Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2012, Az. V ZB 244/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6762

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]

vom

3. Mai
2012
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
nein
Richtlinie 2005/85/[X.] vom 1. Dezember 2005 ([X.]) Art. 7 Abs. 1 Satz 1
Aus der Regelung in Art.
7 Abs.
1 Satz
1 der Richtlinie 2005/85/[X.] vom 1.
Dezember 2005 über [X.] in den Mitgliedstaaten zur Zu-erkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ([X.]. [X.] Nr.
L 326, S.
13) folgt nicht, dass der Aufenthalt eines Asylbewerbers auch während eines [X.] gegen die Entscheidung über seinen Asylantrag ausnahmslos als rechtmäßig anzusehen wäre.

[X.], Beschluss vom 3. Mai 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Mai 2012
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. [X.] und
Prof. Dr.
Schmidt-Räntsch, die Richterin [X.] und [X.]
Czub

beschlossen:

Dem Betroffenen wird

unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr.
Ackermann

Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwer-deverfahren bewilligt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird

unter Zurück-weisung des weitergehenden Rechtsmittels

festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 10. September 2011 ihn in seinen Rechten verletzt hat.

Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeshauptstadt [X.] zu 50 % auferlegt. Im Übrigen findet eine Auslagenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

-
3
-
Gründe:
I.
Der Betroffene ist türkischer
Staatsangehöriger
und reiste Anfang [X.] 2011 mit Hilfe von Schleusern

nach [X.] ein, ohne im Besitz eines Passes und Aufenthaltstitels zu sein.
Er wurde am 9.
September 2011 in [X.] festgenommen.
Auf Antrag des
Beteiligten zu 2 hat
das Amtsgericht mit Beschluss vom 10.
September
2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der [X.] in die [X.] bis einschließlich 9.
Dezember 2011
angeordnet.
Während des gegen die Haftanordnung gerichteten Beschwerdeverfah-rens stellte der Betroffene einen Asylantrag, der am 12.
September
2011 bei dem [X.]
(nachfolgend: [X.])
ein-ging. Mit Bescheid vom 6.
Oktober 2011 lehnte das [X.]
den Antrag als offensichtlich unbegründet ab und forderte den Betroffenen
auf, die Bundesre-publik [X.] innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die [X.] angedroht. Gegen die Entscheidung des Bundes-amts
erhob der Betroffene am 13.
Oktober 2011
Klage
bei dem Verwaltungsge-richt
und stellte einen Antrag nach §
80 Abs. 5 VwGO.
Das Landgericht
hat die
Beschwerde gegen die Haftanordnung nach [X.] zurückgewiesen.

Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er
nach der am 23.
November 2011 erfolgten Abschiebung die Feststellung, dass er durch die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung in seinen Rechten verletzt worden ist.
1
2
3
4
5
-
4
-
II.
Nach Ansicht des
[X.] stand der
Asylantrag der [X.] der [X.] nicht entgegen, weil sich der Betroffene im Zeitpunkt der Antragstellung in [X.] befunden habe. Die illegale [X.] mit Hilfe von Schleusern und die hierfür aufgewendeten nicht unerhebli-chen finanziellen
Mittel hätten
den Verdacht
begründet, dass sich der Betroffe-ne der Abschiebung habe entziehen wollen. Seine
Bekundung, er werde im Fall der Zurückweisung des Asylantrags freiwillig in die [X.] zurückkehren, sei nicht glaubhaft. Die [X.] 2008/115/[X.] habe der Aufrechter-haltung der [X.] nicht entgegengestanden. Die Haftdauer von drei Monaten sei verhältnismäßig
gewesen. Aufgrund des zwischenzeitlich vorlie-genden Ausweises ([X.])
sei davon auszugehen
gewesen, dass der Betroffe-ne innerhalb der angeordneten Haftdauer
in die [X.] habe zurückgeschoben werden können.

