Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2022, Az. 4 StR 372/21

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 9989

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Gegenstand

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Wegfall der Zäsurwirkung bei gesamtstrafenrechtlich verbrauchtem Urteil


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2021

a) im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe aufgehoben, dass insoweit eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist;

b) hinsichtlich der [X.] dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 16.475 Euro angeordnet wird; der Ausspruch über die Aufrechterhaltung der mit Urteil des [X.] vom 21. September 2020 angeordneten Einziehung von [X.] in Höhe von 8.730 Euro entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte unter Auflösung der durch Urteil des [X.] vom 21. September 2020 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und unter Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen verurteilt

- wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen versuchten [X.] unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des [X.] vom 18. Juni 2019 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten,

- wegen Diebstahls in zwei Fällen, wegen versuchten Diebstahls in zwei Fällen und wegen [X.] in zwei Fällen unter Einbeziehung der durch Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2019 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und

- wegen Diebstahls in sechs Fällen sowie wegen [X.] in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.

2

„Von der Freiheitsstrafe“ hat es wegen der von der Angeklagten aufgrund des Bewährungsbeschlusses des [X.] vom 21. September 2020 erbrachten Arbeitsstunden acht Tage als vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Anordnung der „Einziehung von [X.]“ durch das Urteil des [X.] vom 21. September 2020 in Höhe von 8.730 Euro aufrechterhalten und die „Einziehung von [X.]“ in Höhe eines weiteren Betrages von insgesamt 7.745 Euro angeordnet.

3

Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision und rügt die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

4

Die Verfahrensrüge ist entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und daher unzulässig.

II.

5

1. Die Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

6

2. Dagegen hält die vorgenommene Bildung der mehrfach gebrochenen Gesamtstrafe revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2019 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.

7

a) Nach den Feststellungen wurde die dem Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2019 zugrundeliegende Tat bereits am 6. Juni 2019 und damit vor dem noch nicht erledigten Strafbefehl des [X.] vom 18. Juni 2019 begangen. Die für diese Tat verhängte Strafe ist noch nicht vollstreckt und ist daher mit der Strafe aus dem vorbezeichneten Strafbefehl und den Einzelstrafen für die vor dem 18. Juni 2019 begangenen Taten aus dem vorliegenden Urteil gesamtstrafenfähig (§ 55 Abs. 1, § 53 StGB). Dies hat zur Folge, dass das Urteil des [X.] gesamtstrafenrechtlich verbraucht ist und deshalb keine weitere Zäsurwirkung entfalten kann (vgl. [X.], Beschluss vom 22. September 2016 - 1 StR 316/16; Beschluss vom 26. März 2003 - 1 StR 79/03 mwN).

8

[X.] beruht auf dem Rechtsfehler. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass sich die rechtsfehlerhafte Bildung von drei Gesamtstrafen im Hinblick auf das Gesamtstrafübel zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben.

9

b) Der [X.] macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidungen im Rahmen des [X.]s dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.

Bei Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafen wird wegen des Verschlechterungsverbots nach § 358 Abs. 2 StPO zu beachten sein, dass diese nur so hoch bemessen werden dürfen, dass sie zusammen die Summe der im angefochtenen Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafen nicht übersteigen (vgl. Beschluss vom 9. November 2004 - 4 [X.]; Beschluss vom 7. Dezember 1990 - 2 StR 513/90, [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 1).

Der neue [X.] wird sich (nochmals) zur gemäß § 56f Abs. 3, § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB zu treffenden Anrechnungsentscheidung zu verhalten und zu bestimmen haben, auf welche Gesamtstrafe die Anrechnung stattzufinden hat; dabei begegnet der von der Kammer insoweit herangezogene Anrechnungsmaßstab keinen rechtlichen Bedenken.

3. Die Einziehungsentscheidung ist entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern, weil das [X.] auf eine einheitliche Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der Summe der [X.] aus dem einbezogenen und aus dem angefochtenen Urteil hätte erkennen müssen (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 29. September 2021 - 2 StR 313/20 Rn. 4; vom 10. August 2021 - 6 [X.] Rn. 5 und vom 27. Juli 2021 Rn. 6 jeweils mwN). Die Summe der [X.] aus dem einbezogenen Urteil des [X.] vom 21. September 2020 und aus dem angefochtenen Urteil beträgt 16.475 Euro. Die [X.] in dem früheren Urteil wird damit gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung. Die entsprechende Anordnung entfällt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Juli 2021 - 3 [X.] Rn. 6 mwN und vom 17. Mai 2022 - 1 [X.] Rn. 5).

4. Mit der abschließenden Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Januar 2022 - 6 StR 469/21 Rn. 6; Beschluss vom 9. November 2004 - 4 [X.] Rn. 8 ff.).

Quentin    

        

Bartel    

        

Rommel

        

Maatsch    

        

Messing    

        

Meta

4 StR 372/21

31.08.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 28. Mai 2021, Az: 27 KLs 3/21

§ 55 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2022, Az. 4 StR 372/21 (REWIS RS 2022, 9989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9989

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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