Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2005, Az. NotZ 13/05

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2005, 2633

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BUNDESGERICHTSHOF

[X.]/05

Verkündet am:

11. Juli 2005

Freitag

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

GG Art. 84 Abs. 1, [X.] § 113a, [X.]: [X.] § 39

Zur Errichtung einer landesunmittelbaren juristischen Person des öffentli-chen Rechts - hier: [X.] - durch ein [X.].

[X.], Beschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 13/05 - [X.]

wegen Rückerstattung von Abgaben - 2 -

Der [X.], [X.], hat durch den [X.], den Richter [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die Notare Dr. [X.] und Eule

am 11. Juli 2005

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarverwaltungssachen des Ober-landesgerichts Dresden vom 6. April 2005 - [X.] 37/04 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des [X.] zu tragen und die der Antragsgegnerin im [X.] entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
11.879 • festgesetzt.

Gründe:

[X.] Der Antragsteller ist Notar im Tätigkeitsbereich der Antragsgeg-nerin. Diese erhob, gestützt auf § 113a [X.] in Verbindung mit ihrer Hauptsatzung und ihrer für das betreffende Kalenderjahr erlassenen [X.] -

gabensatzung, beim Antragsteller für den Monat September 2004 Abga-ben in Höhe von 11.879 •. Der Antragsteller hält diesen Bescheid im Hinblick auf den Beschluß des [X.] vom 13. Juli 2004 (1 BvR 1298/94, 1299/94, 1332/95, 613/97, NJW 2005, 45) für rechtswidrig. Das [X.] hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, auf [X.] und auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückzahlung der geleisteten Abgaben zuzüglich gesetzlicher Zinsen, zu-rückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit der sofortigen Beschwerde.

I[X.] Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 42 Abs. 4 [X.] zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der - auch hinsichtlich der begehrten Feststellung zulässige (vgl. Senat, Beschluß vom 31. März 2003 - [X.] 31/02 - NJW 2003, 2905 un-ter II 1) - Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Der an-gefochtene Bescheid der Antragsgegnerin ist rechtmäßig. Er verletzt den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten, so daß hierauf geleistete Zahlungen nicht zurückzuerstatten sind.

1. Der Bescheid findet eine hinreichende rechtliche Grundlage in der Abgabensatzung der Antragsgegnerin.

Zwar ist die Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Erhebung von Abgaben in § 113a [X.] 1998 - ebenso wie diejenige in § 39 Abs. 7 [X.], in § 113 Abschnitt I [X.] 1981 und in § 113 [X.] 1998 - mit - 4 -

Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Regelungen genügen nicht den ver-fassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsst[X.]ts-prinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung - hier an die Antragsgegnerin - (vgl. [X.] [X.]O S. 47). Die Verfassungswidrigkeit der alten wie der neuen Regelung hat jedoch nicht ihre sofortige Nichtigkeit und die des auf ihnen beruhenden Satzungsrechts zur Folge. Der Gesetzgeber hat nach den Vorgaben des [X.] bis zum Ende des Jahre 2006 eine verfas-sungsgemäße Regelung zu treffen. Bis dahin sind die verfassungswidri-gen Vorschriften ausnahmsweise weiter anzuwenden (vgl. [X.] [X.]O S. 49). Der Senat verweist dazu auf seine Beschlüsse vom 14. März 2005 ([X.] 2/05; [X.] 3/05, bei juris abrufbar; [X.] 4/05). Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthält der Beschluß des [X.] vom 13. Juli 2004 eine Weitergeltungsanordnung auch für § 113a [X.] ([X.]O unter II); ihre Aufnahme in den Tenor - an der es hier fehlt - ist zwar üblich, aber keine zwingende Voraussetzung für den Fortbestand der Norm (vgl. [X.] in: [X.]/[X.], [X.]G 2. Aufl. § 78 Rn. 34 a.E. unter Verweis auf [X.]E 109, 279, 381). Soweit der Antragsteller beanstandet, es fehle der Weitergel-tungsanordnung die nötige Publizität, verkennt er, daß die nach § 31 Abs. 2 Satz 3 [X.]G vorgeschriebene Veröffentlichung der Entschei-dungsformel im [X.]blatt keinen konstitutiven, sondern nur [X.] Charakter hat ([X.] in: [X.]/[X.], [X.]O § 31 Rn. 87; [X.] in: [X.]/Schmidt-Bleibtreu, [X.]G § 31 [Stand: Juni 2001] Rn. 312).
- 5 -

Die Vorschrift des § 113a [X.] enthält somit eine - vorerst noch ausreichende - Ermächtigung für die Satzungen der Antragsgegnerin, auf deren Grundlage der angefochtene Bescheid erlassen worden ist.

