Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2016, Az. B 4 AS 12/15 R

4. Senat | REWIS RS 2016, 16112

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Erhöhung der Unterkunftskosten durch nicht erforderlichen Umzug - Deckelung auf bisherige Unterkunftskosten - Notwendigkeit der Dynamisierung der Kappungsgrenze


Leitsatz

Die gedeckelten Aufwendungen für Unterkunft nach einem nicht erforderlichen Umzug innerhalb des Vergleichsraums sind im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend den Veränderungen der durch ein schlüssiges Konzept bestimmten Angemessenheitsgrenze ab dem Umzugszeitpunkt zu dynamisieren (Fortführung von BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 84).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. November 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

In Streit steht die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem [X.] für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2012.

2

Der Kläger erhält seit 2005 [X.] - wegen gelegentlicher Erzielung von Einkommen aus Erwerbstätigkeiten - in wechselnder Höhe. Zu Beginn des Leistungsbezugs bewohnte er eine rund 48 qm große Wohnung zu einem Bruttowarmmietpreis von 295,15 [X.]. Nach einer Abrissankündigung des Vermieters für das Haus, in dem die Wohnung gelegen war, bezog er zum [X.] eine geringfügig kleinere Wohnung zu einem Mietpreis von insgesamt 294,44 [X.]. Der Beklagte lehnte in der Folge eine vom Kläger beantragte Zusicherung ab, die Aufwendungen für eine andere teurere, aber nach Maßgabe des Beklagten noch angemessene Wohnung im bisherigen Wohnort zu berücksichtigen und die Kosten eines erneuten Umzugs zu übernehmen (Bescheid vom 29.2.2008). Zur Begründung wies er darauf hin, der Umzug sei nicht erforderlich, weil keine wichtigen Gründe für einen solchen gegeben seien. Zum Februar 2009 zog der Kläger dennoch in eine andere Wohnung um, für die er insgesamt Mietaufwendungen in Höhe von 301,16 [X.] zu tätigen hatte (201 [X.] netto kalt, 50 [X.] kalte Betriebskostenvorauszahlung, 50 [X.] Heizkosten). In der Folgezeit bewilligte der Beklagte dem Kläger Unterkunftsleistungen lediglich in Höhe von 281,09 [X.]. Er bemaß diesen Betrag nach den Aufwendungen für die bisherige Unterkunft, unter Berücksichtigung eines Abzugs für die Kosten der Warmwasserbereitung. Nach einer Mieterhöhung hatte der Kläger ab dem 1.1.2012 insgesamt 388,43 [X.] für die neue Wohnung aufzuwenden. Durch Bescheid vom 23.12.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger [X.] für den streitigen Zeitraum und setzte die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung weiterhin mit 281,09 [X.] fest, geändert auf 287,56 [X.] durch Bescheid vom 8.3.2012. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19.3.2012 zurück.

3

Mit seiner Klage vor dem [X.] hat der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 388,43 [X.] begehrt. Das Gericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt hat, 360,30 [X.] an Gesamtaufwendungen für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Umzug des Klägers sei zwar nicht erforderlich gewesen, die Beschränkung auf die bisherigen [X.] müsse jedoch als eine dynamische Größe verstanden werden. Bei einer dauerhaften statischen Deckelung wirke sich die Regelung wie eine Sanktion aus und führe zu einer verfassungsrechtlich nicht vertretbaren Unterdeckung des Existenzminimums. Die erforderliche Dynamisierung habe sich an der Entwicklung der Mietaufwendungen für die vormalige Unterkunft zu orientieren, was hier zu dem ausgeurteilten Betrag führe. Auf die Berufung des Beklagten hiergegen hat das L[X.] das Urteil des [X.] geändert, soweit dieses den Beklagten in den Monaten Februar und März 2012 zu einer Berücksichtigung von mehr als 348 [X.] für die [X.] verurteilt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Auch das L[X.] ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Umzug nicht erforderlich gewesen sei, aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch eine dauerhafte Deckelung ohne Dynamisierung nicht erfolgen dürfe. Diese Dynamisierung müsse, um zeit- und realitätsgerecht zu sein, ein Jahr nach dem Umzug einsetzen und die Steigerungen der abstrakten [X.] für die Bruttowarmmiete - um der Produkttheorie Rechnung zu tragen - zum Maßstab nehmen. Die Richtlinie des Beklagten habe vom 1.1. bis 31.3.2012 eine Bruttowarmmiete von 348 [X.] als noch angemessen vorgesehen. Ab dem 1.4.2012 sei als [X.] eine Bruttokaltmiete von 309 [X.] plus Aufwendungen für Heizung entsprechend dem bundesweiten Heizkostenspiegel zugrunde gelegt worden. Damit werde zwar ab dem 1.4.2012 der vom [X.] ausgeurteilte Betrag von 360 [X.] überschritten, zumal ein Abzug für die Kosten der Warmwasserbereitung nicht mehr zu erfolgen habe. Da jedoch nur der Beklagte Berufung eingelegt habe, habe es insoweit bei dem Urteil des [X.] zu verbleiben (Urteil vom 20.11.2014).

