Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2014, Az. 3 StR 458/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 897

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/14
vom
27. November 2014
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 27.
November 2014 gemäß §
349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 17.
Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge sowie (mit) versuchter Brandstiftung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von [X.] verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Auf die Verfah-rensrüge kommt es nicht an, denn das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwer-de Erfolg.
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben. Das [X.] hat nicht ge-prüft und erörtert, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch zurückgetre-ten ist (§
24 Abs. 1 StGB), obwohl dies rechtlich geboten war.
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1. Nach den Feststellungen des [X.] entschloss sich der [X.] in den frühen Morgenstunden des [X.], spätestens gegen fünf Uhr, zum Selbstmord durch Herbeiführen einer Explosion, durch die das gesamte Mehrfamilienhaus, in dessen ersten Obergeschoss er wohnte und das acht-zehn Wohneinheiten umfasste, zum Einsturz gebracht und zerstört werden soll-te. Zu diesem Zweck verband er innerhalb der folgenden circa 30 Minuten in seinem, zwei Geschosse unterhalb seiner Wohnung gelegenen [X.]raum ei-ne
dort auf dem Boden stehende elektrische Camping-Kochplatte mit einer im [X.]raum montierten Steckdose, die von seinem Schlafzimmer aus schaltbar war. Auf die Kochplatte legte er einen Stapel mit Prospekten und Zeitschriften und übergoss diesen mit Benzin. Unmittelbar neben die Kochplatte legte er ei-nen mit einem Butan/[X.] gefüllten Behälter, der nach seiner Vorstellung durch das nach Einschalten der Kochplatte entstehende Feuer so stark erhitzt werden sollte, dass es in der Folge zu einer Gasexplosion kommt.
Nachdem der Angeklagte den Schalter in seinem Schlafzimmer betätigt hatte, erhitzte sich die Kochplatte, so dass sich das darauf gestapelte Papier entzündete und der [X.] erwärmt wurde. Infolge des [X.] entwickelte sich im [X.] des Angeklagten [X.], so dass ein seine Wohnung verlassender Mieter im Treppenhaus Rauchgeruch wahrnahm und einen im Erdgeschoss des Hauses wohnenden Mitbewohner über ein mögli-ches Feuer informierte sowie umgehend die Feuerwehr rief. Der alarmierte [X.] klingelte sodann bei "sämtlichen Hausbewohnern, um diese zum Verlassen des Hauses aufzufordern". Die etwa 30 Minuten nach Bemerken des Rauchgeruches eintreffende Feuerwehr brach das sich an der [X.]tür des Angeklagten befindliche Vorhängeschloss auf und löschte das auf der [X.] liegende, glimmende Papier sowie eine kleine offene Flamme, die auf der anderen Seite des [X.]raumes entstanden war. Der in den [X.]raum vorge-3
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drungene Feuerwehrmann trennte sodann die Kochplatte von
der Steckdose durch Herausziehen des Steckers. Eine nach dem Löschen durchgeführte Messung mittels einer Wärmebildkamera ergab eine Temperatur des [X.] von etwa 180 Grad Celsius sowie eine Außentemperatur des -
nahezu [X.] gefüllten -
Gasbehälters von etwa 85 Grad Celsius. Zum Zeitpunkt des [X.] befanden sich neben dem Angeklagten noch 13 andere Personen in dem Haus. Nach der Verhaftung des Angeklagten war der Schalter im [X.] (wieder) ausgeschaltet und in dieser Stellung mit ei-nem Klebeband fixiert.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das [X.] prüfen und erörtern müssen, ob der Angeklagte strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten ist; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeende-ten Versuch der Tat zurückgetreten ist.
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte [X.] nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs-
und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur [X.], Urteile vom 30. November 1995
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5 [X.], [X.]St 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 -
2 StR 278/09,
NStZ 2010, 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des [X.] ist auch dann maßgeb-lich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. [X.], Beschluss vom 24. November 2004 -
5 [X.], [X.], 70, 71).

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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlage-nen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des [X.] ergibt sich auch aus ihrem Gesamtzusammenhang nicht, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Stromzufuhr zu der Kochplatte wieder abstellte und den Schalter überklebte, der [X.] aufgrund der Entdeckung
des Feuers und des Eingreifens der Feuerwehr nicht mehr eintreten konnte und der [X.] dies erkannt hatte. Das [X.] führt im Rahmen der rechtlichen Würdigung lediglich aus, dass die Vollendung der Tat "allein durch die Alarmie-rung und das Eingreifen der Feuerwehr verhindert" worden sei. Zu dem Zeit-punkt, in dem der Angeklagte die weitere Stromzufuhr zu der Kochplatte [X.], verhalten sich die Urteilsgründe indes ebenso wenig wie zu der Frage, ob in diesem Moment das Feuer bereits entdeckt war, die Feuerwehr [X.] hatte und -
so dies der Fall war -
der Angeklagte sich dessen auch bewusst war. Zwar könnten die Feststellungen zur Temperatur der Kochplatte, der Entzündung der Prospekte und Zeitschriften sowie des Grades der Erhit-zung der Gasflasche beim Eintreffen der Feuerwehr dafür sprechen, dass die Stromzufuhr erst zu einem sehr späten Zeitpunkt unterbrochen wurde. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs genügt dies ohne nähere Prüfung und Erörterung der weiteren Tatumstände indes nicht.
b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letz-ten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur [X.], Urteil vom 19. März 2013 -
1 StR 647/12,
NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). [X.] liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstel-lung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den [X.] abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten
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(§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt.
1
StGB). [X.] er dagegen den Eintritt des [X.]s für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt
setzt dann voraus, dass der Täter den [X.] freiwillig durch [X.] verhindert (§
24 Abs. 1 Satz 1 Alt.
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StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Be-mühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993 -
GSSt 1/93, [X.]St 39, 221, 227
mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen die entsprechende Vor-stellung des [X.] von seiner Tat nicht entnehmen, so hält das Urteil regel-mäßig sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch nicht ermöglicht (s. etwa [X.], Urteil vom 12. Juni 2014 -
3 [X.], [X.], 507, 509
mwN).
So liegt es hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein frei-williger Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausge-schlossen. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich der Angeklagte von der Entwicklung der Vorgänge im [X.] machte, als er die Stromzufuhr zur Kochplatte unterbrach, insbesondere ob er davon ausging, die Prospekte und Zeitschriften seien bereits in Brand geraten, würden die [X.] bis zur Explosion erhitzen oder das Feuer werde auch unabhängig hiervon auf das Wohnhaus übergreifen. Sollte seine Vorstellung gewesen sein, dass sich das Papier noch nicht entzündet hatte und auch nicht mehr entzünden werde, läge ein unbeendeter Versuch vor, von dem er durch das Abschalten des Stromes zurückgetreten wäre. Dass im [X.] tatsächlich bereits ein Feuer ausgebrochen war, würde hieran nichts ändern. Da das Urteil -
wie bereits [X.] -
sich auch nicht dazu verhält, ob in dem Moment, als der Angeklagte den Strom wieder ausschaltete, das Feuer bereits entdeckt, gegebenenfalls bereits die Feuerwehr vor Ort war und der Angeklagte dies auch bemerkt hatte, 9
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schließen die bisherigen Feststellungen auch die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht aus.
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.

[X.]

Schäfer

Mayer Spaniol
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Meta

3 StR 458/14

27.11.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2014, Az. 3 StR 458/14 (REWIS RS 2014, 897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 897

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 458/14

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