III.
Die hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
Die ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4.
März 2010 -
V
ZB
222/09, [X.]
2010, 154, 155 Rn. 6; insoweit nicht abgedruckt in [X.]Z 184, 323) und auch im Übrigen nach § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist zum Teil begründet. Die Ent-scheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
1. Wegen Fehlens einer den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechenden Antragsbegründung hätte die Haft nicht angeordnet
werden dürfen. Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des 6
7
8
9
-
5
-
Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, [X.] vom 29.
April 2010

V
ZB
218/09, [X.] 2010, 210, 211 Rn. 12; [X.] vom 22.
Juli 2010

V
ZB
28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7).
a) Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des [X.] (Senat,
Beschluss vom 29.
April 2010

V
ZB
218/09, [X.] 2010, 210, 211 Rn. 14; Beschluss vom 22.
Juli 2010

V
ZB
28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512
Rn. 8). So verhält es sich hier.
b) Bei einer beabsichtigten Abschiebung muss die Behörde in dem Haftantrag nach §
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG die
Vollstreckungsvoraus-setzungen darlegen, zu denen
die Abschiebungsandrohung nach §
59
[X.] aF gehört (Senat, Beschluss vom 28.
April 2011

V
ZB
252/10, juris Rn.
16).
Fehlt es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf auch eine [X.] Gesetzes (§ 58 Abs. 2 Satz 1 [X.]
aF) vollziehbare Ausreisepflicht nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt werden
(Senat, [X.] vom 28.
April 2011

V
ZB
252/10, juris Rn. 16).
Dies hat die Beteiligte zu 2
nicht berücksichtigt. Sie
hat nur
die Tatsachen für die Begründung der voll-ziehbaren
Ausreisepflicht des Betroffenen vorgetragen. Das
mag für einen [X.] auf Anordnung der Haft zur Sicherung einer
Zurückschiebung im Sinne des §
58 [X.] aF ausreichen. Eine Zurückschiebung
des Betroffenen war
aber
nach dem eindeutigen Inhalt des [X.] nicht dessen Gegenstand.
c) An der Unzulässigkeit des [X.] im Zeitpunkt der Haftanordnung ändert der Umstand nichts, dass
im Laufe des Beschwerdeverfahrens durch 10
11
12
-
6
-
den
Bescheid des [X.]s vom 6.
Oktober 2011 der Antrag des Betroffe-nen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt und er aufgefordert wurde, die [X.] [X.] inner-halb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen sowie ihm für die Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung in die [X.] ange-droht wurde. Damit fehlte es zwar nicht mehr an den [X.]. Ein unzulässiger Haftantrag und die damit einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG kann aber in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden (Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

V
ZB
136/11, [X.] 2011, 318 Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011

[X.]/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 21. Oktober 2010

[X.], juris
Rn. 14; Beschluss vom 29. April 2010

[X.], [X.] 2010, 210, 211 Rn. 19).
2. Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung
war der ursprüngliche
Be-gründungsmangel für die Zukunft geheilt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. [X.] 2011

[X.], NJW 2011, 3792, 3793 Rn. 4), weil der Beteiligte zu
2 den Bescheid des [X.]s vom 6.
Oktober 2011 dem [X.] vorgelegt hatte; hierzu konnte
der Betroffene in der
Anhörung Stellung nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

V
ZB
136/11, [X.]
2011, 318
Rn. 8; Beschluss vom 3. Mai 2011

[X.], juris
Rn.
11).

3.
Der von dem Betroffenen gestellte Asylantrag stand der Aufrechterhal-tung der Haft
nicht entgegen. Zwar ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im [X.] gestattet (§
55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Diese Aufenthaltsgestattung war aber im Zeit-punkt der Beschwerdeentscheidung nach der Vorschrift des §
67 Abs. 1 Nr.
4 AsylVfG erloschen, weil die
Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des
13
14
-
7
-
[X.]s vollziehbar
war. Der
Bescheid
wurde dem Betroffenen nach dem Inhalt
der
von ihm in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht übergebenen Abschrift seiner
Klageschrift
an das
Verwaltungsgericht am 7.
Oktober 2011 zugestellt, so dass die dem Betroffenen durch das [X.] gesetzte [X.] vor der Beschwerdeentscheidung am
17.
Oktober 2011 abgelaufen war. Die verwaltungsgerichtliche
Klage des Betroffenen gegen die Entscheidung des [X.]s und sein
Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wir-kung nach §
80 Abs. 5 VwGO änderten hieran nichts. Erst wenn einem solchen
Antrag oder der Klage stattgegeben
wird,
wirkt diese
verwaltungsgerichtliche
Entscheidung auf den Zeitpunkt des Erlasses der [X.] mit der Folge, dass sie
(vorläufig) nicht vollziehbar ist
(Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9.
Aufl., §
59 [X.], Rn.
43).
So verhält es sich hier indes nicht.
Feststellungen zu einer Entscheidung des [X.], nach der die Anträge des Betroffenen erfolgreich waren, fehlen. Dies behauptet der Be-troffene auch nicht.
4.
Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen des
Haftgrunds
der Entzie-hungsabsicht (§
62 Abs. 2
Satz 1 Nr. 5 [X.] aF)
rechtsfehlerfrei bejaht. Danach ist ein Ausländer in [X.] zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Die Annahme einer Entziehungsabsicht setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahr-scheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer [X.] unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 30.
Juni 2011

