Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.11.2014, Az. 3 StR 458/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 946

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Gegenstand

Notwendiger Inhalt eines Strafurteils wegen versuchten Mordes: Abgrenzung des fehlgeschlagenen vom unbeendeten und beendeten Versuch; Prüfung eines freiwilligen Rücktritts


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge sowie (mit) versuchter Brandstiftung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an, denn das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.

2

Das Urteil kann nicht bestehen bleiben. Das [X.] hat nicht geprüft und erörtert, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 StGB), obwohl dies rechtlich geboten war.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s entschloss sich der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des [X.], spätestens gegen fünf Uhr, zum Selbstmord durch Herbeiführen einer Explosion, durch die das gesamte Mehrfamilienhaus, in dessen ersten Obergeschoss er wohnte und das achtzehn Wohneinheiten umfasste, zum Einsturz gebracht und zerstört werden sollte. Zu diesem Zweck verband er innerhalb der folgenden circa 30 Minuten in seinem, zwei Geschosse unterhalb seiner Wohnung gelegenen [X.]raum eine dort auf dem Boden stehende elektrische Camping-Kochplatte mit einer im [X.]raum montierten Steckdose, die von seinem Schlafzimmer aus schaltbar war. Auf die Kochplatte legte er einen Stapel mit Prospekten und Zeitschriften und übergoss diesen mit Benzin. Unmittelbar neben die Kochplatte legte er einen mit einem Butan/[X.] gefüllten Behälter, der nach seiner Vorstellung durch das nach Einschalten der Kochplatte entstehende Feuer so stark erhitzt werden sollte, dass es in der Folge zu einer Gasexplosion kommt.

4

Nachdem der Angeklagte den Schalter in seinem Schlafzimmer betätigt hatte, erhitzte sich die Kochplatte, so dass sich das darauf gestapelte Papier entzündete und der [X.] erwärmt wurde. Infolge des [X.] entwickelte sich im [X.] des Angeklagten [X.], so dass ein seine Wohnung verlassender Mieter im Treppenhaus Rauchgeruch wahrnahm und einen im Erdgeschoss des Hauses wohnenden Mitbewohner über ein mögliches Feuer informierte sowie umgehend die Feuerwehr rief. Der alarmierte Mitbewohner klingelte sodann bei "sämtlichen Hausbewohnern, um diese zum Verlassen des Hauses aufzufordern". Die etwa 30 Minuten nach Bemerken des Rauchgeruches eintreffende Feuerwehr brach das sich an der [X.]tür des Angeklagten befindliche Vorhängeschloss auf und löschte das auf der Kochplatte liegende, glimmende Papier sowie eine kleine offene Flamme, die auf der anderen Seite des [X.]raumes entstanden war. Der in den [X.]raum vorgedrungene Feuerwehrmann trennte sodann die Kochplatte von der Steckdose durch Herausziehen des Steckers. Eine nach dem Löschen durchgeführte Messung mittels einer Wärmebildkamera ergab eine Temperatur des Kochfeldes von etwa 180 Grad Celsius sowie eine Außentemperatur des - nahezu vollständig gefüllten - Gasbehälters von etwa 85 Grad Celsius. Zum Zeitpunkt des [X.] befanden sich neben dem Angeklagten noch 13 andere Personen in dem Haus. Nach der Verhaftung des Angeklagten war der Schalter im Schlafzimmer des Angeklagten (wieder) ausgeschaltet und in dieser Stellung mit einem Klebeband fixiert.

5

2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das [X.] prüfen und erörtern müssen, ob der Angeklagte strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten ist; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch der Tat zurückgetreten ist.

6

a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte [X.] nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur [X.], Urteile vom 30. November 1995 - 5 [X.], [X.]St 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 [X.], [X.], 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des [X.] ist auch dann maßgeblich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. [X.], Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 239/04, [X.], 70, 71).

7

Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des [X.] ergibt sich auch aus ihrem Gesamtzusammenhang nicht, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Stromzufuhr zu der Kochplatte wieder abstellte und den Schalter überklebte, der [X.] aufgrund der Entdeckung des Feuers und des Eingreifens der Feuerwehr nicht mehr eintreten konnte und der Angeklagte dies erkannt hatte. Das [X.] führt im Rahmen der rechtlichen Würdigung lediglich aus, dass die Vollendung der Tat "allein durch die Alarmierung und das Eingreifen der Feuerwehr verhindert" worden sei. Zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die weitere Stromzufuhr zu der Kochplatte unterbrach, verhalten sich die Urteilsgründe indes ebenso wenig wie zu der Frage, ob in diesem Moment das Feuer bereits entdeckt war, die Feuerwehr eingegriffen hatte und - so dies der Fall war - der Angeklagte sich dessen auch bewusst war. Zwar könnten die Feststellungen zur Temperatur der Kochplatte, der Entzündung der Prospekte und Zeitschriften sowie des Grades der Erhitzung der Gasflasche beim Eintreffen der Feuerwehr dafür sprechen, dass die Stromzufuhr erst zu einem sehr späten Zeitpunkt unterbrochen wurde. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs genügt dies ohne nähere Prüfung und Erörterung der weiteren Tatumstände indes nicht.

8

b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur [X.], Urteil vom 19. März 2013 - 1 [X.], [X.], 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den [X.] abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB). [X.] er dagegen den Eintritt des [X.]s für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den [X.] freiwillig durch [X.] verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993 - [X.], [X.]St 39, 221, 227 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen die entsprechende Vorstellung des [X.] von seiner Tat nicht entnehmen, so hält das Urteil regelmäßig sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch nicht ermöglicht (s. etwa [X.], Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 [X.], [X.], 507, 509 mwN).

9

So liegt es hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein freiwilliger Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausgeschlossen. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich der Angeklagte von der Entwicklung der Vorgänge im [X.] machte, als er die Stromzufuhr zur Kochplatte unterbrach, insbesondere ob er davon ausging, die Prospekte und Zeitschriften seien bereits in Brand geraten, würden die Gasflasche bis zur Explosion erhitzen oder das Feuer werde auch unabhängig hiervon auf das Wohnhaus übergreifen. Sollte seine Vorstellung gewesen sein, dass sich das Papier noch nicht entzündet hatte und auch nicht mehr entzünden werde, läge ein unbeendeter Versuch vor, von dem er durch das Abschalten des Stromes zurückgetreten wäre. Dass im [X.] tatsächlich bereits ein Feuer ausgebrochen war, würde hieran nichts ändern. Da das Urteil - wie bereits dargelegt - sich auch nicht dazu verhält, ob in dem Moment, als der Angeklagte den Strom wieder ausschaltete, das Feuer bereits entdeckt, gegebenenfalls bereits die Feuerwehr vor Ort war und der Angeklagte dies auch bemerkt hatte, schließen die bisherigen Feststellungen auch die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht aus.

3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Becker                             Hubert                              Schäfer

                   Mayer                             Spaniol

Meta

3 StR 458/14

27.11.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 17. Juni 2014, Az: 39 Ks 5/14

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 S 1 StGB, § 24 Abs 1 S 2 StGB, § 211 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.11.2014, Az. 3 StR 458/14 (REWIS RS 2014, 946)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 946

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Rücktritt vom Versuch eines Tötungsdelikts: Korrektur des Rücktrittshorizonts; Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch


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