Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. VI ZB 44/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7302

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]/11

vom

17. April 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 (Fc)
a)
Das Gericht darf über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor Ablauf der [X.] entscheiden. Durch eine vorzeitige Entscheidung ist der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör aber nur dann verletzt, wenn die [X.], die die Frist versäumt hat, substantiiert darlegt, dass sie vor Ablauf der [X.] noch weiter vorgetragen hätte, so dass das Gericht den ergänzenden Vortrag bei seiner Entscheidung hätte [X.] können (Abgrenzung zu [X.], Beschluss vom 17.
Februar 2011 -
V
ZB 310/10, NJW 2011, 1363 Rn.
4).
b)
Bei einem Wiedereinsetzungsgesuch wegen Versäumung einer Rechtsmittelbe-gründungsfrist reicht der allgemein gehaltene, nicht weiter substantiierte Vortrag, einer bewährten Rechtsanwaltsfachangestellten sei ein Versehen unterlaufen, zur Prüfung der [X.] (§
233 ZPO) und der [X.] (§
85 Abs.
2 ZPO) nicht aus.
[X.], Beschluss vom 17. April 2012 -
VI [X.]/11 -
OLG [X.] in [X.]

LG [X.]

-
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-
Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 17. April
2012
durch den [X.] [X.],
den
Richter Zoll,
die Richterin [X.],
den Rich-ter Pauge und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde
gegen den
Beschluss des
13. Zivilsenats
in [X.] des Oberlandesgerichts [X.] am Main
vom 25.
Mai
2011 wird auf Kosten des
[X.]
als unzulässig verwor-fen.
[X.]: 2.516,57

Gründe:
I.
Der
Kläger
nimmt
die beklagte
Gemeinde
auf Schadensersatz
wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls
in Anspruch.
Das [X.] hat die
Klage ab-gewiesen.
Der Kläger hat nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 25.
Februar 2011 mit Schriftsatz vom 24. März 2011, der am selben [X.] einging, Berufung eingelegt. Unter dem 2. Mai 2011 wies das [X.] darauf hin, die routinemäßige Aktenkontrolle habe ergeben, dass bisher
keine Berufungsbegründungschrift zu den Akten gelangt sei.
Dieser Hin-1
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weis ist dem Prozessbevollmächtigten des [X.] mit Fax vom 3. Mai 2011
zugänglich gemacht worden.
Daraufhin hat
der Kläger mit bei Gericht am 5.
Mai 2011 eingegangenem
Schriftsatz
vom 4. Mai 2011
-
verbunden mit seinem Be-rufungsantrag und einer Berufungsbegründung
-
Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des
Wie-dereinsetzungsantrags
als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des
[X.].

