Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2009, Az. XI ZB 6/09

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 535

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[X.] BESC[X.]LUSS [X.] vom 17. November 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 Über die Identifizierbarkeit des Verfassers einer [X.] ist aufgrund einer [X.]esamtwürdigung aller dem Berufungsgericht bei Ablauf der Begründungsfrist zur Verfügung stehenden Umstände zu entscheiden. [X.], Beschluss vom 17. November 2009 - [X.] - OL[X.] München

L[X.] München I - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] am 17. November 2009 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 30. Januar 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Der [X.]egenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 186.070,87 •. [X.]ründe: [X.] Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung eines [X.] zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung in Anspruch. Sein Prozessbevollmächtigter hat gegen das klageabweisende Urteil des Landge-richts fristgerecht Berufung eingelegt. Die [X.] ist am 1 - 3 - letzten Tag der mehrfach verlängerten Begründungsfrist um 16.38 Uhr mittels Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Im Briefkopf dieses Schriftsatzes werden die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte [X.]
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und [X.]. [X.].

aufge-führt. Am Ende des Schriftsatzes befindet sich die maschinenschriftliche [X.]: "[X.]Rechtsanwalt". Daneben ist der [X.]: "für den an der Unterschrift verhinderten Kollegen" angebracht. Darüber befindet sich ein Schriftzug, der aus einer mehrfach auf- und absteigenden Linie, einem darauf folgenden Punkt und einer anschließenden, ebenfalls auf- und absteigenden und dann w[X.]gerecht auslaufenden Linie besteht. Nach einem [X.]inweis des Berufungsgerichts, dass Bedenken gegen die ordnungsgemäße Unterzeich-nung der [X.] bestünden, weil der Unterzeichner nicht zweifelsfrei identifizierbar sei, hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Januar 2009 hat das [X.] den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückge-wiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde. 2 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. 3 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, § 575 ZPO). Eine Entscheidung des [X.] ist zur 4 - 4 - Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil die [X.] Entscheidung auf einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts des [X.] auf [X.]ewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 [X.][X.] i.V. mit dem Rechtsst[X.]tsprinzip) beruht (vgl. [X.] 154, 288, 296; 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat aus den im [X.] dargelegten [X.]ründen überspannte Anforderungen an die Unterschrift des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] unter der Berufungs-begründungsschrift gestellt. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 5 a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: 6 [X.] sei nicht frist- und formgemäß begründet worden, weil die innerhalb der Begründungsfrist eingegangene [X.] nicht ord-nungsgemäß unterzeichnet worden sei. Ihr Aussteller könne nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Da der Briefkopf der Prozessbevollmächtigten des [X.] sechs Rechtsanwälte aufführe, habe sich im Zeitpunkt des Ablaufs der Begrün-dungsfrist weder aus der [X.] selbst noch aus dem Akteninhalt ergeben, welcher Rechtsanwalt die [X.] unterzeichnet habe. Das auf der ersten Seite der Berufungsbegründung ange-führte Zeichen "–