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 S 2 [X.]. Die dort vorgesehene Deckelung sei statisch und gelte unbegrenzt. Denn es sei Sinn und Zweck der Regelung, einer Kostensteigerung im Bereich der Unterkunftsleistungen im Vergleichsraum durch Ausschöpfung der örtlichen [X.] entgegenzuwirken. Die Deckelung gelte so lange, bis aus persönlichen Gründen objektiv eine Neubestimmung der angemessenen Wohnkosten im Einzelfall gerechtfertigt sei. Nach dem [X.] seien als Aufwendungen nur der bisherige Bedarf anzuerkennen. Hierbei könne es sich nur um den Bedarf in Gestalt der Bruttowarmmiete zum Zeitpunkt des [X.] aus der alten Wohnung handeln. Die vom [X.] vorgenommene Orientierung an den Kostensteigerungen für die alte Mietwohnung sei spekulativ und dem L[X.] sei entgegenzuhalten, dass es dem Kläger unbenommen sei, seine persönliche Situation etwa durch die Aufnahme einer Arbeit zu verändern, um so eine Grundlage für die Neubestimmung der angemessenen [X.] zu schaffen und einer dauerhaften Deckelung entgegenzuwirken. Im Übrigen hätte der Kläger durch einen weiteren Umzug die Deckelung beenden können, etwa, wenn er die bisherige Wohnung wegen der Unterdeckung wieder aufgebe oder in einen anderen Vergleichsraum umgezogen wäre.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 20. November 2014 und des [X.] vom 4. Juni 2013 zu ändern, soweit er verurteilt worden ist, im Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. Juli 2012 mehr als 287,73 [X.] als Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen und die Klage im Übrigen abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Ausführungen des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des [X.] vom 20.11.2014 sowie der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet.

9

Der Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob der [X.]läger einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2012 - begrenzt bis zur Höhe des Urteilsspruchs des [X.] - hat als vom Beklagten beschieden.

1. Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft nach dem [X.] im Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2012, wie sie der Beklagte durch Bescheid vom 23.12.2013 idF des [X.] vom 8.3.2012, diese wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] festgestellt hat. Der [X.]läger hat mit seiner [X.]lage um 100,87 [X.] höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung begehrt (388,43 [X.] tatsächliche Aufwendungen minus 287,56 [X.] Leistungen für Unterkunft und Heizung = 100,87 [X.]). Er hat insoweit eine zulässige (stRspr seit B[X.]E 97, 217 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8 f; [X.] vom [X.] [X.]/12 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]6; zuletzt vom [X.] AS 44/14 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1) Begrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Unterkunft und Heizung - klarstellend zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem B[X.] am 17.2.2016 - vorgenommen. Im Hinblick auf die Leistungen für Heizung hat der Beklagte den [X.]läger durch das Teilanerkenntnis in derselben mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat, mit dem er sich bereit erklärt hat, insoweit die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, für den hier streitigen Zeitraum klaglos gestellt. Es ist insoweit zwar zwischen diesen beiden Leistungen zu unterscheiden, als ihre Bemessung getrennt voneinander zu erfolgen hat ([X.] vom 13.4.2011 - [X.] AS 32/09 R - Rd[X.]2), ohne dass dies jedoch dazu führt, dass die Leistungen für Heizung als eigenständiger Streitgegenstand abtrennbar sind ([X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0 ff).

2. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) erfüllt der [X.]läger die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 [X.] [X.]. Er hatte im streitigen Zeitraum die Altersgrenze des § 7 Abs 1 [X.] [X.] iVm § 7a [X.] noch nicht überschritten, war erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 [X.] [X.] iVm § 8 [X.] sowie hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 [X.] [X.] iVm § 9 [X.] und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] (§ 7 Abs 1 [X.] [X.] 4 [X.]).