2. Die mit beträchtlichem [X.] aufgestellte These des Antragstellers, die Errichtung der Antragsgegnerin hätte nach Art. 83 Abs. 1 der [X.] ([X.]) eines [X.]ge-setzes bedurft und sei, da ein solches Gesetz nicht erlassen worden sei, wegen Verstoßes gegen Art. 84 Abs. 1 GG eine "Scheinbehörde", deren "Scheinsatzungen" nichtig und deren "Scheinverwaltungsakte" ohne [X.] aufzuheben seien, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

a) Das [X.] hat in seiner Entscheidung vom 13. Juli 2004 eingehend dargelegt, daß die Errichtung der [X.] und ihre Ausstattung mit Satzungsgewalt auf unzulänglichen or-ganisatorischen Vorgaben beruhen; gleichwohl hat es das [X.]esverfas-sungsgericht für notwendig erachtet, die verfassungswidrige Vorschrift des § 113a [X.] und das darauf beruhende Satzungsrecht als Rege-lung für die Übergangszeit bis zum Ende des Jahres 2006 fortbestehen zu lassen, damit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmä-ßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige ([X.]O S. 35 f.).

Auch wenn das [X.] die Verfassungswidrig-keit der die Errichtung der [X.] als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts normierenden Bestimmungen nur aus Art. 12 Abs. 1 GG hergeleitet hat, so ist doch nicht ansatzweise erkennbar, daß das vom [X.] hervorgehobene Interesse an einer - 6 -

verläßlichen Finanz- und Haushaltsplanung und an einem gleichmäßigen Verwaltungsvollzug weniger schwer wiegen würde, wenn § 113a [X.] nicht nur wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig wäre, sondern außerdem auch noch gegen Art. 84 Abs. 1 GG verstoßen würde.

b) Davon abgesehen könnte der Senat - was der Antragsteller im übrigen nicht verkennt - nicht von sich aus einen Verfassungsverstoß gegen Art. 84 Abs. 1 GG feststellen und daraus die vom Antragsteller für richtig gehaltenen Rechtsfolgen ableiten. Vielmehr käme nur eine Vorla-ge an das [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in [X.]. Dies würde voraussetzen, daß der beschließende Senat der Ü-berzeugung wäre, daß der vom Antragsteller behauptete [X.] vorliegt; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit genügten nicht ([X.], Beschluß vom 30. November 2000 - [X.]/00 - NJW 2001, 1069, 1070 unter Hinweis auf [X.]E 86, 52, 57; 80, 44, 59).

Nach diesen Maßstäben besteht für eine Aussetzung des Verfah-rens und eine Vorlage an das [X.] kein Anlaß.

[X.]) Die [X.] ist ihrer auf § 39 [X.] bzw. § 113a [X.] 1998 beruhenden Rechtsstellung nach als Anstalt des öffentli-chen Rechts des Freist[X.]ts Sachsen zu beurteilen (Senat, Beschluß vom 10. März 1997 - [X.] 5/96 - D[X.] 1997, 822, 823). Da sie somit ihre gesetzliche Grundlage im [X.]esrecht bzw. im früheren Recht der [X.] hat, das nach dem [X.] zunächst als partielles [X.]esrecht weitergegolten hat (Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2 - 7 -

der Anlage zum [X.]), scheidet Art. 83 Abs. 1 [X.] als Prü-fungsmaßstab für die Wirksamkeit der Errichtung dieser Behörde von vornherein aus. Diese Regelung der [X.]verfassung betrifft nur sol-che Behörden des Freist[X.]tes Sachsen, deren Errichtung auf einem Or-ganisationsakt des [X.] selbst beruht (dies entspricht ersichtlich auch der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs des Freist[X.]tes Sachsen, vgl. Beschluß vom 16. Juni 2005 - [X.]. 20-IV-05 [HS] und [X.]. 21-IV-05 [[X.]] - Umdruck S. 6; a.A. möglicherweise - in einem obiter dictum - der [X.], vgl. Beschluß vom 13. April 2005 - [X.]. 9-VII-03 - Umdruck S. 28).

[X.]) Nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln die Länder, soweit sie - wie hier - [X.]e als eigene Angelegenheiten ausführen, die Ein-richtung der Behörden, soweit nicht [X.]e mit Zustimmung des [X.]esrates etwas anderes bestimmen.

