Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2008, Az. IX ZR 219/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 438

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 4. Dezember 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 49b Abs. 4 Satz 2; BGB § 398; [X.] § 14 Tritt ein Rechtsanwalt mit wirksamer Zustimmung des Mandanten [X.] an einen Dritten ab, so kann er an diesen jedenfalls nicht ohne Einver-ständnis des Mandanten das Billigkeitsermessen zur Bestimmung einer Rahmen-gebühr delegieren. [X.], [X.]eil vom 4. Dezember 2008 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf das am 5. November 2008 geschlossene schriftliche Verfahren durch [X.] Ganter, [X.] und Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil der 13. Zivilkammer des [X.] vom 31. August 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger wurde in einem sozialgerichtlichen Verfahren, in dem es um seine einkommensabhängige Beitragspflicht aus der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung durch die [X.]

und eine Beitragsnachforderung ging, durch die Rechtsanwältin D.

vertreten. Die Beklagte erteilte als Rechtsschutzversicherer des [X.] für diese Angelegenheit Deckungsschutz. Rechtsanwältin [X.]trat ihren Vergütungsanspruch an die [X.] ab. Diese GmbH lässt ihre Forderungen durch die [X.]

AG einziehen. 1 - 3 - Der Kläger unterzeichnete im Februar 2006 eine ihm von Rechtsanwältin [X.] vorgelegte Zustimmungserklärung folgenden Inhalts: 2 "Ich erkläre [X.] ausdrücklich einverstanden mit der - Weitergabe der zum Zwecke der Abrechnung und Geltendmachung jeweils erforderlichen Informationen, insbesondere von Daten aus der Mandanten-kartei (Name, Geburtsdatum, Anschrift, Gegenstandswert, Prozessdaten und -verlauf, Honorarsatz) an die [X.]

AG - [X.]und die [X.]
GmbH, - Abtretung der sich aus dem Mandat ergebenden Forderungen an die [X.]GmbH. Diese Zustimmung gilt auch für alle laufenden und zukünftigen [X.]. Sofern ich rechtsschutzversichert bin, bevollmächtige und beauftra-ge ich hiermit die [X.]

GmbH und deren Prozessbevollmächtigte mit der Geltendmachung der Freistellungsansprüche aus dem [X.]. Hierdurch entstehen [X.] keine weiteren Kosten. Für den Fall der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gegner be-vollmächtige ich [X.]und [X.]

mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts in meinem Namen zur Einziehung der Forderung. Auch [X.] entstehen für [X.] keine Aufwände oder Kosten. Die [X.] GmbH kann bei der Entscheidung, ob sie die Honorarfor-derungen ankauft, meine Bonität (Zahlungsfähigkeit) prüfen; hierzu kann die [X.] GmbH eine Auskunft bei einer Auskunftei oder Kreditschutz-organisation ([X.], [X.] o.ä.) einholen. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die [X.] GmbH die Leistungen meines Rechtsanwalts [X.] gegenüber durch die [X.] in Rechnung stellen und für eigene Rechnung einziehen wird. Sollte es über die Berechnung der Forderung unterschiedliche Auffassungen geben, kann der Rechtsanwalt in einer etwaigen Auseinandersetzung als Zeuge gehört werden. Ich entbinde meinen Rechtsanwalt von seiner anwaltlichen Schweigepflicht, soweit dies für die Abrechnung und Geltendmachung der Forderungen erforderlich ist. Eine Ausfertigung dieser Einverständniserklärung habe ich erhalten." Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dieser Abtretung. Die [X.] hat zudem weitere Einwendungen erhoben. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger seinen Sachantrag weiter, von der auf 458,20 • bezifferten [X.] - 4 - derung der [X.] aus dem Rechtsanwältin [X.]erteilten [X.] freigestellt zu werden. Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. 4 [X.] Der Senat hat in seinem [X.]eil vom 24. April 2008 ([X.] ZR 53/07, [X.], 1229) bereits entschieden, dass entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts schon vor dem 18. Dezember 2007 Vergütungsansprüche von Rechts-anwälten mit wirksamer Zustimmung des Schuldners auch an [X.] ab-getreten werden konnten, ohne dass es unter dieser Voraussetzung auf eine rechtskräftige Feststellung der Forderung und einen erfolglosen Vollstreckungs-versuch ankam. Dagegen rügt die Revisionserwiderung zu Unrecht, der Senat habe in Ansehung von § 49b Abs. 4 Satz 2 [X.] in der Fassung vom 2. September 1994 das Verwerfungsmonopol des [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verletzt (ebenso [X.]. 2008, 177, 178; Glauben [X.], 289 f; Edelmann/[X.] WuB VIII B.-1.08). Der Senat hat die [X.] weder verworfen noch angewendet, sondern auf-grund einer verfassungskonformen Auslegung von Art. 20 Satz 1 des [X.] vom 12. Dezember 2007 ([X.]), zu welcher er befugt ist, seiner Entscheidung § 49b Abs. 4 Satz 2 [X.] in der Fassung vom 12. Dezember 2007 zugrunde gelegt. Diese 5 - 5 - Auslegung stützt sich auf die deutliche und zutreffende Kritik des Altrechts in den Materialien zu Art. 4 Nr. 1 des [X.] des [X.]. Ihr Gewicht wird nicht dadurch verringert, dass die [X.] es in ihrer Entwurfsbegründung vermieden hat, die Verfassungswidrigkeit des § 49b Abs. 4 Satz 2 [X.] in der Fassung vom 2. September 1994 aus-drücklich anzusprechen. Umgekehrt wird dadurch deutlich, dass Art. 20 Satz 1 des [X.] des Rechtsberatungsrechts mit seinem einheit-lichen Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes eine planwidrige Lücke ent-hält. Die Annahme von [X.] (aaO), der Gesetzgeber habe sich bewusst für ein Inkrafttreten der Neufassung des gesamten § 49b Abs. 4 [X.] zum 18. Dezember 2007 entschieden, findet in den Gesetzesmaterialien an keiner Stelle Rückhalt. Die Bedenken von Glauben (aaO S. 290), die Rückwirkung von § 49b Abs. 4 Satz 2 [X.] in der Fassung vom 12. Dezember 2007 könne [X.] verfassungsrechtlich unzulässig sein, sind unbegründet. [X.] Vertrauen in die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen [X.] für die Mandanten nicht; für die beteiligten Verkehrskreise ergab sich hin-reichender Schutz aus § 407 Abs. 1 BGB (vgl. [X.] 172, 278, 286 f Rn. 26; [X.], [X.]