3. Nach den Feststellungen des [X.] vermag der Senat jedoch nicht abschließend zu beurteilen, ob der [X.]läger Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe des Ausspruchs des [X.] unter Berücksichtigung der vom Beklagten anerkannten tatsächlichen Aufwendungen für Heizung hat. In der Gesamtsumme höhere Leistungen als dort ausgeurteilt kann der [X.]läger nicht beanspruchen, da er keine Berufung gegen das Urteil des [X.] vom [X.] eingelegt hat. Zwar sind die Voraussetzungen für eine "Deckelung" des Anspruchs auf Leistungen nach § 22 Abs 1 [X.] [X.] insoweit gegeben, als sich die Aufwendungen des [X.]lägers für Unterkunft und Heizung durch den Umzug in die im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung erhöht haben (a). Auch war der Umzug nicht erforderlich (b). Gleichwohl kann im Revisionsverfahren nicht abschließend darüber befunden werden, ob die Voraussetzungen für eine "Deckelung" iS des § 22 Abs 1 [X.] [X.] gegeben sind, denn das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Höhe der [X.] im Zeitpunkt des Umzugs des [X.]lägers durch den Beklagten auf Grundlage eines schlüssigen [X.]onzepts bestimmt worden ist (c).

a) Nach § 22 Abs 1 [X.] [X.] (idF der Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 13.5.2011, [X.]) wird für den Fall, dass sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, nur der bisherige Bedarf anerkannt. Dies bedeutet, wie bereits nach dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht, dass die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht werden (keine inhaltliche Änderung gegenüber dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht durch das [X.]/[X.]B-II/[X.]B-XII-ÄndG vom 24.3.2011, [X.], s BT-Drucks 17/3404, [X.]). Zeitlich ist als Bezugspunkt der Zeitpunkt des Umzugs maßgeblich, hier also der 16.2.2009. Die Gesamtmieten ([X.]altmiete/Betriebskosten/Heizkosten) der alten und der neuen Wohnung zu diesem Zeitpunkt sind dabei zu vergleichen (so [X.] vom [X.] [X.] R - B[X.]E = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]3; s auch [X.] in LP[X.]-[X.], 5. Aufl 2013, § 22 Rd[X.]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/ Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 [X.] Rd[X.]6; [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, Stand Oktober 2015, § 22 Rd[X.] 83; [X.] in Eicher, [X.], 3. Aufl 2013, § 22 Rd[X.]11; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand Oktober 2012, [X.] § 22 Rd[X.]38).

Nach den bindenden Feststellungen des [X.] haben sich im vorliegenden Fall die [X.]osten für Unterkunft und Heizung nach dem Umzug in die im streitigen Zeitraum vom [X.]läger bewohnte Wohnung gegenüber denen, die er für die davor gemietete Wohnung aufzubringen hatte, erhöht. Die Aufwendungen für die alte Wohnung betrugen beim Auszug 294,44 [X.] und diejenigen für die neue Wohnung beim Einzug 301,16 [X.] brutto warm.

b) Auch war der Umzug des [X.]lägers in die im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung nicht erforderlich. Die Prüfung der Erforderlichkeit eines Umzugs ist - auch insoweit folgt der erkennende Senat dem 14. Senat des B[X.] (Urteil vom [X.] [X.] R - B[X.]E = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]1) - in zwei Schritten daran zu messen, ob der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig oder aus sonstigen Gründen erforderlich ist. In einem weiteren Schritt ist festzustellen, ob die [X.]osten gerade der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit eines Umzugs angemessen sind (siehe grundlegend [X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8).

Eine Beschränkung auf die bisherigen [X.]dU und Heizung kommt von vornherein dann nicht in Betracht, wenn der Umzug in eine andere Wohnung notwendig in dem Sinne ist, dass die bisherige Wohnung den [X.] als Teil der verfassungsrechtlich garantierten Existenzsicherung nicht (mehr) zu decken vermag. Hierunter fallen vor allem auch gesundheitliche Gründe, die einen Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht zulassen ([X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4). Für eine derartige Notwendigkeit des Umzugs sind vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben. Aber auch eine Erforderlichkeit des Umzugs im weiteren Sinne war nach den Feststellungen des [X.] zu verneinen. Zwar ist mit dem 14. Senat davon auszugehen, dass ein Umzug (auch) dann als erforderlich angesehen werden kann, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund für den Wohnungswechsel vorlag, von dem sich auch ein Nichthilfebedürftiger leiten lassen würde ([X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]7 unter Hinweis auf [X.] Beschluss vom 10.2.1987 - 4 B 283/86 - [X.] 36, 291, 295). Insoweit kommt es im Gegensatz zu der von dem Beklagten vertretenen Auffassung nicht darauf an, ob dem [X.]läger ein wichtiger Grund für den Umzug zur Seite stand. Hier mangelt es jedoch auch an der soeben umschriebenen Erforderlichkeit.