V
ZB
40/11,
juris Rn.
6; Beschluss vom 22. Juli 2010

[X.], [X.] 2011, 27, 28
Rn.
15; Beschluss vom 29. April 2010

[X.], juris Rn. 12). So lag
es hier.
15
-
8
-
a) Bei dem von dem Beschwerdegericht für maßgeblich erachteten [X.] des Betroffenen, nämlich die unerlaubte Einreise nach [X.] mit Hilfe von Schleusern gegen
Zahlung

kann es sich um solche Um-stände handeln (Senat, Beschluss vom 10.
Februar 2000

V
ZB
5/00, [X.] 2000, 130). Dem steht nicht entgegen, dass nach Auffassung der Rechtsbe-schwerde Flüchtlinge, die in die [X.] einreisen, "fast regelmäßig auf die Inanspruchnahme von Fluchthelfern angewiesen seien, da es für sie keine legale Möglichkeit der Einreise gebe". Denn entscheidend für den Rückschluss, der Ausländer werde sich der Abschiebung entziehen, ist nicht die Inanspruch-nahme von Schleusern, sondern die damit einhergehende Aufwendung erhebli-cher finanzieller Mittel, die der Ausländer im Fall der Abschiebung vergeblich aufgewendet hätte (Senat, Beschluss vom 10.
Februar 2000

V
ZB
5/00, [X.] 2000, 130; BayObLG,
[X.]
2001, 343, 344). Hieraus kann auf ei-nen Anreiz des Ausländers geschlossen werden, sich nicht freiwillig für seine Abschiebung bereit zu halten, sondern den Verbleib in der [X.] durch ein Untertauchen zu sichern.
b) Die tatrichterliche Schlussfolgerung auf die Entziehungsabsicht unter-liegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (Senat, [X.] vom 30.
Juni 2011

V
ZB
40/11, juris Rn. 7; Beschluss vom 22. Juli 2010

[X.], [X.] 2011, 27, 28
Rn. 16; Beschluss vom 10. Februar 2000

[X.], [X.] 2000, 130). Mit der Rechtsbeschwerde kann nicht geltend gemacht werden, dass die Folgerungen des Tatrichters nicht zwingend seien oder dass eine andere Schlussfolgerung ebenso naheliege (Senat, [X.] vom 30.
Juni 2011

V
ZB
40/11,
juris Rn. 7; Beschluss vom 10. Febru-ar 2000

[X.], [X.] 2000, 130). Hieran gemessen ist die Würdigung des [X.] nicht fehlerhaft. Es hat auch den gegen die Entzie-hungsabsicht sprechenden Umstand, nämlich die Erklärung des Betroffenen in 16
17
-
9
-
seiner Anhörung vor dem Beschwerdegericht, er werde im Fall der rechtskräfti-gen Zurückweisung seines [X.] freiwillig in die [X.] zurückkehren, berücksichtigt und ist zu
einer hier von dem Rechtsbeschwerdegericht [X.] negativen Einschätzung für den Betroffenen gelangt.

