Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2012, Az. V ZB 170/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 874

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]
170/12
vom

29. November 2012

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 29. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.],
den Richter [X.], die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des [X.] vom 18. Juli 2012 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des [X.] vom 23. April 2012 hinsichtlich der Inhaftierung am 2. und 3. August 2010 zurückgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass die Inhaftierung in Abschiebungshaft am 2. und 3. August 2010 rechtswidrig war.
Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] zu 10 % auferlegt. Im Übrigen findet eine Ausla-generstattung nicht statt. Gerichtskosten werden in allen Instan-zen nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

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Gründe:

I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste zuletzt 2008 in die [X.] ein. Auf den Antrag des Beteiligten zu 2 ord-nete das Amtsgericht am 21. Juni 2010 die Haft zur Sicherung der Abschiebung
bis einschließlich 20. August 2010 an. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.
Juli 2010 zurück. Die Abschiebung erfolgte am 3. August 2010.
Mit Schriftsatz vom 2. August 2010 hat sich ein Rechtsanwalt für den Be-troffenen gemeldet und beantragt, die Haftanordnung aufzuheben sowie fest-zustellen, dass die Inhaftierung in Abschiebungshaft rechtswidrig war. Die [X.] zu 2 hat die Vollmacht des Rechtsanwalts angezweifelt. Nachdem der Rechtsanwalt eine Untervollmacht des bisherigen Verfahrensbevollmächtigten vorgelegt hat, hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos gewesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung feststellen lassen.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die rechtskräftige Haftanordnung stehe dem Antrag nicht entgegen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen müsse eine Überprüfung des gesamten [X.]raums der Inhaftierung gewährleistet sein; die Beschwerdeentscheidung sei zeitlich vor der Abschiebung ergangen. Der [X.] sei jedoch in der Sache unbegründet, da die Voraussetzungen für den Er-lass der Haftanordnung vorgelegen hätten.

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III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des [X.] war der Antrag auf Haftaufhebung (§
426 Abs.
2 FamFG) bereits unzulässig, soweit er auf den Haftzeitraum bis einschließlich 1. August 2010 bezogen ist.
a) Allerdings ändert der Eintritt der formellen Rechtskraft der Haftanord-nung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nichts daran, dass [X.] des [X.] jederzeit ein solcher Antrag gestellt werden kann. [X.] ist nicht erforderlich, dass neue Umstände eingetreten sind; der Antrag kann auch

wie hier

darauf gestützt werden, dass die Haft von vornherein nicht hätte angeordnet werden dürfen (näher Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011

[X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 26. Mai 2011

[X.], Rn. 16, juris;
Beschluss vom 15. Dezember 2011

[X.] 302/10, juris Rn.
13). Auch kann die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Haftaufhebungsan-trags
nach der Erledigung durch die Haftentlassung gemäß §
62 Abs. 1 FamFG mit dem Ziel weiter verfolgt werden, die Rechtsverletzung des Betroffenen fest-zustellen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 28. April 2011

[X.] 292/10, [X.] 2011, 200 Rn. 7 f.; vom 15. Dezember 2011

[X.] 302/10, juris Rn.
12).
b) Die formelle Rechtskraft der Haftanordnung hat aber zur Folge, dass die Rechtswidrigkeit in dem Haftaufhebungsverfahren erst ab dem [X.]punkt des Eingangs des [X.] bei Gericht

hier also ab dem [X.] 2010

festgestellt werden kann (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011

V
ZB 214/10, juris Rn. 15; Beschluss vom 26. Mai 2011

[X.], juris Rn. 16). Zwar ist vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die an einen wirkungsvollen Rechtsschutz bei prozessualer Überholung zu stel-4
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len sind, ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme regelmäßig gegeben. Dieses rechtliche Interesse erlaubt jedoch nicht die Stellung eines Feststellungsantrags losgelöst von dem jeweils bestehenden Rechtsschutzsystem, sofern es dem Betroffenen zumutbar und möglich war, eine von der Verfahrensordnung bereitgestellte Rechtsschutzmöglichkeit zu ergreifen; besteht eine solche Möglichkeit, kann von dem Betroffenen erwartet werden, dass er diese wahrnimmt (eingehend Senat, Beschluss vom 28. April 2011

V
ZB 292/10, [X.] 2011, 200 Rn. 14
ff.; Beschluss vom 26. Mai 2011

[X.], juris Rn. 16).

2. Dagegen ist der Antrag für die [X.] am 2. und 3. August 2010 zulässig
und begründet.
a) Dass die von der beteiligten Behörde angezweifelte Vollmacht erst später schriftlich zu den Gerichtsakten gereicht worden ist (§ 11 Satz 1 und 3 FamFG), steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen,
weil der Mangel der Vollmacht durch deren Erteilung rückwirkend geheilt worden ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 17. Ap-ril 1984

GmS-OGB 2/83, [X.], 111, 115).
b) Insoweit ist der Antrag auch begründet, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. [X.] ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es 8
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daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012

[X.] 246/11, [X.] 2012, 328
ff. Rn. 10; vom 27. Oktober 2011

V
ZB 311/10, [X.] 2012, 82 Rn. 12 f. mwN; vom 15. September 2011

[X.] 123/11, [X.] 2012, 25 Rn. 8 mwN).
bb) In dem Haftantrag muss die Durchführbarkeit der Abschiebung mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen [X.]-raums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorlie-gen (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012

[X.] 246/11, [X.] 2012, 328 ff. Rn. 9
f.; vom 27. Oktober 2011

[X.] 311/10, [X.] 2012, 82 Rn. 13
f. jeweils mwN). Daran fehlt es hier. In dem Haftantrag ist nur durch Ankreuzen eines Textbausteins angegeben, die Haftdauer
sei erforder-

was mit Wirkung für die Zukunft möglich gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

V
ZB
136/11, [X.]
2011, 318 Rn. 8)

im weiteren Verlauf des [X.] geheilt worden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2,
§ 83 Abs.
2, § 84, §
430
FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Kostenquote trägt
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dem Umstand Rechnung, dass die Rechtsbeschwerde im Wesentlichen erfolg-los gewesen ist. Die Festsetzung des [X.] beruht auf §
128c Abs.
2 [X.]. § 30 Abs.
2 KostO.

Stresemann

Roth

Brückner

Weinland

Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.04.2012 -
15 [X.] B -

LG Oldenburg, Entscheidung vom 18.07.2012 -
14 [X.] -

Meta

V ZB 170/12

29.11.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2012, Az. V ZB 170/12 (REWIS RS 2012, 874)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 874

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 214/10

V ZB 292/10

V ZB 246/11

V ZB 123/11

V ZB 311/10

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