Der [X.]läger hat als Gründe für den Umzug angegeben, die bis dato gemietete Wohnung habe einen ungünstigen Zuschnitt gehabt, sodass er seine Wohnzimmercouch aufgrund deren Größe nur vor die Heizung habe stellen können. Auch habe er nach der Abrissmitteilung des Vermieters die sodann bezogene Wohnung nur als Übergangswohnung begriffen, bis er eine der ersten Wohnung vergleichbare gefunden habe. Eine objektive Erforderlichkeit des Umzugs und eine damit verbundene Erhöhung der Mietaufwendungen sowie auch der Leistungen nach § 22 Abs 1 [X.] [X.] folgt hieraus, wie das [X.] zutreffend befunden hat, jedoch nicht. Daher kommt es nicht darauf an, ob sich die [X.]osten gerade der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit eines Umzugs als angemessen darstellen (siehe grundlegend [X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8).

c) Auch bei mangelnder Erforderlichkeit des Umzugs hat eine Deckelung des anzuerkennenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 [X.] [X.] in Höhe des bisherigen Bedarfs jedoch nur dann zu erfolgen, wenn für den örtlichen Vergleichsraum zutreffend ermittelte abstrakte [X.]n bestehen (so bereits Urteil vom [X.] [X.] R - B[X.]E = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]3 ff). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, die auch nach der Fassung, die sie durch das [X.]/[X.]B-II/[X.]B-XII-ÄndG (vom 24.3.2011, [X.]) erhalten hat, die Erhöhung der "angemessenen" Aufwendungen für Unterkunft und Heizung fordert. Damit nimmt sie systematisch Bezug auf § 22 Abs 1 [X.] [X.], wonach Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese "angemessen" sind. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunft muss der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten ermittelt werden ("[X.]", vgl [X.] vom [X.] [X.]/12 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3). Erforderlich dazu sind überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben ("schlüssiges [X.]onzept", siehe nur [X.] vom [X.] [X.]/12 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4). In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einfügung des [X.] in die Regelung des § 22 Abs 1 [X.] wird diese Verknüpfung ebenfalls betont (BT-Drucks 16/1410, [X.]3). Dort heißt es, mit der Regelung sollten die [X.]osten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt werden, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten [X.]n für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen [X.]osten umzögen. So hat das B[X.] auch bereits mehrfach betont, Zweck von § 22 Abs 1 [X.] [X.] sei, eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten [X.]n zu verhindern und den [X.]ommunen im Hinblick auf die [X.]ostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 [X.] [X.] eine Steuerungsfunktion zu belassen ([X.] vom 9.4.2014 - [X.] A[X.]3/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1). Daher hat es eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug über die Grenzen des [X.] hinaus vorgenommen wird, verneint (vgl [X.] vom [X.] - B 4 [X.]/09 R - B[X.]E 106, 147 = [X.]-4200 § 22 [X.]5, Rd[X.]9 ff). Insbesondere im Hinblick auf diesen Schutzzweck schließt sich der erkennende Senat dem 14. Senat an, wenn dieser zu einer Nichtanwendbarkeit der [X.] des § 22 Abs 1 [X.] [X.] für den Fall gelangt, dass keine vom Leistungsträger zutreffend ermittelten kommunalen [X.]n bestehen (Urteil vom [X.] [X.] R - B[X.]E = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]3 ff). Ob dies hier der Fall ist, hat das [X.] - auf Grundlage seiner Rechtsauffassung auch nicht erforderlich - nicht festgestellt.

