Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2015, Az. B 14 AS 6/14 R

14. Senat | REWIS RS 2015, 11921

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Erhöhung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichem Umzug - Deckelung der Leistungen auf die bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen nur bei Bestehen einer zutreffend ermittelten Angemessenheitsgrenze - Dynamisierung


Leitsatz

Eine Deckelung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug auf die bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen ist nur zulässig, wenn zutreffend ermittelte Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunfts- und Heizkosten bestehen.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2013 (L 10 [X.]/11) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] ([X.]) für den [X.]raum vom [X.] bis zum 30.4.2009. Die Kläger wenden sich gegen die sogenannte "Deckelung" der Leistungen nach § 22 Abs 1 [X.]atz 2 [X.] aufgrund eines nach Ansicht des beklagten [X.] nicht erforderlichen Umzugs.

2

Die im Jahr 1971 geborene Klägerin zu 1 lebte vor dem streitigen [X.]raum mit ihrem im April 1994 geborenen [X.], dem Kläger zu 2, in einer Bedarfsgemeinschaft in einer 58 qm großen Wohnung in der [X.] in [X.], für die ab dem 1.11.2006 monatlich insgesamt 305,31 [X.] zu entrichten waren (Nettokaltmiete 219,94 [X.], Betriebskosten 36,07 [X.], Heizkosten/Warmwasser 44,73 [X.], Wasser/Abwasser 4,57 [X.]). Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 11.1.2007 bewilligte der Beklagte den Klägern für März bis August 2007 Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines [X.] für Unterkunft und Heizung in Höhe von 298,60 [X.]. Den am selben Tag gestellten Antrag auf Zusicherung für einen Umzug lehnte der Beklagte bestandskräftig ab. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass im Falle des Umzugs die Leistungen für Unterkunft und Heizung nur noch in der bisherigen Höhe übernommen würden.

3

Am [X.] stellte die Klägerin zu 1 erneut einen Antrag auf Zusicherung zum Umzug in eine 58 qm große Wohnung in der [X.] in [X.] Als Umzugsgrund gab die Klägerin zu 1 insbesondere die Möglichkeit der Betreuung ihres Kindes durch ihre Mutter an, die im selben Haus wohne. Mit Bescheid vom [X.] lehnte der Beklagte den Antrag mangels Erforderlichkeit des Umzugs ab, der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.5.2007).

4

Zum [X.] zogen die Kläger in die Wohnung in der [X.], für die eine Gesamtmiete von 327,59 [X.] (Nettokaltmiete 226,59 [X.], Betriebskosten 36 [X.], Heizkosten/Warmwasser 50 [X.], Wasser/Abwasser 15 [X.]) zu entrichten war. Mit Änderungsbescheid vom [X.] und sodann, jeweils auf Fortzahlungsanträge hin sowie aufgrund weiterer Änderungsbescheide, bewilligte der Beklagte den Klägern als Leistungen für Unterkunft und Heizung bis April 2009 weiterhin 298,60 [X.] und übernahm Nachzahlungen wegen Nebenkostenabrechnungen sowohl für die Wohnung in der [X.] für die Jahre 2006 und 2007 sowie für die [X.] für die Jahre 2007, 2008 und 2009. Die Miete in dieser Wohnung erhöhte sich bis auf insgesamt 387,70 [X.] ab dem 1.12.2008 (Nettokaltmiete 226,59 [X.], Betriebskosten 36,21 [X.], Heizkosten 118,19 [X.], Wasser/Abwasser 6,71 [X.]).

5

Am 26.1.2009 stellte die Klägerin zu 1 einen Überprüfungsantrag, mit welchem sie die Übernahme der vollständigen tatsächlichen Unterkunftskosten für die Wohnung in der [X.] ab dem [X.] begehrte. Der Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag unter Hinweis auf die mangelnde Zusicherung zum Umzug ab (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 12.3.2009).