. v. 18. März 2004 - [X.] ZR 177/03, [X.], 981, 985 unter I[X.] 4.). Die Neuregelung schränkt auch Grundrechte der Mandanten innerhalb des [X.] nicht stärker ein, sondern sichert deren im Hinblick auf § 402 BGB erforderliche Zustimmung durch die gesetzliche Verankerung der Aufklä-rungsobliegenheit des Rechtsanwaltes besser ab. Das in Art. 103 Abs. 2 GG ausgesprochene Verbot, [X.] rückwirkend zu schließen (siehe dazu [X.] 26, 31, 42; 64, 389, 393; 81, 132, 135), und die ebenfalls nicht rückwirkende Verschwiegenheitspflicht neuer Gläubiger gemäß § 49b Abs. 4 Satz 4 [X.] in der Fassung vom 12. Dezember 2007 stehen der vom Senat in seinem [X.]eil vom 24. April 2008 6 - 6 - (aaO) vorgenommenen Auslegung von Art. 20 Satz 1 des Gesetzes zur Neure-gelung des Rechtsberatungsrechts im Sinne eines rückwirkenden Inkrafttretens der mit Art. 4 Nr. 1 dieses Gesetzes angeordneten Anpassung von § 49b Abs. 4 Satz 2 [X.] an grundrechtliche Erfordernisse ebenfalls nicht entgegen. Die Ausdehnung der Verschwiegenheitspflicht auf Zessionare und ihre Strafbeweh-rung nach § 203 StGB ist keine verfassungsrechtlich gebotene Voraussetzung für die [X.] der gesetzlich zur [X.] verpflichteten Berufsangehörigen. Wäre dies anders, hätten solche [X.] auch nicht gepfändet werden können, was die Rechtsprechung schon früher als zulässig anerkannt hat (vgl. [X.] 141, 173, 177), ohne damit dem Gesetzgeber Anlass zu bieten, vermeintliche Pflichtendefizite und Strafbarkeits-lücken auszufüllen. Die Strafbarkeit von Geheimnisverletzungen ist durch Art. 17 des [X.] des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 auch nur für die Angehörigen anwaltlicher Verrechnungs-stellen begründet worden, ohne die Abtretung anwaltlicher Vergütungsansprü-che an andere Empfänger zu hindern. Die vom Kläger unterzeichnete Zustimmung zu der Abtretung des [X.] ist mit derjenigen der Sache [X.] ZR 53/07 inhalts-gleich. Ihre Wirksamkeit ist daher aus den in jener Sache bereits dargestellten Gründen zu bejahen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und - mangels Spruchreife - zur Zurückverweisung der Sache. 7 I[X.] 1. Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO). Hat der Kläger die Berechnung seiner Rechtsanwältin vom 28. Februar 8 - 7 - 2006 erhalten, wie er es unter Bestreiten der [X.] erstinstanzlich behaup-tet hat, hätte ihm nach § 15 Abs. 1 Buchst. e) [X.] zwar oblegen, ihr diese Berechnung unverzüglich vorzulegen. Unstreitig ist dieses unterblieben. Die Beklagte beruft sich gleichwohl zu Unrecht auf ihre Leistungsfreiheit gemäß § 15 Abs. 2 [X.]. Leistungsfreiheit der [X.] wegen grob fahrlässiger [X.] scheidet schon deshalb aus, weil die vorgerichtlich versäumte Vorla-ge der anwaltlichen Gebührenberechnung nach unstreitigem Sachverhalt kei-nen Einfluss auf die Feststellung oder den Umfang der von der [X.] zu erbringenden Leistung gehabt hat. 9 Die Beklagte ist auch nicht wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil die Vorsatzvermutung widerlegt ist. Es fehlen schon Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger die objektiv verletzte Vorlageobliegenheit des § 15 Abs. 1 Buchst. e) [X.] in [X.] bewusst war. Ohne dieses Bewusstsein scheidet ein entsprechender [X.] aus. Im Übrigen fehlt es an einem erheblichen Verschulden des [X.] im Sinne der Relevanzrechtsprechung (vgl. [X.], [X.]. v. 21. Januar 1998 - [X.], [X.], 447, 448 unter 2. b). Nach allgemeiner Erfah-rung will sich kein vernünftiger Rechtsschutzversicherter durch die vorsätzliche Nichterfüllung seiner Obliegenheit zur Vorlage der anwaltlichen Gebührenbe-rechnung dem Rechtsnachteil aussetzen, den zugesagten Deckungsschutz seiner anwaltlichen Rechtsbetreuung zu verlieren (vgl. [X.], [X.]