Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.04.2018, Az. VI ZB 48/17

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10276

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:240418BVIZB48.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]
vom

24. April 2018

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 234 A

Eine Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
vor Ablauf der [X.] kann den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzen und die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen.

[X.], Beschluss vom 24. April 2018 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2018
durch den
Vorsitzenden [X.], [X.],
[X.], die Richterin Müller
und den Richter Dr. Allgayer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 14. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das
Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt

Gründe:
I.
Die Klägerin
nimmt die Beklagte
auf Ersatz des Schadens aus einem Verkehrsunfall
in Anspruch. Das Landgericht
hat
die Klage abgewiesen. Gegen das am 22. August 2017 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin
rechtzeitig Berufung eingelegt. Nach Hinweis des Vorsitzenden des Berufungsgerichts, dass eine Berufungsbegründung nicht eingegangen sei und die Berufung als unzulässig verworfen werden müsste, hat der Prozessbevoll-mächtigte der
Klägerin mit [X.] vom 2. November 2017 zunächst Frist-verlängerung um einen Monat, mit [X.] vom 3. November 2017 dann we-1
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gen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung des [X.] hat der Prozessbevoll-mächtigte der Klägerin ausgeführt, er sei spätestens seit dem 17. Oktober 2017 wegen einer akuten Lumboischialgie derart arbeitsunfähig gewesen, dass er nur noch unter starken Schmerzen und Einnahme von Schmerzmitteln täglich maximal zwei bis drei Stunden seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt habe nachge-hen können. Er sei daher nicht in der Lage gewesen, sich sachgemäß in den Sach-
und Rechtsstand der [X.] einzuarbeiten und eine zweckmäßige Berufungsbegründung anzufertigen. Erst ab dem 2. November 2017 sei er wieder in der Lage gewesen, sich der Angelegenheit zu widmen.
Mit Beschluss vom 8. November 2017
hat das Berufungsgericht die [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt
und die Berufung wegen nicht rechtzeitiger Berufungsbegründung
als unzulässig
verworfen. Zur Begründung der Ablehnung der Wiedereinsetzung hat es ausgeführt, die [X.] des Prozessbevollmächtigten der Klägerin reiche für eine Wiedereinset-zung nicht aus.
Es könne zwar
sein, dass der Prozessbevollmächtigte nicht in der Lage gewesen sei, konzentriert an einer Berufungsbegründung zu arbeiten.
Erforderlich und ausreichend wäre
aber
gewesen, rechtzeitig einen Fristverlän-gerungsantrag zu stellen, um so das Verstreichen der Berufungsbegründungs-frist zu verhindern. Die zur Verfügung stehende Arbeitszeit habe der Prozess-bevollmächtigte vornehmlich für eine Fristenkontrolle und zur Abwendung nicht reparabler [X.] aufwenden müssen.
Gegen diesen Beschluss
wendet sich
die Klägerin mit der
Rechtsbe-schwerde.

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II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Indem das Berufungsgericht den [X.] auf Wiedereinsetzung vor Ablauf der [X.] und die Berufung als unzulässig verworfen hat, hat es den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Sicherung [X.] einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfor-dert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ver-pflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteilig-ten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dadurch soll [X.] werden, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben. In diesem Sinn gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichti-gung jedes [X.]es, der innerhalb einer gesetzlichen oder richterlich be-stimmten Frist bei Gericht eingeht ([X.] 53, 219, 222). Danach darf das Gericht über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor Ablauf der [X.] entscheiden; dabei ist unerheblich, ob es die Sache für entscheidungsreif hält, weil der Antragssteller innerhalb der Frist zu den [X.] ergänzend vortragen kann und darf (vgl. Se-natsbeschluss vom 29. November 2016 -
VI [X.], NJW 2017, 1111 Rn. 5; [X.], Beschluss vom 17. Februar 2011 -
V [X.], NJW 2011, 1363 Rn. 4).
2. Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen. Das Berufungsgericht hat sich in [X.] unzulässiger Weise der Möglichkeit begeben, Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und zu
würdigen, da es vor Fristab-lauf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beschieden hat. Die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung beträgt nach
§ 234 Abs. 1 5
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Satz
2 ZPO
einen Monat, wenn die [X.] verhindert ist, die Frist zur [X.] der Berufung einzuhalten. Sie beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Dem
Prozessbevollmächtigten
der
Klägerin ist die Verfügung des Berufungsgerichts am 2. November 2017
zugestellt worden. Erst ab diesem Tag war er nach
seinen Angaben wieder in der Lage, sich der Angelegenheit zu widmen. Damit war am 8. November 2017
die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO
noch nicht abgelaufen. Die Bescheidung des [X.] war mithin verfrüht.
Der Verstoß war entscheidungserheblich, denn es kann nicht ausge-schlossen werden, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Vortrag zur Begründung des [X.] bis zum Fristablauf hinreichend ergänzt
und gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumte Prozesshandlung
durch Einreichen der Berufungsbegründung
nachgeholt hätte.
Dass er tatsäch-lich erst in der Rechtsbeschwerdebegründung
Weiteres
zu dem [X.] vorgetragen und die Berufungsbegründung erst im Februar 2018 eingereicht hat, ist unschädlich. Beides ist darauf zurückzuführen, dass das Be-rufungsgericht die Wiedereinsetzung
bereits
abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen und damit zu erkennen gegeben hat, dass
es etwaiges weiteres Vorbringen zum [X.] und eine nachgeholte [X.] nicht mehr berücksichtigen wird.
3. Danach kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Die Sache ist gemäß
§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO
zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerin
im Rechtsbeschwer-deverfahren
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Ver-fahren wird zu berücksichtigen sein, dass ein Einzelanwalt ohne eigenes Per-sonal ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch [X.] mit einem vertretungsbereiten Kollegen, zu treffen hat und dass es zu 8
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den möglichen und zumutbaren Maßnahmen, die ein unvorhergesehen erkrank-ter Rechtsanwalt zu treffen hat, auch gehören kann, den Vertreter zu benach-richtigen und diesen zu bitten, einen Fristverlängerungsantrag zu stellen
(vgl. [X.], Beschluss vom 26. September 2013 -
V [X.], NJW 2014, 228 Rn. 7, 10, 11
mwN).
Galke

[X.]
[X.]

Müller
Allgayer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.07.2017 -
319 [X.]/17 -

O[X.], Entscheidung vom 08.11.2017 -
14 [X.] -

Meta

VI ZB 48/17

24.04.2018

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.04.2018, Az. VI ZB 48/17 (REWIS RS 2018, 10276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10276

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VI ZB 48/17

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