6

Die von den Klägern erhobenen Klagen zum [X.]ozialgericht ([X.]G) wurden mit Urteil vom 17.5.2011 abgewiesen, die eingelegten Berufungen zum [X.] (L[X.]G) wurden zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.]G hat in seinem Urteil ausgeführt, die Kläger hätten wegen § 22 Abs 1 [X.]atz 2 [X.] keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide nach § 44 Abs 1 [X.]ozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]GB X) und Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung als die ursprünglich für die Wohnung in der [X.] bewilligten 298,60 [X.]. Eine Zusicherung zum Umzug hätten die Kläger nicht gehabt, der Umzug in die [X.] sei auch nicht erforderlich gewesen. Es gebe keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] in der [X.] einen Umzug in eine andere Wohnung erforderlich gemacht habe. Auch im Hinblick auf die Mitbetreuung des [X.] zu 2 durch die Mutter der Klägerin zu 1 sei der Umzug nicht erforderlich gewesen, Hausaufgabenbetreuung und Mittagessen hätten auch im Haushalt der Mutter der Klägerin zu 1 erbracht werden können, dem Kläger zu 2 selbst sei die Wegstrecke angesichts seines Alters von 13 Jahren ohne Weiteres zumutbar. [X.]oweit die Klägerin zu 1 auf ihre Hilfe bei der Pflege ihrer Großeltern verweise, sei diese Pflege zum einen überwiegend durch die Mutter der Klägerin zu 1 realisiert worden, zum anderen habe die Entfernung der Wohnung der Klägerin zu 1 zu der der Großeltern lediglich 1 km betragen, die Verkürzung der einfachen Wegstrecke auf ca 300 m sei nicht so erheblich, dass sie einen Umzug erforderlich erscheinen ließe. Rechtsfolge sei die Deckelung der Leistungen für Unterkunft und Heizung auf die bis dahin zu tragenden Aufwendungen. Dies sei vorliegend die von den Klägern bis zum 31.5.2007 gezahlte Bruttowarmmiete von 305,31 [X.] abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung von 10,11 [X.], mithin eine monatliche Leistung für Unterkunft und Heizung von 295,20 [X.]. Der Beklagte habe jedoch bereits monatlich 298,60 [X.] gewährt und zudem für die [X.] ab Juni 2007 die sich ergebenden Nachzahlungsbeträge auf die Heiz- und Betriebskosten übernommen. [X.]oweit die Kläger geltend machten, bei der gesetzlichen Regelung würden umzugsunabhängige Kostensteigerungen, insbesondere bei den Heizkosten, nicht berücksichtigt, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine Dynamisierung des [X.] anhand von Entwicklungsdaten des allgemeinen Wohnungsmarkts sei vom Wortlaut der Norm nicht gedeckt. Man teile auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger, denn es sei zu berücksichtigen, dass § 22 Abs 1 [X.]atz 2 [X.] nur eingreife, wenn der Leistungsempfänger gleichsam ohne Not höhere Kosten auslöse und somit seine [X.]ituation selbst verschuldet sei. Im Übrigen könne durch einen weiteren Umzug die Deckelung beendet werden.

7

Dagegen wenden sich die Kläger mit den vom L[X.]G zugelassenen Revisionen. [X.]ie rügen eine Verletzung von § 22 Abs 1 [X.]atz 2 [X.], soweit darin eine zeitlich unbefristete und starre Vorschrift zur Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung gesehen werde. Zumindest sei eine Dynamisierung der individuellen [X.] aufgrund allgemeiner Kostensteigerungen notwendig. Abgesehen davon, dass die Zusicherung zum Umzug hier nicht habe verweigert werden dürfen, entspreche die dauerhafte Deckelung auch eher einer [X.]anktionierung sozialwidrigen Verhaltens. [X.]ie berücksichtige weder die Kostenentwicklung in der bisherigen Unterkunft, noch die fehlende Kausalität zwischen dem Umzug und der Mehrkosten, bezogen auf die Kosten für Heizung und Wasser, da diese auf Witterungseinflüssen und steigenden Energiekosten beruhten.