Es hat zum einen keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von ihm herangezogene [X.]dU-Richtlinie des Beklagten auf einem schlüssigen [X.]onzept beruht. Zum zweiten befasst sich das Berufungsgericht nicht damit, ob zum Vergleichszeitpunkt iS des § 22 Abs 1 [X.] [X.] ([X.]), also dem Zeitpunkt des [X.] aus der bisherigen Unterkunft und des Einzugs in die neue Wohnung, eine durch den Beklagten transparent ermittelte [X.] vorhanden war, die die Mietpreise auf dem örtlichen Wohnungsmarkt im Vergleichsraum realitätsgerecht wiedergeben hat. Soweit das Berufungsgericht mithin auf die sich in den Akten befindliche Richtlinie zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den [X.] vom 1.4.2012 abstellt, die es im vorläufigen Rechtsschutz als den Vorgaben des schlüssigen [X.]onzepts folgend bewertet hat ([X.] Sachsen-Anhalt Beschluss vom 19.12.2014 - L 4 [X.]/14 [X.] - Juris Rd[X.] 46), erscheint fraglich, ob diese eine Rechtmäßigkeit der Deckelung im September 2009 herbeiführen kann. Das [X.] wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren im Hinblick auf diesen Zeitpunkt entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

4. Sollten die Ermittlungen des [X.] zu dem Ergebnis führen, dass im vorliegenden Fall rechtmäßig ermittelte abstrakte kommunale [X.]n im Jahre 2009 existierten, wäre die Deckelung durch die angefochtenen Bescheide dem Grunde nach rechtmäßig. Allerdings wäre dann - hier schließt sich der erkennende Senat ebenfalls dem 14. Senat des B[X.] an (Urteil vom [X.] [X.] R - B[X.]E = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]9) - zu beachten, dass sich zeitlich nachfolgende Anhebungen dieser [X.]n auf die Deckelung auswirken. Die durch die Anhebung der abstrakten kommunalen [X.]n anerkannten [X.]ostensteigerungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt sind bei fortdauernder Deckelung zu berücksichtigen ("Dynamisierung").

Zwar ist der Wortlaut des § 22 Abs 1 [X.] [X.] im Hinblick darauf offen, ob die Deckelung als statisch oder als dynamisch im Sinne der Veränderung durch Zeitablauf zu bewerten ist (zum dynamischen Deckel s hM: in der Literatur: [X.] in LP[X.]-[X.], 5. Aufl 2013, § 22 Rd[X.]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 Rd[X.]8; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.], Stand [X.], [X.] § 22 Rd[X.]42; [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, [X.], § 22 [X.] Rd[X.] 86; [X.] in Eicher, [X.], 3. Aufl 2013, § 22 Rd[X.]13; Piepenstock in juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 22 Rd[X.]74). Es wird auf den bisherigen Bedarf abgestellt, der anzuerkennen ist. Dieser Bedarf selbst ist jedoch nicht statisch, sondern dynamisch, indem er auch bisher ständigen Veränderungen, nicht nur durch etwaige Erhöhungen der Nettokaltmiete, sondern insbesondere der kalten Nebenkosten ausgesetzt war. Insoweit gilt für die Zukunft, verbliebe der Leistungsberechtigte in seiner bisherigen Wohnung, nichts anderes. Die Deckelung des § 22 Abs 1 [X.] [X.] hat daher die Funktion einer individuellen [X.]. Lebt der Hilfebedürftige innerhalb des maßgeblichen [X.] in einer kostenangemessenen Wohnung, die seine existenziellen Wohnbedürfnisse ausreichend erfüllt, ist die Übernahme weitergehender [X.]osten nicht geboten. Sein Anspruch bleibt auf die [X.]osten dieser Wohnung beschränkt, solange nicht Veränderungen in seinen persönlichen Umständen eintreten, die eine Neubestimmung der für ihn angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen [X.]n des [X.] gerechtfertigt erscheinen lassen ([X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3).