5.
Die Regelungen der Richtlinie 2008/115/[X.] vom 16.
Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückfüh-rung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ([X.]. L 348 vom 24.
Dezember 2008, [X.]; nachfolgend: [X.]) standen
der Beschwerdeent-scheidung ebenfalls nicht entgegen, unbeschadet der Frage, unter welchen

Voraussetzungen
sich ein Betroffener
auf einzelne Bestimmungen der [X.] gegenüber einem Mitgliedstaat berufen kann, der diese
innerhalb der
in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der [X.] enthaltenen, am 24.
Dezember 2010 abgelaufenen Umsetzungsfrist nicht oder nur unzulänglich umgesetzt hat (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 28.
April 2011 -
C-61/11 [X.]
[El Dridi], [X.] 2011, 320, 322 Rn. 46; insoweit nicht abgedruckt in [X.].
EU
2011, Nr.
[X.], S. 8
f.). Im
Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung fehlte es nicht an einer Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Rück-führungsrichtlinie. Die Rückkehrentscheidung
ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 4 der [X.] die behördliche oder richterliche Ent-scheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von [X.] festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Der Bescheid des [X.]s vom 6.
Oktober 2011 erfüllte
diese Anfor-derungen.

6. Ein Verstoß gegen
die Regelung in Art.
7 Abs.
1 Satz
1 der Richtlinie 2005/85/[X.] vom 1.
Dezember 2005 über [X.] in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der [X.] ([X.]. L 326 vom 13.
Dezember 2005, S. 13; nachfolgend: Asylver-18
19
-
10
-
fahrensrichtlinie) lag nicht vor. Zwar dürfen danach Antragsteller ausschließlich zum Zweck des Asylverfahrens so lange im Mitgliedstaat verbleiben, bis die [X.] nach den in Kapitel
III genannten erstinstanzlichen Verfahren über den Asylantrag entschieden hat. Hieraus folgt aber nicht, dass der Aufenthalt eines Asylbewerbers
auch während eines
Rechtsbehelfsverfahrens
gegen die Entscheidung über seinen Asylantrag ausnahmslos als rechtmäßig anzusehen wäre. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten nach der Regelung
des
Art. 39 Abs.
3 lit a) und [X.]) der [X.] die Möglichkeit, national zu regeln, ob sich ein
Asylbewerber während eines Rechtsbehelfsverfahrens in dem
betref-fenden Mitgliedstaat aufhalten darf [X.] in HK-AuslR, §
75 AsylVfG, Rn.
1).
Das
deutsche Recht sieht keine "automatische"
Aufenthaltsgestattung während des gegen den Bescheid des [X.]s gerichteten Klageverfahrens
vor. Vielmehr hat
nach der Vorschrift des §
75 Satz 1 AsylVfG eine Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylverfahrensrecht
nur in den

hier nicht vorlie-genden

Fällen des
§
38 Abs. 1 AsylVfG und des §
73 AsylVfG eine aufschie-bende
Wirkung.
Damit hatte die Klage des Betroffenen gegen den Bescheid des [X.]s vom 6.
Oktober 2011 keinen Suspensiveffekt und damit keine aufenthaltsgestattende Wirkung.
Dies galt jedenfalls so lange, wie das Verwal-tungsgericht aufgrund des gleichzeitig gestellten Antrags nach §
80 Abs.
5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage nicht angeordnet hatte.
7.
Die Aufrechterhaltung der [X.]
verstieß nicht gegen die [X.] (Abkommen über die Rechtsstellung der Flücht-linge vom 28. Juli 1951, BGBl. 1953 II S.
559). Zwar ist dort in Art. 31 Abs.
1 niedergelegt, dass die vertragschließenden [X.] wegen unrechtmäßiger [X.] oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen werden, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in welchem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden [X.] einreisen oder sich dort aufhalten,
vorausgesetzt, 20
-
11
-
dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtferti-gen. Die Vorschrift ist im Fall der Anordnung von [X.] aber schon
deshalb
nicht
anwendbar, weil diese mangels Sanktionscharakter für begange-nes Unrecht keine "Strafe"
im Sinne dieser Vorschrift ist, sondern eine reine Präventivmaßnahme zur Durchsetzung der Ausreisepflicht ([X.] 1998, 37, 38; BayObLG, Beschluss vom 10.
Mai 1996