8

Die Kläger beantragen,
die Urteile des [X.]s Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Dezember 2013 - L 10 A[X.] 285/11 - und des [X.]ozialgerichts [X.]chwerin vom 17. Mai 2011 - [X.] 22 A[X.] 672/09 - sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen unter Änderung des Bescheides vom 6. Juni 2007 ([X.] 1. Juni bis 31. August 2007), des Bescheides vom 31. Juli 2007 ([X.] 1. [X.]eptember 2007 bis 29. Februar 2008), zuletzt geändert durch Bescheid vom 21. Januar 2008, des Bescheides vom 31. Juli 2007 ([X.] 1. März 2008 bis 30. April 2008), zuletzt geändert durch Bescheid vom 22. April 2008, des Bescheides vom 26. März 2008 ([X.] 1. Mai 2008 bis 31. Oktober 2008), zuletzt geändert durch Bescheid vom 22. April 2008, sowie des Bescheides vom 25. [X.]eptember 2008 ([X.] 1. November 2008 bis 30. April 2009) Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen, abzüglich der Warmwasserkostenpauschale, vom 1. Juni 2007 bis zum 30. April 2009 zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des L[X.]G für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der [X.]läger sind im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Es konnte nicht abschließend entschieden werden, ob den [X.]lägern für den streitgegenständlichen [X.]raum höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen, denn es fehlt insofern an ausreichenden Feststellungen des [X.].

1. Gegenstand der Revisionsverfahren sind neben der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem die Überprüfungsanträge der [X.]läger mit dem Ziel, vom [X.] bis zum 30.4.2009 die vollen tatsächlichen [X.]osten für Unterkunft und Heizung zu erlangen, abgelehnt worden sind. Mithin sind streitgegenständlich auch die jeweiligen [X.], mit denen Leistungen für Unterkunft und Heizung in dem von den [X.]lägern durch ihre Überprüfungsanträge vorgegebenen [X.]raum bewilligt worden sind. Dies sind - neben den von den [X.]lägern selbst aufgeführten Bescheiden - auch die zur Ermittlung des "wirklich Gewollten" (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 95 RdNr 5) einzubeziehenden Bescheide vom [X.] ([X.] 1.6. bis [X.]), des Bescheids vom [X.] ([X.] 1.9.2007 bis 29.2.2008), zuletzt geändert durch Bescheid vom [X.], des Bescheids vom [X.] ([X.] 1.3.2008 bis 30.4.2008), zuletzt geändert durch Bescheid vom 22.4.2008, des Bescheids vom [X.] ([X.] 1.5.2008 bis 31.10.2008), zuletzt geändert durch Bescheid vom 22.4.2008, sowie des Bescheids vom 25.9.2008 ([X.] 1.11.2008 bis 30.4.2009).

Die vorgenommene Beschränkung auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (stRspr, siehe [X.] Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/12 R - [X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], RdNr 12 mwN). Ihr Begehren haben die [X.]läger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht (§ 54 Abs 1 und Abs 4 [X.]).

2. Als Rechtsgrundlage für den Antrag der [X.]läger auf Überprüfung der [X.] für die [X.] vom [X.] bis zum 30.4.2009 hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung kommt nur § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 [X.]B X in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Der Antrag der [X.]läger genügt den Anforderungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 [X.]B X. Dazu gehört nach der Rechtsprechung des [X.] (<[X.]> Urteil vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - [X.]E 115, 126 = [X.] 4-1300 § 44 [X.] mwN), dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfpflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist. Dazu muss der Leistungsberechtigte in der Regel in seinem Überprüfungsantrag einen oder ggf mehrere zu überprüfende Verwaltungsakte konkret aufführen. Dies ist nur dann entbehrlich, wenn bei objektiver Betrachtung aus dem Vorbringen des Antragstellers der zu überprüfende Verwaltungsakt ohne Weiteres zu ermitteln ist (siehe dazu auch [X.] Urteil vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] RdNr 15).

