Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2016, Az. VI ZB 27/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1695

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:291116BVIZB27.15.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
VI [X.]

vom

29. November 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 B, [X.], 574 Abs. 2 Nr. 2
Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darf das Gericht nicht vor Ablauf der [X.] entscheiden. Eine vorzeitige Ent-scheidung kann den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verlet-zen und die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen (im [X.] an [X.], Beschluss vom 17.
Februar 2011 -
V
ZB 310/10, NJW 2011, 1363).
[X.], Beschluss vom 29. November 2016 -
VI [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 29. November 2016 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen
von [X.] und Dr.
Oehler und [X.] [X.] beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 12. Mai 2015 auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren be-trägt
39.500

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststel-lung der Einstandspflicht wegen angeblicher
Behandlungsfehler gerichtete [X.] mit Urteil vom 11. Februar 2015 weit überwiegend abgewiesen. Das Urteil ist der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] am 13. Februar 2015 zugestellt worden.
Am 12. März 2015 hat der nunmehr
mandatierte
Pro-zessbevollmächtigte des [X.]
Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 20.
April 2015, dem
Prozessbevollmächtigten des [X.] am 22.
April 2015 zugegangen, hat das Berufungsgericht auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Am 29. April 2015 hat der
Prozessbevollmächtigte des [X.] einen Antrag auf 1
-

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-

Wiedereinsetzung
übersandt
und die Berufung
begründet. Er hat
vorgetragen, vom 22. bis 28. April 2015 urlaubsbedingt abwesend gewesen zu sein. Die Fristversäumung beruhe auf dem Versehen seiner
zuverlässigen und
ansons-ten beanstandungsfrei
arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten
Frau W., die die Berufungsbegründungsfrist nicht in den [X.] eingetragen
habe. Dem Wiedereinsetzungsantrag ist
eine entsprechende eidesstattliche Versiche-rung der Frau W. beigefügt
gewesen.

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 12. Mai 2015 den Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen
und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unbegründet sei. Der Kläger habe bereits nicht schlüssig dargelegt, dass er ohne ihm zuzurechnendes [X.] seines Prozessbevollmächtigten gehindert gewesen sei, die Berufungsbe-gründungsfrist einzuhalten.

Gegen diesen
Beschluss wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Indem das Berufungsgericht den [X.] auf Wiedereinsetzung vor Ablauf der [X.] zurückgewie-sen und die Berufung als unzulässig verworfen hat, hat es den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
erfordert
eine Entscheidung des [X.].
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4

-

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Prozess-beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberück-sichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessord-nung die Berücksichtigung jedes Schriftsatzes, der innerhalb einer gesetzli-chen oder richterlich bestimmten Frist bei Gericht eingeht ([X.] 53, 219, 222; vgl. auch [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 6 jeweils mwN). Danach darf das Gericht über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den [X.] Stand nicht vor Ablauf der [X.] entscheiden; dabei ist unerheblich, ob es die Sache für entscheidungsreif hält, weil der Antrags-steller innerhalb der Frist zu den [X.] ergänzend vor-tragen kann und darf (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Februar 2011 -
V
ZB 310/10, NJW 2011, 1363 Rn. 4).

2. Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen. Das Berufungsgericht hat sich in [X.] unzulässiger Weise der Mög-lichkeit begeben, Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen, da es vor Fristablauf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [X.] hat. Die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung beträgt nach § 234 Abs.
1 Satz
2 ZPO einen Monat, wenn die [X.] verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.
Sie
beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Dem Prozessbevoll-mächtigten
des [X.] ist die Verfügung des Berufungsgerichts am 22.
April 2015 zugestellt worden. Selbst wenn man für dessen Kenntnis von der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als Zeitpunkt der Behebung des Hindernisses auf dieses Datum abstellt, war am 12. Mai 2015 die Mo-5
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natsfrist
des § 234 Abs. 1
Satz 2 ZPO noch nicht
abgelaufen. Die [X.] war mithin verfrüht.
Dabei kann dahin-stehen, ob -
wie von der Beschwerde vorgetragen -
eine gerichtliche Hin-weispflicht
bestand, den Kläger auf seinen für unzureichend erachteten Vor-trag hinzuweisen (vgl. zur Reichweite der Hinweispflichten bei Wiederein-setzung in den vorigen Stand etwa Senatsbeschluss vom 16. August 2016 -
VI [X.], [X.], 1463 Rn. 7 ff.; [X.], Beschlüsse vom 3. April 2008 -
I [X.], [X.], 837; und vom 10. März 2011
-
VII ZB 28/10, NJW-RR 2011, 790).

Der Verstoß war entscheidungserheblich, denn es kann
nicht ausge-schlossen
werden, dass der Kläger seinen Vortrag
zur Begründung des Wie-dereinsetzungsantrags
bis zum Fristablauf
hinreichend
ergänzt hätte.

3. Danach kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Die Sache ist gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung
unter

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6

-

Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des
[X.]
im Rechtsbeschwerde-verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Galke
[X.]
von [X.]

Oehler
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.02.2015 -
11 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 12.05.2015 -
5 U 38/15 -

Meta

VI ZB 27/15

29.11.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2016, Az. VI ZB 27/15 (REWIS RS 2016, 1695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1695

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VI ZB 27/15

VI ZB 19/16

VII ZB 28/10

5 U 38/15

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