. v. 3. Oktober 1979 - [X.], [X.], 1117, 1118 unter I[X.] 5.; v. 8. Januar 1981 - [X.], [X.], 321, 322; v. 21. April 1993 - [X.], [X.], 830, 832 unter I[X.] 2.; [X.] in [X.]/Langheid, [X.]. § 6 Rn. 76). Dieser von der Rechtsprechung für versicherte Haftpflichtrisiken entwickelte 10 - 8 - Gedanke gilt auch im Bereich der Rechtsschutzversicherung. Für den Kläger ergab sich hier die nahe liegende Annahme, dass die [X.] GmbH als seine Beauftragte zur Geltendmachung des [X.] alle not-wendigen Unterlagen anfordern und der [X.] zuleiten würde. 2. Die Beklagte hat die Behauptung des [X.] bestritten, dass der [X.] vom 1. März 2006 eine anwaltliche Berechnung zugrunde lag, wie sie vom Kläger mit Datum vom 28. Februar 2006 vorgetragen worden ist. Dieses Bestreiten ist erheblich. Der Kläger verlangt die Freistellung von einer Betragsrahmengebühr gemäß § 3 Abs. 1 [X.]. Der Rechtsanwalt kann das ihm nach § 14 [X.] eingeräumte [X.] nicht einseitig auf einen Dritten übertragen, sondern diese im anwaltlichen Dienstvertrag wurzelnde Befugnis lässt sich ebenso wie ein [X.] Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB allenfalls durch eine Vereinbarung beider Vertragsteile an einen Dritten delegieren (vgl. [X.]/[X.], [X.]. [X.]. 2004 § 315 Rn. 89 f). Das [X.] nach § 14 [X.] gehört in seiner Ausübung zum Entstehungstatbe-stand des Vergütungsanspruchs. Das hierbei bestehende Billigkeitsermessen kann daher jedenfalls nicht ohne Zustimmung des anderen Vertragsteils mit dem Abtretungsvertrag einem Zessionar zugeschoben werden. Stets bleibt der Rechtsanwalt wie der Arzt bei Einschaltung einer privatärztlichen [X.] trotz Zustimmung des anderen Teils auch zumindest dafür verant-wortlich, dass der Dritte das Billigkeitsermessen (dort § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GOÄ) durch Kenntnis von der Leistungserbringung und ihren Besonderheiten sachgerecht ausüben kann (vgl. Lang/[X.]/Stiel/[X.], [X.]. § 5 Rn. 26). 11 - 9 - In seiner Zustimmung zur [X.] hat sich der Kläger mit einer Übertragung des Billigkeitsermessens auf die [X.] GmbH oder die von dieser beauftragten [X.] AG nicht einverstanden erklärt. Desgleichen hat er auf eine anwaltliche Vergütungsbe-rechnung gemäß § 10 [X.] nicht verzichtet, so dass offen bleiben kann, welche Wirkung eine solche Verzichtserklärung hätte. Es bedarf deshalb weiterer Auf-klärung, ob die Rechnung der [X.] AG vom 1. März 2006 auf der Berechnung der Rechtsanwältin [X.]vom 28. Februar 2006 beruht. [X.] ist demgegenüber, ob diese Berechnung dem Kläger auch alsbald mitgeteilt worden ist. Nachdem der Kläger sie erstin-stanzlich in den Rechtsstreit eingeführt hat, steht fest, dass er persönlich oder sein auch insoweit zuständiger Prozessbevollmächtigter spätestens zu diesem Zeitpunkt im Besitz der formgerechten Berechnung war und die Fälligkeit des eingeklagten [X.] wegen mangelnder Durchsetzbarkeit des anwaltlichen Vergütungsanspruchs gemäß § 10 [X.] nicht mehr hinausge-schoben sein konnte. 12 - 10 - 3. Die Beklagte hat ferner bestritten, dass die angesetzte Betragsrah-mengebühr nach den Umständen der anwaltlichen Tätigkeit des Mandates sich im Rahmen des gesetzlichen Billigkeitsermessens bewege. Der Kläger ist dem im Einzelnen entgegengetreten. Auch dieser Streitpunkt bedarf zunächst tat-richterlicher Würdigung. 13 [X.] [X.]

[X.] Pape
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.][X.], Entscheidung vom 31.08.2007 - 13 S 24/07 -

Meta

IX ZR 219/07

04.12.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2008, Az. IX ZR 219/07 (REWIS RS 2008, 438)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 438

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