Die [X.]lägerin zu 1 hatte vorliegend - wie bereits vom [X.] und vom [X.] ausgeführt - erkennbar auch für den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden [X.], den [X.]läger zu 2, mit Schreiben vom [X.] die Überprüfung "von [X.]n ab [X.] im Hinblick auf die Übernahme der Unterkunftskosten" beantragt und dem einen Antrag auf Übernahme der vollständigen Unterkunftskosten der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 387,70 Euro beigefügt. Dies reicht bei objektiver Betrachtung als Anknüpfungspunkt für eine Überprüfung aus, denn es ist bei verständiger Würdigung der Sachlage klar zu erkennen gewesen, dass die [X.]lägerin zu 1 nach dem Umzug in die [X.] zum [X.] die dort zu zahlenden tatsächlichen [X.]osten für Unterkunft und Heizung für sich und den [X.]läger zu 2 begehrt.

3. Es kann aber vorliegend nicht abschließend entschieden werden, ob iS des § 44 Abs 1 [X.]B X das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb durch die vorgenommene "Deckelung" zu niedrige Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht worden sind. Zwar hat das [X.] zutreffend angenommen, dass der Umzug der [X.]läger nicht erforderlich gewesen ist (dazu unter [X.]). Es fehlen aber Feststellungen dazu, ob und ggf inwieweit für den streitbefangenen [X.]raum zutreffend ermittelte abstrakte kommunale [X.] als weitere Voraussetzung für die Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II bestanden haben (dazu unter 4.).

a) Die [X.]läger erfüllen aus dem Gesamtzusammenhang der vom [X.] zugrunde gelegten Tatsachen die Voraussetzungen des § 7 [X.]B II für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Hinblick auf das Alter, die Erwerbsfähigkeit, die Hilfebedürftigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in der [X.]. Der Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für Unterkunft und Heizung. Es ist dabei auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II; siehe auch zB [X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0 ff).

b) Die Übernahme der tatsächlichen [X.]osten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung in der [X.] scheitert nicht an der fehlenden Zusicherung des Beklagten für einen Umzug (vgl § 22 Abs 2 [X.]B II in der in der streitigen [X.] geltenden Fassung <[X.]B II aF>, heute: § 22 Abs 4 [X.]B II). Die vom Beklagten bestandskräftig abgelehnten Anträge auf Zusicherung zur Tragung von Unterkunftskosten nach einem Umzug stellen jeweils nur eine Entscheidung für diesen konkreten Antrag dar und entfalten keine Dauerwirkung für die Zukunft. Der Bescheid erschöpft sich in der Ablehnung der Zusicherung für den Einzelfall. Dass die [X.]läger somit für ihren Umzug in die [X.] keine Zusicherung nach § 22 Abs 2 [X.]B II aF eingeholt haben, ist insofern ohne Belang, als die Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung darstellt ([X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - [X.]E 97, 231 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7).

c) Ungeachtet der Frage der Zusicherung liegen die Voraussetzungen von § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II für eine mögliche "Deckelung" im hiesigen Fall jedenfalls insoweit vor, als der Umzug der [X.]läger in die [X.] nicht erforderlich war.

Der Prüfung zugrunde zu legen ist § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II in der im streitigen [X.]raum vom [X.] bis 30.4.2009 anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ([X.] 1706), der unwesentlich mit Wirkung vom 1.1.2009 durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917) geändert wurde. Danach werden für den Fall, dass sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden (angemessenen) Aufwendungen erbracht. Die Prüfung der Erforderlichkeit eines Umzugs ist in zwei Schritten daran zu messen, ob der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig oder aus sonstigen Gründen erforderlich ist. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob sich die [X.]osten gerade der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit eines Umzugs als angemessen darstellen (siehe grundlegend [X.] Urteil vom 24.11.2011 - [X.] [X.]7/10 R = [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 18).

