Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2023, Az. 5 StR 330/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 8528

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Gegenstand

Möglichkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe bei Vorliegen zweier Vorverurteilungen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. April 2023, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass hierüber eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls und Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung (Fall 6 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.] vom 16. August 2022 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es ihn wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls (Fall 8) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Die Bildung der Gesamtstrafe hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe nicht den [X.] der mit rechtskräftigem Strafbefehl des [X.] vom 28. März 2022 verhängten Geldstrafe mitteilen. Daher vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Strafkammer zu Recht von einer Zäsurwirkung des noch nicht vollstreckten Urteils des [X.] vom 16. August 2022 ausgegangen ist und nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe sowie eine weitere Freiheitsstrafe verhängen durfte. Im Einzelnen:

3

a) Wurden die neu abzuurteilenden Taten zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus den Strafen für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt nach der Rechtsprechung des [X.] unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 1. April 2020 – 1 [X.], [X.], 36).

4

b) Hier hat das [X.] aus den für das verfahrensgegenständliche Tatgeschehen vom 28. Juni 2022 (Fall 6) verhängten zwei Einzelstrafen und aus den im Urteil des [X.] vom 16. August 2022 festgesetzten zwei Einzelstrafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Die dieser Verurteilung zugrundeliegenden Taten wurden am 20. Oktober 2021 und 25. Februar 2022 begangen. Nach den weiteren Feststellungen hat das [X.] am 28. März 2022 gegen den Angeklagten im Strafbefehlswege wegen eines am 6. Dezember 2021 begangenen Diebstahls rechtskräftig eine Geldstrafe verhängt. Der [X.] dieser Entscheidung wird – anders als beim ebenfalls wegen dieser Tat verurteilten Mitangeklagten – weder mitgeteilt, noch lässt sich ein solcher dem Urteil entnehmen.

5

Die einbezogenen Strafen aus dem Urteil des [X.] vom 16. August 2022 sind mithin für Taten verhängt worden, die vor Erlass des Strafbefehls des [X.] vom 28. März 2022 begangen wurden. Die vom [X.] vorgenommene Gesamtstrafenbildung wäre daher nur dann zutreffend, wenn nicht schon dem Strafbefehl des [X.] vom 28. März 2022 eine Zäsurwirkung zukommt. Da aber der [X.] des Strafbefehls vom 28. März 2022 zum 16. August 2022 (Urteil des [X.]) unbekannt ist, kann nicht beurteilt werden, ob insoweit nach § 460 StPO noch eine Gesamtstrafe gebildet werden muss, weil jedenfalls das Urteil vom 16. August 2022 noch nicht erledigt ist. Dann würde der Strafbefehl vom 28. März 2022 in Bezug auf die in das verfahrensgegenständliche Urteil einbezogenen Strafen aus dem Urteil des [X.] vom 16. August 2022 eine Zäsurwirkung entfalten und diese von einer Gesamtstrafenbildung im hiesigen Verfahren ausschließen.

6

c) [X.] durch die inmitten stehende Gesamtstrafenbildung kann daher nicht ausgeschlossen werden.

7

2. Der Senat entscheidet gemäß § 354 Abs. 1b StPO, der bei [X.], die ausschließlich die Bildung der Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, auf eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung im [X.] nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen.

8

Das neue Tatgericht wird zu berücksichtigen haben, dass die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§§ 55, 53 StGB), durch die ein Angeklagter nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden soll, nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verhandlung – hier also dem 5. April 2023 – zu beurteilen ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 14. März 2023 – 5 [X.]).

[X.]     

      

Köhler     

      

Resch 

      

von Häfen     

      

Werner     

      

Meta

5 StR 330/23

21.11.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 21. November 2023, Az: 5 StR 330/23, Beschluss

§ 55 StGB, § 460 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2023, Az. 5 StR 330/23 (REWIS RS 2023, 8528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8528

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