Der Schutz des Leistungsträgers und des örtlichen Wohnungsmarkts vor der Ausschöpfung einer [X.] durch nicht erforderliche Umzüge ist insoweit von dem [X.] des Gesetzgebers des § 22 Abs 1 [X.] [X.] nicht umfasst, denn er bezieht sich nur auf die Ausschöpfung der [X.]n im Einzelfall und nicht auf Erhöhung der allgemeinen [X.]n durch wirtschaftliche Entwicklungen und dadurch bedingte anerkannte [X.]ostensteigerungen. Ziel ist es insoweit, den Leistungsberechtigten zum Verbleib im angemessenen Wohnraum aufzufordern, der jedoch seinerseits keine statischen [X.]osten verursacht, sondern ebenfalls dem Wandel auf dem Mietwohnungsmarkt unterworfen ist. Da damit ortsansässigen, im Leistungsbezug stehenden Hilfebedürftigen die Vorteile, die sich für Hilfebedürftige insbesondere aus der Bestimmung der Angemessenheit nach der Produkttheorie ergeben, nicht in vollem Umfang zugute kommen, Veränderungen im Wohnumfeld für sie aus grundsicherungsrechtlicher Sicht nur möglich sind, soweit sie kostenneutral erfolgen können, gebietet die Gleichbehandlung mit von außen zuziehenden Leistungsberechtigten, dass die Beschränkungen in ihren Gestaltungsmöglichkeiten maßvoll erfolgen ([X.] vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]7). Denn den Einschränkungen des § 22 Abs 1 [X.] [X.] unterliegen weder Leistungsberechtigte, die in den örtlichen Vergleichsraum zuziehen (dazu [X.] vom [X.] - B 4 [X.]/09 R - B[X.]E 106, 147 = [X.]-4200 § 22 [X.]5) noch geringverdienende, aber nicht im Leistungsbezug stehende Personen (vgl dazu [X.] vom [X.] A[X.]0/10 R - B[X.]E 106, 283 = [X.]-4200 § 22 [X.] 40).

Die zukünftige Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug ist insoweit unter Berücksichtigung der Gefahr der Ungleichbehandlung und einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden, die Existenzsicherung bedrohenden Unterdeckung zu begrenzen (vgl zum verfassungsrechtlich zu garantierenden Existenzminimum im Bereich des Wohnens, [X.] vom 25.6.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 83 Rd[X.]5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Maßstab insoweit ist die Dynamisierung der nach dem schlüssigen [X.]onzept ermittelten [X.]n (so auch [X.] vom [X.] [X.] R - B[X.]E = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]9). Diese Steigerungen sind, da nach einem schlüssigen [X.]onzept festgelegt, Maßstab für die Abbildung der realen Dynamik auf dem Mietwohnungsmarkt des [X.]. Zudem bedeutet die Orientierung an den Steigerungen der [X.]n eine verwaltungspraktikable Typisierung, die eine gleichmäßige Behandlung der Leistungsberechtigten gewährleistet.

Soweit das [X.] auf die Veränderungen des Mietpreises der bisher bewohnten Mietwohnung abgestellt hat (so wohl auch [X.] in LP[X.]-[X.], 5. Aufl 2013, § 22 Rd[X.]; s auch Piepenstock in juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 22 Rd[X.]74), ist dieses Vorgehen zum einen mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand für den Leistungsträger verbunden. Zudem zieht es ggf das Erfordernis der Schätzung der Preissteigerungen nach sich, wenn der Vermieter keine Bereitschaft zeigt, die Veränderungen des Mietpreises - etwa nach vielen Jahren - mitzuteilen. Schließlich koppelt ein solches Vorgehen die Dynamisierung unter Umständen auch von den Veränderungen der [X.]n und damit den für alle Leistungsberechtigten geltenden "abstrakten Deckelungen" ab. Die pauschale Zeitgrenze der Beendigung der Deckelung, wie sie vom [X.] befürwortet worden ist, findet im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt. Der Rückgriff auf den maximalen Bewilligungszeitraum nach § 41 Abs 1 S 5 [X.] von einem Jahr steht in keiner Beziehung zu der Deckelung und ihrem Sinn und Zweck. Die Anknüpfung an die Veränderungen der allgemeinen [X.] - bestimmt nach einem schlüssigen [X.]onzept im [X.] - greift hingegen auf die Ausgangsregelung des § 22 Abs 1 [X.] [X.] zurück und entspricht der systematischen Einbindung des § 22 Abs 1 [X.] [X.] in diese (vgl auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 Rd[X.]8; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.], Stand [X.], [X.] § 22 Rd[X.]42; [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, [X.], § 22 [X.] Rd[X.] 86; [X.] in Eicher, [X.], 3. Aufl 2013, § 22 Rd[X.]13). Ob vor diesem Hintergrund noch eine Begrenzung der Deckelung in zeitlicher Hinsicht aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich sein könnte, konnte hier dahinstehen.

5. Das [X.] wird ebenso über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 4 AS 12/15 R

17.02.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dessau-Roßlau, 4. Juni 2013, Az: S 9 AS 1023/12, Urteil

§ 22 Abs 1 S 2 SGB 2, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2016, Az. B 4 AS 12/15 R (REWIS RS 2016, 16112)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16112

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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