Eine Notwendigkeit des Umzugs in dem Sinne, dass zB gesundheitliche Gründe einen solchen unerlässlich machen, sind nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) nicht gegeben. Aber auch eine Erforderlichkeit des Umzugs im weiteren Sinne ist für den vorliegenden konkreten Fall zu verneinen. Zwar kann grundsätzlich gerade die Tatsache, dass der Hilfebedürftige alleinerziehend und damit uU besonderen Belastungen ausgesetzt ist, zu einer Bejahung der Erforderlichkeit führen. Vorliegend würde sich die Lebenssituation der [X.]läger aber nicht so verändern, dass diese Veränderung in den persönlichen Umständen eine Neubestimmung der für die [X.]läger angemessenen Wohnkosten gerechtfertigt erscheinen ließe. Es ist nicht erkennbar, dass der bereits 13 Jahre alte [X.]läger zu 2 einer engmaschigen Betreuung durch seine Großmutter bedurfte. Ebenso wenig ändert sich die Lebenssituation der [X.]lägerin zu 1 wesentlich dadurch, dass sie wenige hundert Meter kürzere Wege zu bewältigen hat.

4. Ausgehend von der mangelnden Erforderlichkeit des Umzugs sind nach § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II aF Leistungen für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen zu erbringen. [X.]lich ist als Bezugspunkt der [X.]punkt des Umzugs maßgeblich, hier also der [X.]. Die Gesamtmieten ([X.]altmiete/Betriebskosten/Heizkosten) der alten und der neuen Wohnung zu diesem [X.]punkt sind dabei zu vergleichen ([X.] siehe nur [X.] in Eicher, [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 111; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand Oktober 2012, [X.] § 22 Rd[X.]33). Tatbestandsvoraussetzung dieser Deckelung ist aber, dass für den örtlichen Vergleichsraum überhaupt zutreffend ermittelte abstrakte [X.] bestehen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, scheidet eine Deckelung aus. Da es hierzu an Feststellungen seitens des [X.] fehlt, kann über die Rechtmäßigkeit der hier streitbefangenen Deckelung nicht abschließend entschieden werden.

a) [X.] Anknüpfungspunkt für die Voraussetzung des Bestehens einer zutreffend ermittelten abstrakten [X.] ist, dass der Wortlaut der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II die Erhöhung der "angemessenen" Aufwendungen für Unterkunft und Heizung fordert. Damit ist nach dem [X.] auf § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II Bezug genommen, wonach Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese "angemessen" sind. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunft muss der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten ermittelt werden ("[X.]", vgl [X.] Urteil vom [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3). Erforderlich dazu sind überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben ("schlüssiges [X.]onzept", siehe nur [X.] Urteil vom [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4). Die Ermittlung abstrakt angemessener Aufwendungen für Heizung begegnet zwar praktischen Schwierigkeiten (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.]E 114, 1 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]1), die Möglichkeit ist jedoch vom Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich vorgesehen 22b Abs 1 Satz 2 und 3 [X.]B II; vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.]E 116, 94 = [X.] 4-4200 § 22a [X.], Rd[X.]0 ff).

b) Der so näher bestimmte Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II wird in § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II aufgegriffen und dazu in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt (BT-Drucks 16/1410 [X.]), dass mit der Regelung die [X.]osten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt werden, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten [X.] für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen [X.]osten ziehen. Dieser Intention nimmt die Änderung durch Einfügung des zweiten "angemessen" durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917) nichts und fügt ihr auch nichts hinzu. Hierzu ist in der Begründung dieses Gesetzentwurfs ausgeführt (BT-Drucks 16/10810 [X.]), dass die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende eingeführte Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei einem nicht erforderlichen Umzug auf Anregungen aus der Praxis dahingehend präzisiert werde, dass die Leistungen für die neue Unterkunft bei einem nicht erforderlichen Umzug auf die bisherigen angemessenen [X.]osten zu begrenzen seien.

