie ist lückenhaft und verstößt in Teilen gegen Denkgesetze, zudem fehlt es an einer Gesamtschau der Indizien und Beweismittel.
Im Einzelnen:
15
16
-
9
-
a) Soweit die [X.] ausführt, die Aussagen M.

s zur Tatbe-
teiligung der Angeklagten [X.]

und [X.]

träfen wahrscheinlich auch zu
(UA
77), diese beiden jedoch gleichwohl freispricht, weil letzte Zweifel verblie-ben, ob M.

nicht die Unwahrheit gesagt habe, um selbst gemäß §
46b
StGB eine Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe zu erlangen, ist dies nicht nachvollziehbar. Der gesondert verfolgte M.

hatte sich eine Strafmilde-
rung gemäß §
46b StGB bereits für seine zutreffenden Angaben zur Tatbeteili-gung des deswegen Verurteilten [X.]

-
rer

angeblicher

Mittäter wäre damit für ihn nur mit einem erhöhten, aber letztlich unnötigen Entdeckungsrisiko verbunden gewesen. Ein sonstiges Motiv, die Angeklagten [X.]

und [X.]

zu Unrecht zu belasten, hat
auch das Landge-
richt nicht zu erkennen
vermocht. Im Übrigen hat der Hauptbelastungszeuge
M.

im Laufe des Verfahrens zu verschiedensten Sachverhalten vollum-
fänglich wahrheitsgemäß ausgesagt, was jeweils zu Verurteilungen mehrerer Täter geführt hat. Auch im Fall II.
5
der Urteilsgründe ist
die [X.] der geständigen Einlassung des gesondert verfolgten
M.

sowie seinen
An-
gaben zur Mittäterschaft des Angeklagten [X.]

in jeder Hinsicht
gefolgt.
b) Es gibt darüber hinaus weitere Indizien für eine Tatbeteiligung der An-geklagten [X.]

und [X.]

, die das [X.] nicht in eine Gesamtwürdigung
eingestellt hat.
aa) So hatte
der Angeklagte [X.]

dem
gesondert verfolgten M.

bereits zu einem früheren Zeitpunkt zur Begehung eines [X.] geraten, um so die Aufnahmegebühr für den Hells [X.] zu beschaffen
([X.]). Auch wenn diese Feststellung zu unkonkret ist, um allein eine Anstiftung zu [X.] hinreichend bestimmten Straftat zu begründen, kommt ihr

was die [X.] nicht bedacht hat

eine nicht unerhebliche indizielle Bedeutung für eine spätere Tatbeteiligung des Angeklagten [X.]

zu.
17
18
19
-
10
-
bb) Schließlich hat sich die [X.] nicht damit auseinandergesetzt, wer [X.] bei der Verbrennung der Tatkleidung war, wenn nicht der Angeklagte [X.]

, zumal es nicht nachvollziehbar wäre,
eine völlig unbeteiligte
Person, die nicht selbst in den vorangegangenen Banküberfall involviert war, zur Vernichtung von Täterkleidung mitzunehmen und damit zum Mitwisser zu machen.
3. Die Sache bedarf daher zu Fall II.
5 der Urteilsgründe einer neuen tat-richterlichen Verhandlung und Entscheidung.

[X.] [X.] Eschelbach

[X.]

[X.]

20
21

Meta

2 StR 20/18

06.06.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. 2 StR 20/18 (REWIS RS 2018, 8251)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8251

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 20/18 (Bundesgerichtshof)

Würdigung aller Indizien und Beweismittel in Beweiswürdigung erforderlich


5 StR 196/13 (Bundesgerichtshof)


5 StR 542/20, 5 StR 207/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung von Mitgliedern einer Motorrad-Bande im sog. Berliner Wettbüro-Mordfall: Vollstreckungsabschlag wegen einer Verletzung des Rechts …


3 StR 243/23 (Bundesgerichtshof)


2 StR 352/11 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikte: Strafmilderungsgrund der Aufklärungshilfe bei Widerruf der Angaben in der Hauptverhandlung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 431/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.