3Z
BR
113/96, juris Rn.
11, insoweit nicht abgedruckt in [X.] 1996, 55).
8.
Die Beschwerdeentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Ab-schiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht inner-halb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§
62 Abs.
2 Satz
4 [X.] aF). Die Anforderungen an die hierfür
erforderliche Prognose (vgl. Senat,
Beschluss vom 18. August 2010

[X.]/10,
juris Rn. 22; Beschluss vom 22. Juli 2010

[X.], [X.] 2011, 27, 29
Rn. 22) hat das Be-schwerdegericht zwar nicht beachtet. Das hat
sich
aber nicht ausgewirkt.
a) Hat der Ausländer
zur Verhinderung der Abschiebung einstweiligen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht beantragt, setzt eine verfassungs-rechtlich unbedenkliche Anwendung des §
62 Abs.
2 Satz
4 [X.] aF
voraus, dass der Haftrichter den Stand und den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufklärt und bei seiner Entscheidung [X.] (Senat, Beschluss
vom 12.
Mai 2011

V
ZB
309/10, juris Rn.
19; Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011

[X.], juris Rn. 8; Beschluss vom 25. Februar 2010

[X.], NVwZ 2010, 726, 728 Rn. 24). Wird [X.] regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen (Senat, Beschluss
vom 12.
Mai 2011 21
22
-
12
-

V
ZB
309/10, juris Rn. 19; Beschluss vom 6. Mai 2010

[X.], NVwZ 2010, 1510, 1511 Rn. 14).
Dieser Aufklärungspflicht ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Allerdings führt
das allein nicht zur
Rechtswidrigkeit
der aufrechterhaltenen
[X.]. Vielmehr bedarf es der [X.] im Sinne des §
72 Abs.
1 Satz
1 FamFG (Senat, Beschluss vom 12.
Mai 2011

V
ZB
309/10, juris Rn.
20; Beschluss
vom 8. Juli 2010

[X.], juris Rn.
11). Daran fehlt es. Anders als in den von dem Senat entschiedenen Fällen,
in denen Betroffene mit Eilanträgen bei den Verwaltungsgerichten ihre Zurückschiebung etwa nach [X.] ver-hindern wollten und diesen Anträgen durch die Verwaltungsgerichte regelmäßig stattgegeben wurde (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011

[X.], juris Rn. 9 mwN), legt die Rechtsbeschwerde eine solche Praxis der Verwaltungsgerichte bei Eilanträgen, die sich gegen die Abschiebung in die [X.] richten, nicht dar. Hierfür ist auch nach dem zu berücksichtigenden [X.] tatsächlichen Geschehensablauf, aus dem auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011

[X.], juris Rn. 19; Beschluss vom 22. Juli 2010

[X.], [X.] 2011, 27, 29 Rn. 24), nichts ersicht-lich.
b) Dass das Beschwerdegericht nicht weiter aufgeklärt hat, in welchem Zeitraum nach Ausstellung des [X.] mit der tatsächlichen Rückführung des Betroffenen
in die [X.] üblicherweise gerechnet werden konnte, führt eben-falls
nicht
zur Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung. Der Betroffene wurde noch vor [X.]auf der angeordneten dreimonatigen Haftdauer abgeschoben. Aus die-sem Umstand kann auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unter-lassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose
hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt (vgl. Senat, Beschluss vom 22.
Juli 2010

V
ZB
29/10, [X.]
2011, 27, 29 Rn. 24).
23
-
13
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf
§
81 Abs.
1, §
83 Abs.
2, §
430

FamFG,
Art. 5 Abs. 5 EMRK,
§ 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Die Kostenquote entspricht dem Verhältnis des gesamten Zeitraums der Haft zu dem Zeitraum, für den das
Rechtsmittel Erfolg hat.
Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m.
§ 30 Abs. 2 KostO.
Krüger
[X.]
Schmidt-Räntsch

Stresemann
Czub

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 10.09.2011 -
710 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 17.10.2011 -
4 [X.] -

24
25

Meta

V ZB 244/11

03.05.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2012, Az. V ZB 244/11 (REWIS RS 2012, 6762)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6762

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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