" besage nichts über die Urheberschaft. Es sei schon nicht als Diktatzeichen erkennbar, sondern könne ebenso gut ein [X.] sein. Außerdem lege der am Ende des Schriftsatzes angebrachte Stempel "für den an der Unterschrift verhinderten Kollegen" es nahe, dass ein zuvor mit der Sache nicht befasster Rechtsanwalt den Schriftsatz nur vertre-tungsweise gezeichnet habe. 7 - 5 - 8 Aus dem Schriftzug über dem Stempel ergebe sich die Autorenschaft ebenfalls nicht. Der Buchstabe vor dem Punkt könne ein M, aber auch ein U oder N sein. Der Schriftzug nach dem Punkt scheine mit einem U zu beginnen. Ein [X.] scheine es eher nicht zu sein. Aber selbst in diesem Falle komme auch Rechtsanwältin [X.] als Urheberin in Betracht. Da die Autorenschaft völlig offen sei, komme es nicht darauf an, ob im Übrigen eine gewollte Namensabkürzung oder eine formgültige Unterschrift [X.]. Letzteres könne aber bejaht werden. 9 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, weil die Versäumung der Begründungsfrist auf einem dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten be-ruhe. Dieser hätte seine Autorenschaft durch einen Namensstempel unzweifel-haft offen legen können. Da die [X.] erst am letzten [X.] zum Dienstschluss eingereicht worden sei, sei ein gerichtlicher [X.]inweis auf die Mängel der Unterschrift vor Fristablauf nicht mehr möglich ge-wesen. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] könne sich nicht auf Vertrau-ensschutz berufen. Er habe kein Verfahren benannt, in dem in der [X.] eine derartige Berufungsbegründung ungerügt hingenommen worden sei. Im Übrigen mache er lediglich geltend, dass er bislang alle Schriftsätze so oder ähnlich wie die [X.] im vorliegenden Verfahren [X.] habe. Dies beziehe sich aber nicht darauf, dass er alle Schriftsätze anonym ohne Offenlegung seiner Autorenschaft unterschrieben habe. 10 b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht Stand. 11 - 6 - [X.]) Die Unterschrift ist allerdings gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO grundsätzlich [X.] einer [X.]. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermögli-chen ([X.], NJW 2007, 3117) und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu überneh-men und diesen bei [X.]ericht einzureichen ([X.], Beschluss vom 10. März 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 933, [X.]. 7; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 130 Rn. 29, jeweils m.w.[X.]). Eine Unterschrift setzt einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus, der indivi-duelle, charakteristische Merkmale, die die Nachahmung erschweren, aufweist, der sich, ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekenn-zeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbeson-dere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnli-cher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger [X.]ßstab anzulegen (Senat, Urteil vom 23. September 2008 - [X.] ZR 253/07, [X.], 2158, [X.]. 11 m.w.[X.]). 12 Die Prüfung, ob eine Unterzeichnung die an eine Unterschrift zu stellen-den Anforderungen erfüllt, hat der [X.] von Amts wegen ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts vorzunehmen ([X.], Urteil vom 24. Juli 2001 - [X.], [X.], 1866, 1867). Dabei ist zu berück-sichtigen, dass bei der Auslegung und Anwendung verfahrensrechtlicher Vor-schriften keine überspannten Anforderungen gestellt werden und der Zugang zu den in den [X.] eingeräumten Instanzen nicht in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf ([X.], NJW 2002, 3534). 14 bb) [X.]emessen hieran hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Identifizierbarkeit des Urhebers der [X.] über-spannt. Entgegen seiner Auffassung steht fest, dass dieser Schriftsatz von Rechtsanwalt [X.]. [X.]. unterschrieben worden ist. Aus dem unter der Unterschrift aufgebrachten [X.] "für den an der Unterschrift verhinderten Kollegen" geht, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, hervor, dass anstelle von Rechtsanwalt [X.]eine(r) der anderen fünf, im Briefkopf des Schriftsatzes genannten Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte unterschrieben hat. Für eine Unterzeichnung durch eine nicht der Sozietät angehörige Person oder eine Fälschung der Unterschrift fehlt jeder Anhaltspunkt. 15 Ob für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung die Feststellung ausreicht, dass die [X.] von einem von mehreren beim [X.] zugelassenen Rechtsanwälten unterzeichnet worden ist, ohne dass erkennbar ist, welcher dieser Rechtsanwälte unterschrieben hat (vgl. hier-zu [X.], Beschluss vom 22. November 2005 - [X.], [X.], 387, [X.]. 6 f.), bedarf keiner Entscheidung. Es kann nämlich mit ausreichender Si-cherheit davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt [X.]. [X.].

die [X.] unterschrieben hat. 16 Die über dem [X.] befindlichen Schriftzüge sollen, wie das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat, den Anfangsbuchsta-ben des Vornamens, einen Punkt und den Nachnamen darstellen. Der Nach-17 - 8 - name ist zwar nicht lesbar. Die auf- und abführende Linie, mit der dieser Teil des Schriftzuges beginnt, kann aber jedenfalls kein L und kein [X.] sein, so dass von den Namen der sechs, im Briefkopf des Schriftsatzes genannten Rechts-anwälte nur der Nachname [X.]. in Betracht kommt. Die den Anfangs-buchstaben des Vornamens darstellende Linie führt zweimal auf- und jeweils anschließend abwärts. Dass der Ab- und Aufstrich in der Mitte deutlich kürzer als die außenstehenden Auf- bzw. Abstriche ist, zeigt mit hinreichender Deut-lichkeit, dass es sich um ein M handelt. [X.]inzu kommt, dass die auf der ersten Seite der Berufungsbegründung unter dem Datum angegebenen Buchstaben KK-M[X.] nur den Rechtsanwälten [X.]

und [X.]. [X.].

zugeord-net werden können. Aufgrund der gebotenen [X.]esamtwürdigung dieses [X.] und des Schriftzuges über dem [X.] am Ende des Schrift-satzes konnte im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass Rechtsanwalt [X.]. [X.].

die [X.] unterschrieben hat. Da auch die übrigen Anforderungen an eine wirksame Unterschrift, wie das Berufungsgericht zu Recht nicht in Zweifel zieht, erfüllt sind, ist die Beru-fung frist- und ordnungsgemäß begründet worden und somit zulässig. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist daher nicht zu entscheiden. 18 - 9 - II[X.] 19 Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
[X.] [X.]

[X.] [X.]tthias Vorinstanzen: L[X.] München I, Entscheidung vom 03.07.2008 - 22 O 23033/07 - OL[X.] München, Entscheidung vom 30.01.2009 - 19 U 4014/08 -

Meta

XI ZB 6/09

17.11.2009

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2009, Az. XI ZB 6/09 (REWIS RS 2009, 535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 535

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