(1) Der Begriff der Einrichtung der Behörden ist weit zu verstehen. Er erfaßt die Bildung und organisatorische Ausgestaltung der Behörden sowie die Festlegung ihres näheren [X.] ([X.], in: [X.]/[X.], GG Art. 84 [Stand: Januar 1995] Rn. 25; [X.], in: v. Mangoldt/[X.]/[X.], GG 4. Aufl. Art. 84 Rn. 8; [X.]/[X.], GG 7. Aufl., Art. 84 Rn. 3; s. auch [X.]E 105, 313, 331), wobei es sich stets um [X.]behörden handeln muß ([X.] [X.]O Rn. 28; die fakulta-tive [X.]esverwaltung ist in Art. 87 Abs. 3 GG geregelt).

(2) Da Art. 84 Abs. 1 GG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis [X.] liegt, das grundsätzlich die Organisationsgewalt den Ländern zu-- 8 -

weist, darf der [X.] nicht übermäßig auf diese Organisationsgewalt Einfluß nehmen; insbesondere ist, da das Grundgesetz die Materie Kommunalrecht nicht dem [X.] zuweist, bei Einschaltung der [X.] in den Vollzug der [X.]e Zurückhaltung geboten (vgl. [X.]E 77, 288, 299).

(3) Nach diesen Kriterien begegnet die Errichtung der [X.] als rechtsfähige [X.]-Anstalt durch ein [X.] keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar ist in der St[X.]tspraxis die Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen an bereits bestehende [X.]behörden durch den [X.]geber der Regelfall, während der Errichtung [X.] juristischen Person des öffentlichen Rechts durch den [X.] die Ausnahme ist. Dies allein vermag jedoch die Verfas-sungsmäßigkeit des [X.]es-Organisationsgesetzes nicht in Zweifel zu ziehen. Entscheidend ist allein die Schwere des Eingriffs in die [X.] des [X.]. Dieser wiegt bei der Errichtung einer Anstalt mit selbstverwaltungsgeprägter Organisationsstruktur und streng berufs-bezogenem, engem Aufgabenbereich weniger schwer als etwa die [X.] umfangreicher Verwaltungsaufgaben auf bereits bestehende [X.]behörden, die zur Erfüllung dieser Aufgabe in personeller und in sachlicher Hinsicht nicht hinreichend ausgestattet sind.

(4) Die erforderliche Zustimmung des [X.]esrats, die selbstre-dend bei Erlaß der nach Maßgabe des St[X.]tsorganisationsrechts der [X.] zustande gekommenen Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis vom 20. Juni 1990 (GBl. [X.]), geändert und er-gänzt durch Verordnung vom 22. August 1990 (GBl. I S. 1328) nicht [X.] 9 -

nöten war, hat bei allen späteren, die [X.] betreffenden Rechtssetzungsakten des [X.]es ([X.], [X.], [X.] der [X.]esnotarord-nung und anderer Gesetze) vorgelegen.

3. Über die vom [X.] ([X.]O) festgestellte Verfassungswidrigkeit der §§ 113, 113a [X.] und ihrer Vorgängerrege-lungen hinaus besteht kein Grund, die Rechtmäßigkeit des [X.] oder der ihn tragenden Satzung in Frage zu stellen. Das [X.] hat weitergehende Beanstandungen nicht erho-ben, obwohl in den zu seiner Entscheidung anstehenden Verfahren die Beschwerdeführer - ebenso wie jetzt der Antragsteller - die Rechtmäßig-keit der Abgabenerhebung auch im Hinblick darauf beanstandet haben, daß die [X.] die Haushalte der einzelnen Notarkammern in den fünf neuen [X.]esländern finanziere, der einzelne Notar aber Einfluß nur auf das Wirtschaftsgebaren seiner eigenen Kammer habe, während sich die Mittelverwendung insgesamt seiner Kontrolle entziehe. Zudem haben sie geltend gemacht, daß die progressive Staffelabgabe den Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts und des [X.] Äquivalenzprinzips widerspreche, die Anwendung fän-den, weil die Abgaben auch Beiträge zur Altersversorgung enthielten. Die Abgaben verstießen gegen das Übermaßverbot und führten zur einer un - 10 -

zulässigen Umverteilung, da die umsatzstarken Notariate die Kammer-haushalte - auch der anderen Länder - überproportional finanzierten. Diese [X.] hat das [X.] nicht durchgreifen [X.].

Schlick [X.]

[X.]

[X.]

Eule

Meta

NotZ 13/05

11.07.2005

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2005, Az. NotZ 13/05 (REWIS RS 2005, 2633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2633

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