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft

574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
238 Abs.
2 Satz
1, §
522 Abs.
1 Satz 4
ZPO).
Sie ist aber im Übrigen unzulässig.
Weder der [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO) noch der der Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO) liegen vor.
1. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Wiedereinsetzung wie folgt
begründet:
Die Begründung des [X.] lasse weder erkennen, ob und welche allgemeinen Anweisungen der Prozessbevollmächtigte des [X.] in Bezug auf das Notieren der Fristen und ihrer Überwachung erteilt habe, noch trage der Prozessbevollmächtigte vor, ob und in welcher Weise er selbst eine Überprüfung vornehme. Der allgemeine Vortrag, der bewährten [X.] sei ein Versehen unterlaufen, reiche hierfür nicht aus. Das Fehlen von Sicherheitsvorkehrungen stelle jedenfalls einen entscheiden-den Organisationsmangel dar.
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Außerdem könne sich ein Rechtsanwalt nur auf die Zuverlässigkeit [X.] berufen, wenn er dieses sorgfältig ausgewählt und einge-wiesen habe, sowie stichprobenartig kontrolliere. Auch hierzu
sei im [X.] weder etwas ausgeführt noch glaubhaft gemacht, was die [X.] zutreffend in der Stellungnahme vom 12.
Mai 2011 gerügt habe.
2. Gegen die Verweigerung der Wiedereinsetzung wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
a) Die Rechtsbeschwerde ist wie folgt begründet
worden:
Das Berufungsgericht habe den Antrag auf Wiedereinsetzung vor Ablauf der [X.] zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Damit habe es den Anspruch des [X.]
auf rechtliches Gehör ver-letzt, sodass die Rechtsbeschwerde nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO zulässig sei.
Wäre das Berufungsgericht nicht so verfahren, hätte der Kläger innerhalb der am "05.05.2011"
endenden [X.] noch folgendes vorge-tragen:
Die Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau M., des bisherigen [X.] sei seit 1. Januar 1997 in der Kanzlei tätig
(Beweis: [X.] in Fotokopie anliegend). Die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten sei allerdings in der [X.] vom 1. September 2007 bis 26. Juni 2009 erfolgt. Sie habe die Prüfung mit der Note "sehr gut"
abgelegt. Eine beglaubigte Kopie des Prüfungszeugnisses sei in zweifacher Ausfertigung angeschlossen. Hierdurch sei belegt,
dass Frau M. über überdurchschnittliche Kenntnisse in ihrem [X.] verfüge. Innerhalb der Kanzlei bestehe die Anweisung und Übung, dass [X.] sowie die Begründungsfristen vom Rechtsanwalt in der [X.] eingetragen würden. So sei es auch vorliegend geschehen.
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Sodann werde die Akte der Fachangestellten zur Eintragung in den Fris-tenkalender überlassen, wobei die Anweisung bestehe, eine Woche vor Fristab-lauf einen so genannten "[X.]"
zu setzen. Von [X.] zu [X.] werde durch den Rechtsanwalt auch selbst überprüft, ob die Einträge korrekt seien. In jedem Einzelfall könne dies im Interesse der eigentlichen anwaltlichen Aufgabe nicht geschehen, was anerkannt sei. Fehler seien bislang nicht vorgekommen bis auf den vorliegenden Fall, in dem es leider zu dem Versehen gekommen sei.
Frau M. habe, wie aus der eidesstattlichen Versicherung vom 4. Mai 2011 ersichtlich sei, den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist versehentlich für den 26. Mai 2011 ([X.]: 18. Mai 2011) statt auf den 26. April 2011 eingetragen. Dies habe leider zur Folge gehabt, dass die Akte nicht rechtzeitig dem Rechtsanwalt vorgelegt worden sei, so dass die [X.] verstrichen sei.
Unabhängig davon sei
das Wiedereinsetzungsvorbringen des [X.] in seinem zur Akte gelangten Wiedereinsetzungsgesuch ausreichend
gewesen.
b) Der Beschwerdevortrag ist nicht geeignet, einen durchgreifenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts darzutun.
aa) Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde allerdings darauf hin, dass das Gericht über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor Ablauf der [X.] entscheiden darf und dass eine vorzeitige Entscheidung den Anspruch des Antragsstellers auf rechtliches Gehör verletzen und die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen
kann ([X.], Beschluss vom 17.
Februar 2011 -
V
ZB 310/10, NJW 2011, 1363 Rn. 4).
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs setzt allerdings voraus, dass die [X.], die die Frist versäumt hat, vor Ablauf der [X.] noch weiter vorgetragen 13
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hätte, so dass das Gericht den ergänzenden Vortrag bei seiner Entscheidung hätte berücksichtigen können.
Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Ausweislich der Akten ist dem Rechtsanwalt des [X.] der gerichtliche Hinweis über den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und darauf, dass der Eingang einer Berufungsbegründungsschrift bislang nicht festgestellt werden könne, am 3. Mai 2011
per Fax zugesandt worden. Damit war das Hindernis behoben (§
234 Abs.
2 ZPO), so dass die Monatsfrist
des §
234 Abs.
1 Satz 2 ZPO an diesem Tag zu laufen begann. Fristablauf war danach Freitag, der 3.
Juni 2011.
Der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts vom 25.
Mai 2011 ist dem Prozessbevollmächtigten des [X.] ausweislich des sich
bei der Akte befindlichen
Empfangsbekenntnisses
am 3. Juni 2011 zugegangen. Eine ergänzende Stellungnahme zu dem Wiedereinsetzungsgesuch ist bei dem [X.] weder an diesem Freitag noch an dem folgenden Montag, dem 6. Juni 2011, eingegangen.
Bei dieser Sachlage ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die nach der Be-hauptung des [X.] beabsichtigte ergänzende Stellungnahme noch innerhalb der [X.] hätte erfolgen können. Der Kläger trägt nicht vor, dass am 3. Juni 2011 die Anfertigung und Übersendung einer ergänzenden Stellungnahme bereits in Angriff genommen
worden wäre
oder jedenfalls [X.] gewesen, dann aber aufgrund der Zustellung des angegriffenen [X.] des Berufungsgerichts aufgegeben worden sei. Die Stellungnahme der Beklagtenseite zu dem Wiedereinsetzungsgesuch war bereits am 13. Mai 2011 beim Berufungsgericht eingegangen und dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 16. Mai 2011 übersandt worden
und wird in der Rechtsbe-18
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schwerdebegründung auch nicht als Grund für die beabsichtigte ergänzende Stellungnahme genannt.
Die
Behauptung
des [X.], dass ohne den voreiligen Beschluss des Berufungsgerichts noch weiter vorgetragen worden wäre, wird nicht durch [X.] nachvollziehbar konkretisiert.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.] aufgrund der verfrühten Entscheidungsfindung ist damit nicht schlüssig dargetan.
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Begründung des [X.] vom 4. Mai 2011 eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigte.
Das Wiedereinsetzungsgesuch ist lediglich wie folgt begründet:
"b-lauf der Berufungsbegründungsfrist leider versehentlich auf den 26.05.2011 statt auf den 26.04.2011 notiert."
Zur Glaubhaftmachung wird auf den Eintrag im Terminkalender und eine eidesstattliche Versicherung der Frau M. verwiesen. In letzterer führt Frau M. aus, es gehöre zu ihren Aufgaben, den Ablauf der Berufungsfrist sowie der Be-rufungsbegründungsfrist
ordnungsgemäß im Terminkalender einzutragen. In der vorliegenden Sache habe sie den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist versehentlich für den 26. Mai 2011 statt auf den 26. April 2011 eingetragen. Dies habe leider zur Folge gehabt, dass die Akte nicht rechtzeitig ihrem Vater, Herrn Rechtsanwalt M., vorgelegt worden sei, so dass die Berufungsbegrün-dungsfrist verstrichen sei.
Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, dass dem nicht zu entnehmen ist, ob und welche allgemeinen Anweisungen der Prozessbevollmächtigte des 21
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[X.] in Bezug auf das Notieren der Fristen und ihre
Überwachung erteilt hat sowie ob und in welcher Weise er selbst eine Überprüfung vornimmt. Ferner vermisst das Berufungsgericht mit Recht Vortrag dazu, aus welchen Gründen es sich bei Frau M. um eine "bewährte"
Angestellte handeln soll.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde reicht bei einem [X.] wegen Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist der allgemeine Vortrag, einer bewährten Rechtsanwaltsfachangestellten sei ein Versehen unterlaufen, nicht aus. Weder lässt sich aus einem derart unsubstan-tiierten Vortrag der äußere Geschehensablauf, der zur Versäumung der Frist geführt hat, ausreichend nachvollziehen, wenn jede Information zur Organisati-on der Rechtsanwaltskanzlei fehlt, noch enthält der Begriff "bewährt"
irgendeine brauchbare Information zur Prüfung der [X.] (§
233 ZPO) und der [X.] (§
85 Abs.
2 ZPO).
Galke
Zoll
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 16.02.2011 -
4 [X.]/10 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 25.05.2011 -
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Meta

VI ZB 44/11

17.04.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. VI ZB 44/11 (REWIS RS 2012, 7302)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7302

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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