Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2012, Az. V ZB 59/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7529

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 59/12

vom

30. März
2012
in der Abschiebungshaftsache

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2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30.
März
2012 durch [X.] [X.], die Richter [X.] und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland

beschlossen:

Die Vollziehung der
mit Beschluss des Amtsgerichts Erding
vom 13. Februar
2012
gegen den Betroffenen angeordneten und mit Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts [X.]
vom 21.
März 2012
aufrechterhaltenen Sicherungshaft
wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe:

I.

Der Betroffene, nach eigenen Angaben [X.] Staatsangehöri-ger, reiste am 13.
Februar 2012 aus [X.] kommend in das [X.] ein. Er war im Besitz einer gefälschten [X.] Identitätskarte und eines
ge-fälschten [X.] Aufenthaltstitels. Die Beteiligte zu 2 beabsichtigt die Ab-schiebung
des Betroffenen nach [X.].

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13.
Februar

2012
auf Antrag der Beteiligten
zu 2 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung
bis einschließlich 12.
Mai
2012 angeordnet. Die
Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen
richtet sich die Rechtsbeschwerde des Be-1
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troffenen, mit der er zugleich im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläu-fige Aussetzung des Vollzugs der aufrechterhaltenen Haft erreichen will.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar [X.]. Der Haftgrund
nach
§
62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
AufenthG liege vor.

III.

Der zulässige Aussetzungsantrag ist begründet.

Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige An-ordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestä-tigt worden ist, kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn das Rechtsmittel [X.] auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, [X.] vom 14. Oktober 2010 -
V [X.]/10,
[X.]
2011, 26 Rn. 10; [X.] vom 18. August 2010 -
V ZB 211/10,

[X.] 2010, 440). So verhält
es sich hier.

1.
Es dürfte bereits an einem zulässigen Haftantrag fehlen, § 417 Abs. 2 FamFG. Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist [X.] und daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Zu-lässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Fehlt es daran, darf die [X.] nicht angeordnet werden (siehe nur Senat, Beschluss vom 15. September 2011 -
V [X.]/11,
FGPrax
2011, 317
Rn. 8).
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a) Der Haftantrag genügt den gesetzlichen Anforderungen an die [X.] nicht, weil nicht alle in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten [X.], wenn auch knapp, behandelt werden (siehe eingehend Senat, Beschluss vom 15. September 2011 -
V [X.]/11,
FGPrax
2011, 317 Rn. 9).

b) Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach [X.] enthält der Antrag nicht. Sowohl die
Begrün-dung, die Haftdauer sei erforderlich, um die weiteren innerdienstlichen Voraus-setzungen zur Durchführung der Abschiebung vorzubereiten und um einen Heimreiseschein zu bekommen,
als auch die Begründung, "nach den bisher gemachten Erfahrungen sei es möglich, die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchzuführen",
sind als universell einsetzbare Leerformeln, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagen, nicht ausreichend (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 -
V [X.], juris Rn.
14). Vielmehr sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedin-gungen durchlaufen werden können, notwendig (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 361, 362).

c) Es spricht zwar einiges dafür, dass die Beteiligte zu 2 durch ergän-zende Stellungnahmen
in dem Beschwerdeverfahren dieses [X.] für die Zukunft
geheilt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

V
ZB
136/11, FGPrax
2011, 318
Rn. 8). Erforderlich für die Rechtmäßigkeit der Haft ist dann aber, dass der Betroffene zu den Ergänzungen in einer Anhö-rung (§§
420 Abs.1 Satz 1 FamFG, 68 Abs. 3 FamFG) vor dem Beschwerdege-richt Stellung nehmen konnte (Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

V
ZB
136/11, FGPrax
2011, 318 Rn. 8; Beschluss vom 3. Mai 2011

[X.] 7
8
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10/11, juris Rn. 11 mwN). Hieran fehlt es, weil das Beschwerdegericht

wie der Betroffene zu Recht rügt

von der erneuten Anhörung abgesehen hat.

2.
Zudem dürfte die Rechtsbeschwerde Erfolg haben, weil
dem Betroffe-nen der Haftantrag nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§
23 Abs. 2 FamFG).

a) Die Bekanntgabe des [X.] setzt grundsätzlich voraus, dass dieser dem Betroffenen vor seiner Anhörung
ausgehändigt und übersetzt wird (Senat, Beschluss vom 21.
Juli 2011

V
ZB
141/11, FGPrax
2011, 257, 258 Rn.
8
f.; Beschluss vom 4.
März 2010

V
ZB
222/09, BGHZ
184, 323, 331 Rn.
16 f.). Ob in dem vorliegenden Fall etwas anderes gilt, weil der Sachverhalt einfach gelagert und überschaubar ist und der Haftantrag einen geringen Um-fang hat (Senat, Beschluss vom 21.
Juli 2011

V
ZB
141/11, FGPrax
2011, 257, 258 Rn. 7; Beschluss vom 4.
März 2010

V
ZB
222/09, BGHZ
184, 323, 330 Rn. 16), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.
Denn nach dem Inhalt des Protokolls über die Anhörung
vor dem Amtsgericht ist der Haftantrag dem Betroffenen
nicht vollständig, sondern nur
im Wesentlichen bekanntgege-ben und übersetzt worden.
Damit dürfte schon nicht feststehen, ob der
Be-troffene
Kenntnis von
sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde hatte und sich hierzu äußern konnte.

b) Nicht entscheidend ist schließlich, ob nach der Haftanordnung in dem weiteren Verfahren dem Betroffenen der Haftantrag ausgehändigt worden ist oder seine Verfahrensbevollmächtigte durch eine Akteneinsicht Kenntnis von dem vollständigen Haftantrag erlangt hat oder hätte erlangen können. Denn dadurch konnte die nicht ordnungsgemäße Anhörung vor dem Amtsgericht 10
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nicht geheilt werden. Dies wäre nur mit der Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht für die Zukunft möglich gewesen.

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.02.2012 -
6 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 21.03.2012 -
63 [X.] -

Meta

V ZB 59/12

30.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2012, Az. V ZB 59/12 (REWIS RS 2012, 7529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7529

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V ZB 261/10

V ZB 211/10

V ZB 123/11

V ZB 311/10

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