c) Vor diesem Hintergrund hat das [X.] den Zweck von § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II schon in der Vergangenheit darin gesehen, eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten [X.] zu verhindern und den [X.]ommunen im Hinblick auf die [X.]ostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II eine Steuerungsfunktion zu belassen ([X.] Urteil vom 9.4.2014 - [X.] A[X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1). Insbesondere hat es entschieden, dass die Vorschrift von vornherein keine Anwendung findet auf Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug über die Grenzen des [X.] im Sinne der Rechtsprechung des [X.] hinaus vorgenommen wird (vgl [X.] Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/09 R - [X.]E 106, 147 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], RdNr 19 ff). Im Hinblick auf diesen Schutzzweck kann die Norm auch bei einem Umzug innerhalb desselben [X.] Anwendung nur dann finden, wenn und soweit zutreffend ermittelte kommunale [X.] bestehen. Vor der Ausschöpfung einer solchen [X.] durch nicht erforderliche Umzüge soll auch der örtliche Wohnungsmarkt geschützt werden (vgl [X.] Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/09 R - [X.]E 106, 147 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], RdNr 19 ff; [X.] Urteil vom 9.4.2014 - [X.] A[X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1).

d) Das [X.] wird demgemäß zu ermitteln haben, ob eine zutreffend ermittelte abstrakte kommunale [X.] für die Unterkunftskosten besteht. Ist dies nicht der Fall, scheidet eine Leistungsdeckelung nach § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II aus. Dies schließt jedoch eine Prüfung der Unangemessenheit im Einzelfall im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 3 [X.]B II nicht aus. Es könnte dann für die Begrenzung der Nettokaltmiete und der kalten Nebenkosten auf die Werte der [X.] zuzüglich eines Zuschlags von 10 % abgestellt werden (siehe [X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.]E 97, 254 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]3; Urteil vom [X.] - B 4 AS 18/09 R - [X.]E 104, 192 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]0, Rd[X.]7).

Wenn eine zutreffend ermittelte abstrakte kommunale [X.] für die [X.] nicht besteht, scheidet auch insoweit eine Deckelung nach § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II aus. Eine Prüfung der Unangemessenheit der Heizkosten im Einzelfall kann, wie auch bei den Unterkunftskosten, im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 3 [X.]B II stattfinden, wobei hierfür eine Orientierung an den Grenzwerten aus bundesweitem oder kommunalem Heizspiegel zu erfolgen hat ([X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.]E 114, 1 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]2).

5. Sollten die Ermittlungen des [X.] zu dem Ergebnis führen, dass im vorliegenden Fall rechtmäßig ermittelte abstrakte kommunale [X.] existieren, wäre die Deckelung durch die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Allerdings wäre dann zu beachten, dass sich zeitlich nachfolgende Anhebungen dieser [X.] auf die Deckelung auswirken. Die durch die Anhebung der abstrakten kommunalen [X.] anerkannten [X.]ostensteigerungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt sind bei fortdauernder Deckelung zu berücksichtigen ("Dynamisierung"). Der Schutz des Leistungsträgers und des örtlichen Wohnungsmarkts vor der Ausschöpfung einer [X.] durch nicht erforderliche Umzüge ist insoweit von dem [X.] des Gesetzgebers nicht umfasst, denn er bezieht sich nur auf die Ausschöpfung der [X.] im Einzelfall und nicht auf Erhöhung der allgemeinen [X.] durch wirtschaftliche Entwicklungen und dadurch bedingte anerkannte [X.]ostensteigerungen.

Das [X.] wird auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 14 AS 6/14 R

29.04.2015

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Schwerin, 17. Mai 2011, Az: S 22 AS 672/09, Urteil

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 21.12.2008, § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2015, Az. B 14 AS 6/14 R (REWIS RS 2015, 11921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11921

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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